Keie (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen

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Gegenstand dieses Artikels ist die Nebenfigur '''Keie''' (Keye) aus [[Wolfram von Eschenbach (Biographie)|Wolframs von Eschenbach]] "Parzival". Neben der Darstellung zentraler Charaktereigenschaften von Keie, bietet der folgende Text auch eine tiefergehende Analyse der Figur.    
Gegenstand dieses Artikels ist die Nebenfigur '''Keie''' (Keye) aus [[Wolfram von Eschenbach (Biographie)|Wolframs von Eschenbach]] ''Parzival''. Neben der Darstellung zentraler Charaktereigenschaften von Keie bietet der folgende Text auch eine tiefergehende Analyse der Figur. Um eine angemessene Charakterisierung vornehmen zu können, ist es wichtig zu erwähnen, dass die Figur des Keie nicht nur im ''Parzival'' auftritt, sondern vielmehr eine wiederkehrende Figur ist, die in mehreren Werken der mittelalterlichen Literatur zu finden ist. So zum Beispiel im [[Keie (Hartmann von Aue, Iwein)|''Iwein'' von Hartmann von Aue]] oder in Heinrichs von dem Türlin ''Diu Crône''.
     
Um eine angemessene Charakterisierung vornehmen zu können, ist es nicht unwichtig zu erwähnen, dass die Figur des Keie nicht nur im Parzival auftritt, sondern vielmehr eine Sagengestalt ist, die in mehreren Werken der mittelalterlichen Literatur zu finden ist. So zum Beispiel im "Iwein" von Hartmann von Aue (siehe [[Keie (Hartmann von Aue, Iwein)|hier]]) oder in Heinrichs von dem Türlin "Diu Crône".




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Keie ist Teil des Artushofs und bekleidet dort das höfische Amt des [http://www.stift-gernrode.uni-goettingen.de/Glossar.htm Truchsessen] (oder auch Seneschalls), ihm unterliegt somit die Verwaltung des königlichen Haushalts.       
Keie ist Ritter am [[Ritter::Artushof]] und bekleidet dort das höfische Amt des [http://www.stift-gernrode.uni-goettingen.de/Glossar.htm Truchsessen] (oder auch Seneschalls), ihm unterliegt somit die Verwaltung des königlichen Haushalts.       


Keie erscheint ohne weitere Erläuterung zu seiner Person erstmals in 150, 13 <ref> Alle Textstellen-Angaben aus Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003. </ref> , kurz nachdem Parzivâl [[König Artus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|König Artûs]] um die Rüstung [[Ither (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Ithêrs]] bittet. Artûs verweigert Parzivâl zunächst seine Bitte, lässt sich dann jedoch von Keie umstimmen. Letzterer argumentiert geschickt, dass sowieso jemand den von Ithêr entwendeten Becher zurückholen muss. Jedoch ist Keie sich gleichzeitig bewusst, dass er den noch unerfahrenen Parzivâl unter Umständen in den Tod schickt, wenn er ihn Ithêrs Rüstung fordern lässt. [Bumke 2004: 59] Keie erscheint aus diesem Grund hier als hartherziger und manipulativer Berater Artûs. Indem der König dem Rat seines Truchsessen folgt, zeigt sich ferner, dass Keie "für Artûs von besonderer Wichtigkeit" ist. [Gowans 1988: 1]                           
Keie erscheint ohne weitere Erläuterung zu seiner Person erstmals in 150,13 <ref> Alle Textstellen-Angaben aus Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003. </ref>, kurz nachdem Parzival [[König Artus (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|König Artus]] um die Rüstung [[Ither (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Ithers]] bittet. Artus verweigert Parzival zunächst seine Bitte, lässt sich dann jedoch von Keie umstimmen. Letzterer argumentiert geschickt, dass sowieso jemand einen von Ither entwendeten Becher zurückholen muss. Jedoch ist Keie sich gleichzeitig bewusst, dass er den noch unerfahrenen Parzival unter Umständen in den Tod schickt, wenn er ihn Ithers Rüstung fordern lässt. [Bumke 2004: S. 59] Keie erscheint aus diesem Grund hier als hartherziger und manipulativer Berater von Artus. Indem der König dem Rat seines Truchsessen folgt, zeigt sich ferner, dass Keie "für Artus von besonderer Wichtigkeit" <ref> Alle Zitate aus Gowans (1988) sind Übersetzungen aus dem Englischen. </ref> ist. [Gowans 1988: S. 1]                           


Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Keie in diesem kurzen Abschnitt nicht nur als berechnend und skrupellos, sondern auch als als ein gerissener Manipulator auftritt, welcher auf Artûs Entscheidungen Einfluss zu haben scheint. Joachim Bumke fasst treffend zusammen: "Das große Wort führt am Hof der bösartige Truchseß Keie." [Bumke 2004: 59]  
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Keie in diesem kurzen Abschnitt nicht nur als berechnend und skrupellos, sondern auch als ein gerissener Manipulator auftritt, welcher auf Artus Entscheidungen Einfluss nimmt. Joachim Bumke fasst treffend zusammen: "Das große Wort führt am Hof der bösartige Truchseß Keie." [Bumke 2004: S. 59]


====Bestrafung Cunnewâres====
====Bestrafung Cunnewares====


Cunnewâre, eine Dame des Artûshofs, lächelt Parzivâl überraschenderweise zu, denn von ihr wird gesagt, dass sie ihr Lachen nur demjenigen schenkt, "der höchsten Ruhm auf Erden hätte" (151, 17). Keie beurteilt dies als in höchstem Maße schandhaft für die Dame und schlägt diese daraufhin als Strafe. (Näheres zu dieser Szene [[Parzival und Cunneware (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|hier]]). Dies scheint niemanden am Artushof zu empören, obgleich Cunnewâre eine Fürstin ist. (Näheres dazu [[Gewalt in "Parzival" (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|hier unter 3.2]]). Keie fungiert an dieser Stelle als "Wahrer einer [...] patriarchal strukturierten Ordnung", [Scheuble 2005: 315] für deren Aufrechterhaltung Züchtigungen in Kauf genommen werden.  
[[Parzival und Cunneware (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Cunneware]], eine Dame des Artushofs, lächelt Parzival überraschenderweise zu, denn von ihr wird gesagt, dass sie ihr Lachen nur demjenigen schenkt, "die den hôhsten prîs hete od solt erwerben" ("der höchsten Ruhm auf Erden hätte") (151,14). Keie beurteilt dies als in höchstem Maße schandhaft für die Dame und [[Gewalt im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|schlägt]] diese daraufhin als Strafe. Dies scheint niemanden am Artushof zu empören, obgleich Cunneware eine Fürstin ist. Keie fungiert an dieser Stelle als "Wahrer einer [...] patriarchal strukturierten Ordnung", [Scheuble 2005: S. 315] für deren Aufrechterhaltung Züchtigungen in Kauf genommen werden.  


Eindeutig ist, dass Keie auch hier einen negativen Eindruck hinterlässt. Er löst durch die Bestrafung Cunnewâres ein schlechts Gewissen bei Parzivâl aus, da dieser sich für das Leiden der Dame verantwortlich fühlt. Keie ist bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte folglich ein rücksichtsloser, brutaler und "missbräuchlicher Seneschall". [Gowans 1988: 1]
Eindeutig ist, dass Keie auch hier einen negativen Eindruck hinterlässt. Er löst durch die Bestrafung Cunnewares ein schlechtes Gewissen bei Parzival aus, da dieser sich für das Leiden der Dame verantwortlich fühlt. Keie ist bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte folglich ein rücksichtsloser, brutaler und "missbräuchlicher Seneschall". [Gowans 1988: S. 1]


Keie scheint in dieser Szene darüber hinaus die Funktion eines Gegenpols zu Parzivâl zu haben. Dass er Cunnewâre bestraft, weil sie einen seiner Meinung nach Unhöfischen als edelsten Ritter ausgewählt hat, widerspricht selbst der höfischen Norm. "Er selbst als Vertreter des Höfischen [wird] durch sein Handeln als der Nicht-Höfische hingestellt. Ironischerweise vertritt er also gerade die Rolle, die er bekämpfen will;" [Nyholm 1997: 230] Parzivâl hat zwar kein höfisches Auftreten und keine ritterliche Erziehung genossen, dennoch erkennt Cunnewâre den edlen Charakter des Parzival, der seinem tölpelhaften Auftreten entgegensteht. Die Tugend des Parzival, die sich im weiteren Verlauf des Romans abzeichnet, ist vorbildhaft für den ungerechten Keie.
====Keie am Plimizoel====
 
