1258-1283: al-Qazwīnī berichtet aus dem Irak über Schleswig bzw. Haithabu

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Verfasser/in: Juan Rothenhäusler

Quelle

Al-Qazwīnī, Kitāb Aṯār al-bilād, ed. Ferdinand Wüstenfeld, Göttingen: Dieterichsche Buchhandlung, 1848, S. 404. Übersetzung: Daniel G. König, auf der Grundlage von Georg Jacob, Arabische Berichte von Gesandten an germanische Fürstenhöfe, Berlin und Leipzig: Walter de Gruyter, 1927, S. 29.
شلشويق مدينة عظيمة جداً على طرف البحر المحيط، وفي داخلها عيون ماء عذب، Šlašwīq ist eine riesige Stadt (madīna ʿaẓīma ǧiddan) am Rande des allumfassenden Ozeans (al-baḥr al-muḥīṭ), und in ihrem Inneren gibt es Quellen süßen Wassers.
أهلها عبدة الشِّعْرى إلا قليلاً، وهم نصارى لهم بها كنيسة، حكى الطرطوشي: لهم عيد اجتمعوا فيه كلهم لتعظيم المعبود والأكل والشرب، ومن ذبح شيئاً من القرابين ينصب على باب داره خشباً، ويجعل القربان عليه بقراً كان أو كبشاً أو تيساً أو خنزيراً، حتى يعلم الناس أنه يقرب به تعظيماً لمعبوده Ihre Bevölkerung zählt zu den Anbetern des Sirius (ʿabdat al-šiʿrā) außer einigen wenigen, die Christen sind und in ihr eine Kirche haben. Al-Ṭarṭūšī berichtete: Sie haben ein Fest, bei dem sie alle zusammenkommen, um das Verehrte zu verherrlichen (li-taʿẓīm al-maʿbūd) und zu essen und zu trinken. Wer etwas von den Opfern (al-qarābīn) geschlachtet hat, hängt ein Stück Holz an die Tür seines Hauses und befestigt das Opfer daran, sei es nun eine Kuh, ein Widder, ein Ziegenbock oder ein Schwein, damit die Leute wissen, dass er auf diese Weise zur Verherrlichung des Verehrten opfert.
والمدينة قليلة الخير والبركة، أكثر مأكولهم السمك فإنه كثير بها، Die Stadt ist gering an Gütern (al-ḫayr) und Segen. Ihr Hauptessen besteht aus Fisch, denn er ist dort zahlreich vorhanden.
وإذا ولد لأحدهم أولاد يُلقيهم في البحر لتخف عليهم نفقتهم، وحكى أيضاً أن الطلاق عندهم إلى النساء، والمرأة طلقت نفسها متى شاءت، Wenn einem von ihnen Kinder (awlād) geboren werden, schmeißt er sie ins Meer, um ihnen so die Lebenshaltungskosten gering zu halten. Er [al-Ṭarṭūšī] hat außerdem berichtet, dass die Scheidung bei ihnen den Frauen zusteht: die Frau lässt sich eigenständig scheiden, wann sie will.
وبها كحل مصنوع إذ اكتحلوا به لا يزول أبداً، ويزيد الحسن في الرجال والنساء. وقال لم أسمع غناء أقبح من غناء أهل شلشويق وهي دندنة تخرج من حلوقهم كنباح الكلاب وأوحش منه. In ihr gibt es auch eine hergestellte Augenschminke (kuḥl). Wenn sie sich mit dieser schminken, so geht sie niemals ab, und die Schönheit (al-ḥusn) steigt bei den Männern und den Frauen. Er [al-Ṭarṭūšī] hat gesagt: Ich habe niemals hässlicheren Gesang als den Gesang der Bevölkerung von Šlašwīq gehört. Es handelt sich um ein Summen (dandana), das aus ihren Kehlen kommt wie das Bellen/Jaulen (nubāḥ) von Hunden, nur noch wilder/bestialischer (awḥaš).

Autor/in & Werk

[§1] Der zitierte Quellenauszug entstammt einem von insgesamt zwei Werken des bekannten Astronomen und Geographen Abū Yaḥyā Zakariyāʾ b. Muḥammad al-Qazwīnī (gest. 682/1283). Wahrscheinlich wurde er im Jahre 600/1203 in Qazvin, einer Stadt im Nordwesten des heutigen Iran, geboren und zog bald nach seiner juristischen Ausbildung nach Bagdad. Bis zur Eroberung Bagdads durch die Mongolen 656/1258 ist vom Leben al-Qazwīnīs bekannt, dass er Reisen nach Persien und Syrien unternahm, auf denen er sehr bekannte Persönlichkeiten seiner Zeit traf, so z. B. den im Dienste der Ayyubiden und Zengiden stehenden Ḍiyāʾ al-Dīn b. al-Aṯīr (gest. 637/1239) sowie dessen Bruder, den Universalhistoriker ʿIzz al-Dīn Abū l-Ḥasan ʿAlī b. al-Aṯīr (gest. 630/1233), ferner zwei aus al-Andalus stammende Gelehrte, nämlich den Mystiker Ibn al-ʿArabī (gest. 638/1240) sowie den Geographen und Historiographen Ibn Saʿīd al-Maġribī (gest. 685/1286). Für längere Zeit erfüllte al-Qazwīnī unter der Herrschaft des letzten abbasidischen Kalifen al-Mustaʿṣim (regn. 640-56/1240-58) in der irakischen Stadt Wāsiṭ das Amt eines Richters (qāḍī). Die mongolische Herrschaftsübernahme durch den Eroberer und Begründer der Ilkhanidendynastie Hülegü, die in der Hinrichtung al-Mustaʿṣims kulminierte, scheinen keine großen Auswirkungen auf seine berufliche Tätigkeit gehabt zu haben. Wahrscheinlich ist, dass al-Qazwīnī von den Mongolen im Amt belassen wurde, was auch der mongolischen Praxis in Bagdad entsprach. Gefördert durch den mongolischen Statthalter von Bagdad, widmete sich al-Qazwīnī in seinen späten Lebensjahren v. a. seinen Studien.[1]

[§2] Al-Qazwīnī verfasste zwei Werke, von denen das eine den Titel „Die Merkwürdigkeiten der Schöpfung und die Seltsamkeiten des Kosmos“ (ʿAǧāʾib al-maḫlūqāt wa-ġarāʾib al-mawǧūdāt) trägt. In der Forschung wird es häufig schlicht mit dem Titel „Kosmographie“ zitiert. Dieses Werk erfreute sich größter Beliebtheit, wurde aus dem Arabischen ins Persische und Osmanische übersetzt und diente bis ins 19. Jahrhundert anderen Autoren als wichtige Quelle. Im ersten Teil werden supralunare Phänomene, also die so genannten Himmelssphären behandelt, ferner Aspekte des arabischen und syrischen Kalenders. Der zweite, sublunare Teil des Werkes befasst sich mit den vier Elementen, Meteoren und Winden. Hier teilt al-Qazwīnī die Welt nach ptolemäischem Vorbild in sieben Klimata ein, beschreibt die ihm bekannten Flüsse und Seen, erklärt Naturphänomene und beschreibt die Ordnung der Tier- und Menschenwelt, in der übermenschliche Geschöpfe wie z. B. Engel und Dschinn (ǧinn) auch eine Rolle spielen.[2]

[§3] Das andere Werk al-Qazwīnīs, das in der Forschung unter dem Namen „Geographie“ bekannt ist, geht auf zwei verschiedene Versionen zurück, die in einem Abstand von dreizehn bzw. vierzehn Jahren zueinander abgefasst wurden. Die Manuskripte der älteren, im Jahre 661/1262-1263 verfassten Version tragen den Titel „Merkwürdigkeiten der Länder“ (ʿAǧāʾib al-buldān), die vier Manuskripte der jüngeren, im Jahre 674/1275-1276 niedergeschriebenen Version hingegen den Titel „Denkmäler der Länder und die Geschichte ihrer Einwohner“ (Āṯār al-bilād wa-aḫbār al-ʿibād). Diese jüngere Version bildet die Grundlage für die einzigen zwei vollständigen Editionen von Āṯār al-bilād, in der auch die hier zitierte Quellenstelle enthalten ist. Wie in der Kosmographie teilt al-Qazwīnī die Welt in sieben Klimata ein. Das erste Klima wird als das südlichste und heißeste, das siebte als das nördlichste und kälteste beschrieben. Innerhalb eines jeden Klimas sind die insgesamt etwa 600 Lemmata nach dem arabischen Alphabet geordnet. Erwähnt werden u. a. Städte, Regionen und Flüsse.[3] Bei dem hier zitierten Lemma zur nordeuropäischen Stadt Haithabu/Schleswig (Šlašwīq) befinden wir uns im sechsten Klima. Unmittelbar davor steht der Artikel zu dem entweder im nahe Armenien oder in Nordafrika lokalisierten Ort Širwān, unmittelbar danach der Artikel zum im „Land der Lesgier“ (bilād al-Lakzān), also wahrscheinlich in Süd-Dagestan bzw. Nord-Aserbaidschan gelegenen Ort Šanās. Dies veranschaulicht, dass al-Qazwīnī bei der lexikographischen Ordnung seines Werkes innerhalb der einzelnen Klimata der alphabetischen den Vorzug vor einer geographischen Anordnung der Lemmata gab.

