Das Paradoxon der Gewalt im Parzival
Die adelige Welt, die im Parzival in ihrer ganzen Bandbreite dargestellt wird, fällt besonders durch ihren unreglementierten Gewaltaktionismus auf. Im Zentrum steht dabei ein Ritterethos, der sich zum großen Teil über das Ideal des erfolgreich kämpfenden Aristokraten definiert. Die Dialektik eines solchen Standesbewusstseins offenbart sich in dem defizitären Zustand der beiden großen Dynastien[1] im Parzival. Sowohl die Gralsgesellschaft, als auch der Arthushof bleiben ohne Nachkommen und gefährden so fundamental die Kontinuität ihrer Sozietät. Damit wird erkennbar, dass Gewaltautonomie, die als Bestandteil eines Paradigmas des adeligen Ritterseins stilisiert wird, sich gegen sich selbst richtet. So wird ein ein nicht individueller, sondern symptomatisch krisenhafter Zustand der Feudalaristokratie offenbart. Dieser Artikel wird im Folgenden das Paradoxon der Gewalt näher beschreiben und versuchen einen Erklärungsansatz für dieses, dem Adel inhärente, Antonym zu finden.
Parzival- ein Sippenroman?
Wie lässt sich jedoch eine solche genaue Analyse der zentralen Dynastien von Anfortas und Artus im Zuge der zahlreichen Themenkomplexe epischen Konstrukt Wolframs von Eschenbach legitimieren? Die Antwort bietet das Werk selbst:
mittelhochdeutsch | Übersetzung | |
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sîniu kint, sîn hôch geslehte | Seine Kinder, | |
hân ich iu benennet rehte | sein hochadeliges Haus | |
Parzivâls, den ich hân brâht | habe ich euch vorgestellt, | |
dar sîn doch saelde het erdâht' | ich meine Parzivâls |
(827,15-18)[2]
Mit diesen Worten des Erzählers aus dem 16. Buch wird wird deutlich, dass nicht nur Parzival im Mittelpunkt dieses Werkes steht, sondern vielmehr auch sîn hôch geslehte hân (827, 15 f.). Auch der Aufbau von Wolframs Werk verweist die Hauptfigur mit nur ca. 50% der Erzählungen auf einen zumindest gleichberechtigten Platz neben die Sippe. Sowohl die Episoden über Gahmuret als auch über Gawan lenken lange Zeit die Geschicke des Buches, hinter die Parzival mit seinem Schicksal temporär zurücktreten muss. Damit wird deutlich, dass die Sozietät im Parzival eine übergeordnete Rolle spielen muss, was Peter Czerwinski zu der Bezeichnung des Sippenromans in Bezug auf den Parzival führt.[Czerwinski 1989:135] Vor allem die Gawan-Bücher und die Erweiterung des âventuire-Schemas, durch Parzivals größere Defizite in Mindestausstattung adeliger Konstituenten, Ausbildung im Kampf und höfischem Ritual als andere Heroen der Zeit, wie Eric oder Iwein, machen die epische Erzählung "[…] zur reinen Verkörperung genealogischer Wahrnehmung, einer Wahrnehmung, die vollständig von Denkfiguren einer Identität im dynastischen Verband geprägt ist."[Czerwinski 1989:135] Damit geht Czerwinski nicht von einem individuellen personellen Subjekt als Zentrum der Handlung aus, sondern episches Subjekt ist demnach die Dynastie, repräsentiert durch ihre temporär auftretenden Mitglieder: Pazival, Gawan und Gahmuret. Damit konstituiert sich die Einheit des epischen Romas über den Körper der Sippe und nicht über spezielle Themen- und Problemkomplexe, wodurch der parataktische Aufbau des epischen Geschehens erklärt ist.[Czerwinski 1989:136 f.] Somit steht die Sotietät im Zentrum des epischen Werkes und eine Analyse des krisenhaften Zustandes der genealogischen Gruppierungen muss für ein Verständnis des epischen Konstruktes erfolgen.