Als der Artushof loszieht, um Parzival in die Tafelrunde aufzunehmen, treffen sie auf diesen am Plimizoel, ironischerweise ohne ihn zu erkennen. Parzival befindet sich, ausgelöst von drei [[Die Blutstropfenszene (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Blutstropfen im Schnee]], in einer Liebestrance. Seinen aufgestellten Speer interpretieren die Ritter des Artushofs jedoch als eine Herausforderung zum Kampf. So kommt es zur [[Das Tjostieren im Parzival|Tjost]] zwischen dem gedanklich abwesenden Parzival und dem kampflustigen Keie. Parzival wird für einen kurzen Moment die Sicht auf die Blutstropfen versperrt und so erwacht er gerade noch rechtzeitig aus seiner Trance, um Keie vom Pferd zu stoßen. Letzterer muss besiegt und mit gebrochenem Arm und Bein (295, 24) zum Lager des Artushofs zurückkehren. Auf diese Weise hat Parzival, wenn auch unwissentlich, das Leid der Cunneware gerächt.
 
Diese Szene sorgt also für ausgleichende Gerechtigkeit, da Keie schließlich für seine Gewalttätigkeit gegenüber Cunneware bestraft wird: "daz eine leit ein maget durch in, mit dem andern muoser selbe sîn." ("Einmal war es ein Mädchen gewesen, das seinetwegen Schläge litt, das zweitemal traf es ihn selbst") (295, 29-30).


====Wolframs Beurteilung Keies====
====Wolframs Beurteilung Keies====


Der Kommentar von Wolfram ab 296, 13 zu Keies Persönlichkeit kommt überraschend, wenn man die bisherigen Auftritte Keies berücksichtigt. Der Truchsess, bisher vor allem durch Gewalt und Härte aufgefallen, wird plötzlich vom Autor verteidigt als "treuer und tapferer Mann" (296, 24), der stets ehrenvoll handelt. Wolfram unternimmt hier eine Milderung der negativen Züge Keies. [Scheuble 2005: 321] Dies steht in krassem Gegensatz zu der früheren Bemerkung des Autors, in der er Keies Handeln als "verkehrt und unrecht" (222, 9) verurteilt.  
Der Kommentar von Wolfram zu Keies Persönlichkeit ab 296,13 kommt überraschend, wenn man die bisherigen Auftritte Keies berücksichtigt. Der Truchsess, bisher vor allem durch Gewalt und Härte aufgefallen, wird plötzlich vom Autor verteidigt als "getriwe und ellenthaft ein man" ("treuer und tapferer Mann") (296,24), der stets ehrenvoll handelt. Wolfram unternimmt hier eine Milderung der negativen Züge Keies. [Scheuble 2005: S. 321] Dies steht in krassem Gegensatz nicht nur zu der früheren Anmerkung des Autors, in der er bemerkt, dass Keie "hete missetân" ("verkehrt und unrecht [gehandelt hat]") (222,9), sondern auch zu Keies Niederlage gegen Parzival, welche die Strafe für sein unrechtes Verhalten darstellt.


Wolfram betont darüberhinaus, dass Keie für den Artushof von großem Nutzen ist, gerade wegen seiner groben Art, welche ihn befähigt Feinde und Verräter zu entlarven.
In einer weiteren positiven Bemerkung Wolframs zu Keie betont er darüber hinaus, dass Keie für den Artushof von großem Nutzen sei, gerade wegen seiner groben Art, welche ihn befähige, Feinde und Verräter zu entlarven (297, 6-8).


