Die Inszenierung des Spotts in Neidharts Sommerliedern

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Im Rahmen dieses Artikels soll die Frage beantwortet werden, wie der Spott in Neidharts Sommerliedern inszeniert wird und welche Funktion er innerhalb der Diegese hat. Die Winterlieder werden aufgrund des Umfangs des Artikels ausgeklammert.
Hierzu soll zunächst der Spottbegriff mithilfe des Aufsatzes Neidhart als Spötter – Spott bei Neidhart von Seraina Plotke definiert werden. Des Weiteren soll anhand ihres Beispiels, Sommerlied 18, gezeigt werden, wie sie die Inszenierung des Spottes bei Neidhart beschreibt, um dies in einem nächsten Schritt auf das SL 18 detailliert anzuwenden und mithilfe einer sprachlichen, strukturellen und inhaltlichen Analyse zu erweitern.
Folglich soll mit dieser Analyse gezeigt werden, wer in dem Lied die Spottenden und wer die Verspotteten sind und wie sich diese Relation bei näherer Betrachtung der Aufführungssituation zeigt.
Die Themen, die anhand des SL 18 behandelt werden sollen, stehen aus Gründen der Übersichtlichkeit im zugehörigen Kapitel Spott in Neidharts Sommerliedern.

Spott bei Seraina Plotke

Seraina Plotke behandelt in ihrem Aufsatz Neidhart als Spötter – Spott bei Neidhart die Ebenen des Spottes in den Liedern Neidharts. Diese Ebenen sind zum einen die textinterne dialogische Handlungsdramatik und die narrativ-monologische Vortragsdramatik und zum anderen die externe Ebene der Aufführungssituation [Plotke 2010: 25-26].
Die Ebene der dialogischen Handlungsdramatik und die Ebene der Aufführungssituation sollen in diesem Kapitel anhand des SL 18 neben der Definition des Spottbegriffs Plotkes erklärt werden, da diese Ebenen für die Analyse der Sommerlieder relevant sind.
Aufgrund des Umfangs des Artikels wird die narrativ-monologische Vortragsdramatik nur kurz angeschnitten, da diese bei Neidharts Winterliedern auftritt, die hier ausgespart werden.

Definition des Spottbegriffs im Kontext einer szenischen Konstellation

Plotke beschreibt den Spott als einen Relationsbegriff, weil er immer eine spottende und eine verspottete Instanz voraussetzt. Ohne dieses Verhältnis kann es nach Plotke zu keinem Spott kommen, da er sich immer auf ein Objekt beziehen müsse. Dennoch hebt sie hervor, dass der Spott keinen Rezipienten außerhalb der genannten Relation braucht, weil er sich durch die Beziehung eines Subjekts zu einem Objekt konstituiert, indem der Spottende Merkmale und Eigenschaften des Verspotteten, die negativ konnotiert sind, hervorhebt. Somit beinhalte der Spott immer ein expositorisches Element, da die Merkmale und Eigenschaften präsentiert und artikuliert werden. [Plotke 2010: 23-24]
Diese Artikulation des Spottenden beinhaltet „eine scherzende oder scharf-verletzende Herabsetzung des verspotteten Objekts“[Plotke 2010: 23], was beispielsweise durch die verächtliche Nachahmung körperlicher Attribute seitens des Spottenden gezeigt werden kann. Darüber hinaus muss der Spottende nach Plotke beim Verweis auf ein Objekt mithilfe der Verwendung von Hyperbeln eine Distanz zu ihm aufbauen. Dies bedeutet, dass der Spottende „Eigenschaften übertrieben wiedergibt und karikiert und sich damit vom Nachgeahmten absetzt.“[Plotke 2010: 24]. [Plotke 2010: 24]
Diese Herabsetzung des verspotteten Objekts durch die negative Bewertung seiner Merkmale und Eigenschaften führe aber zu einer Selbsterhebung des Spottenden, wodurch er „riskiert, mitverächtlich zu werden, da die Gefahr groß ist, im Akt des Spottens und der Selbsterhebung ebenfalls mit den betreffenden Normen zu brechen.“[Plotke 2010: 24] Somit kann der Spottende selbst zu einem Objekt des Spottes werden. Folglich setzt sich der Spott nach Plotke aus der Darstellung des Spottobjekts und der Distanzierung zu ihm zusammen.[Plotke 2010: 24]
Aus diesem Grund ist Plotke der Meinung, dass Gattungen, die eine szenische Konstellation voraussetzen, für die Darstellung des Spottes geeignet sind. Hierzu gehöre der Minnesang, da er sowohl szenisches Potenzial als auch dramatische Elemente enthält, weil sich ein Sänger vor einem Publikum inszeniert und die Lieder Neidharts zudem häufig Dialoge enthalten, die als dramatisches Element angesehen werden können. Demzufolge enthalten seine Lieder eine dialogische Handlungsdramatik und eine narrativ-monologische Vortragsdramatik, da der Sänger seinen „Spott als Sprechakt vollzieht“[Plotke 2010: 25].[Plotke 2010: 25] Diese Ebenen werden als interner Sprechakt bezeichnet. [Plotke 2010: 26]
Die dialogische Handlungsdramatik wird im Folgenden Teilkapitel erklärt, weswegen hier nur kurz auf die narrativ-monologische Vortragsdramatik der Winterlieder eingegangen werden soll. Die Winterlieder behandeln die Inszenierung eines Sänger-Ichs, das in einigen Winterliedern über sein erfolgloses Werben klagt. Dieses wird häufig in Form eines Monologs wiedergegeben, wodurch es sich bei den Winterliedern häufig um die narrativ-monologische Vortragsdramatik handelt, die Plotke anhand des WL 27 erklärt. In diesem Winterlied äußert sich der Sänger auf der Ebene der Vortragsdramatik spottend über seine Konkurrenten. [Plotke 2010:30]
Demnach inszeniert er sich aus der Distanz als Richter, der Urteile über seine Konkurrenten fällt und erhebt sich somit selbst, indem er ihre negativen Eigenschaften hervorhebt. Auf der Ebene der Vortragssituation ändert sich die Spottszene in Bezug auf die Verteilung der Rolle des Spottenden und des Verspotteten. Denn der Sänger selbst wird auf dieser Ebene zum Spottobjekt, weil er sich über seine Konkurrenten erhebt, obwohl er selbst nicht von seiner Geliebten erhört wird. [Plotke 2010: 32-34]
Darüber hinaus äußern sich die Konkurrenten in den ergänzenden Trutzstrophen verächtlich über den Sänger. Folglich sprechen sowohl der Spottende als auch das Spottobjekt über den anderen, wodurch sich die Relationen in Einbezug der Aufführungssituation umgekehren. [Plotke 2010: 32-33]
Diese Aufführungssituation, die bei Gattungen mit einer szenischen Konstellation mitgedacht werden muss, wird als externer Sprechakt bezeichnet, da die Lieder der Aufführungspraxis vor einem Publikum dienten. Aus diesem Grund nennt Plotke die „Spottszenen im Minnesang immer doppelschichtig“[Plotke 2010: 26].[Plotke 2010:26] Diese Aussage soll im Folgenden anhand ihrer Beschreibung des SL 18 erklärt werden, weil sich dieser Artikel mit dem Spott in den Sommerliedern befasst. Hierfür wird Plotkes Analyse lediglich kurz zusammengefasst, da das SL 18 im Verlauf des Artikels analysiert werden soll.