Inhalt & Quellenkontext

[§4] Als wichtigste Quelle von Āṯār al-bilād gilt das Werk „Kompendium der Länder“ (Muʿǧam al-buldān) des Geographen Yāqūt (gest. 626/1229).[4] Maria Kowalska konnte nachweisen, dass al-Qazwīni fast 360 der ca. 600 Lemmata sowie verschiedenste Zitate anderer arabisch-islamischer Autoren zu einem erheblichen Teil wörtlich aus Yāqūts geographischem Werk übernommen hat, ohne dies kenntlich gemacht zu haben.[5] Darüber hinaus zählen auch die geographischen Werke des aus Choresmien (Ḫwārazm) stammenden al-Bīrūnī (gest. 442/1050), die Geographie des aus Almería stammenden al-ʿUḏrī (gest. 478/1085) und der Reisebericht des Abū Ḥāmid al-Ġarnāṭī al-Andalusī (gest. 565/1169-1170) aus Granada ebenfalls zu den Quellen von Āṯār al-bilād.[6]

[§5] Sowohl in der hier zitierten Quellenstelle als auch in fünf weiteren Lemmata aus Āṯār al-bilād nennt al-Qazwīnī einen gewissen al-Ṭarṭūšī als Quelle.[7] Sowohl dessen Identität als auch die Rezeption seiner Beobachtungen bei al-Qazwīnī und anderen arabisch-islamischen Geographen sind in der Forschung breit diskutiert worden. Der Grund hierfür liegt darin, dass einige Beobachtungen al-Ṭarṭūšīs in Āṯār al-bilād sich zum Teil wörtlich mit Passagen decken, die andere arabische Autoren in ihren Werken verarbeiteten. Der erste, von dem bekannt ist, dass er sich auf al-Ṭarṭūšī als Quelle stützte, ist der aus Almería stammende Geograph al-ʿUḏrī[8], der sein Werk „Ornamentierung der Nachrichten“ (Tarṣīʿ al-aḫbār)[9] zwischen 1066 und 1085 schrieb. Dessen Schüler al-Bakrī (gest. 487/1094), ebenfalls Geograph aus al-Andalus, verarbeitete in seinem um 1067-1068 verfassten „Buch der Routen und Reiche“ (Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik) Informationen al-Ṭarṭūšīs in seinen Kapiteln über slawische Länder und die Iberische Halbinsel.[10]

[§6] Georg Jacob (1862-1937) beschäftigte sich als erster mit den betreffenden Parallelstellen, nachdem er sowohl inhaltliche als auch wörtliche Übereinstimmungen zwischen einem Lemma aus Āṯār al-bilād und einer Passage aus dem Werk des al-Bakrī feststellte. Beide Passagen handeln von einer „Stadt der Frauen“ (madīnat al-nisāʾ), jedoch nennt der Artikel aus Āṯār al-bilād namentlich al-Ṭarṭūšī, die Passage von al-Bakrī einen gewissen Ibrāhīm b. Yaʿqūb als Quelle. Eine zweite Übereinstimmung der beiden Werke gab Jacob Grund zur Annahme, dass sich die jeweils zitierten Berichterstatter al-Ṭarṭūšī und Ibrāhīm b. Yaʿqūb auf eine gemeinsame Quelle stützen mussten. Beide erwähnen nämlich, dass ihnen ein gewisser Hūtuh, König der Römer (malik al-Rūm), von der „Stadt der Frauen“ erzählte.[11] Dieser Hūtuh wurde von Jacob und anderen unstrittig mit Otto I. dem Großen (regn. 936-973 als Herzog der Sachsen und König der Franken, 962-973 als römisch-deutscher Kaiser) identifiziert.[12] In einem weiteren Lemma aus Āṯār al-bilād erwähnt al-Ṭarṭūšī nochmals den römischen König (malik al-Rūm), diesmal unter Vermittlung des al-ʿUḏrī.[13] Deshalb, so Jacob, sei es unklar, „ob Qazwīnī at-Ṭarṭūšī [auch in allen anderen Artikeln] nur über ʿUd̲h̲ri oder auch unmittelbar zitiert (…).“[14] In einer weiteren Stelle bei al-Bakrī berichtet Ibrāhīm b. Yaʿqūb außerdem, dass er beobachtet habe, wie bulgarische Gesandte von König Hūtuh an dessen Hof in Māḏī burġ (Magdeburg oder Merseburg) empfangen worden seien.[15] Dies und der Umstand, dass Otto der Große im Jahr 973 tatsächlich vom 27. April bis zum 1. Mai in Merseburg verweilte und kurz zuvor in Quedlinburg eine bulgarische Gesandtschaft empfangen hatte, verleiteten Jacob zu dem Schluss, Ibrāhīm b. Yaʿqūb und al-Ṭarṭūšī hätten sich zu dieser Zeit an dessen Hof getroffen und dort beide von Otto u. a. die Informationen zur „Stadt der Frauen“ erhalten. Tadeusz Kowalski (1889-1948) erbrachte dann den Nachweis, dass es sich bei al-Ṭarṭūšī und Ibrāhīm b. Yaʿqūb um dieselbe Person handelt, als er in einer weiteren Handschrift al-Bakrīs den vollständig aufgeführten Namen der Person vorfand, nämlich Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī al-Ṭarṭūšī.[16]

[§7] Bis jetzt ist die Forschung noch zu keinem Konsens hinsichtlich des Reisezeitpunktes und der Reisedauer al-Ṭarṭūšīs gekommen: Jacob hatte die Reise in das Jahr 973 gelegt. Kowalski argumentierte dagegen, dass es einen mächtigen bulgarischen König, den al-Ṭarṭūšī im Kontext der bulgarischen Gesandtschaft an Ottos Hof erwähnte, 973 nicht mehr gegeben habe, da dieser seit 971 in byzantinischer Gefangenschaft saß. Die Bezeichnung Ottos als „König der Römer“ (malik al-Rūm) zeige außerdem, dass die Begegnung mit Otto frühestens nach seiner Kaiserkrönung am 2. Februar 962 habe stattfinden können. Aufgrund mehrerer Überlegungen, die hier nicht im Einzelnen angeführt werden können, kam er zu dem Schluss, dass al-Ṭarṭūšī seine Reise am 28.12.965 antrat, die bis zum 16.12.966 angedauert haben soll.[17] André Miquel legte die Reise in das Jahr 965.[18] Alternativ schlug Abdurrahman Ali El-Hajji vor, al-Ṭarṭūšī sei 961 nicht Otto, sondern Papst Johannes XII. (sed. 955-963) begegnet und habe Otto erst 965 getroffen. Damit veranschlagte er sechs Jahre für eine von 961 bis 967 andauernde Reise.[19] Peter Engels schließlich lässt die Reise al-Ṭarṭūšīs im Jahr 960/61 beginnen und nach dem Februar 962 enden, argumentiert also für eine grob anderthalbjährige Reise.[20] Jean-Charles Ducène wiederum datiert die Reise auf den Zeitraum zwischen 960 und 965.[21]

