Minnedienst (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen

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[*Boestfleisch 1930] Boestfleisch, Kurt: Studien zum Minnegedanken bei Wolfram von Eschenbach, Königsberg i. Pr. 1930
[*Emmerling 2003] Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des Parzival, Tübingen 2003
[*Emmerling 2003] Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des Parzival, Tübingen 2003
[[Kategorie:Wolfram von Eschenbach, Parzival]]
[[Kategorie:Wolfram von Eschenbach, Parzival]]

Version vom 25. Juli 2012, 12:43 Uhr

Der Minnedienst war im Mittelalter ein sehr präsentes und häufig diskutiertes Thema. Unzählige Literatur hat sich mit diesem Thema beschäftigt. Auch wenn das Thema im Parzival nicht offensichtlich zentral ist, spielt es doch eine wichtige Rolle für viele Handlungsabläufe

Definition von Minnedienst im Mittelalter

Minnedienst ist im Mittelalter eng gebunden an die Konzeption der höfischen Liebe. Auch wenn dies kein mittelalterlicher Begriff ist, sondern erst durch Rüdiger Schnell im 19. Jahrhundert geprägt wurde, gibt es doch eine Vorstellung von höfischer Liebe im Mittelalter selbst. Leider gibt es keine konkrete Definition. Doch trotz des Pluralismus der Darstellungen gibt es viele gemeinsame Punkte ( beispielsweise die Liebe als wichtiger höfischer Wert, die Substitution von Subjektivität, etc...), bei denen der Diskurs der höfischen Liebe zustande kommt.

Der Minnedienst ist eng verknüpft mit dem Minnesang, dessen Konventionen in der Vorstellung der Fin' Amors der Trobadorlyrik gründet. Die Hauptthematik ist die Veredelung des Sängers durch die Liebe zur Minnedame. Die Unerreichbarkeit der Minnedame war dabei Grundlage dessen, da diese durch das Aushalten des Sängers die Tugend als Folge hatte.

Der Minnedienst galt im Hochmittelalter als Pflicht für einen Ritter. Wie im Minnesang beinhaltete dies die Verehrung einer höhergestellten, meist verheirateten Frau, die als Herrin dargestellt wurde (feudalrechtliches Gesellschaftsbild mit umgekehrter Hierarchiestellung). Ziel war nicht die Frau zu besitzen, sondern diese zu erhöhen und zu idealisieren. Inhalt des Minnedienstes war alle guten und heldenhaften Taten der Frau zu widmen.


Die drei Minne-Exkurse im Parzival

In allen drei Exkursen erhebt der Erzähler schwere Vorwürfe gegen die [Minne (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Minne]. Zudem verweist er auf schlechte Erfahrungen, die er selbst erlebt hat.Im Folgenden soll er vor allem darum gehen, die Art der Kommentare des Erzählens in Bezug auf die Minne näher zu betrachten.

Erster Exkurs

Der Erzähler spricht im Stil der hofkritischen Kleriker-Literatur. Dabei stellt er die Behauptung auf, dass die Liebe das menschliche Zusammenleben gefährdet. Ebenso stiftet die Minne die Menschen zu verwerflichen Handlungen an und bedroht das menschliche Seelenheil.

Zweiter Exkurs

Es werden zwei unterschiedliche Liebesdarstellungen aufgezeigt: 1. Die erste Liebesdarstellung besagt, dass der Mensch von außen in den Bann der Liebe gezogen wird.(532,6)[1]. Diese Darstellung bedient sich an den antiken Liebesgöttern(Venus, Amor und Cupido). 2. Kommt die Liebe von innen, aus dem Herzen, so wird diese Liebe rehte minne(532,10) genannt. Richtige Minne ist gleichzeitig wahre triuwe. Diese richtige Minne muss von dem Publikum erraten werden und vom Publikum auf die konkrete Handlung bezogen werden.

Dritter Exkurs

Dabei werden literarische Gestalten der eigenen Dichtung und anderen höfischen Dichtungen aufgezählt, die Schaden durch die Minne erlitten haben.

