Protagonist: Parzival

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit Parzival als Protagonist. Es soll eine Übersicht über den Werdegang Parzivals entstehen. Dies soll lediglich eine gedankliche Stütze sein und die wichtigsten Stationen Parzivals aufzeigen.

Herkunft

Parzival wird als Halbwaise geboren. Sein Vater Gahmuret, dessen zweiter Sohn er ist, stirbt in einem Kampf noch bevor Parzival das Licht erblickte. Seine Mutter Herzeloyde ist die zweite Frau Gahmurets. Das Kind in ihrem Bauch – Parzival – trägt zu ihrem Lebenswillen bei, den sie beinahe verloren hätte, als Gahmuret starb. Zitat: Frucht Gahmurets,...,nicht stumpf, wenn ich nicht mehr.... Mütterlicherseits werden nur wenige Verwandtschaftsbeziehungen aufgezeigt. Erst im zehnten Buch erfährt Parzival von Trevrizent, dass Anfortas sein Onkel mütterlicherseits ist. Väterlicherseits ist Parzival in die Artus-Linie hineingeboren. Doch davon erfährt er erst sehr spät, da seine Mutter die Einsamkeit in Soltane und somit kein höfisch-ritterliches Leben für sich und Parzival gewählt hat.

Kindheit

In der Waldeinsamkeit von Soltane wächst Parzival, „umsorgt und behütet“ [Bumke 2004: S. 55] von seiner Mutter, auf. Er ist von Natur aus ein neugieriger und rastloser Junge. Dies scheint ihm im Blut zu liegen, denn schon sein Vater Gahmuret verspürte immer die Sehnsucht nach aventiure. Durch Herzeloydes Wahl Parzival allein und fern ab von jedem höfisch-ritterlichen Leben aufzuziehen, wurde er „um ein königliches Leben betrogen“ (Pz. 118,2). (vgl. Erziehung fernab jeder Zivilisation und Parzivals Erziehung durch Herzeloyde) Er kennt nichts von der Welt außerhalb von Soltane. Seine liebste Beschäftigung ist die Jagd.

Aufbruch/Weg zum Artushof

Parzival verlässt Soltane mit dem Vorhaben am Artushof Ritter zu werden. Dieses Ziel setzte er sich, nachdem er den Rittern im Wald begegnet war. Zuvor hatte er noch nie solche Erscheinungen gesehen. Auch wenn er die Gotteslehre seiner Mutter zuerst falsch reflektierte und dachte die Ritter wären Gott, so beeindruckten sie den jungen Parzival doch sehr in ihren glänzenden Rüstungen. (122,22)

Die Männer im Wald klären Parzival darüber auf, dass sie Ritter sind. Interessiert fragt Parzival nach (123,4 ff.):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
"du nennest ritter: waz ist daz? "Du redest von Rittern: Was ist das?
hâstu niht gotlîcher kraft, Wenn es nicht göttlich ist, was an dir so glänzt,
sô sage mir, wer gît ritterschaft?" dann sag mir: Von wem kann man Ritterschaft bekommen?"

Die Antwort des Ritters lautete (123,7):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
"daz tut der künec Artûs. "Die gibt König Artûs.
junchêrre kommt ir in des hûs, Junger Herr, wo er daheim ist, dahin müßt Ihr kommen,
der bringet iuch an Ritters namn, dann hilft Euch der zu Ritters Namen, und zwar so,
daz Ir iuch nimmer durfet schamn. daß Ihr Euch nicht dafür zu schämen braucht.
ir mugt wohl sîn von ritters art." Ihr seid gewiß adelig genug für einen Ritter."

Parzival und die Frauen

Neben seiner Mutter, zu der Parzival ein inniges Verhältnis zu haben scheint, sind seine Begegnungen mit Frauen oft übertrieben und mit "komische(n) Motiven"[Bumke 2004: S.165] dargestellt.

Die erste Begegnung hat er mit der Herzogin Jeschute, die er mit Gewalt um Ring, Spange und Kuss brachte. (131,1-132,21) Von Jeschutes Qualen, die sie durchleiden musste, als Orilus zurückkam, weil Parzival so unverschämt war, erfährt er erst später.