Die Krise der adeligen Männerwelt an drei Beispielen
Das feudaladelige Selbstverständnis Gahmurets
Einem der wichtigsten Aspekt einer Dynastie Rechnung tragend, Kontinuität durch legitime Nachfolge, beginnt Wolframs episches Werk mit den Tod des Königs Gandin. Ganz nach den Gesetzen der "Primogenitur" befiehlt der König,[…]daz der altest bruoder solde hân / sîns vater ganzen erbeteil.(5, 4 f.) Durch diese Erbregelung wird schon ein deutliches Spannungsfeld in der Sippe offenbart, ihr destruktives Potenzial. [3] Die adelige Familie, die auf die "Produktion" mehrerer Nachfolger angelegt ist, kann nur dem ältesten Sohn im Todesfalle ein Erbe anbieten, die jüngeren Brüder bleiben ohne festumrissene Funktion und seigneuriale Autorität. Diese politische, ökonomische und psychologische Mangelsituation der "Nachgeborenen" muss zwangsläufig zu einer sozialen Bindungslosigkeit führen, die eine schwelenden Unzufriedenheit und Aggressivität der Iuvens indiziert. Auch der Erzähler weist auf diese inhärente Problematik hin:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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daz ist ein wârheit sunder wân' | es ist kaum glaublich, aber war |
daz der altest bruoder solde hân | daß dem ältesten Bruder |
sîns vater ganzen erbeteil | seines Vaters ganzer Besitz, den man Erbteil nennt, gehören sollte. |
daz was der jungern unheil | Das war das Unglück der Jüngeren , |
daz in der tôt die pflihte brach | wenn sie dann der Tod aus ihrem Recht vertrieb, |
als in ir vater leben verjach. | das ihres Vaters Leben ihnen gönnte. |
(5, 3-8)
und
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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daz ist ein fremdiu zeche. | Die Ordnung kommt uns wahrlich sehr fremd vor. |
(5, 21)
So offenbart sich eine sichtliche Spannung im Sozietätsgefüge, die dazu führt, dass viele Söhne, wie auch Gahmuret, ihr Glück in der Ferne suchen: […] ich wil kêren in dui lant. (8, 8) Allein diese heroische Lebensform, bestehend aus Kampf um Ruhm, Ehre und Minne vermag den Verlust der Herrschaftsposition zu überbrücken. Und zugleich können sich die Krieger so Güter des höfisch-ritterlichem Wertesystems aneignen, die sie auf andere Weise nicht erlangen können, da ihnen ein Idoneitätsbeweis durch Herrschaft verwehrt bleibt.[Brall 1983:130 f.; 136 f.; 183]
Anders als die Könige Anfortas und Artus hat Gahmuret kein genealogisches Defizit, zeugt er doch zwei Söhne, die ihm in die Position eines Sippenoberhauptes folgen. Allerdings manifestiert sich in der Figur von Parzivals und Feirefiz Vater auf andere Art und Weise der krisenhafte Zustand der adeligen Männerwelt. Als junger Ritter ohne Land, maßgeblichen Einfluss und Ruhm ausgezogen eine "peregrinatio", gelingt es Gahmuret durch seine kämpferischen Aktivitäten zwei Königinnen, mehrere Länder und letztendlich den Thron seines Heimatlandes zu erringen. Auffällig gestaltet sich die Verbindung zwischen Gahmuret und Herzeloyde, die sich als Kampf der Geschlechter interpretieren lässt, insofern Gahmuret sich nur widerwillig zur Ehe entschließt. (94, 5 ff.; 95, 20-23; 96 23- 30) Sinnbildlich erscheint dieser Minnekampf[4] als "Zähmung des Falken", die letztendlich doch am Freiheitsbedürfnis Gahmurets scheitern muss und so die domestizierende Kraft der minne ,nicht kategorisch, aber zumindest individuell verneint.[Brall 1983:121ff.] So verbleibt er entgegen der adeligen Tradition in seiner Rolle als fahrender Turnier- und Soldritter, übernimmt niemals im gleichen Maße die Herrscherfunktion über seine Territorien, wie es Anfortas oder Artus tun ( 54, 17-20; 96, 25-30). Damit ignoriert Gahmuret seine dynastischen Pflichten, die er durch seine Ehen und Territorialzuwachse auferlegt bekommen hat.
Folgendermaßen werden im ersten Abschnitt der epischen Konstruktion herrschaftliche und genossenschaftlichen Elemente als Prinzipien des Zusammenhaltes und der Kontinuität des dynastischen Verbandes zweimal verneint - durch die "Enterbung" Gahmurets und durch seinen Unwillen als dynastisches Oberhaupt zu fungieren. Die Antriebskräfte strît und minne sind für Parzivals Vater mit dem Status eines Sippenoberhauptes nicht zu harmonisieren. Das heroische Ritterideal verliert durch diese Transformation, von einem innenweltlichen Idoneitätsaufbau auf dem Weg der Ritterschaft hin zu einem unbestimmten und nicht zielgerichtetem Gewaltaktionismus, seine Glaubwürdigkeit. Folgerichtig versetzt Gahmuret seinem gesamten Sippenkörper einen harten Schlag; stürzt er doch seine Frauen in tiefes Leid, lässt seine Söhne vaterlos aufwachsen und offenbart die Schutzlosigkeit seiner Gebiete.[Brall 1983:113; 126; 193] In der Figur des Gahmuret kommt ein Paradoxen zum Vorschein, dass in ähnlicher Weise bezeichnend ist für die gesamte adelige Männerwelt. Ihm ist es nicht möglich die Ansprüche von Herrschaft und ritterlichen Aufgaben sinn voll zu hierarchisieren. [5]. Obwohl er in die Rolle des fahrenden Kriegers nur schlüpfen musste, weil ihm dynastischen Verpflichtungen verwehrt blieben. Die Satisfaktion des Auslösers seines Strebens nach Ruhm und Ehre, führt nicht zu einer eigentlich folgerichtigen Befriedung seiner Existenz als Ritter. Somit wird deutlich, dass Gahmurets feudalaristokratische Selbstverwirklichung, mit ihrem spezifischen Kodex, indem vor allem Gewalt eine tragende Rolle spielt, sich vor die Identität im dynastischen Verband schiebt und so unvereinbar mit der Restitution herrschaftlich- dynastischer Kontinuität erscheint. [Brall 1983:193] Gahmuret bleibt in einer Identität behaftet, die bestimmt ist von einer individuellen Körper-Kollektivität. Ein Identitätswechsel hin zu einer Realabstarktion, im reflexiven Körper einer Dynastie vollzieht sich an ihm nicht und so stirbt er in der Ferne, wo seine zwei konkurrierenden Identitätsräume keine bedeutenden Rolle spielen.
