Die Bedeutung des Abenteuers (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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In diesem Artikel soll die Bedeutung des Abenteuers näher betrachtet werden, da sowohl Gahmuret, als auch Parzival in der Ferne das Abenteuer suchen und hierfür geliebte Menschen zurück lassen. Diese Abschiede haben meist schlimme Auswirkungen. Nicht nur Jammer, Verzweiflung, Trauer und selbst Tod resultieren aus dem Verlassenwerden, sondern im Falle Herzeloydes führt der Verlust ihres geliebten Ehemanns zu einem Traumata, welches sie schließlich dazu bewegt, ihren Sohn Parzival isoliert von der Gesellschaft in der Einöde Soltanes großzuziehen, um zu verhindern, dass auch er sich für das Abenteuer entscheidet.

Gahmuret und das Abenteuer

Gahmuret und seine Familie

Gahmurets Vater stirbt, woraufhin sein älterer Bruder Galoes gemäß der in Anschouwe herrschenden Primogenitur alles erbt und die Herrschaft übernimmt. Dieser möchte jedoch auch Gahmuret daran Anteil geben. Gahmuret allerdings möchte seinen Bruder und seine trauernde Mutter zurücklassen, um auf Ritterfahrt zu gehen.


ich war durch mîne werdekeit Ehre zieht mich fort,
nâh ritterschaft in fremdiu lant. zu Rittertaten reise ich in fremde Länder.

(11,6-7)

Der erste Part zeigt also schon auf, dass Gahmuret geliebte Menschen verlässt, um Ruhm und Ehre in Ritterfahrten zu erlangen. Weder eine Rückkehr in seine Heimat, noch ein Wiedersehen mit seiner zurückgelassenen Familie finden statt.

muoter, bruoder, noch des lant Die Mutter und den Bruder mitsamt seinem Land
sîn ouge nimmer mêr erkôs; sag sein Auge niemals wieder.

Gahmuret und Belacane

Gahmuret ist mit der dunkelhäutigen Königin Belacane verheiratet, die er im Orient im Kampf vor Patelamunt gerettet hat. Doch während der Ehe mit Belacane wird er unglücklich. Sie ist bereits schwanger, als Gahmuret eines Tages bemerkt, dass es für ihn in seinem jetzigen Land keine Ritterschaften mehr gibt.

Daz er niht rîterschafte vant, Es gab hier keine ritterlichen Abenteuer mehr für
des was sîn freude sorgen phant. ihn, deshalb hatten Unzufriedenheit und
Trauer die Hand auf sein Glück gelegt.

(54,19-20)


So beschließt er, eines Nachts unauffällig und heimlich abzuhauen und seine Frau zurück zu lassen, da er sich auf die Suche nach neuen ritterlichen Abenteuern begeben möchte. In seinem Abschiedsbrief lügt er Belacane hierfür an, denn er zeigt ihr auf, dass die Unstimmigkeit ihrer Religionen ein Hindernis für ihn darstellt und er somit von ihr gehen muss. Allerdings gibt er ihr die Hoffnung, dass eine Rückkehr möglich sei, wenn sie sich doch taufen lassen würde. Wie er jedoch später abermals deutlich werden lässt, musste er sich, aufgrund Belacanes Unterdrückung seines Bestrebens nach Rittertum, fortstehlen - ein Bezug zur Religion wird nicht mehr hergestellt. Trotz der Kenntnis über das ungeborene Kind ist sein Verlangen nach Ritterfahrt so stark, dass er durch das Aufbrechen zu neuen ritterlichen Abenteuern die Geburt seines ersten Sohnes Feirefîz verpasst. Dies hat zur Folge, dass er ihn im Folgenden auch nicht mehr kennen lernt, bzw. gibt es auch für Feirefîz keine Möglichkeit mehr, seinen Vater kennen zu lernen. Belacane steht lange Zeit unter Trauer. Sie kann damit nicht leben, dass Gahmuret sie verlassen hat. Wie später durch Feirefiz erfahren wird, ist sie aufgrund der starken Liebe zu Gahmuret, die sie in einsame Traurigkeit gebracht hat, verstorben.