Wolfram wertet Keies Fähigkeiten als Truchsess sehr hoch, da er als Erzähler im Parzival bei der Beschreibung des Hofes des Landgrafen Hermann von Thüringen sagt, dass dem Landgrafen ein fähiger Mann wie Keie am Hofe fehle: von Düringen fürste Herman, etslîch dîn ingesinde ich maz, dazûzgesinde hieze baz. Dir waere och eines Keien nôt, sît wâriu milte  dir bebôt sô manecvalten anehanc, etswâ smaehlîch gedranc ut etswâ (297, 16-23).
===Analyse===
Es stellt sich die Frage, ob Keie nun als ein Schurke oder doch als ehrenvoller Ritter anzusehen ist. Auffallend ist, dass in anderen Werken des Mittelalters fast durchgehend ein negatives Bild von Keie vorherrscht. [Baisch 2003: S. 150] Beispielsweise schreibt Chrétien de Troyes im ''Yvain'': "Und Keu, der sehr zänkisch, bösartig, scharfzüngig und verletztend war...". [de Troyes um 1170: S. 19] Von diesem Hintergrund erscheint Wolframs positive Bemerkung provokativ und wie ein bewusster Versuch, sich mit seiner "starken persönlichen Verteidigung" [Gowans 1988: S. 96] Keies von anderen Werken zu distanzieren.  


===Analyse===
Das Hinzuziehen von weiterer Literatur, in der Keie eine Rolle spielt, besonders jedoch ein Vergleich mit Chrétien de Troyes ''Perceval'' (Vorlage Wolframs) löst den scheinbaren Widerspruch in der Darstellung Keies in ''Parzival'' auf. Denn schon bei den vermeintlich negativen Auftritten Keies zu Beginn lässt sich eine "Milderungs-Tendenz" [Haupt 1971: S. 49] Wolframs entdecken. So hat der Autor die Kritik, die der König Artus im ''Perceval'' an Keie übt, völlig weggelassen. [Haupt 1971: S. 51] Darüber hinaus betont Wolfram mehrmals das Amt von Keie, welches ihn zur Wahrung der höfischen Ordnung durchaus berechtigt. Die Bestrafung Cunnewares beispielsweise geschieht in diesem Licht "durch hofelîchen site" ("der Courtoise zuliebe") (218,30). Der Autor fügt "neue[], "pädagogische[]" Akzente[]" hinzu, indem er Keie als am Hof "extrem nützlich" [Gowans 1988: S. 96] darstellt: Keies gute Beobachtungsgabe bezüglich der Ehrlichkeit von Fremden (207,5) macht ihn für Artus unverzichtbar und stellt ihn eben nicht nur als einen Störenfried dar. Wolfram führt an, dass Keie meistens zu Recht Grobheit an den Tag legt und somit oft den König deckt (297,8) oder Verräter entlarvt (297,10).
 
===Fazit===
 
Es lässt sich feststellen, dass Keies Darstellung im ''Parzival'' auf den ersten Blick widersprüchlich ist: Es entsteht zunächst ein negativer Eindruck Keies, dem dann aber eine vehemente Verteidigung durch den Erzähler gegenübertritt. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass Keies gerissene und zumeist ungehobelte Art von Wolfram als nicht negativ beurteilt wird, sondern dass er die Figur vielmehr als einen unabdingbaren Bestandteil des Artushofs sieht, weil Keie diesem mit seiner Wesensart oft eine große Hilfe ist. Seine Gewalttaten kann Keie im ''Parzival'' zumeist "durch seine Aufgabe als Hofmarschall" rechtfertigen. [Scheuble 2005: S. 321] Es entsteht der Eindruck, dass Wolfram mit seiner Figur Keie "exemplarisch [...] die Notwendigkeit einer tüchtigen Aufsicht bei Hofe beweisen will". [Haupt 1971: S. 53]
 
Wolfram unternimmt eine "charakterliche Aufwertung Keies" [Scheuble 2005: S. 322] und distanziert sich damit vor allem von der Vorlage von Chrétien de Troyes.
 
===Quellennachweise===


   
   
Es stellt sich die Frage, ob Keie nun als ein Schurke oder doch als ehrenvoller Mann anzusehen ist. Auffallend ist, dass in anderen Werken des Mittelalters fast durchgehend ein negatives Bild von Keie vorherrscht. [Baisch 2003: 150] Beispielsweise schreibt Chrétien de Troyes im "Yvain": "Und Keu, der sehr zänkisch, bösartig, scharfzüngig und verletztend war...". [de Troyes um 1170: 19] Hinter diesem Hintergrund erscheint Wolframs Einschätzung provokativ und wie ein bewusster Versuch, sich mit seiner "starken persönlichen Verteidigung" Keies [Gowans 1988: 96] von anderen Werken zu distanzieren. (Distanzierung auch an anderen Stellen, interner Link noch setzen). 