Ebenen des Spotts im Sommerlied 18

Plotke beschreibt die Inszenierung des Spottes auf der Ebene der dialogischen Handlungsdramatik in den Sommerliedern anhand von SL 18. Bei diesem handelt es sich um ein Mutter-Tochter-Gespräch, in dem der Sänger nicht als Figur szenisch auftritt, sondern nur von der Mutter und der Tochter beschrieben wird. [Plotke 2010: 27]
Die Tochter preist den sogenannten Riuwental[1], der ihr Geschenke macht, an und leugnet die Perspektive der Mutter, die nicht begeistert von den Handlungen der Tochter ist und ihr ihr Verhalten vor Augen hält. Somit verspotten sie sich nach Plotke auf der Ebene der dialogischen Handlungsdramatik gegenseitig und das „Lied steht im Zeichen des spöttischen Dialogs“[Plotke 2010: 28] . Des Weiteren wird auch der Sänger Riuwental von der Mutter verspottet, da sie sein schlechtes Verhalten gegenüber Frauen darstellt, indem sie auf das Ereignis mit Jiute referiert. Da die Tochter ihrer Meinung nach auf den Sänger hereinfällt, gibt sie sie nach Plotke der Lächerlichkeit preis. Die Tochter dagegen stellt ihre „Mutter als überängstliche Behüterin dar"[Plotke 2010: 29]. [Plotke 2010: 27-29]
Plotke betrachtet neben dieser internen Sprechsituation auch die externe Sprechsituation. Bei dieser handelt es sich um die Aufführungssituation. Im Zusammenhang mit der internen Sprechsituation wird die Spottszene des Liedes durch die externe Sprechsituation doppelschichtig.[Plotke 2010: 27]
Auf der Ebene der Aufführungspraxis machen sich gemäß Plotke sowohl Mutter als auch Tochter mit ihren eigenen Aussagen lächerlich. Zudem erscheint der Sänger auf dieser Ebene stärker karikiert, da sich das Publikum durch die Aussagen der Mutter und der Tochter ein eigenes Bild von ihm machen kann, in dem er als „verächtliche Sänger-Figur“[Plotke 2010:29] erscheint.[Plotke 2010: 29]

Spott in Neidharts Sommerliedern

In diesem Kapitel des Artikels soll untersucht werden, wie der Spott in Neidharts Sommerliedern inszeniert wird. Hierfür werden zunächst die gattungskonstitutiven Merkmale der Sommerlieder beschrieben, da diese für die Inszenierung des Spotts maßgeblich für die Unterscheidung zwischen den Spottszenen der Winterlieder und den der Sommerlieder sind.
Anschließend werden die Rollen der Mutter, der Tochter und des Sängers anhand des SL 18 analysiert, weswegen eine übersetzte Fassung des SL 18 zur Verfügung gestellt wird.
Diese Analyse dient dazu, die Frage nach der Inszenierung in den Sommerliedern beantworten zu können.

