Sprache (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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==ûzen - innen==  
 
Gottfried von Straßburg legt in seinem Werk großen Wert auf die Sprache. Im Literaturexkurs formuliert er Ansprüche, die er an einen guten Stil stellt und die er auch selber erfüllt. Seine Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Freud und Leid, Liebe und Tod spiegelt sich in antithetischen Stilmitteln wieder. Außerdem zeigt er sich als Meister der Wortneuschöpfungen und sein Vers- und Reimschema besticht durch seine Klarheit und Musikalität. Da eine Analyse aller von ihm verwendeter Stilmittel zu weit führen würde, wird anschließend exemplarisch eine Szene auf ihre sprachlichen Besonderheiten untersucht.
 
 
=Einklang von ''ûzen'' und ''innen'' - Gottfrieds Stilansprüche=  




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:''wie lûter und wie reine
:''wie lûter und wie reine
:''sîniu cristallînen wortelîn
:''sîniu cristallînen wortelîn
:''beidiu sint und iemer müezen sîn!'' (V. 4621-4230)
:''beidiu sint und iemer müezen sîn!'' (V. 4621-4230)<ref>Sämtliche in diesem Artikel  zitierte Textangaben aus dem Tristan entstammen dieser Ausgabe: Gottfried  von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach  dem  Text von Friedrich Ranke  neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit  einem  Stellenkommentar und  einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.</ref>




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Vor diesem Hintergrund sollen hier die verschiedenen von Gottfried angewandten Stilmittel untersucht und ihre Bedeutung im Einklang mit dem Inhalt betrachtet werden.
Vor diesem Hintergrund sollen hier die verschiedenen von Gottfried angewandten Stilmittel untersucht und ihre Bedeutung im Einklang mit dem Inhalt betrachtet werden.


==Stilmittel==
 
===Oxymerone und Antithesen - Parallelismen und Chiasmen===
 
=Das Spiel mit Kontrasten=
 
 
Laut Weser und Hoffmann ist der Prolog der Teil eines jeden Werkes, in dem die Autoren frei, da ungebunden, an ihre Vorlage ihre poetische Kraft entfalten konnten <ref>Weber/Hoffmann S.15</ref>. Deshalb werden hier die von Gottfried am häufigsten gebrauchten Stilmittel anhand von Beispielen aus dem Prolog dargestellt.
Laut Weser und Hoffmann ist der Prolog der Teil eines jeden Werkes, in dem die Autoren frei, da ungebunden, an ihre Vorlage ihre poetische Kraft entfalten konnten <ref>Weber/Hoffmann S.15</ref>. Deshalb werden hier die von Gottfried am häufigsten gebrauchten Stilmittel anhand von Beispielen aus dem Prolog dargestellt.
Ein Hauptthema in Gottfrieds Werk ist der ständige Dualismus von Freud und Leid und Tod und Leben. Nach Gottfried ist das eine ohne das andere nicht möglich und diese Ansicht wird durch diverse Stilmittel unterstrichen.
Ein Hauptthema in Gottfrieds Werk ist der ständige Dualismus von Freud und Leid und Tod und Leben. Nach Gottfried ist das eine ohne das andere nicht möglich und diese Ansicht wird durch diverse Stilmittel unterstrichen.
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Mann und Weib, Tristan und Isolde gehören unzertrennlich zusammen und so wie sich in der letzten Gartenszene ihre Arme verschränken, sind hier bereits ihre Namen verschränkt.
Mann und Weib, Tristan und Isolde gehören unzertrennlich zusammen und so wie sich in der letzten Gartenszene ihre Arme verschränken, sind hier bereits ihre Namen verschränkt.


