Intertextualität: Parzival und die Aeneis: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Ziel dieses Artikels ist es nun, die Funktion dieser intertextuellen Bezüge herauszuarbeiten. Dabei wird besonders die durch die Verweise entstehende Rezeptionshaltung der Textadressaten in den Blick genommen, wobei sich insbesondere auf die | Das Ziel dieses Artikels ist es nun, die Funktion dieser [[Intertextualität im Parzival (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|intertextuellen Bezüge]] herauszuarbeiten. Dabei wird besonders die durch die Verweise entstehende Rezeptionshaltung der [[Adressaten des Parzivals|Textadressaten]] in den Blick genommen, wobei sich insbesondere auf die mikrotextuelle Ebene bezogen wird. | ||
== Begriffsverwendung: Intertextualität== | == Begriffsverwendung: Intertextualität== | ||
Schon seit der Antike beziehen sich Texte aufeinander. | Schon seit der Antike beziehen sich Texte aufeinander. In den späten 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde dieser Begriff vor allem durch Julia Kristeva geprägt. | ||
Hermeneutisch-strukturalistische Ansätze sehen die Intertextualität in erster Linie als ein Verfahren, welches zur innerliterarischen Sinnbildung führt. Dabei gibt es, wie Genette herausarbeitet, verschiedene Arten eine derartige Transtextualität im Text zu implementieren: | |||
# Paratextualität: beigeordnete Texte | |||
# Metatextualität: Im Text wird ein anderer Text kommentiert | |||
# Architextualität: taxonomische Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gattung | |||
# Hypertextualität: Überlagerung von Texten (der spätere Text kann ohne den früheren Text nicht existieren) | |||
# Intertextualität: Präsenz eines Textes in einem anderen, in Form von Zitaten, Plagiaten oder Anspielungen | |||
Wie bereits angesprochen, soll es hier um den letzten Aspekt gehen. | |||
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Zudem wird der Gawan-Handlung eine erotische Dimension hinzugefügt, indem wie eben beschrieben, ein tragisches Liebesabenteuer angedeutet wird. Das Leben Gawans war zuvor hauptsächlich von Kämpfen, unter anderem gegen Meljanz (384ff.), geprägt. Durch diese Anspielung wird schon vor der eigentlichen Begegnung der Liebenden der Handlung eine weitere Dimension verliehen. Allerdings wird die Erwartung des Rezipienten enttäuscht, da es zu keiner sexuellen Interaktion zwischen den beiden kommt.[Draesner 1993: 315] | Zudem wird der Gawan-Handlung eine erotische Dimension hinzugefügt, indem wie eben beschrieben, ein tragisches Liebesabenteuer angedeutet wird. Das Leben Gawans war zuvor hauptsächlich von Kämpfen, unter anderem gegen Meljanz (384ff.), geprägt. Durch diese Anspielung wird schon vor der eigentlichen Begegnung der Liebenden der Handlung eine weitere Dimension verliehen. Allerdings wird die Erwartung des Rezipienten enttäuscht, da es zu keiner sexuellen Interaktion zwischen den beiden kommt.[Draesner 1993: 315] | ||
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Bei der Anaylse der Figur der heidnischen Königin von [[Zazamanc]], [[Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Belacane]], werden die Parallelen zur karthargischen Königin Dido besonders deutlich. | Bei der Anaylse der Figur der heidnischen Königin von [[Zazamanc]], [[Belacane (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Belacane]], werden die Parallelen zur karthargischen Königin Dido besonders deutlich. | ||
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[*Tax 1973] Tax, Petrus W.: Gahmuret zwischen Äneas und Parzival, in: ZfdPh 92 (1973), S. 24-37. | [*Tax 1973] Tax, Petrus W.: Gahmuret zwischen Äneas und Parzival, in: ZfdPh 92 (1973), S. 24-37. | ||
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Version vom 10. Juli 2015, 14:00 Uhr
Wolfram von Eschenbach verwendet in seinem Roman Parzival intertextuelle Bezüge zu Vergils Aeneis beziehungsweise Veldekes Eineit. Die Verweise auf die Aeneis sind auf zwei Arten im Text realisiert. Einerseits gibt es direkte Bezüge wie etwa der Vergleich zwischen der Burg in Karthago und Schanpflanzun (399,11-12),[1] andererseits gibt es Ähnlichkeiten auf der makrotextuellen Ebene. An dieser Stelle sind die Liebesbeziehungen Gawans zu nennen, die parallele Strukturen zur Handlung zwischen Aeneas und Dido und später Lavinia aufweisen. Das Ziel dieses Artikels ist es nun, die Funktion dieser intertextuellen Bezüge herauszuarbeiten. Dabei wird besonders die durch die Verweise entstehende Rezeptionshaltung der Textadressaten in den Blick genommen, wobei sich insbesondere auf die mikrotextuelle Ebene bezogen wird.