[§8] Auch eine Rekonstruktion der einzelnen Reisestationen und der Reiseroute al-Ṭarṭūšīs gestaltet sich schwierig. Von der Annahme ausgehend, dass al-ʿUḏrī, al-Bakrī und al-Qazwīnī Informationen von al-Ṭarṭūšī auch an Stellen verarbeiteten, an denen sie ihn nicht direkt zitierten, hat die Forschung zahlreiche nordeuropäische Orte der Reiseroute al-Ṭarṭūšīs zugeschlagen, obwohl die jeweiligen Passagen, in al-Qazwīnīs Āṯār al-bilād die jeweiligen Lemmata, al-Ṭarṭūšī nicht als Quelle erwähnen.[22] Jacob, der noch von zwei Reisenden ausgegangen war, ließ Ibrāhīm b. Yaʿqūb von Nordafrika über Italien, Böhmen, Sachsen nach Mecklenburg reisen und auf demselben Weg heimkehren. Al-Ṭarṭūšī wiederum soll nach Jacob über Bordeaux, das bretonische Kermaria, Rouen und Utrecht nach Schleswig und von dort über Magdeburg, Paderborn, Soest, Fulda, Mainz, Asti, Cortona und Trapani gereist sein.[23] Miquel, der wie alle weiteren ForscherInnen Ibrāhīm b. Yaʿqūb und al-Ṭarṭūšī als eine einzige Person betrachtete, schloss sich dem Vorschlag Jacobs für al-Ṭarṭūšī an, wobei er in seiner Rekonstruktion der Reisestationen fünf Stationen wegließ, für zwei Ortsnamen eine andere Deutung vorschlug und einen weiteren Ort hinzufügte.[24] Charlotte Warnke ließ al-Ṭarṭūšī über Rouen, Schleswig/Haithabu, durch das Gebiet der Abodriten, über Magdeburg und sorbisches Gebiet, Böhmen und wieder über Fulda und Mainz nach al-Andalus reisen.[25] Engels schlug vor, dass al-Ṭarṭūšī über Rouen und Utrecht nach Schleswig gereist sei. Von dort sei er nach Mecklenburg oder Schwerin und dann über Magdeburg, Calbe, Nienburg und Wurzen nach Prag gelangt, von wo aus er wieder über Soest, Fulda, Mainz und Rom auf die Iberische Halbinsel zurückgekehrt sein soll.[26] Diesem Vorschlag schließt sich Ducène weitestgehend an.[27] El-Hajji ging von einer Reiserichtung gegen den Uhrzeigersinn aus: al-Ṭarṭūšī habe seine Reise in Rom begonnen, sei von dort nach Venedig, Prag, dann durch das Land der Abodriten, anschließend nach Schleswig und von dort wieder Richtung Süden nach Magdeburg gereist und schließlich über Paderborn, Soest, Fulda, Mainz und das Westfrankenreich nach al-Andalus zurückgekehrt.[28] Dort, so wird allgemein angenommen, schrieb al-Ṭarṭūšī seine Beobachtungen in einem Reisebericht nieder, der heute nur noch in Auszügen in den oben genannten Werken der arabisch-islamischen Geographen al-ʿUḏrī, al-Bakrī und al-Qazwīnī erhalten ist und außerdem von Ibn Saʿīd und al-Ḥimyarī (7.-8./13.-14. Jh.) aus al-Bakrī kopiert wurde.[29]

[§9] Schon oben wurde die Frage aufgeworfen, ob al-Qazwīnī direkten Zugriff auf den Reisebericht hatte oder ob er ihn nur über andere Autoren, in diesem Fall den andalusischen Geographen al-ʿUḏrī rezipierte. Dies würde bedeuten, dass ein im Bagdad des 13. Jahrhunderts arbeitender Geograph Zugriff auf Literatur aus dem al-Andalus des 11. Jahrhunderts gehabt hätte. Die Frage des West-Ost-Transfers andalusischer Werke in den Irak wurde in der Forschung bisher noch nicht systematisch untersucht.[30] Wir wissen allerdings, dass im 13. Jahrhundert auch andere Gelehrte im Irak auf andalusische Werke zurückgriffen, so u. a. der in Mossul schreibende Historiograph und Universalhistoriker Ibn al-Aṯīr (gest. 630/1233).[31]

[§10] Al-Andalus als der vermutete Start- und Endpunkt der Reise sowie der Namenszusatz al-Ṭarṭūšī suggerieren, dass Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī aus Tortosa im Nordosten der Iberischen Halbinsel stammte.[32]Jacob verortete al-Ṭarṭūšī daher in al-Andalus, hielt Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī aufgrund des Namenszusatzes (al-nisba) „der Israelit“ (al-Isrāʾīlī) allerdings für einen Juden, dessen Herkunft er in Nordafrika vermutete.[33] El Hajji und Miquel, die bereits mit der Prämisse arbeiteten, dass es sich bei Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī und al-Ṭarṭūšī um ein und dieselbe Person handelte, gingen davon aus, dass al-Ṭarṭūšī ein sephardischer Jude gewesen sei.[34] Engels spekulierte wiederum, dass al-Ṭarṭūšī auch ein zum Islam übergetretener Konvertit jüdischer Abstammung hätte gewesen sein können, da es für Konvertiten häufig üblich gewesen sei, alte Namensbestandteile weiterzuführen.[35] Die überlieferten Auszüge aus dessen Reisebericht zeigten, so Engels, dass sich al-Ṭarṭūšī vor allem für wirtschaftliche Belange interessiert habe. Dies sei vor allem daran festzumachen, dass er Städte größtenteils nach ihrer wirtschaftlichen Situation und ihrer Stellung als Handelsplatz beurteile, er sich überdies mit Münzprägung auskenne und besonderes Interesse für Verkehrswege, Marktpreise und landwirtschaftliche Erzeugnisse zeige.[36] Kowalski warf die Frage auf, ob al-Ṭarṭūšī Arzt gewesen sein könne, da er einmal von Krankheiten der Slawen berichtete.[37] El-Hajji ist der Ansicht, dass al-Ṭarṭūšī weder Händler noch Arzt, sondern ein kultivierter, vielsprachiger Reisender mit einer diplomatischen Mission gewesen sei, der sich für die gleichen Dinge interessierte wie andere Reisende seiner Zeit.[38] Angesichts der Tatsache, dass al-Ṭarṭūšīs Reise auf eine Periode intensivierter Beziehungen zwischen dem Reich der Ottonen und dem umayyadischen al-Andalus folge, sei nicht auszuschließen, dass diese Reise auch einen politisch-diplomatischen Hintergrund hatte.[39] Ducène, der weder Handelsinteressen noch einen politischen Auftrag ausschließt, weist schließlich darauf hin, dass Ibrāhīm b. Yaʿqūb zahlreiche Plätze besuchte, an denen auch jüdische Gemeinden nachweisbar sind.[40]

[§11] Das zitierte Lemma Šlašwīq zerfällt in fünf grobe Sinnabschnitte.

  • Im ersten Sinnabschnitt wird der naturräumliche Kontext von Šlašwīq beschrieben: die riesige Stadt (madīna ʿaẓīma ǧiddan) liege am Rande des allumfassenden Ozeans (al-baḥr al-muḥīṭ), und in ihrem Inneren gäbe es Quellen süßen Wassers.
  • Eine Beschreibung von Religion und kultischer Praxis der Bewohner von Šlašwīq bildet den zweiten Sinnabschnitt. Bis auf einige wenige Christen, die innerhalb der Stadt eine Kirche besäßen, werden die übrigen Bewohner als Siriusanbeter (ʿabdat al-šiʿrā) bezeichnet. In diesem Abschnitt beruft sich al-Qazwīnī im Kontext der zitierten Quellenstelle erstmals auf die Beobachtungen al-Ṭarṭūšīs, der berichtete, dass die Bewohner der Stadt zu einem Fest zusammenkämen, um „das Verehrte zu verherrlichen“ (li-taʿẓīm al-maʿbūd) und um gemeinsam Trank und Speise zu sich zu nehmen. Außerdem befestige ein jeder, der eines der möglichen aufgezählten Opfertiere (al-qarābīn) geschlachtet habe, das geschlachtete Tier öffentlichkeitswirksam an einem Stück Holz an der Tür seines Hauses.
  • Der dritte Sinnabschnitt enthält eine Einschätzung al-Ṭarṭūšīs, was die Stadt wirtschaftlich, kulturell und architektonisch zu bieten hatte. In diesem Zusammenhang erwähnt al-Ṭarṭūšī, dass sich die Stadtbewohner hauptsächlich von Fisch ernährten.
  • Der vierte Sinnabschnitt beschreibt die Sitten und Sozialordnung der Menschen von Šlašwīq. Al-Ṭarṭūšī zufolge ertränkten die Stadtbewohner ihre Neugeborenen aus wirtschaftlichen Gründen im Meer. Falls die Beobachtung authentisch ist, deutet sie auf einen gewissen Anteil an verarmter Stadtbevölkerung hin. Außerdem hebt al-Ṭarṭūšī hervor, dass die Initiative für eine Ehescheidung unter den Stadtbewohnern bei den Frauen liege.
  • Im fünften und letzten Sinnabschnitt werden Aspekte der städtischen Kultur und Gepflogenheiten angesprochen: So gäbe es eine in der Stadt hergestellte wasserfeste Augenschminke (kuḥl), die als Zeichen von Schönheit (al-ḥusn) sowohl von Männern als auch von Frauen aufgetragen werde. Ferner vergleicht al-Ṭarṭūšī den Gesang der Stadtbevölkerung mit unbehaglichen Tierlauten.