(585,29; 586,16)

Die verschiedenen Minnedienste im Parzival

Parzival

Parzival und Cunneware

Parzival tritt in Cunnewares Dienst nachdem die geschlagen wird, weil sie ihn anlächelt (Parzival und Cunneware).
Dieser Minnedienst besteht zwar darin, dass Parzival auszieht, um die Ehre von Cunneware hochzuhalten oder wiederherzustellen, jedoch aus seiner Perspektive eher weil er sich schuldig fühlt und nicht weil er die Dame idealisieren oder verehren möchte.
Beide sind unverheiratet, doch zur Erfüllung der Liebe zwischen den beiden wird es nicht kommen. Alle Voraussetzungen (außer, dass beide unverheiratet sind) sprechen für einen ritterlichen Minnedienst.

Parzival und Codwiramurs

Condwiramurs[1] stammt vom französischen conduire amour und bedeutet "die zur Liebe Hinführende". Parzival erringt deren Liebe, als er ihr Land rettet, das von Clamide belagert wird.
Obwohl Parzival viele Aventiuren bestreitet, wirdmet er keine von seinen Taten Conwiramurs. Er steht also nicht in ihrem Dienste, sondern liebt sie.
Das sieht man daran, dass er immer an conwiramurs denkt, wenn er gerade vom Weg abkommt, sich alleine fühlt oder icht mehr weiter weiß. Bei seiner "Beichte" bei Trevrizent und auch als er verloren im Schnee herumirrt, kurz bevor er auf die Artusgesellschaft trifft. In der Blutstropfenszene ist er von der Minne zu Condwiramurs so eingenommen, dass er nicht einmal mehr versteht gegen wen er kämüft, geschweigedenn, dass er kämpft.

Parzival und der Gral?

Ob man zwischen Dem Gral und Parzival einen Minnededienst sehen kann ist fraglich. Allerdings kämpft Parzival, gegenüber jeglicher Auffassungen der Gralsberufung, für den Gral, um dessen Ehre zu erringen. Interessant ist auch die Unnahbarkeit des Grals. Es gibt zwei Wege dies zu deuten. Entweder der Erfüllung der Sehnsüchte, nämlich, dass Parzival Gralskönig wird, werden erfüllt und sind hier zu deuten, wie die sexuelle Erfüllung im Minnedienst - Diese These würde dagegensprechen, dass Parzival im klassischen Minnedienst zum Gral steht - oder aber man geht davon aus, dass der Gral keine Erfüllung im sexuellen Sinne geben kann, da er erstens heilig ist und zweitens ein Gegenstand. Wenn man es also nicht übertragenen Sinne deutet, könnte mn sagen dass Parzival zumindest im Dienst zum Gral steht und für diesen alle seine Aventiuren bestreitet, um sich als würdig zu erweisen.