===Neologismen===
 
 
=Neologismen=
 


Eine weitere Eigenart von Gottfried ist, dass er eine große Kreativität im Gebrauch von Wörtern erweist. Das können einerseits Fremdwörter, meist aus dem [[Französisch im Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan)| Französischen]] sein, andererseits aber auch unzählige Neologismen.
Eine weitere Eigenart von Gottfried ist, dass er eine große Kreativität im Gebrauch von Wörtern erweist. Das können einerseits Fremdwörter, meist aus dem [[Französisch im Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan)| Französischen]] sein, andererseits aber auch unzählige Neologismen.
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==Verstechnik==
=Verstechnik=


Für Gottfrieds Sprachstil gilt das Ideal der ''mâze''. Die Verse des Tristan hat Gottfried größtenteils stichisch und als Paarreim (aabb) verfasst. Hebung und Senkung wechseln sich in der Regel ab, der Rhythmus ist teilweise jambisch, teilweise trochäisch. Das gleichmäßige System wird jedoch durch verschiedene Elemente immer wieder unterbrochen. So lassen sich, wie zum Beispiel in Vers 618 („jene ander tanzen schouwen“)<ref>Der Auftakt wird deutlich in der Tristan-Ausgabe von Reinhold Beckstein, Vers 616: „jene ánder tanzen schouwen“</ref>, zweisilbige Auftakte finden, der trochäische Vers konvertiert zu einem jambischen.[Scharschuch 1938: 49]
Für Gottfrieds Sprachstil gilt das Ideal der ''mâze''. Die Verse des Tristan hat Gottfried größtenteils stichisch und als Paarreim (aabb) verfasst. Hebung und Senkung wechseln sich in der Regel ab, der Rhythmus ist teilweise jambisch, teilweise trochäisch. Das gleichmäßige System wird jedoch durch verschiedene Elemente immer wieder unterbrochen. So lassen sich, wie zum Beispiel in Vers 618 („jene ander tanzen schouwen“)<ref>Der Auftakt wird deutlich in der Tristan-Ausgabe von Reinhold Beckstein, Vers 616: „jene ánder tanzen schouwen“</ref>, zweisilbige Auftakte finden, der trochäische Vers konvertiert zu einem jambischen.[Scharschuch 1938: 49]
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Die hervorgehobenen Buchstaben gehören zu einem Kryptogramm, welches den ganzen Roman durchzieht. Siehe dazu [[Das Kryptogramm im Tristan]]
Die hervorgehobenen Buchstaben gehören zu einem Kryptogramm, welches den ganzen Roman durchzieht. Siehe dazu [[Das Kryptogramm im Tristan]]


==Anmerkungen==
 
<references/>
<references/>




==Primärliteratur==
* Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach  dem Text v. Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit e.  Stellenkommentar u. e. Nachw. v. Rüdiger Krohn. Bd. 1–3 Stuttgart 1980.


=Literaturangaben=


==Sekundärliteratur==
<harvardreferences />
<harvardreferences />
* Huber, Christoph: Wort-Ding-Entsprechungen. Zur Sprach- und Stiltheorie Gottfrieds von Straßburg, in: Befund und Deutung. Festschrift Hans Fromm, hg. von Klaus Grubmüller, Tübingen 1979, S.268-308.
* Huber, Christoph: Wort-Ding-Entsprechungen. Zur Sprach- und Stiltheorie Gottfrieds von Straßburg, in: Befund und Deutung. Festschrift Hans Fromm, hg. von Klaus Grubmüller, Tübingen 1979, S.268-308.

Version vom 8. Februar 2011, 21:24 Uhr


Gottfried von Straßburg legt in seinem Werk großen Wert auf die Sprache. Im Literaturexkurs formuliert er Ansprüche, die er an einen guten Stil stellt und die er auch selber erfüllt. Seine Beschäftigung mit dem Zusammenhang zwischen Freud und Leid, Liebe und Tod spiegelt sich in antithetischen Stilmitteln wieder. Außerdem zeigt er sich als Meister der Wortneuschöpfungen und sein Vers- und Reimschema besticht durch seine Klarheit und Musikalität. Da eine Analyse aller von ihm verwendeter Stilmittel zu weit führen würde, wird anschließend exemplarisch eine Szene auf ihre sprachlichen Besonderheiten untersucht.


