Sünden und Vergebung im Parzival
Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Sünden und der anschließenden Vergebung in Wolframs Parzival. Zunächst werden die Sünden rein deskriptiv benannt. Danach wird herausgearbeitet, wie sie im Parzivals selbst verarbeitet werden und von wem sie erkannt werden, woraufhin untersucht wird, inwieweit Parzival seine Sünden wiedergutmacht. Danach wird der aktuelle Forschungsstand vertieft.
Definition von 'Sünde'
In diesem Zusammenhang wird 'Sünde' synonym zu 'Schuld' verwendet, da es zu Zeiten Wolframs keine Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen gab. Maurer bemerkt dazu: "Von einer Fragestellung nach Schuld und Sühne im modernen Sinn darf in dem Werk des 13. Jahrhunderts nicht ausgegangen werden. [...] 'Schuld' meint auch Sünde. Wir müssen daran denken, daß für den Menschen jener Zeit jeder Verstoß gegen die gottgewollten Ordnungen des Lebens 'Sünde' ist, und daß diese Verstöße 'Buße' verlangen". [Maurer 1950: 306]
Sünden in Wolframs Parzival
Tod von Herzeloyde
Nachdem Parzival auf die beiden Ritter trifft, beschließt er zum Missfallen seiner Mutter, Soltane zu verlassen. Daraufhin stirbt Herzeloyde aus Kummer um ihren Sohn, was dieser jedoch erst im Gespräch mit Trevrizent erfährt.
dô si ir sun niht langer sach | als sie den Sohn nicht länger sah |
(der reit enwec: wemst deste baz?), | (er ritt davon - Gewinn für wen?!) |
dô viel diu frouwe valsches laz | da sank die Frau (ganz ohne Falsch) |
ûf die erde, aldâ si jâmer sneit | auf den Boden, und der Schmerz |
sô daz se ein sterben niht vermeit. | so schneidend, daß sie sterben mußte. |
ir vil getriulîcher tôt | Ihr Tod aus Liebe, starker Bindung |
der frouwen wert die hellenôt. | schützt sie vor der Höllenqual. |
(128,16-24).
Die Tötung Ithers
Um an eine Rüstung, sowie an ein Pferd zu kommen, tötet Parzival den Ritter Ither vor dem Artushof. Für Parzival selbst bedeutet der Besitz der fremden Rüstung und des Pferdes, dass er sich nun als Ritter fühlt. Wie sich später herausstellt, ist Ither ein Verwandter Parzivals.
durchz ouge in sneit dez gabylôt | durchs Auge drang mit scharfem Schnitt der Spieß |
unt durch den nac, sô daz er tôt | und kam beim Nacken heraus. So fiel er tot nieder, |
viel, der valscheit widersatz. | der Falschheit Feind. |
(155,7-11).
Das Schweigen auf der Gralsburg
Als Parzival sich das erste Mal auf Munsalvaesche befindet, beobachtet er ein seltsames Ritual, sowie die Erkrankung von Anfortas. Wie es Gurnemanz ihm als gutes Benehmen beigebracht hat, stellt Parzival jedoch keine Fragen zu den Vorkommnissen. Dadurch verhindert er die Erlösung des Gralskönigs.
Die Abkehr von Gott
Nach Parzivals erster Begegnung mit dem Gral auf Munsalvaesche, macht er Gott für sein Versagen verantwortlich und wendet sich daraufhin von ihm ab.
Die Benennung der Sünden im Parzival
Trevrizent
Im Gespräch mit Trevrizent wird deutlich, dass er Parzival eine Schuld am Tod seiner Mutter gibt, obwohl er erst durch dieses Gespräch überhaupt davon erfährt. Trotzdem bezeichnet Trevrizent Parzivals Verhalten als "grôze sünde" ("große Sünde")(499,20). Bei der Tötung Ithers zieht Trevrizent den Vergleich zur Ermordung Abels durch Kain und zeigt somit, dass dieser Vorfall Parzivals zweite und größte Sünde ist, da er als sein Cousin sein "eigen verch" ("eigen Fleisch und Blut") (475, 21) ist.
Kâins vater was Adâm: | Adam war der Vater Kains, und der |
der sluoc Abeln umb krankez guot. | schlug Abel tot – ein karger Raub |
dô ûf die reinen erdenz bluot | das Blut, das auf die reine Erde |
viel, ir magetuom was vervarn: | lief, nahm ihr die Jungfernschaft; |
den nam ir Adâmes barn. | dies geschah durch Adams Sohn. |
dô huop sich êrst der menschen nît: | Und so entstand der Hass der Menschen, |
alsô wert er immer sît. | und er dauert fort bis heute. |
(464,16-22).
Das Versäumnis auf der Gralsburg scheint Trevrizent nicht nicht als große Sünde zu werten, sondern als eine weitere, die aber zu den anderen, schwereren Sünden dazu gezählt werden kann: "die sünde lâ bî dn andern stên" (501,5).
Cundrîe
Für Cundrîe ist das Versäumnis auf der Gralsburg Parzivals größte Sünde und wird auch von ihr das erste Mal benannt: "da erwarb iu swîgen sünden zil" (316,23). Daraufhin wird sie von ihm verflucht und geächtet.
Literaturverzeichnis
Textausgabe
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der ‚Parzival’-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
Sekundärliteratur
<HarvardReferences/> [*Maurer 1950] Maurer, Friedrich (1950). "Parzivals Sünden. Erwägungen zur Frage nach Parzivals Schuld". Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte (0012-0936), 24, p. 304-346.