Für Cunneware, die er am Artushof trifft, will er als Frauenritter dienen. Sie ist die Schwester von Orilus, dieser wiederum ist der Mann von Jeschute. Auch ihr wird seinetwegen Gewalt angetan, da sie Parzival anlächelt.

Das Zusammentreffen mit Sigune charakterisiert ein wichtiges Erlebnis, denn durch sie erfährt Parzival wer er ist und welchen Namen er trägt. (139,25 - 141,24)

Auf Liaze trifft Parzival bei seinem Aufenthalt bei Gurnemanz. Sie ist dessen Tochter und fordert Parzival auf, ihr einen Kuss zu geben. Dieser Aufforderung kommt Parzival nach. Allerdings belässt er es nicht dabei, denn er zeigt sein Interesse offen in dem er Gurnemanz mehr oder weniger um die Hand von Liane bittet.

Der erste Kontakt mit seiner zukünftigen Ehefrau - Condwiramurs - beeindruckt Parzival. Sie war unter allen Frauen die Schönste. (187,12 - 187,23) Durch sie vergaß er auch gleich Liaze, die Condwiramurs Cousine darstellt.[1] Doch auch da gab es anfängliche Schwierigkeiten, denn Condwiramurs dachte, sie würde Parzival nicht gefallen, aufgrund der Hungersnot, die sie und ihr Königreich durchleben. (188,27)

Munsalvesche I

Ankunft

Parzivals erster Kontakt mit Munsalvesche, der Gralsburg, beginnt mit der Begegnung des leidenden König Anfortas, welcher Parzival die Richtung zur Burg weist. Es liegt eine seltsame Spannung in der Szene, denn Parzival ist derjenige, der Anfortas von seinen Leiden erlösen kann. Beide wissen zu diesem Zeitpunkt noch nichts von ihrer Verwandtschaft, aber Anfortas ist sich sicher, dass dieser fremde Ritter sein Erlöser sein kann.[Bumke 2004: S. 65] Parzival wird sehr herzlich in Munsalvesche empfangen, was mit den Erwartungen an ihn zu tun haben kann. Allerdings gibt es einen Mann, der aus der Reihe fällt. Dieser Redekünstler erlaubt sich einen Scherz mit Parzival, der ihn so wütend macht, dass er ihn umgebracht hätte, hätte er nur sein Schwert bei sich gehabt. Die Ritter erklärten ihm dann (229,15 ff.):

Mittelhochdeutsch Neuhochdeutsch
"nein, hêrre", sprach die ritterschaft, "Nein, mein Herr", sprachen da die Ritter,
"ez ist ein man der schimpfes kraft "er hat das Amt und Privileg zu scherzen,
hât, swie trûrc wir anders sîn: so traurig es sonst auch hergeht bei uns.
tuot iwer zuht gein im schîn. Ihr müßt gegen ihn edel und großmütig sein.

Die Größe von Munsalvesche ist beeindruckend. Mehr als tausend Personen in einem riesigen Saal, in dem Tische aufgebaut werden. Parzival werden zwei Gastgeschenke überreicht. Die Königin übergibt ihm einen Mantel, den sie selbst einmal trug und der König überlässt ihm sein Schwert.[Bumke 2004: S. 66]

Gral

Der Gral, ein Stein mit wundersamen Kräften, wurde gebettet auf einem grünen Seidentuch in den Saal getragen. Insgesamt waren 25 Damen an der Zeremonie beteiligt und der Gral war das Highlight. Parzival war sehr beeindruckt, so dass er die Königin immer wieder ansehen musste, als sie den Gral vor Anfortas auf dem Tisch ablegte.(236,12 ff.)

Im 5. Buch ist noch nicht klar, dass der Gral ein Edelstein ist. Er ist dort einfach ein "Wunderding, das alle irdischen Herrlichkeiten übertrifft."[Bumke 2004: S. 67] Weder Parzival noch die Leser bekommen Informationen darüber, ob der Gral immer verwendet wird. Erst am Ende wird bekannt, dass er nur bei festlichen Anlässen zum Einsatz kommt.(807,16 ff.) Dies macht rückblickend noch einmal deutlich, wie hoch die Erwartungen der Gralgesellschaft gegenüber Parzival waren.