Einklang von ûzen und innen - Gottfrieds Stilansprüche

Hartmann der Ouwaere,
âhî, wie der diu maere
beide ûzen unde innen
mit worten und mit sinnen
durchverwet und durchzieret!
wie er mit rede figieret
der âventiure meine!
wie lûter und wie reine
sîniu cristallînen wortelîn
beidiu sint und iemer müezen sîn! (V. 4621-4230)[1]


In seinem Literaturexkurs preist Gottfried von Straßburg Hartmann von Aue, den wohl mit bekanntesten mittelhochdeutschen Autoren. Er lobt Hartmann wegen seiner im Sinne der Verständlichkeit kristallklaren Worte. Vorbildhaft färbt und verziert er seine Texte sprachlich.[2] Anhand dieser Textpassage lassen sich auch die drei Ansprüche erkennen, die Gottfried an eine gute Dichtung stellt. Das Wichtigste ist dabei der Einklang von ûzen und innen, also das Übereinstimmen von innerer Aussage und äußerer Darstellung. Der zweite Anspruch ist ein adäquates Verhältnis von Erzählstoff und Erzählweise. So lässt sich also schon an der künstlerischen Ausschmückung erkennen, welche Stellen besonders wichtig sind. Der dritte Anspruch an eine Dichtung ist die Luzidität des sprachlichen Ausdrucks die lûter, reine und cristallînsein sollen. [Krohn 2008: 349] Seine Ansicht ist geprägt von der lateinischen Schulrethorik, derer er kundig war, wenn man aus seiner Anrede als meister schließt, dass er der septem artes liberales kundig war.

Gleichsam mit ûzen und innen werden hier worte und sinne sowie rede und meine paarweise gegenübergestellt, also die formale, sprachliche Ebene der semantisch-sinneseindrücklichen Ebene.[Weddige 2008: 209] Vor diesem Hintergrund sollen hier die verschiedenen von Gottfried angewandten Stilmittel untersucht und ihre Bedeutung im Einklang mit dem Inhalt betrachtet werden.


Das Spiel mit Kontrasten

Laut Weser und Hoffmann ist der Prolog der Teil eines jeden Werkes, in dem die Autoren frei, da ungebunden, an ihre Vorlage ihre poetische Kraft entfalten konnten [3]. Deshalb werden hier die von Gottfried am häufigsten gebrauchten Stilmittel anhand von Beispielen aus dem Prolog dargestellt. Ein Hauptthema in Gottfrieds Werk ist der ständige Dualismus von Freud und Leid und Tod und Leben. Nach Gottfried ist das eine ohne das andere nicht möglich und diese Ansicht wird durch diverse Stilmittel unterstrichen. Durch Parallelismen wird zuerst eine Gegenüberstellung bewirkt und ein gleichmäßiges Sprachbild gegeben, zum Beispiel:

und lâze ez ime gevallen wol,
die wîle ez ime gevallen sol. (V.15,16)

Dagegen stechen dann die Stilmittel, die Gegensätze ausdrücken, noch stärker hervor. Hierfür gebraucht Gottfried vor allem Antithesen und Oxymerone. Das beste Beispiel ist hierfür wohl folgende Stelle:

ir süeze sûr, ir liebez leit,
ir herzeliep, ir senede nôt,
ir liebez leben, ir leiden tôt,
ir lieben tôt, ir leidez leben. (V.60-64)

Die Textstelle ist parallel aufgebaut, nur herzeliep fällt ein wenig aus der Reihe, ansonsten weißt die Stelle ein hohes Maß an Symmetrie auf. Die Wörter Süeze und sûr bilden eigentlich ein Gegensatzpaar, sind in diesem Oxymoron aber zu einem Ausdruck verbunden. Genauso scheint sich das Wortpaar lieb und leit zu wiedersprechen, im Laufe des Prologs und dann im Laufe des gesamten Romans wird noch deutlich werden, warum diese beiden Dinge unzertrennbar zusammen hängen. Dieses Oxymoron zieht sich als Leitmotiv durch den gesamten Roman. Das Gleiche gilt für leben und tôt, die uns in dem gesamten Roman immer wieder begegnen, sei es als der wahre Tod, im Falle von Riwalin und Blanscheflur zum Beispiel, oder der innere Tod, den Tristan und Isolde jedes Mal erleiden, wenn sie getrennt sind. Lieb und leid, tôt und leben sind nun untereinander auch noch beliebig kombinierbar, was an dieser Stelle durch chiastische Verschränkungen hervorgehoben wird. Trotz dieser Gegensätze gibt es aber einen festen Zusammenhalt, der durch Parallelismen und Chiasmen dargestellt wird, wie auch schon im obigen Beispiel. Die Dinge wiedersprechen sich zwar, bilden aber gleichzeitig eine unzertrennliche Einheit. Chiasmen dienen insgesamt dazu, die untrennbare Verwebung darzustellen. Am deutlichsten wird dies an der Stelle, an der die Namen der Protagonisten das erste Mal fallen:

ein man ein wîp, ein wîp ein man,
Tristan Isolt, Isolt Tristan. (V.129, 130)

