Das Geständnis (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Einleitung

Dieser Artikel behandelt das Liebesgeständnis von Tristan und Isolde, erklärt, wie es dazu kam und zeigt, wie sich Tristan und Isolde nach ihrem Geständnis verhalten und mit ihrer verbotenen Liebe umgehen.

Verzauberung durch den Minnetrank

Die Minnetrankszene bestimmt das künftige Schicksal von Tristan und Isolde. Denn in dieser Szene nehmen beide durch einen Irrtum den Liebestrank zu sich, der sie durch eine leidenschaftliche Liebe aneinander bindet. Die heilkundige Königin Isolde von Irland braut den Liebestrank und vertraut ihn Brangäne an, damit sie den Trank Marke und Isolde gibt. Sie sollen sich durch den Minnetrank ineinander verlieben. Obwohl Königin Isolde die Vertraute ihrer Tochter Isolde, Brangäne, eindringlich davor warnt, den Trank niemandem bis auf Marke und Isolde in deren Hochzeitsnacht zu geben, wird Brangäne unaufmerksam. Bei der Überfahrt von Irland nach Cornwall sind einige Hofdamen die Reisebeschwerlichkeiten nicht gewohnt. Und so ordnet Tristan eine Ruhepause mit einem kurzen Aufenthalt an Land an. Einige Hofdamen wie auch Brangäne verlassen dabei das Schiff. Eine Dienerin Isoldes verwechselt den Minnetrank fälschlicherweise mit Wein und reicht ihn Tristan, als der nach einer Erfrischung verlangt. Das führt dazu, dass sich das ereignet, was sich auf alle Beteiligten am ungünstigsten auswirkt - Tristan und Isolde verlieben sich ineinander. Sie können sich gegen diese Liebe auch nicht wehren, denn der Minnetrank ist so wirksam, dass


mit sweme sîn ieman getranc,
den muose er âne sînen danc
vor allen dingen meinen
und er dâ wider in einen.
(V. 11439-11442)

(dass jeder, der davon mit jemand anders trank,/diesen, ob er selbst nun wollte oder nicht,/mehr als alles andere lieben mußte /und der andere wiederum ihn allein.)

Wo Isolde Tristan vor kurzem noch sagt, dass sie ihn hasst und töten will, weil er ihren Onkel Morold getötet hat („diz swert daz muoz sîn ende wesen! / [...] / gelît er von dem swerte tôt / dâ mite er dînen oeheim sluoc, / sô ist der râche genuoc!“ (V. 10138-10142)(Dieses Schwert wird sein Ende sein./ Schnell jetzt, räche dich für deinen Schmerz, Isolde!/ Wenn er durch dasselbe Schwert umkommt,/ mit dem er deinen Onkel erschlug,/ dann ist das die richtige Rache.)) und Tristan Isolde zwar bewundert, aber ihr nur als Gefolgsmann in einem Dienstverhältnis begegnet, verfallen die beiden einander jetzt in immerwährender Liebe.

Tristan und Isolde gestehen ihre Liebe

Als Isolde und Tristan den Trank genommen haben, verspüren beide die unglaublich große Liebe zueinander, aber gestehen sie nicht und verbergen sie voreinander. Sie schämen sich beide.

si haeten beide ein herze.
ir swaere was sîn smerze,
sîn smerze was ir swaere.
si wâren beide einbaere
an liebe unde an leide
und hâlen sich doch beide,
und tete daz zwîvel unde scham.
(V. 11727-11733)

(Sie hatten beide nur noch ein Herz./ Ihr Kummer war sein Schmerz,/ sein Schmerz ihr Kummer./ Sie waren beide eine Einheit/ an Liebe und Leid/ und verbargen sich trotzdem voreinander;/ und das taten Zweifel und Scham.)

Tristan schämt sich, weil er an seine Treuepflicht seinem Onkel Marke gegenüber und seiner Ehrenhaftigkeit gedenkt (Tristan dô er der minne enpfand/ er gedâhte sâ zehant/ der triuwen unde der êren/ und wolte dannen kêren.(V. 11741-11744) (Als Tristan die Liebe verspürte,/ erinnerte er sich sofort/ seiner Treuepflicht und seiner Ehrenhaftigkeit/ und wollte sich abwenden)). Genauso geht es auch Isolde (Alsam geschach Îsôte (V. 11789) (Ebenso erging es Isolde)). Doch sie können sich nicht von ihrer Liebe befreien und betrachten einander, wann immer sie es können (ir dewederez enmahte/ gehaben rouwe noch gemach,/ wan sô ez daz andere sach. (V. 11894-11896) (Keiner von ihnen konnte/ Ruhe oder Entspannung finden,/außer wenn sie einander sahen.)). Isolde sucht das Gespräch mit Tristan. Dabei wird sie sogar mutig und lehnt sich an Tristan an (si stiurte unde leinde sich/ mit ir ellebogen an in. (V. 11970-11971) (Sie stützte und lehnte sich/ mit ihren Ellenbogen an ihn.)). Tristan fragt sie, was sie bekümmert, worauf sie antwortet: Lameir (V. 11986). Da lameir viele Bedeutungen haben kann, wie z. B. bitter, Meer oder Liebe, fragt Tristan Isolde, ob sie die Bitternis und das Meer bedrücken würden. Sie verneint allerdings und nennt erneut lameir. Tristan begreift nun das indirekte Liebesgeständnis Isoldes, worauf beide einander jetzt offen ihre Liebe gestehen. (in al der werlde enist mir niht/ in mînem herzen liep wan ir.<</ Îsôt sprach: >>hêrre, als sît ir mir.<< (V. 12026-12028) (Nichts auf der Welt/ liebe ich so innig wie Euch.<</ Isolde sagte:>>Herr, genauso geht es mir mit Euch.<<)).

