Vater und Sohn im Parzival

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Vater/Sohn Strukturen im Parzival

Dieser Artikel soll sich mit den komplexen Vater Sohn Beziehungen im Parzival beschäftigen. Als Schwerpunkt soll die Vater/Sohn Struktur zwischen Parzival selbst und seinem Vater Gahmuret betrachtet werden, wobei berücksichtigt werden muss, ob man diese Struktur überhaupt als existente Vater/Sohn Beziehung im klassischen Sinne bezeichnen kann. Parzival ist nicht Gahmurets einziger Sohn. So hat Parzival einen älteren Halbbruder, Feirefiz, dessen Beziehung zu Gahmuret ebenfalls in diesem Artikel betrachtet werden soll. Von großer Relevanz sind auch die eventuellen Parallelen zwischen den beiden genannten Beziehungen. Des Weiteren soll behandelt werden, welche Auswirkungen die ungewöhnliche Beziehung zu seinem Vater auf Parzival hat.

Gahmuret und Feirefiz

Feirefiz ist Gahmurets erster Sohn, der aus der Beziehung mit Königin Belakane entstand und somit Parzivals Halbbruder ist. Feirefiz findet in Wolfram von Eschenbachs Parzival am Anfang und am Ende der Geschichte Erwähnung. Feirefiz wird geboren, als Gahmuret Belakane schon verlassen hat. Seine Mutter ist über den Verlust ihrer Liebe untröstlich. Dennoch liebt sie ihren gemeinsamen Sohn, selbst seine fleckige Haut wird von ihr als ein Wunder Gottes verstanden.

Original 57, 15-22 Übersetzung
diu frouwe an rehter zît genas

eins suns, der zweier varwe was,

an dem got wunders wart enein:

wîz und swarzer varwe er schein.

diu küngîn kust in sunder twâl

vil dicke an sîniu blanken mal.

diu muoter hiez ir kindelîn

Feirefîz Anschevîn.

Als die rechte Zeit gekommen war, da

brachte die Dame einen Sohn zur Welt,

der war von zweierlei Farbe; an ihm

wollte Gott ein Wunder wirken: Weiß

schien seine Haut und schwarz. Die

Königin küßte ihn sogleich sehr oft auf

seine weißen Male. Die Mutter nannte

ihr Kindelein Feirefîz und Anschevîn.

Gahmuret befindet sich zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr bei seiner Frau und ihrem gemeinsamen Sohn, sondern ist auf der Suche nach neuen Abenteuern. Feirefiz lernt seinen Vater also nicht kennen. Tatsächlich ist Gahmuret nicht nur bei Feirefiz’ Geburt abwesend, sondern dessen gesamtes Leben lang. Feirefiz lernt seinen Vater nicht kennen und lebt somit wie Parzival ein Leben ohne Vaterfigur.

Gahmuret und Parzival

Parzival wächst ohne seinen Vater auf. Gahmuret kann an seiner Erziehung nicht teilhaben, da er vor seiner Geburt im Kampf getötet wurde. Da Parzivals Mutter Herzeloyde den Verlust ihres Ehemannes kaum überwinden kann, überträgt sie diese Liebe auf ihren neugeborenen Sohn. Dieser soll jedoch aus Sorge um ihn, kein Ritter, wie es sein Vater war, werden.

Original 112, 28-30 Übersetzung
er wart mit swerten sît ein smit,

vil fiwers er von helmen sluoc:

sîn herze manliîch ellen truoc.


Später sollte er Schmied mit Schwertern

werden, der viel Feuer aus den Helmen schlug.

In seinem Herzen trug er eines rechten Mannes Kraft.

Parzival wird also von seiner Mutter erzogen, die ihm vorenthält, dass er eigentlich ein Ritter werden sollte. Dieser Teil der Erziehung wäre in einer klassischen Familie Aufgabe des Vaters. Durch die Abwesenheit der Vaterfigur für Parzival und des Ehemannes für Herzeloyde, versucht sie um jeden Preis zu vermeiden, dass Parzival dasselbe Schicksal ereilt wie seinen Vater. Herzeloyde möchte ihren Sohn vor dem ritterlichen, höfischen Einfluss zu schützen. Um ihr Vorhaben umzusetzen ergreift sie drastische Maßnamen. Sie verbietet jegliche Rede über das Rittertum und Parzivals eigentliche Bestimmung:

Original 117, 21-28 Übersetzung
ez wære man oder wîp,

den gebôt si allen an den lîp,

daz se immer ritters wurden lût.

‘wan friesche daz mîns herzen trût,

welch ritters leben wære,

daz wurde mir vil swære.

nu habt iuch an der witze kraft,

und helt in alle rîterschaft.’


und zwar die Männer wie die Frauen.

Und sie verbot da allen bei Todesstrafe,

von Rittertum und Rittern auch nur einen

Ton zu sprechen. “Denn wenn mein lieb-

ster Schatz erführe, was es mit dem ritter-

lichen Leben auf sich hat, so wäre das ein

großes Unglück für mich. Drum seid ver-

nünftig und haltet vor ihm alles geheim,

was mit Ritterschaft zu tun hat. ”

All diese schützenden Versuche der Mutter scheitern allerdings. Das Ritter-Sein scheint ihrem Sohn vorbestimmt zu sein, denn Parzival findet auch ohne die direkte Hilfe oder den direkten Einfluss seines Vaters zu seiner Bestimmung und wird schließlich Ritter.

Parallelen

Die beiden ohne Vater aufgewachsenen Brüder weisen Parallelen in ihrem Werdegang auf. Wie bereits beschrieben wird Parzival Ritter, genauso wie sein Halbbruder, der gescheckte Feirefiz. Im Gegensatz zu Feirefiz, der sich auf der Suche nach seinem Vater Gahmuret befindet, ist Parzival auf der Suche nach dem Heiligen Gral. Die Brüder unterscheiden sich jedoch nicht nur in ihrem Verhalten und auf ihrem Weg, sie weisen auch weitere zahlreiche Parallelen auf. Dieser Abschnitt wird eine Auswahl dieser Parallelen untersuchen.

Original Übersetzung
muoter, ich ach vier man

noch liehter danne got getân:

die sagten mir von ritterschaft.

Artûs küneclîchiu kraft

sol mich nâch rîters êren

an schildes ambet kêren.

Mutter, ich habe vier Männer getroffen,

die sahen noch lichter aus als Gott.

Die erzählten mir von Ritterschaft.

Des Artûs königliche Kraft

soll mich in ritterliche Ehren und

zum Schildamt bringen.

Parzival

  • Große Auffälligkeiten in den nicht existierenden Vater/Sohn Beziehungen, Gahmuret pflegt keinen Kontakt zu seinen Söhnen.

Auswirkungen auf Parzival

Die Vaterlosigkeit Parzivals wirkt sich enorm auf seine Persönlichkeit, seinen Werdegang und seine Erziehung aus.

  • Unsicherheiten in seiner Position als Ritter

Literaturnachweise

<HarvardReferences/> [*Bumke 2004] Bumke, Joachim. Wolfram Von Eschenbach. 8., Völlig Neu Bearb. Aufl. ed. Stuttgart: Metzler, 2004.
[*Schmid 1993] Schmid, Elisabeth. Parzival. In: Interpretationen: Mittelhochdeutsche Romane Und Heldenepen. Brunner, Horst, ed. Stuttgart: Reclam, 1993.


Textausgabe

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.