Gattungskonstitutive Merkmale

Die Sommerlieder Neidharts beginnen meist mit einem kontrastiven Natureingang. Dies bedeutet, dass der Sänger leidet, während die anderen fröhlich sind. [Hübner 2008: 48] Er kann darüber hinaus entweder durch das lyrische Ich in Form eines Berichts oder durch Dialogpartien teilweise oder vollständig artikuliert werden.[Schweikle 1990:73] Für Artikulation durch eine Dialogpartei dient das SL 18 als Beispiel, da der Natureingang auf einen Satz reduziert wird, der von einem Mädchen gesprochen wird.[Ruh 1986: 255]
Diese Dialogpartien bilden einen wichtigen Bestandteil der Sommerlieder, da es sich bei diesen häufig um Dialoglieder handelt. Nach Schweikle können diese in Mutter-Tochter-Gespräche, Gespielinnen-Gespräche, Monologlieder und Sänger-Mädchen-Gespräche unterteilt werden. Diese Arbeit befasst sich mit den Spottszenen der Mutter-Tochter-Gespräche, die von Freude, Tanz- und Liebeslust handeln.[Schweikle 1990: 71]
Des Weiteren spielen die Räume eine wichtige Rolle in Bezug auf die unterscheidenden Merkmale zwischen Winter- und Sommerlied. Dabei wird in den Liedern der Außenraum (strâze), das Haus (hûs, stube) und die Heimat des Sängers und Ritters Riuwental thematisiert. An dieser Stelle wird auf eine Beschreibung dieser Räume verzichtet, da sie im Verlauf des Kapitels dargestellt werden sollen.

Übersetzung von SL 18

Strophe I

Mittelhochdeutsch Übersetzung
"Uns wil ein sumer komen", "Der Sommer wird bald kommen",
sprach ein magt: "jâ hân ich den von Riuwental vernomen. sprach ein Mädchen: "Ja, das habe ich von Reuental gehört.
jâ wil ich in loben. Ja, ich will ihn lobpreisen.
mîn herze spilt gein im vor vreuden, als ez welle toben. Mein Herz springt ihm so vor Freunde entgegen, als ob es toben wollen würde.
ich hœr in dort singen vor den kinden. Ich höre ihn dort vor den Kindern singen.
jâne wil ich nimmer des erwinden, Damit will ich nicht mehr aufhören,
ich springe an sîner hende zuo der linden." ich springe an seiner Hand zu den Linden."

Strophe II

Diu muoter rief ir nâch; Die Mutter rief ihr hinterher;
sî sprach : "tohter, volge mir, niht lâ dir wesen gâch! Sie sprach: "Tochter, höre mich an, handle nicht so voreilig!"
weistû, wie geschach Weißt du, was
dîner spielen Jiuten[2] vert, alsam ir eide jach? sowohl deiner tanzenden Jiuten als auch ihrer Mutter letztes Jahr widerfahren ist?
der wuohs von sînem reien ûf ir wempel, Der wuchs durch seine Reientänze der Bauch (sie wurde schwanger)
und gewan ein kint, daz hiez si lempel: und sie bekam ein Kind, das sie Lempel nannte:
alsô lêrte er sî den gimpelgempel.[3]" So lehrte er sie den Gimpelgempel (Tanz)."

Strophe III

"Muoter, lât iz sîn! "Mutter, lass das sein!
er sante mir ein rôsenschapel, daz het liehten schîn, Er schickte mir einen Rosenkranz[4], der einen leuchtenden Schein
ûf daz houbet mîn, auf meinem Kopf hat,
und zwêne rôten golzen brâhte er her mir über Rîn: und zwei rote Strümpfe brachte er mir über den Rhein:
die trag ich noch hiwer an mînem beine. die trage ich noch heute an meinen Beinen.
des er mich bat, daz weiz ich niewam eine. Um was er mich bat, das weiß nur ich allein.
jâ volge ich iuwer ræte harte kleine." Ja, deshalb werde ich eurem Rate überhaupt nicht folgen!

Strophe IV

Der muoter der wart leit, Die Mutter war es leid,
daz diu tohter niht enhôrte, daz si ir vor geseit; dass ihre Tochter nicht darauf hörte, was sie ihr zuvor gesagt hatte;
iz sprach diu stolze meit: Da sprach das stolze Mädchen:
"ich hân im gelobt: des hât er mîne sicherheit. "Ich habe es ihm versprochen: daher hat er mein Wort.
waz verliuse ich dâ mit mîner êren? Warum sollte ich damit meine Ehre verlieren?
jâne wil ich nimmer widerkêren, Ja, ich will niemals wieder zurückkommen,
er muoz mich sîne geile sprünge lêren." er muss mir seine wilden Sprüngen beibringen."

Strophe V

Diu muoter sprach: "wol hin! Die Mutter sprach: "Dann geh!
verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin: dir wird es wohl oder übel ergehen, aber das ist dein Lohn/deine Angelegenheit:
dû hâst niht guoten sin. Du hast keine gute Wahrnehmung.
wil dû mit im gein Riuwental dâ bringet er dich hin: So wirst du mit ihm ins Reuental gehen, denn da bringt er dich hin:
alsô kan sîn treiros dich verkoufen. So kann seine Melodie dich verkaufen.
er beginnt dich slahen, stôzen, roufen Er beginnt dich zu schlagen, zu stoßen und zu verprügeln
und müezen doch zwô wigen bî dir loufen." und es müssen doch zwei Wiegen bei dir laufen/in Verwendung sein."