Verhalten nach dem Geständnis

Darauf beginnen sie heimlich einander zu küssen und sich im Geheimen wann immer es geht zu treffen. Sie sind einander nicht mehr fremd. er kuste sî und sî kust in/ lieplîchen unde suoze. (V. 12038-12039). (Er küßte sie und sie ihn/ liebevoll und zärtlich.) sô sî die state gewunnen ie,/ sô gie der wehsel under in/ slîchende her unde hin (V.12044-12046) (Wann immer sie Gelegenheit fanden,/ ging es so zwischen ihnen/ heimlich hin und her,). Beide sind so sehr mit der gegenseitigen Liebe beschäftigt, dass sie darüberhinaus sogar das Essen vernachlässigen und Brangäne befürchtet, es könne der Tod der beiden sein (sin genâmen ni vor trahte war/ dekeiner slahte lîpnar,/ biz sî der mangel und daz leit/ an dem lîbe als überstreit,/ daz es Brangaenen angest nam/ und in die vorhte dâ von kam,/ ez waere ir beider ende, (V.12069-12075) (Sie waren so in Gedanken versunken,/ daß sie keine Speisen wahrnahmen,/ bis Auszehrung und Kummer/ ihre Körper so sehr überwältigte,/ daß Brangäne darüber in große Angst geriet/ und befürchtete,/ es könnte ihrer beider Ende sein.). Brangäne schwört Tristan und Isolde nun Stillschweigen und immer nach dem Wohl der beiden zu handeln, bittet sie aber ihr zu berichten, warum sie sich so seltsam zueinander verhalten würden. Isolde und Tristan gestehen Brangäne nun alles, was sich bis jetzt zwischen beiden zugetragen hat und wie sie füreinander fühlen. Beide genießen die Zeit miteinander, haben aber auch Angst um ihre Zukunft, denn Isolde ist nun keine Jungfrau mehr. Da sie in der Hochzeitsnacht mit Marke schlafen muss, wäre es fatal, wenn dieser herausfände, dass Isolde ihre Jungfräulichkeit bereits verloren hat. Isolde hat allerdings die Idee, da Brangäne noch Jungfrau ist, sie darum zu bitten, sich in der Hochzeitsnacht zu Marke zu legen. Nach anfänglichem Zögern willigt Brangäne schließlich ein, da sie es auch war, die durch ihre Unaufmerksamkeit die unabänderbare Liebe zwischen Tristan und Isolde verschuldet hat. Weil Brangäne, wie auch Isolde, sehr schön ist, geht der Plan auf. Marke verehrt Isolde weiterhin und Tristan und Isolde können sich vorerst weiter heimlich sehen. Doch sie können ihre Liebe nicht auf ewig vor Marke und seinen Gefolgsleuten verbergen. Durch Intriganten, wie Melot oder Marjodo geraten sie häufig in Verdacht. Sie müssen sich oft rechtfertigen, um nicht bestraft zu werden, einmal sogar vor einem Gottesgericht. So beginnt ein Hin und Her - und doch sterben beide am Ende der Geschichte wegen der Unvereinbarkeit ihrer Liebe mit gesellschaftlichen Moralvorstellungen und Konventionen und dem daraus hervorgehenden Leid.

Fazit

Trotz vieler listiger Versuche gelingt es Tristan und Isolde und ihren Helfern nicht, ihre geheime verzehrende Liebe auf immer geheim zu halten. Zu hoch ist das Konfliktpotenzial der Geschichte der beiden. Das Isolde mit Tristans Onkel Marke verheiratet ist, ist zum einen von Vorteil, da sich beide so näher sind, birgt aber auch umso stärker die Gefahr unvorsichtig zu werden und entdeckt zu werden. Tristan und Isolde müssen sich aber auch eingestehen, dass sie, wenn sie sich nicht sehen können, schlimme Qualen leiden. Sie können sich also weder nah noch fern sein. Das Geständnis der beiden ist für sie sowohl erleichternd als auch belastend. Sie teilen seitdem aktiv ihre Liebe miteinander, müssen aber bald einsehen, dass dieser Weg unwiderruflich auf das Ende der beiden zusteuert.

Literatur

  • Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).