Die Blutstropfenszene (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Die Blutstropfenszene ist eine vielseitig intepretierbare Textstelle in Wolfram von Eschenbachs Parzival. Sie befinden sich im Werk zu Beginn des VI. Buches. Eine wichtige Rolle spielt in dieser Episode das erste symbolische Auftauchen des "Doppelziel[s] seines Lebens", nämlich Gralsuche und Minne, welche das Leben des Parzival fortan bestimmen werden.[Bumke 2004: S. 74] Diesbezüglich findet sich innerhalb des Szene auch der erste sogenannte Minne-Exkurs, in welchem der Erzähler über das Wesen der Minne reflektiert und Frau Minne auch personifiziert auftreten lässt.

Inhaltlicher Kontext

Die Szene befindet sich inhaltlich nach dem ersten Besuch Parzivals auf der Gralsburg Munsalvaesche. Der Protagonist hat dem leidenden Gralkönig Anfortas nicht die erlösende Frage gestellt und wurde daraufhin von seiner Cousine Sigune heftig verurteilt. Nach einem erneuten Treffen mit Jeschute und Orilus und der der Rehabilitierung der Jeschute, übernachtet Parzival in einem Wald während es anfängt zu schneien. Der nächste Morgen bringt die darzustellende Blutstropfenszene mit sich, welche damit endet, dass Parzival von Gawan aus seiner Trance gerissen und vor König Artus gebracht wird.

Ablauf der Szene

Der sommerliche Schnee und Parzivals Verfall in den Trancezustand

Zu Beginn des Szene fällt, trotz der sommerlichen Jahreszeit, Schnee, ein Vorgang der später durch den Einsiedler Trevrizent erklärt wird. Dieser meint, dass der "sumerlîchen snê" (sommerliche Schnee)[1] das Resultat einer Planetenkonstellation sei, vornehmlich der Planet Saturn wieder in sein Haus eingekehrt sei, was eine Kälte verursacht haben soll. Unter dieser hätte auch der Gralkönig Anfortas aufgrund seiner Verletzung besonders stark zu leiden gehabt. Ein Falke, der vom nicht weit entfernten Artushof entflohen ist und die Nacht zusammen mit Parzival verbracht hat, versucht am Morgen eine Wildgans zu schlagen, die daraufhin drei Blutstropfen auf den frisch gefallenen Schnee fallen lässt. Der Anblick der drei Blutstropfen lassen Parzival an seine Frau Condwiramurs denken und er verfällt in eine Art Trancezustand:

sus begunder sich verdenken, Er verlor sich in Gedanken,
unz daz er unversunnen hielt; bis er reglos war, in Trance.
diu starke minne sîn dâ wielt, Er war im Bann der Herrin Liebe -
sÖlhe nôt fuogt im sîn wîp. schuld daran war seine Frau!
dirre varwe truoc gelîchen lîp Die Farben glichen ganz genau
von Pelrapeir diu künegin: Der Königin von Beaurepaire:
diu zuct im wizzenlîchen sin. sie hat ihm den Verstand geraubt...
sus hielt er als er sliefe. Er saß zu Pferd, als schlafe er.

[2]

Erster Kampf gegen Segramors

Ein Knappe sieht Parzival mit aufgestellter Lanze im Feld stehen, bemerkt aber nicht den Zustand des Ritters. Da eine aufgerichtete Lanze als Herausforderung zum Tjost galt, meldet dies der Knappe den Rittern am nicht weit entfernten Artushof. Von diesen möchten einige die Herausforderung annehmen, aber Segramors erbittet sich als Erster von König Artus die Genehmigung zum Tjost. Im nun folgenden Kampf wechseln sich frou Minne und frou Witze in ihrem Einfluss auf Parzival ab.[3] Als Segramors auf Parzival losstürmt, dreht sich Parzivals Pferd und er verliert den Blickkontakt zu den Blutstropfen. In dem Moment "kommt Frau Witze und gibt ihm den Verstand zurück"[Bumke 2004: S. 75], woraufhin Parzival den Angriff abwehren und Segramors aus dem Sattel stoßen kann. Sofort darauf kehrt er zu den drei Blutstropfen zurück und "Frau Minne [ergreift] wieder Besitz von ihm."[Bumke 2004: S. 75]

