Maienfest (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Das Maienfest wird in der Vorgeschichte innerhalb des Romans gefeiert. Es leitet die Liebe zwischen Riwalin und Blanscheflur ein, welche im Folgenden tragend für das Geschehen wird und der Tristan-Geschichte vorangestellt ist. Das Fest betont außerdem das Höfische, das in der Erzählung Gottfrieds eine große Rolle spielt. Das Fest am Hofe Markes steht in der Tradition zahlreicher Festbeschreibungen in der mittelalterlichen Literatur.

Beschreibung des Festes

Kurze Zeit nachdem Riwalin sich an Markes Hof begeben hat, veranstaltet dieser ein rauschendes Fest. (V. 525-535)[1] Die Festivität ist in ihrer Dauer auf vier Wochen festgelegt und erstreckt sich über den gesamten Monat Mai. Es wird beschrieben, dass Marke in sein gesamtes Königreich Boten entsendet, um die Fürsten und Barone einzuladen, die unter seiner Herrschaft leben. Sie folgen seinem Ruf gerne und sind begleitet von vielen schönen Damen. Lokalisiert ist das Ereginis auf einer Wiese sehr nahe bei Tintajol, der Hauptstadt des Reiches und es findet komplett in der Natur unter freiem Himmel statt. Die Aue auf der gefeiert wird, wird als einmalig und von fantastischer Schönheit charakterisiert: in die schoenesten ouwe/die keines ougen schouwe/ie überlûhte ê oder sît. (V. 543-545)[Krohn 1980] Es werden leichte Hütten gebaut von manchen der Gäste, andere schlafen unter den Dächern, die die Natur ihnen bietet, etwa unter Baumkronen. (V. 587-599) Es ist ein buntes Vergnügen und alle Gäste tun nur das, wonach es ihnen beliebt. Die Ausstattung der Gäste wird als besonders prächtig und schön beschrieben. Es herrscht ein Überangebot an herrlichen Speisen und Gütern. Marke, der Veranstalter, kommt zusätzlich für seine Gäste auf. Es werden verschiedene Freizeitangebote offeriert, so dass jeder seinen Neigungen nachgehen kann, wie er es wünscht. Die schön ausstaffierten Damen werden beobachtet, es wird gesungen und getanzt, Ritterspiele werden veranstaltet und es wird gekämpft. Gottfried von Straßburg zeichnet ein Bild der Pracht und des Vergnügens, das seines Gleichen sucht. So spricht er von einem Wettkampf um das größtmögliche Vergnügen: die vlizzen sich inwiderstrît /ze vröuden an der hôhgezît. (V. 625-626)[Krohn 1980]

Natursemantik

Auch die Natur wird in Verbindung mit dem Maienfest vom Erzähler besonders hervorgehoben. Der Mai wird als frühsommerlicher Monat und besonders schön, somit für das Fest prädestiniert, hervorgehoben. (V. 536-548) Insgesamt war die Zeit um den Mai herum sehr beliebt für höfische Festlichkeiten, was einerseits mit der günstigen Witterung für ein Fest zusammenhängt, welches im Freien stattfand. Zum Anderen hängt dies mit den kirchlichen Feiertagen Ostern und Pfingsten zusammen, die in diese Zeit fallen, und häufig zum Anlass genommen wurden.[Bumke 1987: S. 282] Es werden ausgiebig verschiedene Naturaspekte beschrieben und ihre Schönheit. Vögel, Blumen und Gräser sowie die freudenspendende Sonne finden Erwähnung. (V. 551-561) Die Naturelemente werden darüber hinaus personifiziert und treten wie Figuren der Erzählung auf. Beispielsweise wird erwähnt, dass "die liehten bluomen lacheten" (V. 562) und "des meien vriunt, der grüene wase/ der haete ûz bluomen ane geleit/ sô wunneclîchiu sumercleit,[...]" (V. 564-566). Die der Natur entspringenden und wie Festteilnehmer dargestellten Elemente der Umwelt verbildlichen die übersteigerte Freude und Ausgelassenheit, die durch das Fest ausgelöst wird. Der Schauplatz von Markes Maienfest wird dadurch zum locus amoenus.