Analyse der Rollen in SL 18

Die Rollen der Mutter und der Tochter

Das Sommerlied 18 ist ein Mutter-Tochter-Gesprächslied, in dem der Sänger und Ritter Riuwental lediglich erwähnt und von den beiden Frauen beschrieben wird. Wie in anderen Sommerliedern dieses Typs will ein Mädchen aufbrechen, um Riuwental zu sehen. Das Motiv des Aufrufs des Sängers zum Tanz, der zu Konflikten zwischen Mutter und Tochter führt, fehlt hier. In diesem Sommerlied diskutieren die Mutter und die Tochter, weil das Mädchen zu ihrem Geliebten will, während die Mutter versucht, sie mit warnenden Worten von dieser Handlung abzuhalten. Die Tochter will nicht auf die Mutter hören und die Folgen eines Treffens mit Riuwental hinnehmen. Diese Rollenzuteilung ist bei Neidhart im sogenannten Altenlied vertauscht. In diesem will die Mutter mit Riuwental anbandeln und die Tochter übernimmt die Rolle der Ordnungshüterin. Des Weiteren greift die Mutter in einigen Liedern zu Gewalt und Drohungen, wenn die Tochter nicht auf sie hören will. [Schweikle 1990: 74-75]
Im Fall des SL 18 gefällt der Tochter das singen vor den kinden (I, 5) Riuwentals, weswegen sie sagt, sie springe an sîner hende zuo der linden (I, 7). Die Tochter neigt sich somit der Minne des Sängers zu und möchte das Haus verlassen, das für die Disziplinierung seitens der Mutter steht.[Schulze 2006: 80] Sie will auf die strâze[5] und zu der linde, die der „traditionelle[] Baum der erotischen Begegnung“[Tomasek 1999: 214] ist. Somit gibt sie ihre Absichten preis, da sie für Freude und Liebeslust den Raum der huote ihrer Mutter verlassen will. Demnach ist die Mutter die Personalisierung der huote, was bedeutet, dass sie die Tochter von der falschen Liebesbegegnung mit Riuwental abhalten will, da diese aufgrund des Standesunterschieds nicht tragbar wäre.[Schweikle 1990: 74]
Dieses Motiv der huote kann sich in den Sommerliedern unterschiedlich äußern. So kann die Mutter zu Verboten, Bitten, Ratschlägen und Warnungen greifen, um zu versuchen, die Tochter in ihrem Handeln zu begrenzen.[Schweikle 1990: 74] Diese Begrenzung wird in den Sommerliedern Neidharts häufig mit dem Innenraum symbolisiert, da dieser für die Bewahrung der Jungfräulichkeit steht. Aus diesem Grund sieht die Tochter die linde als Raum für ihre freie Entfaltung und selbstbestimmte Entscheidungen an.[Schulze 2006: 83]
In SL 18 möchte die Mutter deswegen nicht, dass das Mädchen nach draußen geht und verwendet Warnungen als Versuch, die Tochter aufzuhalten. Aus diesem Grund referiert sie auf das, was dîner spielen Jiuten vert (II, 4). Dieses Ereignis erwähnt sie, weil die Tochter von springen spricht, denn [Jiute] wuohs von sînem reien ûr wempel (II, 5). Demzufolge interpretiert sie das springen ihrer Tochter als „Bild für Liebesbereitschaft und Liebesvollzug“[Fritsch 1976: 77] , weil der Tanz reien, bei dem Jiute schwanger wurde, ein Springtanz ist[Fritsch 1976: 76]. Darüber hinaus deutet das rhythmische und reimende Wort gimpelgempel (II, 7) ebenfalls auf den Tanz hin, wodurch der Name des Sohnes, Lempel (II, 6), der mit gimpelgempel einen Paarreim bildet, mit dem Tanz assoziiert wird. Demnach impliziert das Mädchen mit dem Wort springen ihre Bereitschaft zur sexuellen Hingabe, aus der eine Schwangerschaft entstehen kann.
Folglich will die Mutter mit der Referenz auf dieses Ereignis die Tochter warnen, sie vor dem Sänger beschützen und ihre Jungfräulichkeit wahren. Die Aussagen der Mutter haben aber keinen Erfolg, weswegen sie in ihrer Funktion der huote versagt,[Miklautsch 1994: 103] da die Tochter nicht hören will und auf den geschenkten rôsenschapel (III, 2) und die zwêne rôten golzen (III, 4) referiert. Sie lässt sich somit durch Geschenke verführen, die im Fall des Kranzes sexuell konnotiert sind. Dieser zeigt erneut die Bereitschaft des Mädchens auf das Werben des Sängers und das „Angebot des Liebesvollzugs“[Fritsch 1976: 39] des Riuwental einzugehen, weil das Schenken des Kranzes für den „Verlust der Jungfräulichkeit“[Fritsch 1976: 39] steht.[Fritsch 1976: 39-41]
Diese Bereitschaft aufgrund von Geschenken und der damit verbundenen Käuflichkeit mit den Normen und Werten der Gesellschaft zu brechen, zeigt sich auch in anderen Sommerliedern, wie zum Beispiel im Gespielinnen-Gesprächslied SL 14. Bei dieser Form des Dialoglieds unterhalten sich zwei Gespielinnen über ihr Tanz- und Liebesverlangen. Sie preisen meist das höfische Verhalten des Sängers an, der nicht ihrem Stand entspricht.[Schweikle 1990: 76]
In SL 14 sprechen sie über einen der ganz scharf auf(V, 7) eine von ihnen ist. Diese Gespielin ist bereit, ihr Geheimnis und die dazugehörenden intimen Details im Gegenzug für ein Geschenk zu verraten, wie die folgenden Strophen zeigen:

Mittelhochdeutsch Übersetzung
VI
»Den soltû mir zeigen, Den solltest du mir zeigen,
wier mir behage. (damit ich sehe,) wie er mir behagt.
der gürtel sî dîn eigen, Der Gürtel,
den ich umbe trage! den ich umgebunden habe, soll dein Eigen sein!
sage mir sînen namenn, der dich minne Sage mir den Namen, von dem, der um dich wirbt (im Sinne des Minnedienstes),
sô tougenlîcher sinne so im Verborgenem um dich wirbt (im Sinne des Minnedienstes),
mir ist getroumet hînt von dir, dîn muot der stê von hinne.« Ich habe heute Nacht von dir geträumt, dass du willens bist, von hier fortzugehen.
VII
»Den si alle nennent Den,
von Riuwental den sie alle Riuwental nennen
und sînen sanc erkennent und dessen Gesang man
wol über al, allerorts kennt,
derst mir holt. Mit guote ich im des lône: der liebt mich. Ich werde ihn mit Gutem lohnen:
durch sînen willen schône Wegen seines bescheidenen Wunsches
sô wil ich brîsen mînen lîp. wol dan man liutet nône[6] will ich meinen Leib (meine Taille) schnüren. Wohl läutet man drei Uhr am Nachmittage!

Demzufolge lässt sich diese Gespielin, wie auch die Tochter von dem singen und den Geschenken des Sängers, von dem hofieren (V, 5) verführen. Beide brechen mit den höfischen Konventionen, da sie Geschenke annehmen[Gaier 1967: 46] und ihr Schweigen brechen[Fritsch 1976: 193]. Die Gespielin bricht ihr Schweigen wegen eines Geschenks, während die Tochter ihr Schweigen bricht, um der Mutter zu widersprechen. Sie sagt, dass er [Riuwental] muoz mich [Tochter] sîne geile sprünge lêren (IV,7).
Damit offenbart sie, dass sie keine standesgemäße Geliebte für Riuwental ist und kaschiert ihr Liebesverlangen mit ihrem Tanzverlangen, was typisch für die Lieder Neidharts ist.[Gaier 1967: 57] Demnach fällt sie auf den Sänger herein und beweist, dass sie sich nicht höfisch verhalten kann, weil sie Geschenke annimmt und intime Details verrät, und dass sie die Folgen einer Liebesbegegnung in Kauf nehmen würde.[Schweikle 1990: 75] Zudem versteht sie nicht, was dies für sie bedeuten würde, denn sie fragt ihre Mutter, was verliuse ich dâ mit mîner êren? (IV, 5). Dies offenbart sie als naives Mädchen, das ihrem Stand gemäß ungebildet und unkultiviert ist.[Hübner 2008: 59] Dieses nicht-standesgemäße Verhalten wird darüber hinaus an den geschenkten rôten[7] golzen (III, 4) gezeigt, die die Tochter noch hiuwer an [sînen] beinen (III, 5) trägt, da das Tragen bunter Kleidung gemäß der damaligen Kleiderordnung der ländlichen Bevölkerung untersagt war.[Lehmann-Langholz 1985: 166]
Da der muoter der wart leit (IV, 1), dass ihre Tochter ihre Worte nicht erhören will, greift sie zu härteren Maßnahmen und verweist auf das slahen, stôzen, roufen (V, 6) des Sängers, das ihr bevorsteht, wenn sie dem Sänger gein Riuwental (V, 4) folgt. Diese Ortsbezeichnung, die in der Literatur häufig als Jammertal übersetzt wird, verdeutlicht nochmals, dass die Tochter nichts Gutes erwartet, wenn sie auf die Minne des Sängers hereinfällt [Schweikle 1990: 52].
Des Weiteren endet das Lied mit der Warnung der Mutter über zwô wigen (V, 7). Diese stehen für eine mögliche bevorstehende uneheliche Schwangerschaft, mit der die Mutter nochmals an die Tochter appellieren will, sich nicht auf Riuwental einzulassen. Sein Name in dem Sommerlied entspricht der Ortsangabe, was verdeutlicht, dass die Figur Riuwental für falsches Verhalten steht und dafür verantwortlich ist.