[§12] Einige Passagen machen deutlich, wie al-Qazwīnī bzw. al-Ṭarṭūšī die Verhältnisse in der beschriebenen Stadt evaluierten. In den ersten beiden Sinnabschnitten wirkt der Bericht eher deskriptiv. Bemerkenswert erscheint die vergleichsweise lange, aber insgesamt unpolemische Beschreibung eines heidnischen Opferfestes gegenüber der eher knappen Erwähnung von Christen in der Stadt. Es ließe sich vermuten, dass der nichtmonotheistische Kult den Berichtenden interessanter erschien als die ihnen ohnehin bekannte christliche Religion. Die den materiellen und sozialen Verhältnissen gewidmeten Sinnabschnitte drei bis fünf machen deutlich, dass al-Qazwīnī bzw. al-Ṭarṭūšī die Stadt Šlašwīq trotz ihrer Größe als wenig wohlhabend und unkultiviert betrachteten. Dies zeigt auch al-Ṭarṭūšīs Meinung zum Gesang der Stadtbevölkerung: Hier fallen die Attribute „hässlich“ (qabīḥ) und wild/bestialisch (waḥš, hier: awḥaš).

Kontextualisierung, Analyse & Interpretation

[§13] In den folgenden Absätzen wird zunächst versucht, den von al-Ṭarṭūšī besuchten Ort unter Berücksichtigung historiographischer Quellen und einschlägiger Forschungsmeinungen zu identifizieren. Die in der Quellenstelle behandelten Themen sollen daraufhin Abschnitt für Abschnitt mit historischen, archäologischen und teils linguistischen Forschungsergebnissen abgeglichen werden: zunächst werden die Lage, die Größe und die wirtschaftliche Bedeutung des Ortes Šlašwīq, dann die Angaben zu Religion, Habitus und sozialen Gepflogenheiten der Einwohner behandelt.

[§14] Bei erster Betrachtung scheint es, als verweise das von al-Qazwīnī bzw. al-Ṭarṭūšī überlieferte Toponym Šlašwīq eindeutig auf die noch heute am Nordufer der Schlei liegende Stadt Schleswig. Ein weniger eindeutiges Bild bietet sich allerdings, wenn man die Angaben al-Qazwīnīs mit Erwähnungen der Stadt in früh- und hochmittelalterlichen Quellen sowie mit Ergebnissen der Archäologie und Toponomastik vergleicht.

[§15] Die Stadt Schleswig liegt am Nordufer der Schlei, einem Meeresarm der Ostsee, der weit ins Landesinnere reicht. Unweit davon, im Binnensee der Schlei, Haddebyer Noor genannt, liegt heute die Wüstung einer einstigen Wallanlage, in der sich ein frühmittelalterliches Handelszentrum Nordeuropas, nämlich die Siedlung Haithabu / Heddeby / Heidiba befand. Dank systematischer archäologischer Grabungen sowohl im Bereich der Wallanlage Haithabus als auch in der Schleswiger Altstadt, konnten einschlägige Erkenntnisse über das Verhältnis der beiden Orte zueinander gewonnen werden. Die bisher publizierten Grabungsergebnisse werden dahingehend interpretiert, dass die Siedlung innerhalb der Wallanlage am Haddebyer Noor im 11. Jahrhundert aufgegeben und in die heutige Schleswiger Altstadt verlagert wurde, die somit als Nachfolgesiedlung angesehen werden kann. Das letzte datierbare Material innerhalb der Wallanlage, nämlich die Reste eines Brunnens, stammen aus dem Jahr 1021.[41] Die frühesten Siedlungsspuren in der Schleswiger Altstadt datieren wiederum in das Jahr 1071.[42]

[§16] Datiert man die Gründung Schleswigs vor diesem Hintergrund in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts[43], wird es schwierig zu erklären, wie Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī al-Ṭarṭūšī die Stadt in den 960er Jahren besuchen konnte. Obwohl al-Qazwīnī ausdrücklich den Namen Šlašwīq verwendet, gehen einige Publikationen sowie die offizielle Internetseite des Wikingermuseums Haithabu davon aus, dass al-Ṭarṭūšī nicht Schleswig, sondern Haithabu beschrieben habe.[44]

[§17] Um diese Deutung zu untermauern, wurden neben archäologischen Ergebnissen vor allem auch historische Toponyme der Siedlungen am Haddebyer Noor und dem Nordufer der Schlei angeführt. In den Annales regni Francorum wird für das Jahr 804 zum ersten Mal ein Ort mit dem Namen Sliesthorp erwähnt. Kontext dieser Erwähnung ist eine Versammlung, die Karl der Große nach einer Umsiedlung von sächsischen Familien in transelbisches Gebiet an jenem Ort einberief und an der auch ein Vertreter des dänischen König Gudfred teilnahm.[45] Vier Jahre später erwähnen dieselben Annalen, dass König Gudfred Kaufleute von Reric nach Sliesthorp umgesiedelt habe.[46] Der Ortsname Schleswig (Sliesuuigensem) ist ferner in einer Urkunde Ottos I. von 965 erwähnt.[47] Adam von Bremen (gest. nach 1081) schreibt in seiner 1075-1076 verfassten Hamburgischen Kirchengeschichte zum Jahr 934, dass „Sliaswig nun Heidiba genannt wird“ (Sliaswich, quae nunc Heidiba dicitur).[48] Christian Radtke zufolge deutet dies darauf hin, dass „die beiden Namen ‚Schleswig‘ und ‚Haithabu‘ vereint“ waren.[49] Das von Adam verwendete Zeitadverb nunc mache aber nicht deutlich, ob die Verschiebung des Ortsnamens von „Schleswig“ zu „Haithabu“ zum Zeitpunkt der Niederschrift der Kirchengeschichte 1075-1076 oder aber im Kontext der Ereignisse erfolgt sei, von denen Adam an dieser Stelle berichtet.[50] Kontext dieser Erwähnung ist der Sieg Heinrichs I (regn. 919-936) gegen den dänischen König Gorm, seine anschließende Einsetzung eines Markgrafen in Sliaswich/Heidiba, sowie die nordische Ansiedlung von Sachsen in selbiger Ortschaft.[51] Mit Hinweis auf Adam von Bremen, Münzinschriften und Skaldendichtung postuliert Radtke, dass es erst seit den frühen 1040er Jahren ein Schleswig gegeben habe, das nicht mehr in der Wallanlage lag, sondern „aller Wahrscheinlichkeit nach Teil der seit 1071 auch dendrochronologisch bekannten Siedlung auf dem Nordufer der Schlei“ gewesen sei.[52] Folgt man dieser Interpretation, erscheint es plausibel, dass al-Ṭarṭūšī in den 960er Jahren über die Wüstung berichtete, die heute als Haithabu bekannt ist, und nicht über das Gebiet der heutigen Schleswiger Altstadt.

[§18] Ausgehend von dieser Interpretation soll nun die zitierte Quellenstelle aus al-Qazwīnīs Āṯār al-bilād mit den vorhandenen archäologischen und geschichtswissenschaftlichen Kenntnissen zu den Siedlungen Haithabu und Schleswig abgeglichen werden. Um den Lesefluss nicht unnötig zu beeinträchtigen, wird im Folgenden für die Siedlung innerhalb der Wallanlage am Haddebyer Noor die heute gängige Bezeichnung „Haithabu“ und für die Siedlung am Nordufer der Schlei folglich „Schleswig“ verwendet.

