Parzival als Handschrift (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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Der in ca. 84 Handschriften und Fragmenten erhaltene Versroman Parzival zeigt die Beliebtheit dieses 25000 Verse umfassenden mittelalterlichen Werkes, das die auf altfranzösischen Quellen beruhende Geschichte Parzivals erzählt. [[1]] Es zählt zu den am besten erhaltenen mittelhochdeutschen Dichtungen. Allein die heute bekannten Zahlen der mittelalterlichen Parzival-Überlieferung sprechen für sich: Man kennt 16 (annähernd) vollständig erhaltene Handschriften, 68 Fragmente sowie einen Druck vom Jahr 1477. Schätzungen der im Mittelalter kursierenden Überlieferungsträger belaufen sich auf bis zu 1000 Textzeugen. Das Werk hat nach Ausweis der enthaltenen Handschriften und Handschriftenfragmente eine Verbreitung gefunden, die im deutschen Sprachraum bis zum Beginn der Buchdruckzeit einzigartig ist. Es scheint alles dafür zu sprechen, dass der von den folgenden Generationen viel gerühmte Wolfram auch auf Grund seiner Autorschaft an diesem Stück Literatur zu den großen Meistern gezählt wurde. [Dallapiazza 2009: S. 7]

Dieser Artikel soll die Parzival-Handschrift Codex Cgm 19 beschreiben und darstellen.


Die Münchner Handschrift G, Cgm 19

Die Überlieferungen mittelalterlicher Texte unterscheiden sich stark von unserer heutigen Vorstellung eines Buches. Sie enthalten nicht einzelne Texte, also Einzelschriften, sondern es werden mehrere, oft sehr unterschiedliche Texte in einem Band zusammengefasst. So handelt es sich bei mittelalterlichen Handschriften oft um Sammelhandschriften sehr heterogener Texte.

Die Münchner Handschrift, heute unter der Sigle Codex Cgm in der Bayrischen Staatsbibliothek München geführt und in der Handschriftenüberlieferung zu Wolframs Parzival mit der Sigle G gekennzeichnet, entstand nach Ansicht der Forschung in der Mitte des 13. Jahrhunderts. [Klein 1992: S. 32] Die Handschrift ist seit früher Zeit in Bayern. Da sie viel gelesen wurde, weist sie starke Gebrauchsspuren auf. Die Staatsbibliothek erhielt sie 1578 als Geschenk. Sechs verschiedene Schreiber haben an der Aufzeichnung gearbeitet. Namen und Ort konnten bisher nicht genauer bestimmt werden.

Die besondere Bedeutung des Codex begründet sich sowohl im überlieferten Text, als auch in den überlieferten Illustrationen. Der Codex wurde Grundlage für die von Karl Lachmann 1824 erstellte Edition, die bis heute gültig ist. Die Parzival-Handschrift G gilt seit Lachmanns Textausgabe als Leithandschrift. Lachmanns Parzival-Edition bildete für Generationen von Germanisten die maßgebliche Basis der Auseinandersetzung und fand Neubearbeitungen bis ins Jahr 1998. Dass sie bis heute unersetzt blieb, liegt an der Fülle des handschriftlichen Materials und am Umfang des nahezu 25.000 Verse umfassenden 'Parzival'-Romans. Der Codex enthält - für die mittelalterliche Handschriftenüberlieferung des 13. Jahrhunderts ungewöhnlich - ein autorzentriertes Textprogramm: Wolframs Parzival, Titurel und seine Tagelieder. [Unzeitig 2004: S. 295]



Die Handschrift besitzt heute einen braunen Kalbsledereinband mit Blindpressung, mit welchem vermutlich im 18. Jahrhundert ein grüner Ledereinband ersetzt wurde. Ein großes Exlibris, das in den Vorderdeckel eingeklebt wurde, (siehe Abbildung 1) mit den Initialien S. M. V. Z. und der Jahreszahl MDLXVIII, gibt Hinweise auf den früheren Besitzer. [Brunner 2004]


Zum Text


Der Text beginnt ursprünglich ohne eine Überschrift des Werktitels. Diese wurde wahrscheinlich nachträglich hinzugefügt. Jede Seite hat eine regelmäßige Gliederung in drei Spalten zwischen 51 und 80 Versen pro Seite. Die Seiten haben das Blattformat 300x210 mm. Beim anspruchsvollen und großzügigen Layout mit abgesetzten, ungleich langen Versen wurde nicht auf einen sparsamen Umgang mit dem Papier geachtet. Zudem werden wichtige Einschnitte mit großen Initialen und zahlreichen, über den Text verteilten Zierbuchstaben gekennzeichnet, anfangs vier- bis sechs, später zweizeilige in violett-blauer und roter Tinte. [Brunner 2004]

Das Schriftniveau ist etwas flüchtig (im Vergleich zum Beispiel zu Bibel-Handschriften). Da Handschriften arbeitsteilig hergestellt wurden, ergeben sich unterschiedliche Schriften und Ansichten des Textes der einzelnen Werke im Sammelband. Zudem wurden leere Seiten später nachgearbeitet.