Die Rolle des Sängers und des Ritters

Der Ritter und Sänger Riuwental tritt in diesem Lied selbst nicht szenisch auf, da er auch nicht den Natureingang artikuliert. Dennoch hat er im SL 18 die Ritterrolle und Sängerrolle inne. In den Liedern Neidharts wird die Ritterrolle in Bezug auf das Werben um die Gunst einer vrouwe und die Sängerrolle in Bezug auf den Minnesang thematisiert.[Fritsch 1976: 195]
In den Winterliedern dominiert dabei die Sängerrolle, weil die vrouwe ihn nicht erhören will. Sie ignoriert sein Werben. Die Schuld daran gibt der Sänger den dörpern[8], wodurch ihm selbst nur die Klage über das Ausbleiben des Lohns und die Gunst der vrouwe bleibt. [Fritsch 1976: 196]
In den Sommerliedern hat der Sänger im Gegensatz dazu Erfolg, obwohl er eine passive Rolle hat. Die Ereignisse, die die Tochter und die Mutter beschreiben, sind fern der Szene geschehen. Seine Minne an die Tochter wird bis auf die Geschenke nicht konkretisiert. Durch die Aussagen der Tochter wird lediglich deutlich, dass er ihr Geschenke über Rîn (III, 4) gebracht hat, was für eine adelige Abstammung spricht. Dies zeigt, dass seine Vorzüge bei seinem Stand liegen, da die Begründung der Tochter, sie habe es ihm versprochen, dass er ihre Zusicherung hat, an seinen Geschenken liegt.[Ruh 1986: 261]
Folglich wird seine Rolle als Sänger bis auf die Verse singen vor den kinden (I, 5) und hân ich den von Riuwental vernomen (I, 2) nicht thematisiert. Darüber hinaus zeigen die Geschenke, dass er in der Ausübung seiner Ritterrolle versagt. Er wirbt im ländlichen Bereich mit Geschenken um ein Bauernmädchen. Er verletzt somit nicht nur die Normen und Werte der Minne, sondern auch die der adeligen Gesellschaft,[Fritsch 1976: 195] weil er sein Werben auf das falsche Objekt im falschen Kontext richtet. Des Weiteren will er mit seinem Werben keinen Lohn erhalten, weswegen das Lohn-Dienst-Verhältnis wegfällt,[Ruh 1986: 260] sondern die sexuelle Zuneigung des Mädchens. Aus diesem Grund begeht er einen Verrat an den höfischen Idealen, da er die Minne nur verwendet, um erfolgreich bei den Frauen zu sein. [Gaier 1967: 44]
Neben dem Wegfall des Lohn-Dienst-Verhältnisses kommt hinzu, dass das Minneschema durch das Verhalten des Sängers umgekehrt wird. Er ist nicht mehr derjenige, der als niedergestellter Sänger um die Gunst der vrouwe wirbt, sondern derjenige, den das Mädchen verehrt, wodurch sich ihre Rollen umkehren. Zudem nimmt die Mutter die Funktion der huote ein und nicht mehr die Gesellschaft, da sie versucht, ihre Tochter aufzuhalten.[Ruh 1986: 258-260] Dementsprechend ist Riuwental schuld am Verhalten der Tochter, da er sie mit seiner Verführungsstrategie anlocken möchte.[Hübner 2008:58]
Darüber hinaus zeigt der sprechende Name Riuwental, der sowohl sein Eigenname als auch der Name seines Wohnorts ist, dass die Mädchen zum einen ein Verhältnis mit ihm bereuen werden und dass er selbst in Armut lebt.[Gaier 1967: 88] Diese Aspekte seines Lebens zeigen, dass er weder seiner Ritterrolle noch seiner Sängerrolle gerecht werden kann.