Mann und Weib, Tristan und Isolde gehören unzertrennlich zusammen und so wie sich in der letzten Gartenszene ihre Arme verschränken, sind hier bereits ihre Namen verschränkt.


Neologismen

Eine weitere Eigenart von Gottfried ist, dass er eine große Kreativität im Gebrauch von Wörtern erweist. Das können einerseits Fremdwörter, meist aus dem Französischen sein, andererseits aber auch unzählige Neologismen. Die erste und häufigste Wortneuschöpfungsart sind denominative Derivationen, zum Beispiel "gewerldet" (V.44), "geherzet" (V.118) oder "bemaeren" (V.125). Diese denominative Derivation wendet er sogar auf Eigennamen an, so klagt Tristan am Ende er sei "g'îsôtet" (V.19006).

Verben können durch Präfixe einen neuen Sinn bekommen, so bildet Gottfried zum Beispiel "widerpflegen" (V.32) um das Gegenteil von pflegen auszudrücken. Der Verwendung dieses Wortes geht eine Erklärung voran, die die Wortbedeutung klarstellt. Andere Neologismen enstehen, indem zwei Nomen miteinander kombiniert werden. Dies kann am Rande passieren, wenn die entstehenden Wörter selbsterklärend sind, so zum Beispiel bei "seneglout"(V.112) wo die Metapher glühendes Sehnen in einem Wort zusammen gefasst worden ist. An anderer Stelle kommt das Wort "vaterwân" (V.4231) vor, das nur aus dem Zusammenhang verständlich ist. Hier handelt es sich um den Glauben, einen Vater zu haben. Auch aus Eigennamen macht Gottfried Verben, so zum Beispiel in dem huote-Exkurs im Eva- Beispiel

"sus sint ez allez Êven kint,
nâch der Êven g'êvet sint." (V.17696/17697)

Auch dieses Wort braucht die Erklärung, dass g'êvet das Erbe Evas in sich tragen heißt. Auch Numerale werden von Gottfried häufig umgeformt.

Paronomasien (Wortspiele)

Auch Paronomasien finden sich an zahlreichen Stellen.[4] Durch Häufung einzelner oder mehrerer Wörter und dem sprachlichen "Umkreisen" dieser dienen sie dazu, die Aufmerksamkeit des Rezipienten zu schärfen und auf die oft unmittelbar folgenden Handlungsebenen oder Exkurse zu lenken.[Tomasek 2007: 228]
Am Ende der Beschreibung von Riwalins Jugend sind in neun Versen neun Mal Wörter des Wortstammes "leben" zu finden. Die Häufung und das Spiel, gerade in Vers 305 mit der eindringlichen dreimaligen Wiederholung von lebete, unterstreichen den inhaltlichen Wendepunkt der Stelle: Nach sorgloser Jugend fängt nun Riwalins leben ze lebene (305) an.

Vers 303ff.

er nam vür sich niht sorgen war,
wan lebete und lebete und lebete êt dar.
dô sîn leben ze lebene vienc,
ûf alse der tagesterne gienc
und lachende in die werlde sach,
dô wânde er, des doch niene geschach,
daz er iemer alsô solte leben
und in der lebenden süeze sweben.
nein, sînes lebenes begin
der gie mit kurzem lebene hin;


Aufallend ist, dass auch das Ende der Ereignisse um Riwalin, welches gleichzeitig den Beginn der Tristanhandlung bildet, von einem Wortspiel mit "leben" gekennzeichnet ist. Nach dem Tod Riwalins uns Blanscheflurs handelt verweifelte Rual wie ein vronne (1871):

Vers 1872ff.

die wîle und er daz leben hât,
sô sol er mit den lebenden leben,
im selben trôst ze lebene geben.