Das Stigma des Anfortas
Das Titurel- Geschlecht ist anders als Gahmuret direkt von einem signifikanten Bruch in seiner Herrschaftskontinuität betroffen. Durch Anfortas fundamentales Vergehen werden seine Geschlechtsorgane verletzt und diese Verwundung steht emblematisch für die "Kastration" der gesamten Gralsgesellschaft . (479, 8-11)Mit der Hoffnung auf einen legitimen Nachfolgers schwindet auch die Macht des Titurel-Geschlechts, wie Trevrizent offenlegt: […] des edelen ardes hêrschaft / was komen an sô swache kraft. (481, 3f.) Für eine Dynastie spielen zwei wichtige Faktoren eine Rolle: Macht und Mittel der Herrschaftsausübung sowie die Sicherung der Herrschaft durch partilineare Sukzession.[Neudeck 1994:55 f.] Aber wo liegt sie Ursache für den Bruch, der durch die gesamte Gralsgesellschaft geht? Die Wunde des Anfortas ergibt sich aus seinem Verstoß gegen das göttliche Gesetz des Grals.
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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swelch grâles hêrre ab minne gert | Wenn aber der Herr des Grâls Verlangen hat nach einer Liebe, |
anders dan diu schrift in wert, | die ihm nicht jene Schrift ausdrücklich erlaubt hat, |
der muoz es komen ze arbeit | dann muß ihm das Kummer bringen |
und in siufzebæriu herzeleit. | und Seufzen und Schmerzen |
(478, 13-16)
"Anfortas Verletzung an den Schamteilen, […], spiegelt in deutlicher Analogie zum mittelalterlichen Strafrechtdenken den Charakter seiner Verfehlung. […] Anfortas’ Leid ist Strafe für seinen leichtfertigen Verstoß gegen die Ordnung der auserwählten Sippe der Gralshüter." [Brall 1983:286 f.]Warum sich Anfortas Schuld paradigmatisch auf alle Bewohner von Munsalvaesche (227, 14 ff.; 228, 26; 229, 17) übertragen muss, wird durch Hegels Theorie der Heroen eindeutig: [Das heroische Individuum] trennt sich [nicht] von dem sittlichen Ganzen ab, dem es gehört, sondern hat ein Bewußtsein von sich nur als in substantieller Einheit mit diesem Ganzen. […] Die Schuld des Ahnherrn kommt dort auf den Enkel und ein ganzes Geschlecht duldet für [einen] Verbrecher […].[Hegel 1970:247]
Ähnlich wie Gahmuret erliegt Anfortas dem typischen Ritterideal, dem Kampf und Herz und Hand einer adeligen Dame. Für den „normalen fahrenden“ Ritter eine Maxime, ist es Anfortas allerdings, als Gralskönig, verboten eine Frau frei zu wählen und als Ritter für sie in den Kampf zu ziehen. Er unterliegt also seiner Triebhaftigkeit, die durch das ritterlich-höfische Wertesystem in kanalisierter Weise gefördert wird und verliert dadurch die elementaren Grundlagen seiner eigenen herrscherlichen Legitimität und Idoneität. [Münkler 2015:110 f.] Damit schiebt sich abermals die Identität als Ritter vor die Identität als Sippenoberhaupt und weist dabei insofern systemsprengende Züge auf, als dass die Gralsgesellschaft in ihrer Funktion gelähmt ist.
Diese Verschiebung wird im Roman allerdings stärker geahndet als bei Gahmuret. So muss Parzivals Vater aufgrund seiner Verfehlung einen frühen Tod sterben und scheidet so aus der adeligen Welt aus, wenn auch mit drastischen Folgen für seine Sippe. Doch Anfortas’ Vergehen wiegt umso schwerer, als dass die Konsequenzen gottgewollt und unumkehrbar erscheinen. (481, 18; 484, 8) Denn sein Vergehen steht im Konflikt mit den heiligen Gesetz des Grals, das eigentlich als Ordnungs- und Rechtssystem feststehen sollten. Dass er als oberster Gralshüter gegen sein eigenes Gesetzt verstößt, offenbart erneut das Paradoxon der Adelswelt. Die Affektivität der ritterlichen Gesellschaft richtet sich gegen sich selber und offenbart die Effektlosigkeit ihrer eigenen Regelsysteme und die Agonie der ideellen Grundlagen adeliger Herrschaft - dem Gesellschaftsmodell des aristokratischen Familienverbandes. Stand ja die Gralsgesellschaft vor ihrem Fall für ein "[…] Modell einer genealogischen und genossenschaftlich organisierten adeligen Führungselite, die in althergebrachte Nobilitätsvorstellungen lebt und sich als Bewahrer dynastischer und charismatischer Traditionen versteht, einer Elite, die seit jeher zur Wahrung von Recht und zur Ausübung legitimer Herrschaft befähigt und berufen ist." [Brall 1983:287] Dieses Bild schwindet nun mit dem Vergehen des Anfortas, welches das dynastische Modell der Herrschaftssukzession auf das Modell der persönlichen Idoneität umgestellt. Mit Parzivals Übernahme der Herrschaft werden die beiden Modelle der Genealogie und Idoneität für die Ausübung der Gralsherrschaft zusammen geführt. [Münkler 2015:111; 121] [6]
Das dynastische Defizit am Artushof