[§19] Im ersten Sinnabschnitt wird Šlašwīq als riesige Stadt am Rande des allumfassenden Ozeans beschrieben. Der bei al-Qazwīnī erwähnte „allumfassende Ozean“ (al-baḥr al-muḥīṭ) ist eine aus der antiken griechischen Geographie übernommene Vorstellung, derzufolge die gesamte bekannte Welt von einem Weltmeer umschlossen wurde. Bei al-Qazwīnī ist damit der Nordatlantik gemeint, zu dem auch die Ostsee zählt.[53] Sowohl Schleswig als auch Haithabu liegen an einem Meeresarm der Ostsee, insofern könnten beide Orte gemeint sein. Die Beschreibung von Šlašwīq als eine riesige Stadt (madīna ʿaẓīma ǧiddan) scheint geradewegs auf Haithabu zu deuten, das sich nach Volker Hilberg zwischen dem frühen 9. und dem 10 Jahrhundert zu einem „politischen und wirtschaftlichen Zentrum internationalen Ranges“ mit einer Fläche von ca. 27 Hektar entwickelte.[54]

[§20] Problematisch erscheint demgegenüber die Erwähnung von Quellen süßen Wassers (ʿuyūn māʾ ʿaḏb) im Stadtinneren. Georg Jacob scheint diese Beschreibung wortgetreu als natürliche Süßwasserquellen interpretiert zu haben und wies auf Teiche hin, die im Inneren der Stadt Schleswig bis in das 17. Jahrhundert hinein existierten.[55] Wie aus dieser Stelle zu entnehmen ist, ging Jacob davon aus, dass al-Ṭarṭūšī über die heutige Stadt Schleswig, nicht über Haithabu berichtete. Diese Annahme formulierte Jacobs jedoch, bevor 1930 überhaupt die ersten archäologischen Grabungen auf dem Gelände Haithabus begannen[56], von den Grabungen in der Schleswiger Altstadt seit den späten 1960er Jahren ganz zu schweigen.[57] Innerhalb des Siedlungsareales von Haithabu sind Süßwasserteiche nicht bezeugt, dafür aber insgesamt über dreißig Brunnen.[58] Für den Fall, dass mit der Formulierung „Quellen süßen Wassers in ihrem Inneren“ die vielen siedlungsinneren Brunnenanlagen gemeint waren, ließe sich der Bericht aus Āṯār al-bilād auch auf Haithabu anwenden.

[§21] Betrachtet man Haithabu allerdings wie Hilberg als ein politisches und wirtschaftliches Zentrum „internationalen Ranges“[59], muss man sich fragen, wie al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī die Stadt als „arm an Gütern und Segen (qalīlat al-ḫayr wa-l-baraka)“ bezeichnen konnten.[60] In der Übersetzung Jacobs verweist der Begriff al-ḫayr auf materielle Güter, Wohlstand und Reichtum. Eine solche Übersetzung wird auch durch mittelalterliche arabisch-islamische Lexika bestätigt, auch wenn diese darauf hinweisen, dass der Begriff al-ḫayr ein weiteres semantisches Spektrum aufweist, welches „das Gute“ und „gute Dinge“ im Allgemeinen umfasst.[61] Könnte al-Ṭarṭūšī vor diesem Hintergrund in den 960er Jahren doch über eine Siedlung am Nordufer der Schlei berichtet haben, die, weil sie im Schatten des großen Warenumschlagplatzes Haithabu lag, einen ärmlichen Anblick bot?

[§22] Obgleich die Ergebnisse der archäologischen Grabungen auf eine Gründung Schleswigs in das 11. Jahrhundert hindeuten, ist zu beachten, dass bisher lediglich 10% der 12 Hektar großen Schleswiger Altstadt am Nordufer der Schlei archäologisch erschlossen worden sind.[62] Zudem weisen noch nicht genauer untersuchte Kulturschichten der Schleswiger Altstadt auf eine frühere Besiedlung derselben hin.[63] Die großen Parzellierungen, das großflächige Anlegen von Dämmen, die planmäßige Errichtung öffentlicher und privater Infrastruktur im Hafenbereich sowie eines Marktplatzes im Südteil der Schleswiger Altstadt fallen allerdings erst in die zweite Hälfte des 11. Jahrhunderts.[64] Gab es aber zuvor an der gleichen Stelle eine Siedlung ohne besondere private und öffentliche Infrastruktur, so würde dies erklären, warum die Siedlung in den 960ern so einen bescheidenen Eindruck auf al-Ṭarṭūšī machte. Eine solche Vermutung ließe sich mit Verweis auf das für das Jahr 804 in den Annales regni Francorum dokumentierte Toponym Sliesthorp bestätigen, das in der Forschung generell mit Haithabu identifiziert wird.[65] Das Suffix des Ortsnamens, „-thorp“, wird nämlich im Allgemeinen für Randsiedlungen verwendet, die sich von einer Muttersiedlung entfernt haben.[66] Der um 804 dokumentierte Ort Sliesthorp könnte also eine Art Randsiedlung des eigentlichen Hauptortes Heidiba/Sliaswig gewesen sein und sich auf dem Gebiet der heutigen Schleswiger Altstadt am Nordufer der Schlei befunden haben.

[§23] Sollte al-Ṭarṭūšī über eine solche Randsiedlung am Nordufer der Schlei berichtet haben, müsste eine von zwei Bedingungen erfüllt sein: Entweder müsste zum Zeitpunkt von al-Ṭarṭūšīs Anwesenheit in besagter Randsiedlung in den 960er Jahren der Name Sliesthorp bereits dem Namen Sliaswig gewichen sein. Eine solche Umbenennung könnte z. B. durch die dänischen Händler erfolgt sein, die im Jahre 808 in Sliesthorp angesiedelt wurden, taucht die Bezeichnung Sliesthorp nach 808 schließlich in keiner Quelle mehr auf. Oder Sliesthorp und Sliaswig hätten in den 960er Jahren Bezeichnungen für ein und dieselbe Siedlung am Nordufer der Schlei sein müssen, mit der Folge, dass al-Ṭarṭūšī die Siedlung unter ihrer [vielleicht gängigeren?] Ortsbezeichnung Sliaswig kennenlernte, die somit in der arabischen Transkription Šlašwīq ihren Weg in das Werk Āṯār al-bilād fand. Solche Spekulationen bauen allerdings auf der Annahme auf, hinter dem Wort al-ḫayr stehe eine Beschreibung der tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse der beschriebenen Stadt. Al-Ṭarṭūšī hätte damit einen ärmlichen Vorort des eigentlichen Fernhandelszentrums Haithabu beschrieben, Letzteres allerdings mit keinem Wort erwähnt. Da dies eher unwahrscheinlich anmutet, könnte man mutmaßen, dass al-Ṭarṭūšīs Reisebericht ursprünglich sowohl eine Beschreibung Haithabus als auch als eine Beschreibung seines „Vorortes“ am Nordufer der Schlei enthielt, jedoch nur eine der beiden Siedlungen, nämlich das ärmlichere Schleswig, bei al-Qazwīnī Erwähnung fand.

[§24] Insgesamt erscheint es plausibler, die von al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī als Šlašwīq bezeichnete Stadt mit der heutigen Wüstung Haithabu zu identifizieren und davon auszugehen, dass er – von Süden kommend – den Namen Šlašwīq auf das gesamte Areal am Binnensee und den Ufern der Schlei übertrug. Der aus al-Andalus stammende al-Ṭarṭūšī war sicherlich mit einigen der urbanen Zentren des andalusischen Umayyadenreiches, inklusive seiner Hauptstadt Córdoba, vertraut. Auch ein pulsierendes nordisches Fernhandelszentrum wie Haithabu muss ihm im Vergleich zu den urbanen Zentren Südeuropas und des Mittelmeerraumes kalt und ärmlich erschienen sein.[67] Die Stadt Córdoba soll schon im achten Jahrhundert fünfhunderttausend Einwohner gehabt haben. In einundzwanzig Distrikte aufgeteilt, enthielt sie zu ihrer Blütezeit fast einhundert Moscheen und fünfzehn öffentliche Bäder.[68] Demgegenüber dürften für Haithabu etwa eintausend Einwohner zu veranschlagen sein, wobei nicht eine einzige Kirche archäologisch nachgewiesen werden kann.[69] Das Fernhandelszentrum Haithabu muss also eine entsprechend ernüchternde Wirkung auf al-Ṭarṭūšī gehabt haben. Somit spricht nichts dagegen, den Artikel Šlašwīq aus al-Qazwīnīs Āṯār al-bilād auf die Siedlung Haithabu innerhalb der Wallanlage, nicht auf einen Vorort im Gebiet der heutigen Schleswiger Altstadt zu beziehen.