Das Hinzuziehen von weiterer Literatur, in der Keie eine Rolle spielt, besonders jedoch ein Vergleich mit Chrétien de Troyes "Perceval" (Vorlage Wolframs) löst den scheinbaren Widerspruch in der Darstellung Keies in "Parzival" auf. Denn schon bei den vermeindlich negativen Auftritten Keies zu Beginn lässt sich eine "Milderungs-Tendenz" [Haupt: 1971: 49] Wolframs entdecken. So hat der Autor die Kritik, die der König Artûs im "Perceval" an Keie übt, völlig weggelassen. [Haupt 1971: 51] Darüber hinaus betont Wolfram mehrmals das Amt von Keie, welches ihn zur Wahrung der höfischen Ordnung durchaus berechtigt. Die Bestrafung Cunnewâres beispielswiese geschieht in diesem Licht "der Courtoise zuliebe" (218, 30). Der Autor fügt "neue[], "pädagogische[]" Akzente[]" hinzu, indem er Keie als am Hof "extrem nützlich" [Gowans 1988: 96] darstellt: Indem Keie eine gute Beobachtungsgabe bezüglich der Ehrlichkeit von Fremden hat (207, 5 ff.), ist Keie für Artûs unverzichtbar und eben nicht nur ein Störenfried. Wolfram führt an, dass Keie meistens zu Recht Grobheit an den Tag legt und somit oft den König deckt (297, 8) oder Verräter entlarvt (297, 10).
[*Baisch 2003] [http://books.google.de/books?id=jzBGxN9LN0AC&pg=PA149&lpg=PA149&dq=diu+crone+keie&source=bl&ots=vYmmY0YDWq&sig=19YKgXGR8MTV_TUE9mqEHfZ0mEQ&hl=de&sa=X&ei=k0qxT4LsHtTS4QTH1ey6CQ&ved=0CFgQ6AEwAA#v=onepage&q=diu%20crone%20keie&f=false  Aventiuren des Geschlechts. Modelle von Männlichkeit in der Literatur  des 13. Jahrhunderts.]


===Fazit===
[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).


Es lässt sich feststellen, dass Keies Darstellung in "Parzival" auf den ersten Blick widersprüchlich ist: Es entsteht zunächst ein negativer Eindruck Keies, dem dann aber eine vehemente Verteidigung durch den Autor gegenübertritt. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass Keies gerissene und zumeist ungehobelte Art von Wolfram als nicht negativ beurteilt wird, sondern dass er die Figur vielmehr als ein unabdingbarer Bestandteil des Artushof sieht, die diesem mit seiner Wesensart oft eine große Hilfe ist. Seine Gewalttaten kann Keie im "Parzival" zumeist "durch seine Aufgabe als Hofmarschall" rechtfertigen. [Scheuble 2005: 321] Es entsteht der Eindruck, dass Wolfram mit seiner Figur Keie "exemplarisch [...] die Notwendigkeit einer tüchtigen Aufsicht bei Hofe beweisen will". [Haupt 1971:53]
[*Gowans 1988] Gowans, Linda: Cei and the Arthurian legend, Cambridge 1988.


Wolfram unternimmt im "Parzival" eine "charakterliche Aufwertung Keies" [Scheuble 2005: 322] und distanziert sich damit allem voran von der Vorlage von Chrétien de Troyes.
[*Haupt 1971] Haupt, Jürgen: Der Truchseß Keie im Artusroman, Berlin 1971.


[*Scheuble 2005] Scheuble, Robert: mannes  manheit, vrouwen meister. Männliche Sozialisation und Formen der Gewalt  gegen Frauen im Nibelungenlied und in Wolframs von Eschenbach Prazival, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Wien [u.a.] 2005.


[*de Troyes um 1170] de Troyes, Chrétien: Yvain. Übers. und eingel. von Ilse Nolting-Hauff, München 1983.