Anders als Anfortas zeugte Artus einen Sohn, der allerdings im Minnekampf um eine Dame starb.(383, 1-5; 9 f.9; 586, 5-11) Auch scheint der bretonische König nicht direkt für den Bruch in seiner Herrschaftskontinuität verantwortlich zu sein, vielmehr erscheinen auf den ersten Blick externe Faktoren für die Schwäche seines Sippenkörpers verantwortlich zu sein. Durch einen Ehebruch seitens Clinschor mit der Königin von Sizilien kommt es zu seiner Kastration durch ihren Ehemann. Zutiefst körperlich und seelisch verletzt, "[…] schafft er mit Schastel marveile gleichsam ein steingewordenes Symbol der Aufhebung der Minne: er setzt dort Frauen und Männer gefangen" [Neudeck 1994: 58] "reißt […] Familien auseinander unterbindet Liebe und schafft einen Zustand vollständiger gesellschaftlicher Unfruchtbarkeit." [Bumke 1991:114] Die Sozietät verliert dadurch Artus Mutter Arnive, deren Tochter Sangive, die Mutter von Gawan und ihre Schwestern Itonje und Cundrie; büßt so erheblich an Stärke ein. Diese von Außen beeinflusste Schwäche des Artusgeschlecht korrespondiert allerdings mit einem inneren Manko der Artusgesellschaft, die sich in einem fast schon anarchistischen Zustand befindet. Unter dem dünnen Firnis des höfischen Verhaltens lauert die Gewalt. Einerseits schlägt der Seneschall Keie eine höfische Dame, wobei Delikt und Strafe in einem krassen Missverständnis zueinander stehen;
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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do erlachte ir minneclîcher munt. | Da kam ihr ein Lachen über den süßen Mund. |
des wart ir rükke ungesunt. | Das aber trug ihr Rückenschmerzen ein. |
Dô nam Keye scheneschlant | Es packte nämliche Keye, der Senegal, |
froun Cunnewâre de Lâlant | die edle Cunnewâre de Lâlant |
mit ir reiden hâre: | bei den Lockenhaaren |
ir lange zöpfe clâre | ihre Zöpfe, die klaren |
die want er umbe sîne hant, | wickelte er fest um seine Hand: |
er spancte se âne türban. | So war sie solide angehängt, und das ohne eiserne Beschläge |
ir rüke wart kein eit gestabt: | Obwohl ihr Rücken keinen Eid zu leisten hatte, |
doch wart ein stap sô dran gehabt, | kam er doch in heftige Berührungen mit dem Richterstab, |
unz daz sîn siusen gar verswanc, | der auf sie niedersauste, bis er ganz zerschlissen war. |
durch die wânt unt durch ir vel ez dranc. | Die Hiebe drangen durch das Kleid und durch ihre Haut. |
(151, 19-30)
andererseits wird Artus Legitimität durch seinen Vetter Ither in Frage gestellt:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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junchêrre, got lôn iu unt ir,' | Junger Herr, Gott lohne es euch und ihr, |
sprach Artûses basen sun. | sprach der Sohn von des Artûs Vaterschwester, |
den zôch Utepandragûn: | der war im Haus des Utepandragûn erzogen worden. |
ouch sprach der selbe wîgant | Und der Held hatte Anspruch erhoben |
erbeschaft ze Bertâne ûfez lant. | auf die Herrschaft im Land Bertâe, er sei der rechte Erbe. |
ez was Ithêr von Gaheviez: | Es war Ithêr von Gaheviez, |
den rôten rîter man in hiez. | den nannte man den Roten Ritter. |
(145, 10-16) Der Artushof erscheint hier entgegen seiner Gattungstradition, als Zerrbild seiner selbst und ähnlich wie bei der Gralsgesellschaft wird seine Funktion als "fester Orientierungsmaßstab für ritterliche Ehre" [Schu 2002]:376 deutlich diskreditiert. Dies weist auf eine Entzauberung der Artuswelt hin, "Stück für Stück wird sie ihrer ästhetisch-überhöhten Aura entkleidet, der exklusive Rahmen ihrer Welt wird durchbrochen, die Figuren ihrer mythischen Unfaßbarkeit beraubt und in lebensgeschichtlichen, in menschlich-alltäglichen Situationen gesehen." [Brall 1983:200] Zu erklären ist diese innere Schwäche nur mit dem Versagen Artus, dem es nicht gelingt den Sippenkörper, durch die Rettung der engsten weiblichen Angehörigen, zu "heilen". Im gleichen Maße, wie Anfortas Geschlecht unter dem Versagen seiner männlichen Mitglieder leidet, wird die Artusgesellschaft durch den Verschluss und die Isolation ihrer weiblichen Mitglieder geschwächt.[Neudeck 1994:59] In Analogie zu dem defizitären Zustand der männlichen Mitglieder der Gralsgesellschaft zeigt sich das Versagen der Männer des Artushof in einem gestörten Verhältnis zum weiblichen Geschlecht. Ein generationsübergreifender Blick zeigt, dass schon Artus Vater Utepandragun sich eines Frevels schuldig machte. Während eines Turnieres wird seine Frau entführt. Artus versucht, wenn auch vergeblich den Entführer zu stoppen, sein Vater jedoch tjostet einfach weiter, ohne sichtbare Reaktion auf den Verlust. (66, 1-6 / 74, 5-12) Jahre später erkennt Artus dann seine eigene Mutter nicht wieder und reagiert bei Erzählungen über gefangene Königinnen auf Schastel marveile nicht einmal. (672, 7-14) [Sutter 2003:55f.]