Inszenierung des Spotts am Beispiel von SL 18

In diesem Kapitel soll die Inszenierung des Spotts mithilfe der Analyse der Rollen des SL 18 auf der Ebene der dialogischen Handlungsdramatik und der Ebene der Aufführungspraxis nach Plotke beschrieben werden.
Zunächst soll die Spottszene auf der Ebene der dialogischen Handlungsdramatik dargestellt werden. Wie bereits in dem Kapitel Ebenen des Spotts im Sommerlied 18 gesagt wurde, handelt es sich bei SL 18 um einen „spöttischen Dialog[]“[Plotke 2010: 28], in dem die Mutter und die Tochter sich gegenseitig verspotten und Riuwental durch die Aussagen beider verächtlich dargestellt wird.
Die Tochter wird von der Mutter verspottet, weil sie nicht auf ihre Worte hören will. Sie wirft ihr vor, dass sie niht guoten sin (V, 3) hat. Mit der Andeutung auf die mögliche Schwangerschaft am Ende des Lieds wirft sie ihr außerdem vor, dass ihr Handeln töricht ist. Folglich wird sie durch die Rede der Mutter verspottet. Darüber hinaus verspottet die Mutter Riuwental mit ihren Aussagen, da sie ihn beschuldigt, Jiute geschwängert zu haben. Dies prophezeit sie auch ihrer Tochter neben slahen, stôzen, roufen (V,6) des Riuwentals. Somit wird der Sänger von der Mutter schlecht dargestellt, da er die Frauen ihrer Ansicht nach nur ausnutze. Die Tochter dagegen findet keine schlechten Worte für den Sänger, weswegen er auf der Ebene der Handlungsdramatik nur von der Mutter verspottet wird. Die Tochter verspottet aber ihre Mutter, indem sie sie „als überängstliche Behüterin“[Plotke 2010: 29] darstellt, die die jungen Leute nicht verstehen kann.
Demzufolge vertreten die Mutter und die Tochter in SL 18 nicht die Rollen, die ihnen von der Gesellschaft zugewiesen werden. Die Mutter hat keinen Einfluss auf ihre Tochter und kann sie somit nicht zu einer heiratsfähigen Frau erziehen. Sie bestimmt zudem nicht über ihre Tochter, die die Vorschriften nicht schweigend und passiv befolgt. Daraus folgt, dass die Mutter die Funktion der huote nicht erfüllen kann, weil die Tochter sich nach einem Mann sehnt, der nicht ihrem Stand entspricht. Somit werden die gesellschaftlichen Verhaltensregeln nicht aufrechterhalten. Denn die Mutter kann nicht mehr rational über ihre Tochter bestimmen, sondern wird emotional, indem sie folgende Aussage tätigt: wol hin! / verstû übel oder wol, sich, daz ist dîn gewin (V,1-2). Zudem handelt die Tochter auch nicht gemäß den Normen und Werten, da sie nicht passiv bleibt, sondern aktiv zu Riuwental aufbrechen will.[Miklautsch 1994: 89-104] Des Weiteren begehrt sie gegen die huote der Mutter auf, wodurch diese versagt. [Tomasek 1999: 213]
Diese Abwendung von den zugeteilten Rollen wird auf der Ebene der Aufführungssituation deutlich, weil sich der Spott auf das Sprechen und Handeln der Mutter und der Tochter bezieht,[Fritsch 1976: 192] die nicht der höfischen Verhaltenskompetenz entsprechen[Hübner 2008: 59].
Darüber hinaus wird Riuwental auf der Ebene der Aufführungssituation ebenfalls zur Figur des Spotts. Zum einen wird er auf dieser Ebene durch die Aussagen der Mutter schlecht dargestellt, zum anderen bricht er mit den höfischen Verhaltensregeln. Er bringt die vornehme Liebe, die das Vorrecht des Adels ist, zu der ländlichen Bevölkerung, indem er den Bauernmädchen Geschenke macht und mit ihnen verkehrt. Aus diesem Grund gibt er die adelige Exklusivität preis.[Hübner 2008: 59] Hinzu kommt, dass er die inordinatio zu verschulden hat, weil sich die Bauernmädchen wegen seines Werbens höfisches Verhalten anmaßen, weil sie den von Riuwental vernomen (I, 2). Folglich ist er verantwortlich für das falsche Benehmen der Bauernmädchen, weil er sie in ihren Augen wie eine vrouwe[9] behandelt[Gaier 1967:19+23]. Demnach machen sich nicht nur die Mädchen mit diesem Glauben lächerlich, sondern auch der von Riuwental, da dies wegen seines Handelns geschieht. Dementsprechend verrät er die Ideale der höfischen Gesellschaft, weil er alles macht, um erfolgreich und begehrt zu sein. Lediglich die Mutter leistet Widerstand, worin sie aber versagt und weswegen sie Riuwental verantwortlich für das Leid der Bauernmädchen, wie zum Beispiel Jiute, macht.[Gaier 1967: 44-48]
Wie bereits gesagt, führt das Verhalten Riuwentals dazu, dass er weder seiner Ritterrolle noch Sängerrolle gerecht werden kann. Aus diesem Grund wird er zum Spottobjekt der Aufführungssituation. Er wirbt im dörperlichen Bereich und verletzt dabei die gesellschaftlichen Normen, weswegen er von der höfischen Gesellschaft verurteilt wird. Zudem verrät er den „Ethos des Hohen Minnesangs“[Fritsch 1976:106], weil er die Minne im falschen Kontext an das falsche Objekt richtet.[Fritsch 1976:106]

Schlussbemerkung

Zusammenfassend kann über die Inszenierung des Spotts gesagt werden, dass die Mutter und die Tochter auf der Ebene der dialogischen Handlungsdramatik sowohl die Spottenden als auch die Verspotteten sind. Auf der Ebene der Aufführungssituation machen sie sich durch ihr Sprechen und Handeln selbst zu Figuren des Spotts, weil sie die Normen und Werte nicht aufrechterhalten können. Diese Rolle des Verspotteten dominiert auf der Ebene der Aufführungssituation, da sie nicht gemäß ihren gesellschaftlich zugeteilten Rollen handeln. Der Sänger dagegen erscheint auf beiden Ebenen als Spottobjekt. Während sich der Spott auf der Ebene der dialogischen Handlungsdramatik durch die schlechte Darstellung seitens der Mutter konstituiert, fungiert der Sänger auf der Ebene der Aufführungssituation als Spottobjekt, weil er wie die beiden Frauen mit den höfischen Konventionen bricht. Er wird nicht für das konkrete Handeln an den Frauen verspottet, sondern für das Übertragen des Hohen Sangs auf die döperlichen Bereiche.
Aus diesem Grund dient der Spott in den Sommerliedern dazu, auf die disordo in der Gesellschaft hinzuweisen. Der Sänger begibt sich auf das Land und wirbt dort um Frauen, die nicht seinem Stand entsprechen. Diese Frauen erheben sich über ihren zugeteilten Stand und somit auch ihrer zugeteilten Rolle in der Gesellschaft, weswegen ihr Verhalten „belächelt werden“[Lehmann-Langholz 1985: 189] kann.
Abschließend kann gesagt werden, dass es in den Sommerliedern nicht die dörper sind, die als gesammelter Personenverband eine soziale Bedrohung darstellen, sondern ein Individuum. Dieses Individuum ist der Sänger und Ritter, der die Triebhaftigkeit der Mädchen ausnutzt, um sie mit seiner Verführungskraft in seinen Bann zu ziehen. Demnach ist diese „Verführungskraft stärker als die Rollenzuweisungen der Gesellschaft“[Miklautsch 1994:106].[Miklautsch 1994: 106]