Auch sonst wird zu diesem Zeitpunkt wenig über den Gral bekannt gegeben. Außer dass er Wünsche von Speisen und Getränken erfüllt, hält sich Wolfram bedeckt.

Die versäumte Frage und der Abschied aus Munsalvesche

Trotz großer Bemühungen der Grasgesellschaft, stellt Parzival die entscheidende Frage nicht. Anfortas wird somit nicht erlöst, obwohl er dem fremden Ritter sogar eine Gelegenheit bietet, in der er das Fragen regelrecht provoziert (239,26 f.):

"ê daz mich got am lîbe hât geletzet." ("bis Gott mich lahm machte am Leben")

Die Offensichtlichkeit nützten bei Parzival nichts, denn dieser beruft sich auf die Lehren von Gurnemanz, welcher ihm erklärt, das zu viel Fragen unhöflich seien. Damit stellt Parzival unter Beweis, dass er seit seinem Fortreiten aus Soltane keine Weiterentwicklung durchlaufen hat, denn noch immer versteht er die Lehren falsch. "Er ist nicht imstande, einen empfangenen Lehrsatz in einer konkreten Situation richtig anzuwenden."[Bumke 2004: S.68] Parzival wird deshalb der Schuld bezichtigt, dass Anfortas noch immer leiden müsse. Trevrizent und Cundrie machen ihn zu einem späteren Zeitpunkt darauf aufmerksam.

Die letzte Nacht auf der Gralsburg quält sich Parzival mit Alpträumen, die "ein Gegenstück zu Herzeloydes Traum"[Bumke 2004: S. 68] bilden. Auch er träumt davon, dass ihn Schlechtes erwartet. Der Aufbruch ist sehr unfreundlich, genau wie schon der Willkommensgruß des Redekünstlers (229,4 ff.), der Parzivals Wut entfachte.

Munsalvesche II

Identität

Durch das Aufwachsen in der Einsamkeit von Soltane und das fehlende Kennenlernen von anderen Menschen, geschweige denn höfischen Sitten/Kulturen ist Parzival überall wie ein Fremder. Dieser Fremde tritt dennoch allem "völlig aufgeschlossen und empfänglich gegenüber mit der inneren Bereitschaft, sich ganz ihren Freuden und Nöten zu öffnen."[Roßkopf 1972: S. 143 f.] wird er „wegen seiner Schönheit, seiner Kraft und seiner Hochherzigkeit bestaunt“ [Bumke 2004: S. 155], aber auch verspottet, ausgelacht und verurteilt aufgrund seiner tumpheit. Als er aus Soltane aufbricht weiß Parzival nicht mal seinen Namen. Das einzige was er weiß ist, dass seine Mutter ihn immer „bon fîz, scher fîz, bêa fîz“ (Pz. 140,16) nannte. Erst durch Sigune erfährt er seinen wirklichen Namen. Auch was seine Verwandten angeht hat Parzival keine Ahnung. Dies bereitet ihm auf seinem Weg einige Probleme. Im Laufe der Handlung setzen sich die Verwandtschaftsbeziehungen sowohl für Parzival (leider meist zu spät), als auch für den Leser zusammen. Nachdem er den Artushof so schnell verlässt wird klar, dass er dort seine Identität nicht finden wird. Stattdessen macht er sich die Gralssuche und damit auch die Erlösung des Gralkönigs zur Lebensaufgabe. Diese nimmt er sehr ernst und beharrt in jeder Situation darauf. Auch noch als Trevrizent ihm erklärt, dass „der Gral bewusstem Suchen verborgen bleibt“. [Bumke 2004: S. 156] Parzival lernt sich und seine Herkunft erst während der Handlung kennen. Der Leser hingegen kann schon auf Vorwissen zurückgreifen, durch die Bücher eins bis drei, in denen es um Gahmuret – Parzivals Vater – und Herzeloyde – Parzivals Mutter – geht. Parzival wird von seinen Mitmenschen als Fremder wahrgenommen, da er laut Bumke innen ein anderer ist als außen. Dies zeigt sich vor allem daran, dass er "im Herzen, unhörbar für die anderen,[...] weiter von seiner Mutter [redet]."[Bumke 2004: S. 149] Im Gegensatz dazu steht Gawan, dessen Identität nicht nur dem Leser, sondern auch ihm selbst bekannt ist. Allerdings sucht er nach Anonymität, was zu einer Art Spiel von Seiten Gawans wird. Ihm dient die Anonymität aber gleichzeitig als „Schutzschild, hinter dem er seine Pläne verbirgt.“[Bumke 2004: S. 157] Parzival entwickelt sich im Laufe der Handlung von einem Unwissenden und Ungelehrten, über einen stattlichen Ritter, hin zum Gralkönig. Doch auch am Schluss bleibt er noch der tumbe man, der er anfangs war.