Weiterhin richtet sich der König auch direkt gegen den eigenen Sippenkörper, indem er Parzival zu Ither schickt, obwohl er um die Möglichkeit eines tödlichen Ausganges des Kampfes weiß.[7] Hier gibt sich aber nicht nur eine moralische Normwidrigkeit, sondern auch eine reale Schädigung des Sippenverbandes, da seine soziale und physische Geltung vermindert wird. [Czerwinski 1989:151] Dass Artus dieses Problem nicht im Sinne des ritterlich-höfischen Wertesystems löst [Delabar 1990:93], wird an Königin Ginovers Klage deutlich:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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'ôwê unde heiâ hei, | Weh und noch einmal weh, |
Artûss werdezeit enzwei | ungeheuerlich ist es zugegangen und moströs, |
sol brechen noch diz wunder, | davon muss das königliche Heil des Arts zerbrechen. |
(160,2 ff.) Damit diskreditiert Artus seine Funktion als Friedenstifter und wiederholt das Paradoxon, dass gerade die Bewahrer und damit obersten Repräsentanten der höfischen Normensysteme, die Regelwerke und damit sich selbst korrumpieren. "All dies verweist auf ein Versagen, das im Frevel gegen das eigene Geschlecht, in der Schädigung des Sippenkörpers durch ihr Oberhaupt Artus kulminiert." [Neudeck 1994:61]
Die Normhorizonte und ihre Korrumpierung
Sippe und Hof definieren sich als soziale Institutionen, die in bedeutender Weise das Verhalten, der ihnen angehörigen, Individuen beeinflussen.[Delabar 1990:133] Die Oberhäupter der beiden großen Sippen im Parzival stehen diesen Institutionen als Repräsentanten vor und sind gleichzeitig auch Garanten der Ordnungs- und Regelsysteme der adeligen Welt. Dieser Normhorizont konstituiert sich aus den Regelkompetenzen der Sippen; genauer aus dem Gralsgesetz und dem ritterlich-höfischen Wertesystem der Tafelrunde. Doch worin liegt die Funktion dieser übergeordneten, an bestimmte Sippen gebundenen, Regelwerke? Sie dienen der Domestizierung des dem Adel inhärenten Aggressionspotenzials und seiner affektiven Willkür. Sie unterwerfen der Gewalt den ordnenden Rahmen der ritterlichen Kämpfe und etablieren Räume der partikulären Friedlichkeit, wie beispielsweise den Hof.[Kellner 2004:82] Ihre Bindung an mächtige Dynastien soll die Angehörigen der Adelswelt zum Befolgen der Normhorizonte zwingen. Hinter diesem Bild werden die Vergehen der beiden drei Sippenoberhäupter deutlich. Anfortas Vergehen gegen das Gralsgesetzt definiert sich zu einem Delikt gegen eine Institution, die die sexuelle Willkür des affektiv handelnden adeligen Mannes mäßigt. Artus hingegen verstößt gegen die gesetzten Konfliktbewältigungsstrategien seines Hofes. Die Gewaltbereitschaft, die der König selbst und einige seiner Untertanen offenbaren, steht außerhalb des ritterlich-höfischen Wertesystems und sollte eigentlich durch eben dieses befriedet sein. Gahmuret verstößt hingegen nur indirekt gegen die Regelsysteme, indem es ihm nicht gelingt seine Ritteridentität zu Gunsten seines Sippenverbandes abzulegen. Als Oberhaupt seiner Dynastie und Beherrscher seiner Länder sollte er vielmehr die Normhorizonte etablieren und durchsetzten, um eine Pazifizierung an seinen Untertanen zu vollziehen. Da diese Befriedung aber nicht einmal an seiner eigenen Person stattfindet, ist es ihm unmöglich die Rolle eines Sippenoberhauptes anzunehmen und die daraus folgenden Funktionen zu erfüllen.
Die Vergehen der drei Aktanten wird durch eine Übertragung auf Hegels Theorie der Heroenzeit noch einmal klarer strukturiert: "So treten z.B. die griechischen Heroen in einem vorgesetzlichen Zeitalter auf oder werden selber Stifter von Staaten, so daß Recht und Ordnung, Gesetz und Sitte von ihnen ausgeht und sich als ihr individuelles Werk, das an sie geknüpft bleibt, verwirklichen."[Hegel 1970:244] In ähnlicher Weise stellen Anfortas, Artus und eigentlich auch Gahmuret als oberste Anführer ihrer Sozietäten deren Normhorizonte emblematisch dar, das heißt ihre Aufrechterhaltung und Durchsetzung hängt im besonderem Maße von ihnen als Idividuuen ab.Verstärkt wieder diese Verknüpfung noch vor dem Hintergrund einer "nicht-absoluten" Geltung dieser Regelsysteme, sodass eine zyklischen Installierung jener Normhorizonte gefordert ist. Anstatt sie in der Praxis als Ideal zu etablieren und immer wieder neu durchzusetzen, verletzten die Sippenoberhäupter diese selber und weisen dabei fast schon systemsprengende Tendenzen auf. Damit deckt sich das der Gewalt inhärente Paradoxon weiter auf: Ordnungsysteme können nur durch Macht installiert werden, die im Mittelalter vor allem auf Gewaltfähigkeit beruht, aber eben diese werden die Normhorizonte bei Wolfram destabilisiert und weisen so auf das Doppelgesicht, auf die Zwiespältigkeit von Gewalt im Sinne von "potestas" und "violentia" hin.[Kellner 2004:82]
Auswege aus der Gewalt?
Das Pazifizierungswerk des Gawan
Gawan gelingt mit der Eroberung der Burg Schastel marveile die Reintegration der weiblichen Mitglieder in die Artussippe und restituiert diese so. Anders als sein Sippenführer löst er Konflikte immer wieder in den Grenzen des Kodex der Tafelrunde und muss dabei nicht auf gewaltsame Strategien zurückzugreifen. Vielmehr gelingt es ihm die Aggressivität und Gewaltbereitschaft der adeligen Welt durch die Institution der Ehe zu befrieden. So gipfelt sein Zweikampf mit dem König Gamoflanz in einer Massenhochzeit, die zu einer weitführenden Versippung ehemaliger Feinde führt. [8] (729,1- 73,1) Gawan beweist also, dass das Befolgen des Wertesystems der Tafelrunde in Verbindung mit der Institution der Ehe durchaus, die Gewalt und ihre Auslebung zu Gunsten einer friedvollen Versippung eindämmen kann. [Neudeck 1994:59 f.]