[§25] Al-Ṭarṭūšī trifft eine religiöse Unterscheidung zwischen den Bewohnern der Stadt: nur ein kleiner Teil sei christlich, den größeren Teil der Stadtbevölkerung bezeichnet er als „Anbeter des Sirius“ (ʿabdat al-šiʿrā). Eine Assoziation mit der religiösen und kultischen Praxis von Skandinaviern der Wikingerzeit ist allerdings schwierig. Archäologische Quellen sind teilweise schwer zu interpretieren. Die meisten Schriftquellen zu dem, was als „nordische“ oder „nordgermanische Religion“ bezeichnet wird, wurden seit dem Ende des 10., v. a. aber im 13. Jahrhundert produziert und entstanden somit in einer Zeit, in der Nordeuropa im Rahmen der Christianisierung enorme Prozesse der religiösen und kulturellen Veränderung durchlief bzw. schon durchlaufen hatte.[70]

[§26] Die kultische Verehrung des Sternenbildes Sirius ist vor allem aus dem Alten Ägypten, dem antiken Babylon und aus Zentralasien bekannt.[71] Hinweise auf Astralgottheiten in der Glaubenswelt von Völkern, die als germanisch bezeichnet werden, sind spärlich. Tacitus (gest. um 120) beschrieb fast neunhundert Jahre vor al-Ṭarṭūšīs Besuch in Haithabu/Schleswig, wie der König der Ampsivarier gen Himmel blickte und (die übrigen) Gestirne (cetera sidera) anrief.[72] Von der Anrufung von Gestirnen durch einen rex eines kaiserzeitlichen und mutmaßlich germanischen Stammes kann freilich nicht ohne Weiteres auf religiöse Praktiken im wikingerzeitlichen Haithabu/Schleswig geschlossen werden, selbst wenn man Kontinuitäten in der Glaubenswelt heidnischer Bevölkerungen zwischen der Kaiserzeit und der großflächigen Christianisierung Nordeuropas anerkennt.[73] In der Prosa-Edda des Snorri Sturluson (gest. 1241) heißt es, der Gott Thor habe aus einer eingefrorenen Zehe ein Sternenbild erschaffen.[74] Auch hier bleibt fraglich, ob ein im Spätmittelalter niedergeschriebener Sagenstoff Aussagen zur Verehrung eines siriusähnlichen Sternbildes der Stadtbevölkerung Šlašwīqs in den 960er erlaubt.

[§27] Zu dieser Quellenproblematik kommt hinzu, dass hinter der arabischen Bezeichnung „Anbeter des Sirius“ (ʿabdat al-šiʿrā) ein muslimisch-exegetischer Topos angenommen werden kann: Im Qurʾān (Q 53:49) wird Gott als „der Herr des Sirius“ (rabbu l-šiʿrā) bezeichnet. Mittelalterliche muslimische Koranexegeten wie al-Qurṭubī (gest. 671/1272) erklärten diese Bezeichnung Gottes damit, dass die vorislamischen Araber den Sirius angebetet oder zumindest geglaubt hätten, dass er Einfluss auf die Geschicke der Welt nehme.[75] Vor diesem Hintergrund erscheint es plausibel, dass al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī eine in ihrer heimischen religiös-kulturellen Prägung verankerte koranische und koran-exegetische Bezeichnung benutzten, um heidnisch-nordische Kultpraktiken einzuordnen.[76]

[§28] Dies schließt allerdings nicht aus, dass al-Ṭarṭūšī in seinem Reisebericht tatsächlich kultische Praktiken beschrieb: Die (heidnischen) Stadtbewohner, so al-Ṭarṭūšī, kämen zu einem Fest zusammen, um das Verehrte zu verherrlichen (li-taʿẓīm al-maʿbūd), Trank und Speise zu sich zu nehmen, sowie einen Teil des Opferfleisches an der eigenen Haustür zur Schau zu stellen. Solche Opferfeste sind für das wikingerzeitliche Skandinavien vergleichsweise gut belegt. Sowohl christliche Autoren wie Adam von Bremen und Snorri Sturluson als auch Verbote entsprechender heidnischer Praktiken in christlichen Gesetzestexten liefern belastbare Nachweise für die Existenz solcher Opferfeste.[77] Einige Praktiken wurden überdies unter ihrer Bezeichnung überliefert. Hierzu zählen z.B. blótveizlur[78] und blótdrykkjur[79], Opferriten, die oft Bestandteil der großen saisonalen Festlichkeiten darstellten und, so Hultgård, eine Vielzahl von Menschen angezogen hätten.[80] Wenn – wie al-Ṭarṭūšī berichtet – das Hauptnahrungsmittel der Menschen in der Stadt Fisch sei und diejenigen, die an solchen Opferfesten teilnahmen, ihre Opfer prestigeträchtig am eigenen Haus zur Schau stellten, so stellt sich die Frage, ob hier auch ein Wohlstandsgefälle innerhalb der Stadt zu Tage tritt. Der Besitz oder der Erwerb von Kühen, Ziegen und Schweinen für ein Opferzeremoniell dürfte für einen Bevölkerungsteil, dem al-Ṭarṭūšī zuschreibt, aus finanzieller Not die eigenen Neugeborenen zu ertränken, außerhalb des Erschwinglichen gelegen haben. Weiter könnte gefragt werden, ob ein solches Opferfest von der gesamten nicht-christlichen Stadtbevölkerung, oder lediglich von der lokalen Stadtelite zelebriert wurde.

[§29] Von der christlichen Minderheit berichtet al-Ṭarṭūšī, sie habe eine eigene Kirche innerhalb der Stadt besessen. Schon im Jahre 780, inmitten der Sachsenkriege Karls des Großen (regn. 768-814), rückte das Christentum durch die Einteilung der eroberten sächsischen Gebiete in Missionsbezirke näher an Haithabu/Schleswig heran. Im Jahre 787 wurde in Bremen ein fester Bischofssitz eingerichtet, bis 814 wurden in Münster, Osnabrück, Minden, Paderborn, Hildesheim und Verden weitere Diözesen gegründet. Die erste missionarische Tätigkeit jenseits der Eider begann durch Erzbischof Ebo von Reims (sed. 845-851), der unter dem Schutz Ludwigs des Frommen (regn. 814-840) im Jahre 823 bei den Dänen weilte. Nach dessen Rückkehr ergriff der Missionsbischof Ansgar von Bremen (sed. 826/831-865) in innerdänischen Machtkämpfen Partei für Harald Klak (regn. 812-814 und 819-827). Als Dank für die fränkische Unterstützung ließ sich Harald in Anwesenheit des Kaisers und seiner Familie 826 taufen, konnte sich als Herrscher der Dänen jedoch nicht durchsetzen. So scheiterten vorerst die missionarischen Bemühungen Ansgars nördlich der Eider.[81]Seiner zwischen 865 und 876 verfassten frühen Vita zufolge erreichte es Ansgar allerdings, mit der Erlaubnis des dänischen Königs Horich (regn. 813-854), in Sliaswic eine Kirche zu errichten.[82] Archäologisch ist bis auf eine Kirchenglocke, die wohl ins achte oder neunte Jahrhundert datiert und im Hafenbecken von Haithabu gefunden wurde, bislang kein Kirchenbau in der Wallanlage nachgewiesen.[83] Christliche Bemühungen zur Missionierung nördlich der Eider fanden mit dem Tode König Horichs im Jahre 854 ein vorläufiges Ende.[84]

[§30] Mit Heinrich I. (regn. 919-936) wurden die Missionsbemühungen nördlich der Eider nochmals aufgenommen. So machte Heinrich den Dänenkönig Hardecnudth im Jahre 934 tributpflichtig und erzwang dessen Taufe. Thietmar von Merseburg (gest. 1018) berichtet in diesem Zusammenhang, dass mit dessen Taufe ein alle neun Jahre stattfindendes Opferfest im dänischen Lejre abgeschafft worden sei ‒ dies geschah etwa dreißig Jahre vor dem von al-Ṭarṭūšī beschriebenen Opferfest der Einwohner Haithabus/Schleswigs. Die Bemühungen zur Missionierung jenseits der Eider durch die Erzbischöfe von Hamburg-Bremen, Unni (sed. 918-936) und Adaldag (sed. 937-988), bewirkten, dass wohl auf der Synode von Ingelheim 948 die Bistümer Schleswig, Ribe und Århus eingerichtet wurden.[85] Nach der Taufe König von Harald I. Blauzahn (regn. 958/964–985/987) im Jahre 965 privilegierte Otto I. die Bistümer Schleswig, Ribe und Århus.[86] So ist zusammenzufassen, dass für kurz nach 845 mit der Errichtung einer Kirche durch Ansgar, spätestens aber mit der Einrichtung eines Bistums auf Beschluss der Ingelheimer Synode 948 eine christliche Gemeinde in Haithabu/Schleswig angenommen werden kann; ungeachtet dessen, dass auf dem Gelände Haithabus bislang lediglich ein archäologischer Nachweis für eine Kirchenglocke, nicht aber für eine Kirche erbracht werden konnte.[87]