Einordnung in den Textzusammenhang

Kurz nachdem Riwalin Cornwall erreicht hat, feiert Marke sein jährlich stattfindenes Fest. Dieses bildet den Auftakt für die Liebe zwischen den späteren Eltern von Tristan. Riwalin sieht Blanscheflur am Rande eines Ritterspiels das erste Mal und ist sofort gebannt von ihrer makellosen Schönheit. (V. 733-745) Sie ist schon zuvor, als sie ihn im Kampf beobachtet, hingerissen von seiner Stärke und seinem ritterlichen Edelmut. (V. 720-729) Das Fest initiiert also die Liebe, die zur Zeugung des Titelhelden führt. Außerdem wird die außerordentliche Güte und Großherzigkeit Markes hier das erste Mal deutlich. (V. 608-611) Später wird Tristan an seinen Hof zurückkehren und ebenfalls an Markes Reichtum, der hier beschrieben wird, partizipieren.

Festbeschreibungen in mittelalterlicher Literatur

Das Fest im Tristan des Gottfried von Straßburg stellt keine Seltenheit dar, wenn man weitere Erzählungen der Zeit betrachtet. So wird besipielsweise die Hochzeit Eneas´ und Lavianias im "Eneas"-Roman Heinrich von Veldekes gefeiert. Sie stellt gleichzeitig die erste Festbeschreibung innerhalb der deutschen Literatur im Mittelalter da.[Bumke 1987: S. 280] Beschreibungen zeremonieller und repräsentativer Pracht bei höfischen Festen sind ein wichtiges Erzählmoment der mittelalterlichen Literatur. Als Grundlage der vielfach auftretenden Beschreibungen gilt das Mainzer Hoffest von 1184, zu dem Friedrich I. zu Pfingsten aufgerufen hatte, und welches an Prunk nicht zu überbieten gewesen sei.[Bumke 1987: S. 276] Das Ausrichten von großen Festlichkeiten unterstreicht die milte (Güte und Freigebigkeit) und hövescheit (höfisches Wesen) des ausrichtenden Herrschers. Die ritterlichen Tugenden stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit und die größtmögliche höfische Etikette stellt das Ideal dar. Die beschriebenen Feste haben zudem herrschaftskonstituierende Eigenschaft, da das Lehnsverhältnis mit den Vasallen des Reiches verbessert wird. Hinzu kommt der repräsentative Aspekt einschließlich der oben erwähnten milte. Je größer der Festakt, desto mehr wird investiert. Es werden teure Kleider, Nahrungsmittel und andere Wertgüter beschrieben mit denen der Veranstalter seine Gäste verwöhnt. Der Umfang der Beschenkung seiner Gäste ist als Maß für Reichtum und Macht des Herrschers zu betrachten. [Bumke 1987: S. 314]

Fazit

Das Maienfest übernimmt im Roman die Aufgabe die Liebe der Eltern Tristans zu initiieren. Beide lernen sich hier kennen und lieben. Die Vorgeschichte des Romans, die die Liebe zwischen Riwalin und Blanscheflur behandelt, nimmt hier ihren Lauf. Es ist auffällig, "dass sich der Anfangsteil zur Haupthandlung wie eine Vorstufe zum eigentlichen verhält." [Tomasek 2007: S. 97] Desweiteren wird die Fest-Motivik aufgegriffen, die in der mittelalterlichen Literatur im Allgemeinen eine Rolle spielt. Sie sind für den Herrscher Ausdruck seiner Macht und zudem durch zentrale Zusammenziehung der Mächtigen des Reiches herrschaftsabbildendes Element. Der Roman Gottfrieds kann in dieser Hinsicht analog zu zeitgenössischer Literatur gesehen werden.

Literatur

  1. Alle Versangaben im Folgenden aus: Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).


  • [*Krohn 1980] Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).
  • [*Bumke 1987] Bumke, Joachim: Höfische Kultur. Literatur und Gesellschaft im hohen Mittelalter. Band 2. München 1987.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007