Die "wahre Minne" des Parzival
Genau wie Gawan scheint, es Parzival zu gelingen, sich aus dem Kreislauf der unkalkulierbaren Affektivität der adeligen Welt zu befreien. Anders nämlich als sein Onkel Anfortas verneint er den Minnedienst für Orgeluse und durchbricht damit den Kreislauf der instrumentalisierten Minne, den die "femme fatale" um sich er herum aufgebaut hat. (619, 1-13) Durch seine Minne-Ehe mit Condwiramus, die sich durch kontinuierliche, unzerstörbare triuwe determiniert, wird der ungezügelte Gemütszustand Parzivals kanalisiert und sein Denken und Handeln von der Maxime dieser Bindung gesteuert. [Bertau 1983: 55] Hier entsteht der entscheidende Bruch zu seinem Onkel und Vorgänger Anfortas, indem Parzival gemäß den Gralsgesetzen, die Synthese von Minne und Gralswürde gelingt. Dass Parzival sich vor dem Gral durch seine vorbildliche triuwe bewährt hat, wird nicht nur durch seine Ernennung zum Gralskönig deutlich, sondern auch durch Trevrizents Worte zu seiner Ehe:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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wert ir erfundn an rehter ê, | Wenn ihr dereinst in rechter Ehe erfunden werdet, |
iu mac zer helle werden wê, | so wird – denn es kann sein, dass ihr dann gerade in der Hölle weint- |
diu nôt sol schiere ein ende hân, | die Not sehr schnell ein Ende haben, |
und wert von bandn aldâ verlân | und ihr werdet auf der Stelle und sofort von Fesseln frei |
mit der gotes helfe al sunder twâl. | durch Gottes Hilfe. |
(468, 5-9)
Damit manifestiert sich abermals die Erkenntnis, dass eine auf Treue basierende Minne-Ehe, die Affektivität der adeligen Männer in geregelte Bahnen lenken kann und diese so befriedet wird. [Neudeck 1994:58 f.]
Fazit
Auf den ersten Blick scheint Wolfram mit den beiden größten Rittern ihrer Generation das Paradoxon der Gewalt aufgelöst zu haben, vollziehen sie doch ein großläufiges Pazifizierungswerk, welches sich in der Genesung beider Großdynastien manifestiert. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings klar, dass nur die Symptome des Gewaltparadoxons behoben wurden, allerdings nicht die Auslöser, die im adeligen Standesbewusstsein liegen. Der Adel definiert sich selbst als Kriegerkaste und damit sind Fähigkeiten und Erfolg im Kampf entscheidend für Prestige und soziale Stellung im hierarchischen Gesellschaftsgefüge. [Ernst 1998:234] Ehre ist dabei ein nach Außen gerichtetes öffentliches Gut, definiert als Ruf Ansehen oder guter Name. Hauchbrichs spricht im Zusammenhang von fehlender Ehre von dem Menschen als unbelegte Puppe, dem das Eigentlich des Menschseins fehlt. Damit ist ihre identisch mit Leben, macht dieses sogar mit aus. Dabei arbeitet er heraus, dass das Herzstück von Ehre Tapferkeit ist, die sich nur im Kampf manifestieren kann.[Haubrichs 1996:35 f.]so zeigt sich Im Parzival, dass " […] die êre des adeligen Mannes [sich größtenteils im Kampf konstituiert], das heißt in Gewaltanwendung."[Neudeck 1994:65 f.; 47] [9]Noch weiter ist die Gewalt eine dynamische Prämisse, ein Instrument um soziale und politische Erfolg zu erlangen.[Kellner 2004:81] Somit definiert sich das "Prinzip der Konkurrenz" als vorrangiges Element der Statuszuschreibung, sowohl für Individuen als auch für einen gesamten dynastischen Verband. "Da die Lebenswelt mittelalterlicher Individuen und und Gemeinschaften institutionell noch wenig geschützt wird - etwa im Vergleich zur Neuzeit-, bleibt Gewalt nicht auf Krieg, Fehde oder Turnier beschränkt, sondern bestimmt im hohem Maße das gesamte soziale Leben." [Kellner 2004:80 f.]