===Quellennachweise===


<HarvardReferences /> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).
<HarvardReferences /> [*Gowans 1988] Gowans, Linda: Cei and the Arthurian legend. Cambridge: Brewer, 1988.
<HarvardReferences /> [*Scheuble 2005] Scheuble, Robert: mannes  manheit, vrouwen meister. Männliche Sozialisation und Formen der Gewalt  gegen Frauen im Nibelungenlied und in Wolframs von Eschenbach Prazival. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Wien [u.a.]: Lang, 2005.
<HarvardReferences /> [*Baisch 2003][http://books.google.de/books?id=jzBGxN9LN0AC&pg=PA149&lpg=PA149&dq=diu+crone+keie&source=bl&ots=vYmmY0YDWq&sig=19YKgXGR8MTV_TUE9mqEHfZ0mEQ&hl=de&sa=X&ei=k0qxT4LsHtTS4QTH1ey6CQ&ved=0CFgQ6AEwAA#v=onepage&q=diu%20crone%20keie&f=false Aventiuren des Geschlechts. Modelle von Männlichkeit in der Literatur des 13. Jahrhunderts.]
<HarvardReferences /> [*de Troyes um 1170] de Troyes, Chrétien: Yvain. Übers. und eingel. von Ilse Nolting-Hauff. München: Fink, 1983.
<HarvardReferences /> [*Haupt 1971] Haupt, Jürgen: Der Truchseß Keie im Artusroman. Berlin: Schmidt, 1971.
<HarvardReferences /> [*Nyholm 1997] Kurt Nyholm: Warum lacht Cunnewâre? Überlegungen zu Parzival 151, 11-19.  In: Kleine Beiträge zur Germanistik. Festschrift für John Evert Härd.  Hrsg.: Andersson Bo und Müller, Gernot. Uppsala 1997. S. 223-237.


<references/>
<references/>
[[Kategorie:Wolfram von Eschenbach]]
[[Kategorie:Parzival]]
[[Kategorie:Literarische Figuren|Kategorie]]
[[lacht über::Cunneware]]
[[Kategorie:Artikel]]

Aktuelle Version vom 6. Mai 2024, 10:42 Uhr

Gegenstand dieses Artikels ist die Nebenfigur Keie (Keye) aus Wolframs von Eschenbach Parzival. Neben der Darstellung zentraler Charaktereigenschaften von Keie bietet der folgende Text auch eine tiefergehende Analyse der Figur. Um eine angemessene Charakterisierung vornehmen zu können, ist es wichtig zu erwähnen, dass die Figur des Keie nicht nur im Parzival auftritt, sondern vielmehr eine wiederkehrende Figur ist, die in mehreren Werken der mittelalterlichen Literatur zu finden ist. So zum Beispiel im Iwein von Hartmann von Aue oder in Heinrichs von dem Türlin Diu Crône.


Charakterisierung

Keies Rat

Keie ist Ritter am Ritter::Artushof und bekleidet dort das höfische Amt des Truchsessen (oder auch Seneschalls), ihm unterliegt somit die Verwaltung des königlichen Haushalts.

Keie erscheint ohne weitere Erläuterung zu seiner Person erstmals in 150,13 [1], kurz nachdem Parzival König Artus um die Rüstung Ithers bittet. Artus verweigert Parzival zunächst seine Bitte, lässt sich dann jedoch von Keie umstimmen. Letzterer argumentiert geschickt, dass sowieso jemand einen von Ither entwendeten Becher zurückholen muss. Jedoch ist Keie sich gleichzeitig bewusst, dass er den noch unerfahrenen Parzival unter Umständen in den Tod schickt, wenn er ihn Ithers Rüstung fordern lässt. [Bumke 2004: S. 59] Keie erscheint aus diesem Grund hier als hartherziger und manipulativer Berater von Artus. Indem der König dem Rat seines Truchsessen folgt, zeigt sich ferner, dass Keie "für Artus von besonderer Wichtigkeit" [2] ist. [Gowans 1988: S. 1]