Gawans Minnedienst für Orgeluse

Einen sehr klassischen, geradezu "vorbildgetreuen" Minnedienst leistet Gawan für seine Liebe auf den ersten Blick, Orgeluse. [Boestfleisch 1930: Vgl. S. 79] Das Prinzip des Minnedienstes wird in der Beziehung der beiden auf die Spitze getrieben, denn nicht nur dass Gawan bis über beide Ohren verliebt ist, sondern dass seine angebetete Orgeluse ihn auch auch noch zutiefst zu verachten scheint und mit Hohn und Spott gegen ihn um sich wirft. (509,1f.) Gawan lässt sich von alledem nicht beeindrucken, sondern gibt den Minnediener mit großer Geduld und treuem Pflichtbewusstsein.[Emmerling 2003: Vgl. S. 89] So wird er von Orgeluse als Beweis seiner Würdigkeit mehrfach in lebensbedrohliche Situationen oder Zweikämpfe geschickt, welche er, trotz seiner Abneigung gegen Gewalt, alle erfolgreich besteht. (511,20) Diese Bewährungsproben verdeutlichen allerdings zunehmend die Absurdität des klassischen Minnedienstes, in welchem der Mann sein Leben riskiert um die edle Dame zu beeindrucken. Ein Thema, dessen sich Wolfram sehr intensv annimmt und mit Ironie versieht, wenn Gawan auf einem völlig heruntergekommen Pferd Tjostieren muss, oder er auf seltsame Gegner trifft, beispielsweise Lischoys Gwelljus, der sich nicht dazu erniedrigen will aufzugeben und stattdessen lieber mit dem Leben bezahlt.
Trotz der offensichtlichen Demütigungen durch die Minnedame und den sinnlosen Bewährungskämpfen für sie hält Gawan an den Regeln des Minnedienstes fest und fällt nicht aus der Rolle, hierbei passt er auch seine Konversation konsequent dem höfischen Ideal an.[Emmerling 2003: Vgl. S. 91] Des Weiteren ist Gawan in seiner Eigenschaft als Minneritter, der seiner Dame bedingungslos folgt und ihre Aufgaben meistert, das Idealbeispiel für Wolfams Verständnis der triuwe in der Minne.[Emmerling 2003: Vgl. S. 94]
Zuletzt erfüllt aber der Mineritter Gawan aber besonders ein essentielles Kriterium, nämlich die ehrliche persönliche Zuneigung zu seiner Minnedame, die ihn nachts nicht schlafen lässt und all seine Gedanken bestimmt. Ohne echte persönliche Liebe, wäre der Minnedienst eine Farce, denn eine Beziehung kann nicht nur auf gesellschaftlichen Verpflichtungen basieren.
Obwohl sich Gawan auf viele Minnedienste (oder "Spiele") einlässt, bleibt er nur der einen treu; und das ist Orgeluse. (Gawan und die Minne)
Gawans Minnedienst für Orgeluse hat darüber hinaus noch einen weiteren, eher gesellschaftlichen Charakter. Herzogin Orgeluses spröde und unfreundliche Art hat den Hintergrund, dass ihr geliebter Ehemann Cidegast von Gramoflanz getötet wurde und sie seitdem auf Rache sinnt. Mit ihrem Verhalten distanziert sie sich von der höfischen Gesellschaft und zieht sich in sich selbst zurück, ohne noch einmal einen Mann in ihre Gefühlswelt vorzulassen. Gawan scheint dies zu erkennen und sorgt mit seiner ruhigen, geduldigen Art für Orgeluses Genesung und ihre Reintegration in die Gesellschaft durch die Liebe zu ihm.[Emmerling 2003: Vgl. S. 105-107]

Fazit zu den Minnediensten

Minnedienste im klassischen Sinne des Minnesangs gibt es im Parzival nur wenige. Sie weichen alle in kleinen Details, wie in der Erfüllung der Liebe oder des Abrruchs des Dienstes nach kurzer Zeit ab. Gawans Minne zu Orgeluse scheint hier mit den Diensten Parzivals für Cunneware die einzigen zu sein, die man als echte Minnedienste auslegen kann, wenn man sie auf die Tugenden der staete und triuwe auslegt. Allerdings spielt in Parzivals Beziehung zu Orgeluse die Liebe keine Rolle.

Literaturnachweise

  1. Alle Textstellen-Angaben aus Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

<HarvardReferences />

[*Boestfleisch 1930] Boestfleisch, Kurt: Studien zum Minnegedanken bei Wolfram von Eschenbach, Königsberg i. Pr. 1930 [*Emmerling 2003] Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des Parzival, Tübingen 2003

Forschungsliteratur

Boestfleisch, Kurt: Studien zum Minnegedanken bei Wolfram von Eschenbach, Königsberg i. Pr. 1930 Emmerling, Sonja: Geschlechterbeziehungen in den Gawan-Büchern des Parzival, Tübingen 2003 Haug, Walter: die höfische Liebe im Horizont der erotischen Diskurse des Mittelalters und der frühen Neuzeit, Berlin 2004