Der Minne-Exkurs

Den verschiedenen Minne-Exkursen im Parzival ist ein separater Artikel gewidmet. Siehe dazu: Ansprachen an Frau Minne

Zweiter Kampf gegen Keie

Nach Segramors Niederlage erbittet sofort Keye von König Artus die Genehmigung zum Tjost. Diese wird ihm erteilt und er reitet zum scheinbar schlafenden Parzival hin. Im Gegensatz zu Segramors fällt Keye auf, dass mit dem Ritter etwas nicht stimmt und er schlägt Parzival, begleitet mit den Worten "du muost wachen" (Aufgewacht!), die Lanze auf den Kopf.[4] Da Parzival aber nicht reagiert setzt auch Keye zum Tjost an und bringt dadurch ebenfalls Parzivals Pferd zum Wenden, wodurch dieser erneut den Blickkontakt zu den Blutstropfen verliert. Im darauffolgenden Tjost wird Keye derart heftig vom Pferd geworfen, dass er sich seinen rechten Arm und sein linkes Bein bricht. Durch diesen Kampf gilt auch die Verprügelung der Cunneware, welche Keye begangen hatte, durch Parzival (wenn auch nicht in bewusstem Zustand) als gesühnt. Auch nach diesem Tjost kehrt Parzival zu den Blutstropfen zurück und verfällt wieder in Trance.

Aufhebung des Trancezustandes durch Gawan

Als letztes nähert sich der Ritter Gawan in unbewaffneten Zustand Parzival. Als er ihn anspricht reagiert Parzival nicht. Gawan, der sich an einen eigenen Trancezustand aufgrund der Liebe erinnert, folgt dem Blick Parzivals und entdeckt die Blutstropfen im Schnee. Er bedeckt sie mit seinem Mantel und erlöst dadurch Parzival aus seinem Zustand. Es wird deutlich, dass sich Parzival an die letzten beiden geführten Kämpfe nicht erinnern kann und somit die kurzen kämpferischen Unterbrechungen des Trancezustandes nicht zu einem klaren Bewusstsein geführt haben. Gawan geleitet anschließend Parzival zur Hofgesellschaft des König Artus.

Symbolik der Blutstropfen

Blutstropfen erscheinen in dieser Szene nicht zum ersten Mal im Roman. Die Blutstropfen an der Speerspitze in Munsalvaesche hätten Parzival dazu verweisen sollen, den Gralkönig Anfortas nach seinem Leiden zu fragen. Dass er dies unterließ ist seinen rationalen Überlegungen und der strikten Befolgung von Erziehungsregeln geschuldet. Die Blutstropfen im Schnee schalten dagegen seinen Verstand aus und machen, wenn ihm auch zuerst unbewusst, den "Zusammenhang zwischen seines Liebesbindung and Condwiramurs und seiner Verpflichtung gegenüber dem Gral" deutlich.[Bumke 2004: S.73]

sîn pensieren umben grâl Sein Denken an den Gral,
unt der küngîn glîchiu mâl, die Zeichen für die Königin
iewederz was ein strengiu nôt; all dies weckte große Sehnsucht;

[5]

Quellennachweise

  1. Parzival. 489,27.
  2. Parzival. 243,16-23.
  3. Vgl. Parzival. 288,14 und 288,30.
  4. Parzival. 294,13.
  5. Parzival. 296,5-7.

Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Dieter Kühn. Kommentiert von Eberhard Nellmann, Deutscher Klassiker Verlag, Frankfurt am Main, 2006.

<HarvardReferences />

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, 8. Aufl., Stuttgart/Weimar 2004 (Sammlung Metzler 36).