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass Keie in diesem kurzen Abschnitt nicht nur als berechnend und skrupellos, sondern auch als ein gerissener Manipulator auftritt, welcher auf Artus Entscheidungen Einfluss nimmt. Joachim Bumke fasst treffend zusammen: "Das große Wort führt am Hof der bösartige Truchseß Keie." [Bumke 2004: S. 59]

Bestrafung Cunnewares

Cunneware, eine Dame des Artushofs, lächelt Parzival überraschenderweise zu, denn von ihr wird gesagt, dass sie ihr Lachen nur demjenigen schenkt, "die den hôhsten prîs hete od solt erwerben" ("der höchsten Ruhm auf Erden hätte") (151,14). Keie beurteilt dies als in höchstem Maße schandhaft für die Dame und schlägt diese daraufhin als Strafe. Dies scheint niemanden am Artushof zu empören, obgleich Cunneware eine Fürstin ist. Keie fungiert an dieser Stelle als "Wahrer einer [...] patriarchal strukturierten Ordnung", [Scheuble 2005: S. 315] für deren Aufrechterhaltung Züchtigungen in Kauf genommen werden.

Eindeutig ist, dass Keie auch hier einen negativen Eindruck hinterlässt. Er löst durch die Bestrafung Cunnewares ein schlechtes Gewissen bei Parzival aus, da dieser sich für das Leiden der Dame verantwortlich fühlt. Keie ist bis zu diesem Zeitpunkt der Geschichte folglich ein rücksichtsloser, brutaler und "missbräuchlicher Seneschall". [Gowans 1988: S. 1]

Keie am Plimizoel

Als der Artushof loszieht, um Parzival in die Tafelrunde aufzunehmen, treffen sie auf diesen am Plimizoel, ironischerweise ohne ihn zu erkennen. Parzival befindet sich, ausgelöst von drei Blutstropfen im Schnee, in einer Liebestrance. Seinen aufgestellten Speer interpretieren die Ritter des Artushofs jedoch als eine Herausforderung zum Kampf. So kommt es zur Tjost zwischen dem gedanklich abwesenden Parzival und dem kampflustigen Keie. Parzival wird für einen kurzen Moment die Sicht auf die Blutstropfen versperrt und so erwacht er gerade noch rechtzeitig aus seiner Trance, um Keie vom Pferd zu stoßen. Letzterer muss besiegt und mit gebrochenem Arm und Bein (295, 24) zum Lager des Artushofs zurückkehren. Auf diese Weise hat Parzival, wenn auch unwissentlich, das Leid der Cunneware gerächt.

Diese Szene sorgt also für ausgleichende Gerechtigkeit, da Keie schließlich für seine Gewalttätigkeit gegenüber Cunneware bestraft wird: "daz eine leit ein maget durch in, mit dem andern muoser selbe sîn." ("Einmal war es ein Mädchen gewesen, das seinetwegen Schläge litt, das zweitemal traf es ihn selbst") (295, 29-30).

Wolframs Beurteilung Keies

Der Kommentar von Wolfram zu Keies Persönlichkeit ab 296,13 kommt überraschend, wenn man die bisherigen Auftritte Keies berücksichtigt. Der Truchsess, bisher vor allem durch Gewalt und Härte aufgefallen, wird plötzlich vom Autor verteidigt als "getriwe und ellenthaft ein man" ("treuer und tapferer Mann") (296,24), der stets ehrenvoll handelt. Wolfram unternimmt hier eine Milderung der negativen Züge Keies. [Scheuble 2005: S. 321] Dies steht in krassem Gegensatz nicht nur zu der früheren Anmerkung des Autors, in der er bemerkt, dass Keie "hete missetân" ("verkehrt und unrecht [gehandelt hat]") (222,9), sondern auch zu Keies Niederlage gegen Parzival, welche die Strafe für sein unrechtes Verhalten darstellt.

In einer weiteren positiven Bemerkung Wolframs zu Keie betont er darüber hinaus, dass Keie für den Artushof von großem Nutzen sei, gerade wegen seiner groben Art, welche ihn befähige, Feinde und Verräter zu entlarven (297, 6-8).