Kommentare und Erläuterungen

  1. Riuwental wird häufig mit Reuental, Kummertal oder Jammertal übersetzt. Die Bezeichnung dient als Eigenname und Ortsbezeichnung für den Heimatort des Sängers. Dort lebt er in Armut. Als Eigenname verdeutlicht er die Rolle des Sängers gegenüber den Bauernmädchen.[Schweikle 1990: 52]
  2. Jiute spielt bereits in SL 17 eine Rolle (het ich Jiutelîne (IV, 5). Sie bandelt mit dem Sänger an und hat in SL 18 bereits das Kind von ihm bekommen. Das Motiv des Kranzes steht auch hier für Liebeslust (si bôt im bî dem tanze / ein krenzel (VII, 8-9)).
  3. gimpelgempel ist durch die rhythmische Aussprache des Wortes als Metapher für das Tanzen zu sehen.
  4. Fritsch [Fritsch 1976] beschreibt das erotische Motiv des Kranzes sehr genau. Er geht auf das Kranzlesen, den Kranzwusch und das Kranzschenken ein. [Fritsch 1976: 27-42]
  5. In den Winterliedern ist die Bedeutung des Raums umgekehrt. Die stube ist ein "Lebens- und Geselligkeitsort" [Schulze 2006: 84]. Die Kämpfe dagegen werden meist auf der strâze ausgefochten.[Schulze 2006: 86]
  6. "die neunte stunde (von 6 uhr morgens ab gerechnet)"[Lexer]
  7. Die Farben Rot und Grün sind in der Minnesymbolik "die Farben der Hoffnung und Liebe" [Lehmann-Langholz 1985: 169]. Somit wird mit der Farbwahl auch auf den verkehrten Minnedienst an das Bauernmädchen seitens des Sängers referiert.
  8. dörper dient bei Neidhart für die Bezeichnung von unhöfischen Menschen. Gegenbegriff zu hövescheit. Sie sind die Konkurrenten des Sängers und der Begriff zeigt die ständische Differenz.[Hübner 2008: 51]
  9. vrouwe wird im Lexer mit "herrin, gebieterin, geliebte"[Lexer] kommentiert. Folglich ist eine Dame adeligen Standes damit gemeint. Diese Rolle kann das Bauernmädchen im Minneschema nicht einnehmen (sie kann nicht die gebieterin sein).

Literaturverzeichnis

Primärliteratur

Die Lieder Neidharts, hrsg. von Edmund Wießner, fortgeführt von Hanns Fischer, 5., verbesserte Auflage, rev. von Paul Sappler, mit einem Melodienanhang von Helmut Lomnitzer, Tübingen 1999 (ATB 44).

Sekundärliteratur

[*Fritsch 1976] Fritsch, Bruno: Die erotischen Motive in den Liedern Neidharts, Göppingen 1976 (Göppinger Arbeiten zur Germanistik 189).

[*Gaier 1967] Gaier, Ulrich: Satire. Studien zu Neidhart, Wittenwiler, Brant und zur satirischen Schreibart, Tübingen 1967.

[*Hübner 2008] Hübner, Gert: Minnesang im 13. Jahrhundert: Eine Einführung, Tübingen 2008.

[*Lehmann-Langholz 1985] Lehmann-Langholz, Ulrike: Kleiderkritik in mittelalterlicher Dichtung: Der Arme Hartmann, Heinrich `vonMelk`, Neidhart, Wernher der Gartenaere und ein Ausblick auf die Stellungnahme spätmittelalterlicher Dichter, Frankfurt am Main et al. 1985 (Europäische Holschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur 885).

[*Miklautsch 1994] Miklautsch, Lydia: Mutter-Tochter-Gespräche. Konstituierung von Rollen in Gottfrieds Tristan und Veldekes Eneide und deren Verweigerung bei Neidhart, in: Personenbeziehungen in der mittelalterlichen Literatur, hrsg. von Helmut Brall et al., Düsseldorf 1994 (Studia humaniora 25), S. 89-108.

[*Plotke 2010] Plotke, Seraina: Neidhart als Spötter – Spott bei Neidhart, in: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes 57/1 (2010), S. 23.

[*Ruh 1986] Ruh, Kurt: Neidharts Lieder. Eine Beschreibung des Typus, in: Neidhart, hrsg. von Horst Brunner, Darmstadt 1986 (Wege der Forschung 556), S. 251-273.

[*Schulze 2006] Schulze, Ursula: stube und strâze. Geschehensräume in Neidharts Liedern, in: Die Burg im Minnesang und als Allegorie im deutschen Mittelalter, hrsg. Von Ricarda Bausche, Frankfurt am Main 2006 (Kultur, Wissenschaft, Literatur. Beiträge zur Mittelalterforschung 10), S.75-92.

[*Schweikle 1990] Schweikle, Günther: Neidhart, Stuttgart 1990 (Sammlung Metzler 253).

[*Tomasek 1999] Tomasek, Tomas: Die Kunst der Variation: Neidharts Lyrik am Beispiel von Sommer-lied 14, in: Germanistische Mediävistik, hrsg. Von Volker Honemann und Tomas To-masek, Münster 1999 (Münsteraner Einführungen: Germanistik, Band 4), S. 205-226.

Nachschlagewerke

Hennig, Beate: Kleines Mittelhochdeutsches Wörterbuch, 6., Berlin/ Boston 2014.

[*Lexer] Lexer, Matthias: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. Digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, URL: <https://www.woerterbuchnetz.de/Lexer>.