Abschiede in Wolfram von Eschenbachs "Parzival"

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

In der Parzival-Dichtung gibt es einige Abschiede. Manche sind heimlich, andere für immer. Dieser Artikel soll die wichtigsten Abschiede im Parzival aufzeigen und die Bedeutung (für die ganze Dichtung) klären.

Gahmuret

Abschiedsbrief

Gahmurets Abschiedsbrief hat in der Handlung zwei Funktionen. Einerseits soll er Belacane wegen seines Weggangs trösten und eine Erklärung liefern, andererseits aber zeigt er die Verwandtschaftsbeziehungen und Herkunft Parzivals und dessen Halbbruders Feirefiz auf. So werden die Leser schon sehr früh über die väterliche Seite Parzivals und deren Zugehörigkeit zum Artushof informiert. Gahmurets Abschiedsbrief zeugt nicht gerade von einem ehrenhaften Weggang. Denn seine Begründung, Belacane zu verlassen, weil sie eine Heidin ist, ist nur ein schwaches Argument. Immerhin wäre sie für ihn jederzeit zur Christin geworden.[1]

Tod

Auch der Tod eines Menschen bedeutet Abschied. Dieser Abschied währt für immer und ist unwiderruflich. Gahmuret starb im Kampfe und ließ seine zweite Frau und seinen ungeborenen Sohn zurück. Dieser endgültige Abschied trifft vor allem Herzeloyde, Gahmurets zweite Frau.

Gahmuret selbst wird durch seinen Tod ehrenhaft aus der Dichtung verabschiedet, denn er stirbt als Ritter im Kampf, den er nur verlieren konnte, da er in eine List geraten war. Nur so konnte Eschenbach den "Unbezwingbaren ohne Ehrverlust [...] sterben lassen"[2]. Hinzu kommt, dass er das Hemd seiner Frau Herzeloyde bis zu Letzt trug. (106,10 ff.) Dies kann als eine Art der Treue ihr gegenüber gewertet werden. Somit wird er als heldenhafter Ritter und treuer Ehemann entlassen.[3]

Herzeloyde

Herzeloyde erlebt Abschiede, die sie nicht beeinflussen kann sehr intensiv. Als ihr Mann - Gahmuret - starb, konnte sie sich nur an das ungeborene Kind klammern, um einen Lebenssinn zu empfinden. Durch Parzival, "die werden fruht von Gahmurete"[4] (110,15), kann sie ihre Trauer überwinden. Vorbeugend, solch einen Kummer nicht noch einmal erleben zu müssen, entscheidet Herzeloyde bewusst, sich in den Wald von Soltane zurückzuziehen und dort ihren Sohn abgeschirmt großzuziehen. Dadurch verabschiedet sie sich von ihrem höfischen Leben und ihrem Stand in der Gesellschaft. Die Verabschiedung ihres höfischen Lebens, die sie selbst so gewählt hat, verkraftet Herzeloyde scheinbar gut. Im späteren Verlauf der Handlung wird sie von ihrem Sohn dennoch verlassen, da dieser in die Welt hinausziehen möchte um Ritter zu werden. Somit ist ihre Prävention nicht aufgegangen. Noch einmal erträgt Herzeloyde solches Leid, wie sie es bereits beim Tod ihres Gatten erlebte, nicht. Beim Fortgang ihres Sohnes war der Abschied zu schmerzvoll. Sie stirbt, als Parzival fortreitet. Betrachtet man Herzeloydes Traum, den sie vor der Geburt ihres Sohnes hatte, können Parallelen zu Parzival und seinem Handeln erkannt werden. Denn im Traum fliegt der Drache weg und es zerreißt ihr das Herz.

Auch Herzeloyde scheidet, genau wie Gahmuret, mit dem Tod aus der Dichtung aus. Den Schmerz über den Aufbruch Parzivals aus Soltane kann sie nicht ertragen und stirbt. (128,20 - 128,23)

Parzival

Weggang aus Soltane

Parzival wächst total isoliert in Soltane auf. Der erste Kontakt mit der "Außenwelt" lässt ihn so neugierig werden, dass ihm nichts wichtiger erscheint. Seine Gedanken kreisen um die Abenteuer, vor allem aber um die Ritter. Die Abenteuerlustigkeit hat er wohl von seinem Vater geerbt. Parzival selbst reitet davon ohne sich nochmals umzusehen. Das seine Mutter stirbt, quasi durch ihn, haftet als "große Sünde" (499,20) an Parzival.[5]

Artushof

Als Parzival am Artushof Ritter werden will, möchte König Artûs bis zum nächsten Morgen warten, um Parzival eine richtige Rüstung zu bieten. Dieser jedoch möchte unbedingt die Rüstung von Ither. Die Ritter wollen, dass Parzival gegen Ither kämpft. Artûs jedoch zögert, da er glaubt, Parzival hätte kaum eine Chance. (150,3 - 150,30) Parzival reitet nun ganz allein zu Ither in den Kampf. Dieser erste Abschied vom Artûshof hat sündhafte Folgen, von denen Parzival aber erst durch Trevrizent in Buch IX. erfährt. (siehe dazu auch den Artikel zu Trevrizent)