[§31] Hinsichtlich der von al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī beschriebenen sozialen Praktiken der Einwohner Haithabus/Schleswigs fällt besonders der Kindsmord ins Auge, der angeblich dadurch motiviert gewesen sei, die eigenen Lebenshaltungskosten gering zu halten. Über Kindsmord in der Wikingerzeit berichten vor allem die späteren Isländersagas, die größtenteils von der Aussetzung ungewollter Kinder berichten.[88] Den Forschungen Nancy Wickers zufolge berichtet lediglich eine Saga von der Ertränkung eines Kindes in einem Fluss. Ansonsten werde der Kindsmord durch Ertränken nur in der zitierten Beschreibung al-Ṭarṭūšīs bzw. al-Qazwīnīs erwähnt.[89] Deren generalisierende Formulierung, derzufolge letztlich alle Bewohner Haithabus/Schleswigs ihre Kinder ertränkten, könnte auch durch einen vorislamischen Topos inspiriert sein. Sowohl der Qurʾān als auch die daraus abgeleitete muslimische Tradition schreibt den vorislamischen Arabern die oftmals wirtschaftlich motivierte Praxis des Kindsmordes an neugeborenen Mädchen zu, die dann durch den Islam geächtet worden sei.[90] Wie im Zusammenhang mit der Siriusanbetung stellt sich also die Frage, ob al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī eine vorchristliche wikingerzeitliche Praxis beschrieben oder sich eines Topos mit Bezug zur vorislamischen arabischen Sphäre bedienten.

[§32] Auch die Tatsache, dass al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī den Frauen Haithabus/Schleswigs eine besonders große Eigenständigkeit zuschreiben, die sich u. a. in ihrem Recht manifestiert, die Scheidung einzureichen, könnte auf einem Topos beruhen. Auður G. Magnúsdóttir verweist zwar auf altnordische Sagas, in denen Frauen durchaus eine dominante Rolle spielen, begründet die hier beschriebene weibliche Überlegenheit aber v. a. mit einem Statusgefälle zwischen höher gestellter Frau und niedriger gestelltem Mann.[91] Da zahlreiche arabisch-islamische Werke des Mittelalters nichtmuslimischen europäischen Frauen eine größere Eigenständigkeit zuschreiben als muslimischen Frauen, muss man sich auch hier fragen, inwieweit al-Ṭarṭūšī bzw. al-Qazwīnī tatsächliche soziale Verhältnisse beschrieben oder aber ein weit verbreitetes Klischee zum nichtmuslimischen Norden reproduzierten.[92]

[§33] Abschließend berichtet al-Ṭarṭūšī von einer als kuḥl bezeichneten wasserfesten Augenschminke, die sowohl von Männern als auch von Frauen aufgetragen werde, damit die Schönheit (al-ḥusn) bei ihnen steige. Dieser Bericht ist v. a. aus rezeptionsgeschichtlicher Perspektive interessant, berufen sich schließlich zahlreiche Darstellungen von Wikingern/Nordmännern in der Populärkultur auf diese Passage.[93] Man betrachte allein die vielen unter den Augen geschminkten Nebenrollen in der beliebten TV-Serie „Vikings“, wie z. B. den Schiffsbauer „Floki“[94], oder den Protagonisten bzw. die Protagonistin „Eivor“ des Videospiels „Assassin‘s Creed: Valhalla“, um festzustellen, welch großes Millionenpublikum bereits indirekt Teil der Rezeptionsgeschichte dieser Quellenstelle wurde.

[§34] Zuletzt wird al-Ṭarṭūšī von al-Qazwīnī direkt zitiert: „Ich habe niemals hässlicheren Gesang als den Gesang der Bevölkerung von Šlašwīq gehört. Es handelt sich um ein Summen (dandana), das aus ihren Kehlen kommt wie das Bellen/Jaulen (nubāḥ) von Hunden, nur noch wilder/bestialischer (awḥaš)“. Ob al-Ṭarṭūšī hier bei den Einwohnern Haithabus/Schleswigs etwas beobachtet hat, was dem von Tacitus erwähnten germanischen Schlachtengesang barditus[95] nahekäme, kann hier nicht beantwortet werden. Denkbar ist, dass al-Ṭarṭūšī den Gesang während eines Gelages zum Zeitpunkt des erwähnten Opferfestes zu Ohren bekam. Ein inbrünstiger, kehliger und lauter Gruppengesang in altnordischer Sprache mehrerer alkoholisierter Nordmänner in ausgelassener Stimmung könnte den kultivierten und weltgewandten Andalusier zu einem entsprechenden Fazit bewogen haben.

[§35] Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten: Trotz aller Unsicherheiten bezüglich seines Reisedatums und seiner Reiseroute kann als wahrscheinlich gelten, dass Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī al-Ṭarṭūšī, ein sephardischer Jude oder ein muslimischer Konvertit jüdischer Abstammung, in den 960er Jahren eine Stadt besuchte, die wir in der Schleier Bucht verorten können. Auf unbekannte Weise gelangte diese Beschreibung in das im 13. Jahrhundert verfasste geographische Werk al-Qazwīnīs. Die Betrachtung schriftlicher und archäologischer Quellen deutet darauf hin, dass mit der hier als Šlašwīq bezeichneten Stadt wohl das nordische Handelszentrum Haithabu gemeint war. Dieses erfuhr in al-Qazwīnīs Geographie eine systematische Beschreibung, die sowohl die geographische Lage, wirtschaftliche Bedeutung und soziokulturellen Verhältnisse der Stadt berücksichtigte. Durch den Abgleich mit entsprechender Forschungsliteratur wurde ersichtlich, dass al-Qazwīnīs Redaktion von al-Ṭarṭūšīs Bericht hinsichtlich des naturräumlichen Kontextes der Stadt, des heidnischen Opferfestes und der Existenz einer vergleichsweise kleinen christlichen Gemeinde innerhalb der Stadt ein Faktengerüst liefert, das von der archäologischen und geschichtswissenschaftlichen Forschung anhand anderer Quellen grob bestätigt werden kann. In Bezug auf al-Ṭarṭūšīs Bewertung der wirtschaftlichen Prosperität Haithabus, seiner Erwähnung des Siriuskultes, des regelmäßigen Kindsmordes durch Ertränken sowie seiner Beschreibung lokaler Gesangsformen muss man sich allerdings fragen, inwieweit seine Herkunft, Bildung und religiös-kulturelle Prägung bestimmte Bezüge zur arabisch-islamischen Tradition herstellten, die Wahl spezifischer Begrifflichkeiten und letztlich auch Bewertungen vorgaben und somit seine Wahrnehmung verzerrten.

[§36] Die hier behandelte Quellenstelle weist dabei überraschende transmediterrane Dimensionen auf. Zum einen können wir grob nachvollziehen, dass die Beobachtungen eines andalusischen Reisenden aus dem 10. Jahrhundert Niederschlag in arabisch-islamischen Geographien fanden, die zunächst in al-Andalus verfasst wurden, bevor entsprechende Textpassagen auf unbekanntem Weg in den spätabbasidischen bzw. schon mongolisch beherrschten Irak zu al-Qazwīnī gelangten. Zum anderen sind wir mit einer erstaunlichen Rezeptionsgeschichte von al-Ṭarṭūšīs Bericht konfrontiert, der neben Ibn Faḍlāns (fl. 310/922) Reisebericht[96] zu den Wikingern an der Wolga zu einer Hauptquelle für das wikingerzeitliche Skandinavien avanciert ist und dabei großen Einfluss auf Wikingerdarstellungen in der westlichen Populärkultur, darunter auf Fernsehserien, Filme und Computerspiele, genommen hat. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass bestimmte Informationen zu den vermeintlichen Attributen als besonders „authentisch“ geltender archaischer Bevölkerungsgruppen des wikingerzeitlichen Nordeuropa ihren Weg in das moderne westliche Bewusstsein genommen haben, weil sich ein sephardisch-jüdischer oder auch muslimischer Andalusier diese Manifestationen einer fremden Kultur für wichtig genug erachtete, um ihnen eine detaillierte Beschreibung zu widmen. Diese Beschreibung wurde im muslimisch beherrschten al-Andalus aufbewahrt, weiterverarbeitet und gelangte so fast dreihundert Jahre nach ihrer ersten Aufzeichnung an das Leserpublikum von al-Qazwīnīs Āṯār al-bilād, von wo aus sie ihre rezeptionsgeschichtliche Reise fortsetzte.