Ausführlich wird dieser Unterpunkt im Artikel Fremdheit und Identität im Parzival diskutiert.

Glaube zu Gott

Der erste Kontakt mit Gott hat Parzival in seiner Kindheit. Er fragt nach, was denn Gott sei (119,17):

"ôwe muoter, was ist got?"

Als Mutter versucht Herzeloyde eine Erklärung zu finden, die die Frage zufriedenstellend beantwortet. Dabei beschreibt Herzeloyde Gott als besonders hell und hilfsbereit gegenüber jedem. Diese vagen Beschreibungen versteht Parzival völlig falsch und hält die Ritter mit ihren Rüstungen im Wald für Gott. Ob man Herzeloyde einen Vorwurf machen kann bleibt Zweifelhaft, denn wer kann Gott schon konkret und allgemeingültig beschreiben? Es scheint eher Parzivals tumpheit und fehlende Fähigkeit zur Reflexion Schuld an der Misere zu tragen.[2] Parzivals Abkehr von Gott gründet auf seinem Scheitern auf der Gralsburg in Munsalvesche. Er fühlt sich im Stich gelassen und kann nicht mehr glauben, dass Gott ein großer Herr (332,2) ist.

Im späteren Handlungsverlauf merkt Parzival, dass er vom rechten Weg abgekommen ist. Ein Wendepunkt findet statt als er in Buch IX. auf Trevrizent trifft. Nach langen Irrfahrten findet Parzival zu seinem Glauben an Gott zurück und bleibt diesem auch bis zum Ende treu.

In folgenden Artikeln ist Parzivals Glaube ausführlich analysiert: Parzivals Glaubensverlauf und Das Gottesbild Parzivals

Verwandtschaft Parzivals

Parzival steht mütterlicherseits mit der Gralsgesellschaft in Verbindung und väterlicherseits mit dem Artushof. Doch von beiden Beziehungen erfährt er erst spät, nämlich beim Gespräch mit Trevrizent im 9. Buch. Dieser erklärt ihm, dass Anfortas der Bruder seiner Mutter ist und dass Ither ebenfalls ein Verwandter war. Insgesamt gesehen, erfährt der Leser mehr über Parzivals väterliche Seite. Dies ist allein durch die Vorgeschichte, die von Gahmuret handelt, bedingt. In Buch VI erfährt Parzival von Cundrie, dass er einen Halbbruder hat, dieser Feirefiz heißt, ein reicher Mann ist und aus dem Orient kommt. (328,1 - 328,30)

Die genauen verwandtschaftlichen Verhältnisse können im Artikel Verwandtschaftsbeziehungen nachgelesen werden.

Quellenverzeichnis

  1. Für genauere Informationen zu Parzival und Concwiramurs siehe auch den Artikel: Vergleich der Beziehungen Parzival - Condwiramurs und Gawan - Orgeluse
  2. siehe auch den Artikel Parzivals Erziehung durch Herzeloyde und ihre Folgen

Primärtext

[*Wolfram von Eschenbach 2003] Wolfram von Eschenbach: Parzival. Zweite Auflage. Berlin, New York 2003.

Sekundärtext

[*Bumke 2004] Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach. Achte Auflage. Stuttgart, Weimar 2004.

[*Roßkopf 1972] Roßkopf, Rudolf: Der Traum Herzeloydes und der rote Ritter. Erwägungen über die Bedeutung des Stammtisch-welfischen Thronstreites für Wolframs "Parzival". Göppingen 1972.