Begriffsverwendung: Intertextualität
Schon seit der Antike beziehen sich Texte aufeinander. In den späten 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde dieser Begriff vor allem durch Julia Kristeva geprägt. Hermeneutisch-strukturalistische Ansätze sehen die Intertextualität in erster Linie als ein Verfahren, welches zur innerliterarischen Sinnbildung führt. Dabei gibt es, wie Genette herausarbeitet, verschiedene Arten eine derartige Transtextualität im Text zu implementieren:
- Paratextualität: beigeordnete Texte
- Metatextualität: Im Text wird ein anderer Text kommentiert
- Architextualität: taxonomische Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gattung
- Hypertextualität: Überlagerung von Texten (der spätere Text kann ohne den früheren Text nicht existieren)
- Intertextualität: Präsenz eines Textes in einem anderen, in Form von Zitaten, Plagiaten oder Anspielungen
Wie bereits angesprochen, soll es hier um den letzten Aspekt gehen.
Vergils Aeneis und Veldekes Eineit
Die Frage, welche Fassung den Bezugstext für Wolframs Arbeiten darstellt, ist nicht eindeutig zu beantworten. Wahrscheinlich ist, dass ihm mehrere Vorlagen zur Verfügung standen. Zunächst muss davon ausgegangen werden, dass Wolfram, der höchstwahrscheinlich die Schule der septem artes liberales durchlief, mit Vergils antiker Version vertraut war. Bezüglich der mittelalterlichen Fassungen von Chrétien de Troyes und Heinrich von Veldeke ist unklar, ob er auf beide referiert.[2] Ein Argument, das dafür spricht, dass dem Autor des Parzival zumindest eine Ausgabe von Veldekes Eineit vorlag, ist die direkte Erwähnung Veldekes während eines Minneexkurses:
Mittelhochdeutsch (292,18-21) | Neuhochdeutsch |
---|---|
hêr Heinrich von Veldeke sînen buom | Herr Heinrich von Veldeke hat bekanntlich einmal, |
mit kunst gein iwerm arde maz: | überaus kunstvoll, Euer Wesen mit einem Baum verglichen. |
het er uns dô bescheiden baz | Wenn er uns nur deutlicher auseinandergelegt hätte, |
wie man iuch süle behalten! | wie man euch halten kann! |
Aufgrund dieser direkten Erwähnung Veldekes wird im Folgenden vorausgesetzt, dass Wolfram in Kenntnis dessen Eineit war. Zudem muss mit Blick auf die vielen intertextuellen Verweise, auch zu anderen Werken wie dem Erec, von einem gebildeten Publikum ausgegangen werden.[Dallapiazza 2009: 139]
Makrotextuelle Ebene
Intertextuelle Ähnlichkeiten auf der makrostrukturellen Ebene beziehen sich in erster Linie auf parallele Erzählstrukturen. In den zwei Gahumretbüchern sind derartige vergleichbare Strukturen zwischen der Aeneis/Eineit und Parzival zu finden. So trifft Gahmuret, wie Aeneas, in einem fremden Land auf eine orientalische Herrscherin, in die er sich verliebt. Das Glück währt jedoch nur kurze Zeit und Gahmuret reist heimlich in einer Nacht ab, um eine erneute Meeresreise zu unternehmen. Anschließend gelangt er in ein neues Reich. Dort trifft er eine Frau mit der er eine christliche Hochzeit feiert. Zunächst eine Überblicksdarstellung der Beziehung zwischen Gahmuret und Belacane im Vergleich zu Veldekes Eineit, die sich an die Arbeiten von Petrus Tax anlehnt:[Tax 1973: 25]
Eineit | Parzival |
---|---|
Äneas gewinnt die Liebe der verwitweten Dido, deren Mann von ihrem Bruder erschlagen wurde | Gahmuret gewinnt Belakanes Liebe, ihr Geliebter wurde zuvor im Kampf getötet |
Äneas verlässt Dido auf Befehl der Götter --> Dido nimmt sich das Leben | Gahmuret verlässt Belakane, um auf aventiure-Fahrt zugehen, Belakane bekommt einen gemeinsamen Sohn |
Äneas heiratet Lavinia | Gahmuret heiratet Herzeloyde |
Äneas erhält vor de Kampf gegen Turnus eine Rüstung | Gahmuret erhält eine Rüstung |
Die Frage ist, warum Wolfram diese Strukturen der Aeneis/Eineit auf seinen Parzival überträgt und nicht die Struktur des Artusromans anwendet. Eine Möglichkeit besteht darin, dass indem sich Gahmuret der christlichen Welt und somit auch der Artuswelt abwendet, auch eine anderes Erzählschema notwendig wird. Das Artusschema in einer erzählten Welt anzusiedeln, die von heidnischer Kultur geprägt ist, erscheint als nicht kohärent.