Wie oben gezeigt, bietet eine fortschreitenden Versippung eine Möglichkeit den gewalttätigen Aktionismus einzudämmen. Allerdings ersetzt Verwandtschaft nicht Ehre und Ruhm; Werte, die sich erst durch die männliche Jagd nach strîte und minne entfalten. Die Disposition des dynastischen Verbandes scheint sich also wechselseitig zu gestalten. So dämmt sie durch ihre spezifischen Eigenschaften die Anarchie der ritterlichen Gesellschaft, mittels Konnexe auf Basis von triuwe, ein, gleichzeitig verstärkt sie diese, in dem Sinne, dass der Heroe einen Gewinn für den Verband darstellen muss, realisiert durch Reichtum und Reputation. [Czerwinski 1989:156] Verstärkt durch die Primogenitur, muss also eine Legitimation der gesellschaftlich hohen Stellung in jeder Generation erneut erfolgen, nach dem vorgegebenem Paradigma des adeligen "Ritterseins". Die zugrundeliegende Problematik offenbart sich im identifikationsbestimmenden komplementären System von sippenexterner Gewaltidealisierung und sippeninternem Gewaltverzicht, die nicht in Widerspruch zueinander stehen dürften, was aber wie im epischen Konstrukt bewiesen, nicht möglich zu sein scheint.[Delabar 1990:55; 71 ]
Es zeigt sich in den Figuren der Sigune und des Trevrizent, dass ein vollkommener Rückzug aus der adeligen Welt durchaus möglich ist, allerdings ist es undenkbar einer gesamten Gesellschaftsschicht die Waffen zu entziehen, durch die sie sich definieren, ohne eine signifikante Formlosigkeit und Identitätslosigkeit einer gesellschaftlichen Schicht zu provozieren. [Neudeck 1994:65f.] Damit offenbart sich in letzter Konsequenz, dass das Paradoxon der Gewalt in der literarischen Darstellung, anders als in der Realität, durch die Bildung von Territorialstaaten, nicht lösbar ist. Da Gewalt eine primäre statusgebende Rolle in der mittelalterlichen stratifikatorischen Gesellschaftsordnung übernimmt, ist sie unlösbar mit Macht und Herrschaft verbunden. Sie ermöglich erst eine Institutionalisierung von pazifizierenden Ordnungselementen, ist aber zwangsläufig weiterhin an deren Durchsetzung beteiligt.[Kellner 2004:82] Damit wird deutlich, dass ohne Gewalt keine Herrschaft und keine Gesellschaftsordnung im epischen Konstrukt, aufrecht zu erhalten ist. Das beweist nicht zuletzt die Systematik der Gralsgesellschaft, eines theoretischen Entwurfes einer geistlich orientierten Kriegergesellschaft, als "utopisches Gegenmodel" entworfen, welches sich in höchster Instanz auf Gott beruft. Dabei ist es ihren Mitgliedern nicht erlaubt, unterlegenen Rittern im Kampf Gnade zukommen zu lassen – ein Beweis für die letalen Gesetzte des Grals. Selbst in diesem modellhaften Idealentwurf einer auf Gott gerichteten Adelsgesellschaft, wie sie in der Forschung oft bezeichnet wurde, ist es nicht möglich der, dem ritterlichen Handeln inhärenten, Gewalt und ihrer selbstzerstörerischen Induktion zu entkommen.
Auch die reglementierenden Ordnungssysteme der adeligen Welt scheitern, durch die Fauxpas, der sie repräsentierenden Sippenoberhäupter. "Die Krise der beiden adeligen Großsippen indiziert dabei, daß Gewalt in einer Gesellschaft, die sich durch Gewalt definiert, prinzipiell nicht domestizierbar ist." [Neudeck 1994:74] Wie sollte der Adel auch anders beweisen, dass er begründet die gesellschaftliche Elite bildet, als durch ihre Gewaltfähigkeit? "Nur […] die Präsentation der Möglichkeit direkter Gewaltausübung funktioniert statuszuweisend, weder hochständische Geburt allein, noch die Beherrschung der höfischen Verhaltensstandards vermögen das ohne diesen Zusatz."[Delabar 1990:68][10]
Da eine Kanalisierung des Gewaltproblems scheitert, vollführt Wolfram eine Transzendierung des Paradoxons. Direkt stoppt Gott Parzivals Angriff auf seinen Bruder, indem er sein Schwert zerbrechen lässt und indirekt wird, durch Trevrizent aufgedeckt dass Gott mit der gesamten Menschheit verwandt ist. (465, 1-10) Damit artikuliert die Sippe sich, definiert als konkret erfahrene Verwandtschaft auf der Basis von triuwe, als ein Theologoumenon.[Bertau 1983:49] Folgerichtig wird die Sippe dadurch sakralisiert und das Pazifizierungsgebot zum göttlichen Gebot stilisiert. Hiermit beweist Wolfram, den Taten seiner beiden Helden zustimmend, dass Verwandtschaft Frieden schafft, allerdings nur "[…] wenn sie durch die schützende Rüstung des Ritters hindurch erkannt wird." [Neudeck 1994:75]
Sutter: 207: das selbstverständis der höfischen Gesellschaft und des Rittertums mündet durch di folgen der erstarrten Verhaltensmuster in die Gefahr sich selbst durch diese Haltung auszurotten auf dem weg von der vaterlosen und die schnelles Gesellschaft --> Ritterkatastrophen
Kritik am rittereben: 73, 7 / 344, 5 - 8 / 2812-5 / 177, 25f. Der ideale Ritter hat bei wolfram neben seiner gesellschaftlichen auch eine geistige Existenz, die ihm selbstreflexxion hinsichtlich moralisch-ethischer werte ermöglicht. 211
Anmerkungen
- ↑ Eine genaue Analyse von Sippenbildung im mittelalterlichen Adel bietet Delabar, Walter: Erkantiu Sippe unt hoch Gesellschaft. Studien zur Funktion des Verwandtschaftsverbandes in Wolframs vom Eschenbach Parzival, GAG 518, Göppingen 1990, 34-54.
- ↑ Im Folgenden stets zitierte Ausgabe: [Parzival].
- ↑ Brall erklärt genauer wie die Erbrechte sich definierten und wie ihre Verbreitung sich gestaltete: [Brall 1983:131-137] .
- ↑ Vgl. dazu Lienert, Elisabeth: Begehren und Gewalt. Aspekte einer Sprache der Liebe, in: John Greenfield (Hrsg.) Wahrnehmung im Parzival Wolframs von Eschenbach. acta do Coloquio International, Porto 2004.