Das kurze Leben Riwaldins ist vorbei, doch da Rual beschließt, mit den lebenden [zu] leben (1873) ist leben Tristans gesichert. Beide Stellen bestehen also eigentlich aus einem Wortspiel und bilden so eine Art Ramen um die "Riwalin-Handlung".

Ein weiteres Beispiel für ein Wortspiel ist in dem Kapitel: Tantris. Tristan dreht die Silben in seinem Namen um , damit er seine Identität verschleiern kann. Er stellt sich gegenüer der Königin Isolde mit Tantris vor:

Vers7785 ff.

Diu wise sprach im aber zuo
"spilman, sag an, wie heizestuo"?
"vrouwe ich heize Tantris."


Ebenfalls zur Verschlüsselung dient das Wortspiel Isoldes , mit dem sie Tristan nach dem Minnetrank ihre Liebe gesteht:

Vers11985 ff.

lameir, sprach si "daz ist min not
lameir daz swaeret mir den mout
"lameir ist,daz mir leide tuot."


Mit diesem Motiv der Zweideutigkeit können Tristan und Isolde lügen und zugleich die Wahrheit sagen. Das Wort bezieht sich nicht mehr auf einen außerhalb liegenden Sinhorizont, sondern wird undurchsichtig und liefert damit die Möglichkeit zur Zweideutigkeit, sowie zur Täuschung und Lüge. Diesem Mittel der Sprache bedienen sich Tristan und Isolde und stellen sie in den Dienst ihrer Liebe.

Minne-Metaphorik

Gefangenschafts-Metaphern

Auffällig oft wird die Minne in Gottfrieds Tristan als gewalttätige Macht gargestellt, die ihre 'Opfer' regelrecht gefangen nimmt. Dieser Akt wird vom Erzähler als ein freiwillig-unfreiwilliges Ringen mit der bittersüßen Substanz Liebe dargestellt. So wird beispielsweise die Liebe zwischen Riwalin und Blanscheflur im Leimrutengleichnis mit einem ahnungslosen Vogel verglichen, der sich unversehens auf einen mit klebrigem Leim getränkten Ast setzt und hilflos daran kleben bleibt. Je heftiger er sich dagegen wehrt, desto mehr verfängt er sich und desto stärker wird die Bindung zum Leim/ respektive der Liebe. Es wird also ein gleichzeitiges Fortstreben und Angezogenwerden symbolisiert.

sô wil der senedaere
ze sîner vrîheite wider;
sô ziuhet in diu süeze nider
der gelîmeten minne. (V. 864 - 867)

Ähnlich verläuft die Metaphorik bei der aufkeimenden Liebe zwischen Tristan und Isolde. Isoldes Kampf gegen die tödliche Kraft des Minne-Sumpfes, der sie unaufhaltsam immer weiter hinunterzieht, bedient sich dem selben Paradoxon vom Entfliehen-wollen vor der unbarmherzigen und dennoch süßen Anziehungskraft der Minne:

mit vüezen und mit henden
nam sî vil manege kêre
und versancte ie mêre
ir hende unde ir vüeze
in die blinden süeze
des mannes unde der minne. (V. 11804 - 11809)

"Das Gleichnis entfaltet den Verlust der Freiheit des Liebenden mit der Zunahme seiner Minnebindung als suksessiven Geschehensfortgang."[5]


Verstechnik

Für Gottfrieds Sprachstil gilt das Ideal der mâze. Die Verse des Tristan hat Gottfried größtenteils stichisch und als Paarreim (aabb) verfasst. Hebung und Senkung wechseln sich in der Regel ab, der Rhythmus ist teilweise jambisch, teilweise trochäisch. Das gleichmäßige System wird jedoch durch verschiedene Elemente immer wieder unterbrochen. So lassen sich, wie zum Beispiel in Vers 618 („jene ander tanzen schouwen“)[6], zweisilbige Auftakte finden, der trochäische Vers konvertiert zu einem jambischen.[Scharschuch 1938: 49] Insbesondere in der ersten Hälfte schiebt Gottfried außerdem vierzeilige Strophen ein,[Scharschuch 1938: 48] die den Fortgang der Handlung unterbrechen und Weisheiten und Ansichten des Autors ausdrücken.