Die Bildillustrationen

Die Entdeckung der Bilder mittelalterlicher Handschriften bekam im vergangenen Jahrzehnt durch das Projekt des Katalogs der deutschsprachigen illustrierten Handschriften des Mittelalters der Bayrischen Akademie der Wissenschaften einen entscheidenden Schub. [Brunner 2004] Die Bedeutungsforschung findet im Zusammenwirken von Text und Bild ein weites Feld und ganz konkret können Untersuchungen von Text und Bild zu wechselseitiger Erhellung beitragen.

Im der Münchner Handschrift G, die hier untersucht werden soll, sind auf vier Miniaturseiten eines separaten Doppelblatts in geordneten Bildstreifen insgesamt zwölf Bilder zugefügt (fol. 49r und v, sowie -50r und v). Diese ganzseitigen Bildblöcke bestehen jeweils aus drei Bildern, die mit einem ockergelben Rahmen eingefasst sind. Rote Querbänder mit weißen Streifen bilden die Trennungslinien. Der Hintergrund der gesamten zwölf Bildfelder ist blau, grün oder gold. Illustriert wird der Schlussteil der Gawan-Handlung und der Abschluss der Feirefiz-Parzival-Handlung. Die Blätter sind allerdings an einer früheren, das heißt falschen Stelle in den Codex eingeheftet (V 614, 18/19). Dies kann durchaus durch späteres erneutes Binden des Codex passiert sein. In der Forschung wird vermutet, dass weitere Bildblätter vorhanden oder geplant waren, die die ganze Romanhandlung illustrieren sollten. [Unzeitig 2004: S. 295] Einige für den jeweiligen Handlungsverlauf wichtigen Personen sind mit Schriftbändern gekennzeichnet, damit man sie trotz ungenauer Darstellung erkennen kann. Leider sind diese unvollständig, sodass der Betrachter nicht immer sicher sein kann, welche Figur auf den Bildern abgebildet ist. Eine Kenntnis des Textes ist daher erforderlich. Die Bildunterschriften auf den Trennungslinien zwischen den einzelnen Bildern sind möglicherweise von einer anderen Hand zu einem späteren Zeitpunkt hinzugefügt worden.



Abbildung 3 zeigt die fol 49r des Codex. In dieser choreografisch und gestisch ausgestalteten Bildsequenz wird die friedliche Konfliktlösung zwischen Gawan und Gramoflanz durch König Artus im Buch XIV dargestellt. Dabei wird auf die verschiedenen Phasen zur Konfliktbereinigung eingegangen; die Vorverhandlungen in den Zelten (diese private Sphäre wird für den Betrachter geöffnet), die Aussendung von Boten (dargestellt vermutlich durch die beiden Pferde zwischen den Zelten), die öffentlich (unter Zeugen in den und um die Zelte/n) in Szene gesetzten Verhandlungen (die Vermittler beider Parteien Artus und Gramoflanz sind nicht in Kampfrüstung abgebildet) und schließlich die Versöhnung durch den Kuss Orgeluses mit Gramoflanz sowie die Heiraten::Verheiratung Gramoflanz mit Itonje am rechten Bildrand im Zelt.


In der zweiten Bildsequenz (siehe Abb. 4) sieht man das abgehaltene Festmahl (diesem wurde durch ein eigenes Bild im Vergleich zur eher kurzen Ausgestaltung im Text relativ viel Raum gegeben), den Kampf mit::Kampf zwischen Parzival und seinem Bruder von::Bruder Feirefiz in voller Rüstung und die darauf folgende Treffen::Bekanntmachung und Versöhnung der beiden.


Die dritte Bildseite (siehe Abb. 5) zeigt Parzival, der seinen Bruder Feirefiz zum Artushof führt, das große Mahl mit Cundrîe (erkennbar an den monströsen Zähnen und ihrem behaarten Gesicht) und die Szene, in der Parzival zusammen mit Feirefiz, angeführt von Cundrîe, zur Gralsburg Munsalvaesche reitet. Sie treffen dabei (wahrscheinlich) Parzivals Frau Condwiramurs.