- ↑ Damit verstößt Wolfram gegen ein gattungskonstitutives Schema des höfischen Aventiureromas, indem er seinen Helden nicht den Dreierschritt von Integration- Desintegration- Reintegration in das Zentrum der höfischen Gesellschaft gehen lässt; vielmehr endet sein Weg in einer erneuten Desintegration: [Brall 1983:177] .
- ↑ Bewiesen wird diese Transformation durch die Aufgabe, die Parzival auf der Gralsburg bewältigen muss. Es besteht allerdings eine deutliche Verbindung zwischen Genealogie und Idoneität, da Parzival zur Gralssippe gehört. Jedoch offenbart der Grals diese Verbindung nicht, sondern enthüllt nur einen kommenden Ritter, der die Erbfolge antreten darf, wenn er die Frage stellt. (483, 20-23) Somit ist zumindest der Gralsgesellschaft nicht klar, dass der Kommende, der nächste männliche Verwandte und der genealogisch der einzig Mögliche für die Spitzenposition in der Grasgemeinschaft ist. "Für die Gralsgesellschaft muss dies zugleich das Ende der genealogisch bestimmten Herrschaft über den Gral bedeuten und den König selbst ein weiteres Mal strafen: Der König wird gesunden, aber er darf die Herrschaft nicht mehr ausüben. Die Körperstrafe wird in eine soziale Degradierung verwandelt, und die Herrschaft geht vom Gralsgeschlecht auf ein anderes, unbekanntes Geschlecht über."[Münkler 2015:111] .
- ↑ Walter Delabar führt in seiner Analyse an, dass Ither hier einen gewaltsamen Putsch plant und Artus nur mit einem ebenfalls sippenexternem Regulierungsversuch, in Form von Parzival, antworten kann.[Delabar 1900:100 f.].
- ↑ Brall spricht hier von einem Übergang der Ordnung des Artushofes in die Ordnung der Sippe und einer damit einher gehenden Aufhebung des Artusideals. Es kommt zu einer Rückführung des für den Artusroman konstitutiven Gemeinschaftsideals der familia von „gleichen“ Individuen in den gegliederten Personenverband. Die Versöhnungen und die friedensstiftenden Vermählungen beweisen die Rückkehr zu den Normen und der Institution der aristokratischen Familie. Damit wird der Hof als zentrale Vergesellschaftungsmaschinerie abgelöst und in den Fokus rückt die Rehabilitierung der Verwandtschaft und eine umgehende Versippung. [Brall 1983:297f.] .
- ↑ Seit dem späten Mittelalter entwickelt sich der Begriff der inneren Ehre, die aus der Würde des Menschen als Geschöpf Gottes entspringt. Damit muss man sich folgerichtig nicht vor der Gesellschaft darstellen und verantworten sondern vor Gott. Die Äußerlichkeit der Ehre schwindet. Zerstören lässt sich diese Ehre nur aus eigener Schuld.[Haubrichs 1996:36] Ob sich dieser innere Begriff der Ehre im Parzival wiederfindet lässt, müsste überprüft werden HIER NOCH MAL ÜBERLEGEN.
- ↑ Vgl. dazu den Unterpunkt Kampf und Gewalt als zentrales Merkmal einer Kriegerkaste im Artikel Narrenkleid und Rüstung: Standesidentität im Parzival.
Literaturverzeichnis
<HarvardReferences />
- [*Bertau 1983] Bertau, Karl: Über Literaturgeschichte. Literarischer Kunstcharakter und Geschichte in der höfischen Epik um 1200, München 1983.
- [*Brall 1983] Brall, Helmut: Gralsuche und Adelsheil. Studien zu Wolframs Parzival, Heidelberg 1983.
- [*Bumke 1991] Bumke, Joachim: Wolfgang von Eschenbach. 6., neu bearbeitete Auflage, Stuttgart 1991.
- [*Czerwinski 1989] Czerwinksi, Peter: Der Glanz der Abstraktion. frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter, Frankfurt a.M. & New York 1989.
- [*Delabar 1990] Delabar, Walter: Erkantiu Sippe unt hoch Gesellschaft. Studien zur Funktion des Verwandtschaftsverbandes in Wolframs von Eschenbach Parzival, in: Ulrich Müller & Franz Hundsnurscher & Cornelius Sommer (Hrsgg.), Göppinger Arbeiten zur Germanistik, Nr, 518, Göppingen 1990.
- [*Hegel 1970] Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: Werke in zwanzig Bänden.Vorlesungen über die Ästhetik I, Bd. 13, Frankfurt am Main 1970.
- [*Kellner 2004] Kellner, Beamte: Zur Kodierung von Gewalt in der mittelalterlichen Literatur am Beispiel von Konrads von Würzburg Heinrich von Kempten, in: Wahrnehmen und Handeln, hrsg. von Wolfgang Braungart (u.a.), Bielefeld 2004, S. 75-103.
- [*Münkler 2015] Münckler, Marina: Idoneität und Genealogie in Wolframs Parzival, in: Idoneität - Genealogie - Legitimation. Begründung und Akzeptanz von dynastischer Herrschaft in Mittelalter, hrsg. von Christina Andenna & Gert Melville, Köln & Weimar & Wien 2015, S. 99-124.
- [*Neudeck 1994] Neudeck, Otto: Das Stigma des Anfortas. Zum Paradoxon der Gewalt in Wolframs >>Parzival <<, in: IASL, Bd. 19, Ht. 2 1994, S. 52-75.
Textausgabe
[*Parzival]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.