Analyse

Es stellt sich die Frage, ob Keie nun als ein Schurke oder doch als ehrenvoller Ritter anzusehen ist. Auffallend ist, dass in anderen Werken des Mittelalters fast durchgehend ein negatives Bild von Keie vorherrscht. [Baisch 2003: S. 150] Beispielsweise schreibt Chrétien de Troyes im Yvain: "Und Keu, der sehr zänkisch, bösartig, scharfzüngig und verletztend war...". [de Troyes um 1170: S. 19] Von diesem Hintergrund erscheint Wolframs positive Bemerkung provokativ und wie ein bewusster Versuch, sich mit seiner "starken persönlichen Verteidigung" [Gowans 1988: S. 96] Keies von anderen Werken zu distanzieren.

Das Hinzuziehen von weiterer Literatur, in der Keie eine Rolle spielt, besonders jedoch ein Vergleich mit Chrétien de Troyes Perceval (Vorlage Wolframs) löst den scheinbaren Widerspruch in der Darstellung Keies in Parzival auf. Denn schon bei den vermeintlich negativen Auftritten Keies zu Beginn lässt sich eine "Milderungs-Tendenz" [Haupt 1971: S. 49] Wolframs entdecken. So hat der Autor die Kritik, die der König Artus im Perceval an Keie übt, völlig weggelassen. [Haupt 1971: S. 51] Darüber hinaus betont Wolfram mehrmals das Amt von Keie, welches ihn zur Wahrung der höfischen Ordnung durchaus berechtigt. Die Bestrafung Cunnewares beispielsweise geschieht in diesem Licht "durch hofelîchen site" ("der Courtoise zuliebe") (218,30). Der Autor fügt "neue[], "pädagogische[]" Akzente[]" hinzu, indem er Keie als am Hof "extrem nützlich" [Gowans 1988: S. 96] darstellt: Keies gute Beobachtungsgabe bezüglich der Ehrlichkeit von Fremden (207,5) macht ihn für Artus unverzichtbar und stellt ihn eben nicht nur als einen Störenfried dar. Wolfram führt an, dass Keie meistens zu Recht Grobheit an den Tag legt und somit oft den König deckt (297,8) oder Verräter entlarvt (297,10).

Fazit

Es lässt sich feststellen, dass Keies Darstellung im Parzival auf den ersten Blick widersprüchlich ist: Es entsteht zunächst ein negativer Eindruck Keies, dem dann aber eine vehemente Verteidigung durch den Erzähler gegenübertritt. Auf den zweiten Blick zeigt sich jedoch, dass Keies gerissene und zumeist ungehobelte Art von Wolfram als nicht negativ beurteilt wird, sondern dass er die Figur vielmehr als einen unabdingbaren Bestandteil des Artushofs sieht, weil Keie diesem mit seiner Wesensart oft eine große Hilfe ist. Seine Gewalttaten kann Keie im Parzival zumeist "durch seine Aufgabe als Hofmarschall" rechtfertigen. [Scheuble 2005: S. 321] Es entsteht der Eindruck, dass Wolfram mit seiner Figur Keie "exemplarisch [...] die Notwendigkeit einer tüchtigen Aufsicht bei Hofe beweisen will". [Haupt 1971: S. 53]

Wolfram unternimmt eine "charakterliche Aufwertung Keies" [Scheuble 2005: S. 322] und distanziert sich damit vor allem von der Vorlage von Chrétien de Troyes.

Quellennachweise

[*Baisch 2003] Aventiuren des Geschlechts. Modelle von Männlichkeit in der Literatur des 13. Jahrhunderts.

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).

[*Gowans 1988] Gowans, Linda: Cei and the Arthurian legend, Cambridge 1988.

[*Haupt 1971] Haupt, Jürgen: Der Truchseß Keie im Artusroman, Berlin 1971.

[*Scheuble 2005] Scheuble, Robert: mannes manheit, vrouwen meister. Männliche Sozialisation und Formen der Gewalt gegen Frauen im Nibelungenlied und in Wolframs von Eschenbach Prazival, Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Wien [u.a.] 2005.

[*de Troyes um 1170] de Troyes, Chrétien: Yvain. Übers. und eingel. von Ilse Nolting-Hauff, München 1983.


  1. Alle Textstellen-Angaben aus Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
  2. Alle Zitate aus Gowans (1988) sind Übersetzungen aus dem Englischen.

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