Auf der letzten Seite der Illustrationen im Codex (siehe Abb. 6) ist der Inhalt von Buch XVI in drei Miniaturen dargestellt. Das Festmahl im oberen Bildstreifen gibt die Feier auf der Gralsburg anlässlich der Rückkehr von Parzival und seines Halbbruders Feirefiz wieder. Das Reiterbild im Mittelteil zeigt die Begegnung von Parzival mit seiner zur Gralsburg ziehenden Gemahlin. Unten ist die Taufe von Feirefiz, der erst als Christ den Gral erkennt, dargestellt. Das auf der rechten Seite dargestellte zerschlagene Götzenbild macht die Abkehr vom Heidentum sichtbar.

Vergleich von Text und Bildern

Eine genauere Untersuchung von Text und Bild legt nahe, dass beide Bereiche auch unabhängig voneinander aufgenommen werden können. Entscheidendes Charakteristikum der Handschriftenillustration ist nämlich, dass die Bildseiten isoliert von den Textseiten, also für sich genommen, stehen und konzipiert worden sind. Zahlreiche übernommene Wandmalereien in Kirchen und profanen Bauten lassen eine enge Verwandtschaft mit dieser Art von Miniaturen erkennen. Durch ein solches Konzept setzt sich diese Handschrift deutlich von anderen deutschen Parzival-Handschrift (zum Beispiel Cgm 18) und auch von der französischen Perceval-Überlieferung ab. [Unzeitig 2004: S. 295f.] Die anderen beiden bedeutenden Parzival-Handschriften, die im zeitnahen Umfeld anzusetzen sind, nämlich die Handschrift St. Gallen Cod. 857 mit der Sigle D und die Handschrift Cgm 18 aus der Bayrischen Staatsbibliothek, weisen eine Form der Illustration auf, bei der das Bild in den Text eingebettet wird. Beide Handschrfiten weisen also eine Illustrationstechnik auf, die im engen Zusammenhang mit dem überlieferten Text steht. Damit zeichnet sich ikonografisch eine Sonderstellung des Codex Cgm 19 innerhalb der Parzival-Ikonografie ab. Gleichzeitig ist der Typus der ganzseitigen Bildillustration, bestehend aus zwei- oder dreistöckigen Bildersets, eine in deutschen Handschriften verbreitete Illustrationstechnik. Für die Gestaltung der Miniaturen in der hier in Frage stehenden Handschrift Cgm 19 hat man zudem christliche ikonografische Muster ausgemacht, vor allen Dingen für die Festtafel-Szenen, die sich an den Abendmahl-Szenen der christlichen Ikonografie orientieren.


Das, was in Wolframs Parzival als Abschluss der Gawan-Handlung und der Feirefiz-Begegnung in einem komplizierten und mehrschichtigen Handlungsgefecht erzählt wird und einen immensen Erzählerraum umfasst, verdichtet sich in der Bilderfolge zu einem überschaubaren Handlungsverlauf. Die Bildblöcke machen die letzten Bücher des Parzival zum Thema und setzen den Inhalt optisch um. Da dies natürlich nur recht fragmentarisch geschehen kann, muss man davon ausgehen, dass der Illustrator auf Kenntnis und Aktualität des Themas und des gesamten Werks beim Publikum aufbaut. Gleichwohl bleibt dieses Bildprogramm ein singuläres, für sich stehendes Zeugnis. Die Bilderzyklen illustrieren nicht bloß wortgenau den Text Wolframs, was im Hinblick auf dessen Umfang schwer möglich wäre. Sie lassen vielmehr eine eigene Interpretation erkennen.

Literatur und Quellen

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[*Brunner 2004] Brunner, Horst; Hösch, Edgar; Sprandel, Rolf u. a. (Hrsg.): Imagines Medii Aevi. Inderdisziplinäre Beiträge zur Mittelalterforschung, Wiesbaden 2004.

[*Dallapiazza 2009] Dallapiazza, Michael: Wolfram von Eschenbach: Parzival, Berlin 2009.

[*Klein 1992] Klein, Thomas: Die Parzivalhandschrift Cgm 19 und ihr Umkreis, In: Wolfram-Studien 12 (1992), S. 32-66.

[*Unzeitig 2004] Unzeitig, Monika: Zur Bildsequenz in der Parzival-Handschrift Codex 19, fol 49r: Die ikonografische Darstellung der Konfliktlösung zwischen Gawan und Gramoflanz durch König Artus, in: Nagel, Michael (Hrsg.): Reisen-Erkunden_Erzählen. Bilder aus der europäischen Ethnologie und Literatur, Bremen 2004.



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