Bei seinem zweiten Besuch am Artushof wird Parzival in die Tafelrunde aufgenommen. (309,10 ff.) Dies ist der Höhepunkt der ritterlichen Karriere, dennoch hat Parzival ein ganz anderes Ziel, nämlich die Gralssuche, womit er aus der Tafelrunde austritt und sich als Einzelkämpfer auf den Weg macht.[6]

Munsalvesche

In der Nacht bevor Parzival Munsalvesche verlässt, wird er von schlechten Träumen heimgesucht.[7] Am nächsten Morgen ist Parzival allein. Er muss sich die Rüstung selbst anlegen und keiner kümmert sich um ihn. Parzivals Abschied aus Munsalvesche in Buch V war somit genauso unerfreulich wie bereits sein Empfang. Als er von der leeren Burg über die Zugbrücke reitet, um den Spuren der Gralsritter zu folgen, wird ihm ein Fluch hinterhergerufen (247,26 ff.):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
"ir sult varen der sunnen haz" "Fort mit Euch, die Sonne soll mit Haß auf Eure Wege scheinen!"
sprach der knappe. "ir sît ein gans. sprach dieser Knappe. "Ihr seit eine Gans!
mögt ir gerüeret hân den flans, Hättet Ihr doch nur den Schnabel bewegt
und het den wirt gevrâget! und Euern Wirt gefragt!
vil prîss iuch hât betrâget" Viel Ehre habt Ihr in stumpfer Trägheit versäumt."

Ab diesem Zeitpunkt macht er sich zur Aufgabe, das Versäumnis des Fragens[8] wiedergutzumachen. Bei diesem Abschied meldet sich der Erzähler zu Wort und nimmt Parzival schon "im Voraus gegen die Verurteilungen in Schutz."[9] Denn was Parzival noch nicht weiß, er wird sich im späteren Handlungsverlauf Sigunes, Trevrizents und Cundries Vorwürfen stellen müssen.

Helden der Dichtung

Der Parzivalhandlung gehen zwei Bücher voraus, welche die Geschichte Gahmurets, also Parzivals Vaters, erzählen. Dieser wird dann, wie oben beschrieben, durch den Tod aus der Dichtung entlassen. Daraufhin wird Parzival, der neue und eigentliche Held geboren. Wolfram von Eschenbach hat folgenden Handlungsablauf gewählt[10]:

"Parzival I - Gawan I - Parzival II - Gawan II"

Beim Wechsel der Handlungsträger ist auch jeweils eine Buchgrenze eingebaut. Somit sind klare Strukturen der handelnden Helden aufgezeigt. Die jeweiligen Abschiede aus den Büchern sind immer geschickt eingeleitet. In Buch XIII dadurch, dass Parzival wieder in die Geschichte einreitet. Damit ist für den Leser klar, dass das Augenmerk nun auf ihm und nicht mehr auf Gawan liegt.

Fazit/Deutung

Die Abschiede bei Wolfram von Eschenbachs Parzival sind von unterschiedlicher Bedeutung und unterschiedlicher Art. Manche Abschiede währen für immer, durch den Tod, andere wiederum sind von kurzer Dauer, zum Beispiel durch den Heldenwechsel in den entsprechenden Büchern.

Dabei ist es wichtig, die Abschiede nicht nur auf Handlungsebene zu betrachten. Denn die einen haben einen wichtigen Aspekt für die Handlung und deren Verständnis, andere wiederum sind eher als eine Gliederung des Textes zu sehen. Diese geben auch dem Leser eine Übersicht, in welcher Geschichte er sich gerade befindet.

In einigen Fällen ist der Tod bestimmter Menschen nicht nur eine Verabschiedung aus der Dichtung, sondern bezieht sich auch direkt auf Parzival und des Leben. So zum Beispiel der Tod der Mutter und der Tod Ithers, durch die er Schuld auf sich lädt, aber auch der Tod Gahmurets, denn dadurch wächst er ohne Vater auf.

Literaturverzeichnis

Primärtext

  • Wolfram von Eschenbach: Parzival. Zweite Auflage. Berlin, New York 2003.

Sekundärtext

  • Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Achte Auflage. Stuttgart, Weimar 2004.
  • Hartmann, Heiko: Gahmuret und Herzeloyde. Kommentar zum zweiten Buch des Parzival. Wolfram von Eschenbach. Band II. Herne 2000.

Anmerkungen

  1. Bumke 2004: vgl. S. 48.
  2. Hartmann 2000: S.306.
  3. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Treue Gahmurets gegenüber seinen beiden Frauen Diskussionspotential bietet. Ungeachtet dessen wird Gahmuret als treuer Mann aus der Dichtung verabschiedet.
  4. Übersetzung: "die edle Frucht Gahmurets"
  5. siehe dazu auch den Artikel Sünden und Vergebung im Parzival
  6. Bumke 2004: vgl. S. 156.
  7. Laut des Erzählers seien Parzivals Träume das Gegenstück zu Herzeloydes Traum. So wie ihr Traum ist auch Parzivals Traum vorausblickend - prophetisch.
  8. vgl. auch Parzivals Faux Pas auf der Gralsburg
  9. Bumke 2004: S. 69
  10. Bumke 2004: S.194.