Ein weiterer Aspekt auf der makrotextuellen Ebene ist die Einrahmung von Gawans Liebeshandlung durch die intertextuellen Verweise auf die Eineit beziehungsweise auf das darin von Veldeke entwickelte Minnekonzept. Durch die Platzierung der Textstellen (292, 18-21 und 532) eröffnet Wolfram einen Exkurs, der eine minnetheoretische Diskussion entfaltet, bei der er sich genauer mit Veldekes Vorstellungen dazu auseinandersetzt.
Mikrotextuelle Ebene
Gawan als Aeneas
Die Figur des Gawans erweckt bei der Analyse hinsichtlich der Intertextualität besondere Aufmerksamkeit, was insbesondere an folgender Textstelle liegt:
Mittelhochdeutsch (399,11-14) | Neuhochdeutsch |
---|---|
disiu burc was gêheret sô, | Diese Burg war so herrlich, |
daz Enêas Kartâgô | dass Enêas so viel Majestät |
nie sô hêrrenliche vant | nicht einmal an Kartâgô fand |
dâ froun Dîdôn tôt was minnen pfant | wo der Dîdô Tod der edlen zu einem Pfand der Liebe wurde. |
Diese Textstelle betont auf den ersten Blick die Herrlichkeit und den Reichtum der Burg Antikonies. Das Interessante ist jedoch vielmehr, die direkte Erwähnung von Enêas. Dieser intertextuelle Verweis befindet sich zu Beginn des achten Buches und somit noch vor dem ersten Aufeinandertreffen von Gawan und Antikonie. Die Funktion dieser Textstelle wird besonders deutlich, wenn die entstehende Erwartungshaltung der Rezipienten miteinbezogen wird. Denn durch diese Anspielung auf Didos Burg und die damit verbundene unglückliche Liebesbeziehung zwischen Aeneas und Dido, wird bereits vor dem ersten Treffen darauf verwiesen, dass die Liebe der beiden nicht von Dauer sein wird. Zudem wird der Gawan-Handlung eine erotische Dimension hinzugefügt, indem wie eben beschrieben, ein tragisches Liebesabenteuer angedeutet wird. Das Leben Gawans war zuvor hauptsächlich von Kämpfen, unter anderem gegen Meljanz (384ff.), geprägt. Durch diese Anspielung wird schon vor der eigentlichen Begegnung der Liebenden der Handlung eine weitere Dimension verliehen. Allerdings wird die Erwartung des Rezipienten enttäuscht, da es zu keiner sexuellen Interaktion zwischen den beiden kommt.[Draesner 1993: 315]
Belacane als Dido
Bei der Anaylse der Figur der heidnischen Königin von Zazamanc, Belacane, werden die Parallelen zur karthargischen Königin Dido besonders deutlich.
Hierbei lohnt es sich zunächst zu betrachten, wie Belacane stilisiert wird. Bei der ersten Begegnung von Gahmuret und Belacane sagt sie: ob i'u minen kumber klage, den ich nahe im herzen trage (24,13f.). Durch diese Aussage wird sie als trauernde Witwe dargestellt. Mit Blick auf die makrotextuelle Ebene ist hier klar eine Parallele des Aufeinandertreffens zur Aeneis/Eineit zu erkennen. Hinsichtlich der mikrotextuellen Ebene ist jedoch vielmehr von einer Distanzierung zu sprechen. Denn im Vergleich zur Aeneis/Eineit erzählt nicht der Gast von seinem Schicksal, sondern die Gastgeberin schildert ihr Unglück. Dieser Bericht, der einer Totenklage ähnelt, taucht noch an weiteren Stellen des Romans auf (vgl. 26,9ff.; 28,7f.). Durch die Trauer wird der Königin die Eigenschaft der triuwe verliehen, welche im Parzival zu dem Idealbild einer Frau gehört.[3] Auf diese Weise distanziert sich Wolfram von seinen literarischen Vorbildern, die die Figur der Dido deutlich negativer darstellen. [Bloetzer Ehret 2003: 185ff.]
Zusammenfassung
Literaturverzeichnis
<HarvardReferences /> [*Bloetzer Ehret 2003] Bloetzer Ehret, Dominique. Didos Leid als literarisches Erbe in den Gahrumetbüchern, in: Études Médiévales. Revue 5 (2003). S. 182-197. <HarvardReferences /> [*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009. <HarvardReferences /> [*Draesner 1993] Draesner, Ulrike. "Wege durch erzählte Welten." Intertextuelle Verweise als Mittel der Bedeutungskonstitution in Wolframs Parzival. Frankfurt am Main (1993). <HarvardReferences /> [*Tax 1973] Tax, Petrus W.: Gahmuret zwischen Äneas und Parzival, in: ZfdPh 92 (1973), S. 24-37.
- ↑ Im Folgenden immer zitiert aus: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
- ↑ Eine gute Analyse Veldekes "Eneas" bietet Lienert, Elisabeth: Deutsche Antikeromane des Mittelalters, Berlin 2001.
- ↑ vgl. wîpheit, dîn ordenlîcher site, dem vert und fuor ie triwe mite (116,13f.).