Beispiel 1 (Vers 1751ff):

Owê der ougenweide,
dâ man nâch leidem leide
mit leiderem leide
siht leider ougenweide!

Beispiel 2 (Vers 1865ff):

Sich treit der werlde sache
vil ofte z'ungemache
und aber von ungemache
wider ze guoter sache.

Die eingeschobenen Strophen sind in der Regel jambisch (unbetont – betont) und drei- oder viermal gehoben [Scharschuch 1938: 49], weisen jedoch ebenfalls Unregelmäßigkeiten auf (siehe Beispiel 2, Vers 1867). Sie sind in umarmenden Reimen (abba) oder, besonders im Prolog, in Kreuzreimen (abab) verfasst. Die Reinheit der Reime, die für Gottfried selbstverständlich ist, wird hier noch dadurch gesteigert, dass die Worte sich nicht nur reimen sondern identisch sind. Neben Endreimen greift Gottfried auch auf Innenreime und Reimspiele zurück: „haeten si beide ir weide./si weideten beide“ (Vers 10999f) bzw. „und zwivelte si ouch beide./dem gebeidetem leide (13765f).[Scharschuch 1938:50]. An diesen Beispielen zeigt sich auch, dass Gottfried häufig auf das Stilmittel der Reimbrechung zurückgreift. Reim und Satz entsprechen einander nicht unbedingt, was syntaktisch zusammen gehört, muss kein Reimpaar bilden. Zwischen Kapitel XI und XII ist die Brechung sogar kapitelübergreifend. [Scharschuch 1938: 51]. Scharschuch beurteilt die Unregelmäßigkeiten durchaus positiv, denn sie würden einen farb- und kunstlosen Stil verhindern. [Scharschuch 1938: 49]
Die hervorgehobenen Buchstaben gehören zu einem Kryptogramm, welches den ganzen Roman durchzieht. Siehe dazu Das Kryptogramm im Tristan


  1. Sämtliche in diesem Artikel zitierte Textangaben aus dem Tristan entstammen dieser Ausgabe: Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.
  2. So ist Hartmann dieser Textstelle nach ein "[..] Meister der elocutio, der seine Geschichten mit Hilfe der colores rhetorici »koloriert« (durchverwet) und »dekoriert«  (durchzieret)." Zitiert nach: Hilkert Weddige: Einführung in die germanistische Mediävistik. München 72008. S.209.
  3. Weber/Hoffmann S.15
  4. Vor allem im Prolog, vgl. dazu: [Schöne 1973: 152ff.]. Sammlungen finden sich etwa in [Batts 1971: 92ff.] und [Scharschuch 1938: 23ff.]
  5. Wessel, Franziska: Probleme der Metaphorik und die Minnemetaphorik in Gottfrieds von Strassburg 'Tristan und Isolde'. München 1984. S. 281.
  6. Der Auftakt wird deutlich in der Tristan-Ausgabe von Reinhold Beckstein, Vers 616: „jene ánder tanzen schouwen“


Literaturangaben

<harvardreferences />

  • Huber, Christoph: Wort-Ding-Entsprechungen. Zur Sprach- und Stiltheorie Gottfrieds von Straßburg, in: Befund und Deutung. Festschrift Hans Fromm, hg. von Klaus Grubmüller, Tübingen 1979, S.268-308.
  • [*Krohn 2008] Krohn, Rüdiger: Gottfried von Straßburg: Tristan. Band 3: Kommentar, Nachwort und Register. Stuttgart 2008, S.349.
  • [*Scharschuch 1938] Scharschuch, Heinz: Gottfried von Straßburg. Stilmittel - Stilästhetik. Berlin 1938.
  • [*Schöne 1973] Schöne, Albrecht: Zu Gottfrieds Tristan-Prolog (1955). In: Gottfried von Straßburg. Hrsg. Von Alois Wolf. Darmstadt 1973 (Wege der Forschung, 320), S. 147 -181.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Thomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.
  • [*Weddige 2008] Weddige, Hilkert: Einführung in die germanistische Mediävistik. München 72008.