Gahmuret und Herzeloyde

Schon bald trifft Gahmuret auf seiner Ritterfahrt auf die Königin Herzeloyde. Auch diese nimmt er zur Frau, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass er sein Recht auf Ritterschaft behalten darf und ihm weiterhin die Möglichkeit gewährt wird, auf Turniere fortreiten zu können. Er möchte nicht wieder unter der Unterdrückung einer Frau leiden. Diese garantiert ihm seinen Wunsch und lässt ihm diese Freiheit. So lässt sie ihn in die Ferne ziehen und sein Streben nach Ruhm und Ehre durch das Rittertum weiterhin ausleben. Eines Tages jedoch, als auch sie schon mit ihrem gemeinsamen Kind schwanger ist, erhält sie die Nachricht, dass Gahmuret auf Ritterfahrt zu Tode gekommen ist. Großer Jammer und Trauer breiten sich aus. So fasst Herzeloyde, als Parzival geboren wird, den Entschluss, ihn isoliert in einem Wald ohne das Wesen des Rittertums zu erziehen. Ihm wird somit dieses Wissen vorenthalten, was letztendlich mitunter zu seiner tumpheit führt. Aus Sorge um Parzival möchte sie somit verhindern, dass auch er den Drang nach Ritterfahrten entwickeln wird. Sie möchte ihn vor dem selben Schicksal wie sein Vater bewahren, aber letztendlich oder sogar vorallem auch verhindern, dass sie erneut einen Verlust wie den Gahmurets durchleben muss.

Parzival und das Abenteuer

Parzival und seine Mutter Herzeloyde

Parzival wächst ohne das Wissen über Ritterschaft in Soltane auf und ist, durch die Erziehung Herzeloydes, mit tumpheit gezeichnet. Eines Tages trifft er jedoch auf Ritter und erfährt letztendlich so doch vom Ritterwesen - auch wenn er die Ritter aufgrund ihrer prächtigen Rüstungen erst für Götter hält. Durch diese Begegenung ändert sich sein Leben, denn er beschließt ebenfalls Ritter zu werden. Um zum Ritter werden zu können, macht er sich auf den Weg zu Artûs. Somit verlässt er schon bald seine Mutter, die, als er wegreitet, tot auf die Erde fällt.


dô si ir sun niht langer sach [(…)] Als sie ihren Sohn nicht mehr sah, […]
dô viel diu frouwe valsches laz da also fiel die Dame , die sich niemals hergab
ûf die erde.“ zu untreuen Dingen, zur Erde nieder.

128,18-21


Parzival bemerkt dies jedoch nicht und erfährt erst später durch Trevrizent, dass sie aufgrund seines Abschieds gestorben ist. Er zeigt ihm auf, dass er somit große Sünde in sich trägt.

ir grôziu triwe daz geriet, So sehr treu war sie in ihrer Liebe:
din vartsi vome leben schiet, die Trennung von dir, als du zuletzt fortgingst,
die du jungestvon ir tæte. schied sie vom Leben.

499,23-25

Parzival und Condwiramurs

Parzival entschließt sich eines Tages, seine Ehefrau Condwiramurs zu verlassen, um nach seiner Mutter zu schauen, da er nicht weiß, wie es ihr geht. Allerdings ist hierbei eine weitere Intention, sich auf Abenteuerfahrt zu begeben. Jedoch hilft ihm die Liebe zu Condwirarmus, diesen Weg zu bestehen.

ob ihr gebietet, frouwe, Wenn ihr befehlt meine Dame, nehme
mit urloube ich schouwe ich Abschied; ich will schauen, wie es
wiez umbe mîne muoter stê.“ meiner Mutter geht.

223,17-19

dar will ich zeiner kurzen stunt, Da will ich hin zu einem kurzen Besuch
und ouch durch âventiure zil. und auch um Abenteuer zu bestehen.

223,22-23


Fazit

Schon am Anfang des Parzivals wird deutlich, welch große Bedeutung dem Abenteuer zugeschrieben wird. Mehrmals verlässt Gahmuret geliebte Menschen, um nach Ruhm und Ehre im Ritterwesen zu streben. Das Fernweh, Rastlosigkeit und die Sehnsucht nach Abenteuer treiben ihn immer wieder fort. Auf Abenteurfahrt zu gehen ist für ihn das Wichtigste im Leben, denn er kehrt weder einmal zu seiner Familie zurück, noch möchte er die Geburt seines Sohnes erleben. Er stellt alles über die Ritterfahrt, bis er eines Tage im Orient in einem Kampf getötet wird. Auch sein Sohn Parzival trägt diese Sehnsucht in sich, was dazu führt, dass auch er mehrmals geliebte Menschen verlässt. Anfangs verfolgt er das Ziel, ein guter Ritter zu werden, später sucht auch er Gründe, um auf Ritterfahrt gehen zu können. Letztendlich gibt ihm die Liebe zu Condwiramurs die Kraft und den Segen, wieder heil nach Hause zu kommen.

Anmerkungen

[1]

  1. alle angegebenen Versangaben beziehen sich auf folgende Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Text und Übersetzung. Studienausgabe. 2. Auflage. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Walter de Gruyter, Berlin/New York 2003