Editionen & Übersetzungen

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Zitierte & weiterführende Literatur

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Zoëga, Geir T., A Concise Dictionary of Old Icelandic, Oxford: Benediction Classics, 2010.

Zitierempfehlung

Juan Rothenhäusler, "1258-1283: al-Qazwīnī berichtet aus dem Irak über Schleswig bzw. Haithabu", in: Transmediterrane Geschichte. Kommentierte Quellenanthologie, ed. Daniel G. König, Theresa Jäckh, Eric Böhme, URL: https://wiki.uni-konstanz.de/transmed-de/index.php/1258-1283:_al-Qazwīnī_berichtet_aus_dem_Irak_über_Schleswig_bzw._Haithabu. Letzte Änderung: 09.12.2021, Zugriff: 22.11.2024.

Schlagworte

al-Andalus, Archäologie, Augenschminke, Barditus, Christianisierung, Diplomatie, Ehescheidung, Frauen, germanische Sphäre, Gesang, Halbkreiswall, Handel, Heidentum, Kindestötung, Mongolen, nordische Religion, Reisebericht, Rezeptionsgeschichte, Sachsen, Schleswig, Siriuskult, vorislamische Bräuche, Wallanlage, Wikinger, Wirtschaft, Wissenstransfer.


  1. Lewicki, al-Ḳazwīnī, S. 865-867; Hees, Enzyklopädie, S. 81-82; Lambton, Ḳazwīn, S. 857-863; Mondher und Darley-Doran, Wāsiṭ, S. 165-171; Küçükhüseyin, Eroberung von Bagdad, S. 516.
  2. Hees, Enzyklopädie, S. 91-109; Lewicki, al-Ḳazwīnī, S. 865-867.
  3. Lewicki, al-Ḳazwīnī, S. 865-867; Hees, Enzyklopädie, S. 91-109; Jacob, Arabische Berichte, S. 21; Engels, Reisebericht, S. 414.
  4. Gilliot, Yāḳūt al-Rūmī, S. 264-266.
  5. Lewicki, al-Ḳazwīnī, S. 865-867; Kowalska, Sources, S. 41-88.
  6. Lewicki, al-Ḳazwīnī, S. 865-867.
  7. Engels, Reisebericht, S. 414.
  8. Molina, Al-῾Udhrī, S. 776-777.
  9. Penelas, Tarṣīʿ al-akhbār.
  10. Miquel, Ibrāhīm b. Yaʿḳūb, S. 991; El-Hajji, Ibrāhīm Ibn Yaʿqūb, S. 25; Lévi-Provençal, Abū ʿUbaid al-Bakrī, S. 155-157; Jacob, Arabische Berichte, S. 2.
  11. Al-Bakrī, Kitāb al-Masālik wa-l-mamālik, ed. Adrian P. van Leeuwen, André Ferré, Tunis: al-Dār al-ʿarabiyya li-l-kitāb, 1992, § 550, S. 334; al-Qazwīnī, Aṯār, ed. Wüstenfeld, S. 373.
  12. König, Arabic-Islamic Views, S. 107, 279-288.
  13. Siehe das Lemma „Lorca“, in al-Qazwīnī, Aṯār, ed. Wüstenfeld, S. 373; Jacob, Arabische Berichte, S. 33.
  14. Engels, Reisebericht, S. 414.
  15. Engels, Reisebericht, S. 415; al-Bakrī, Kitāb al-Masālik, ed. van Leeuwen and Ferré, § 552, S. 334-335.
  16. Engels, Reisebericht, S. 416.
  17. Engels, Reisebericht, S. 416-417.
  18. Miquel, L‘Europe occidentale, S. 1049.
  19. El-Hajji, Ibrāhīm Ibn Yaʿqūb, S. 31-32, 39.
  20. Engels, Reisebericht, S. 416.
  21. Ducène, L’Europe et les géographes arabes, S. 163-165.
  22. Miquel, L’Europe occidentale, S. 1051. Ducène, L’Europe et les géographes arabes, S. 163-194, widmet sich ausführlich der gesamten Ibrāhim b. Yaʿqūb al-Ṭarṭūšī zugeschriebenen geographischen Berichterstattung.
  23. Engel, Reisebericht, S. 418-419.
  24. Die Reisestationen nach Miquel, L’Europe occidentale, S. 1051 Bordeaux, Noirmoutier, Saint-Malo, Rouen, Utrecht, Aachen, Mainz, Soest, Fulda, Paderborn, Magdeburg, Schleswig, Polen, Böhmen, Augsburg, Cortona, Trapani. In einem späteren Vorschlag veränderte er die Stationen nach Paderborn wie folgt: Schleswig, Magdeburg, Prag, Krakau, Augsburg, Cortona, Trapani. Vgl. Engels, Reisebericht, S. 419.
  25. Warnke, Bemerkungen, S. 403.
  26. Engels, Reisebericht, S. 420.
  27. Ducène, L’Europe et les géographes arabes, S. 163-165.
  28. Engels, Reisebericht, S. 419; El-Hajji, Ibrāhīm Ibn Yaʿqūb.
  29. Engels, Reisebericht, S. 420; Ducène, L’Europe et les géographes arabes, S. 163-165.
  30. Zu Muslimen aus al-Andalus im Osten, vgl. Akasoy, Al-Andalus in Exile, S. 336-343; Fierro und Penelas (Hrsg.), Maghrib in the Mashriq.
  31. König, Arabic-Islamic Views, S. 51-52, 148, 332-333.
  32. El-Hajji, Ibrāhīm Ibn Yaʿqūb, S. 22.
  33. Engels, Reisebericht, S. 415.
  34. El-Hajji, Ibrāhīm Ibn Yaʿqūb, S. 22; Miquel, L‘Europe occidentale, S. 1049.
  35. Engels, Reisebericht, S. 416.
  36. Engels, Reisebericht, S. 420.
  37. Engels, Reisebericht, S. 420.
  38. El-Hajji, Ibrāhīm Ibn Yaʿqūb, S. 23.
  39. Vgl. Walther, Dialog, S. 20-44; 955: Hrotsvit von Gandersheim über die galicische Geisel Pelagius am Hofe ʿAbd al-Raḥmāns III., §13.
  40. Ducène, L’Europe et les géographes arabes, S. 163-164.
  41. Hilberg, Haithabu im 11. Jahrhundert, S. 189.
  42. Rösch, The Schleswig Waterfront, S. 160.
  43. Rösch, The Early Schleswig Waterfront, S. 44.
  44. Radtke, Auf der Suche, S. 697, spricht von „dem Zeitzeugenbericht des arabischen Diplomaten At-Tartuschi über seinen Besuch von etwa 965 in Haithabu“. Wikinger Museum Haithabu, Zur Geschichte, URL: https://haithabu.de/de/zur-geschichte: „‚Haithabu ist eine sehr große Stadt am äußersten Ende des Weltmeeres‘, schreibt der arabische Chronist Ibrahim ibn Ahmed At-Tartûschi um 965 in seinem Reisebericht über Haithabu.“
  45. Annales Regni Francorum, ed. Georg Heinrich Pertz und Friedrich Kurze (MGH SS rer. Germ. in us. schol. 6), Hannover: Hahn, 1884, a. 804, S. 118-119: „Eodem tempore Godofridus rex Danorum venit cum classe sua necnon et omni equitatu regni sui ad locum, qui dicitur Sliesthorp, in confinio regni sui et Saxoniae.“
  46. Vgl. Schietzel, Spurensuche Haithabu, S. 18.
  47. Otto I. Diplomata, ed. Paul Hasse (Schleswig-Holstein-Lauenburgische Regesten und Urkunden Bd. 1), Hamburg und Leipzig: Leopold Voss, 1886, a. 965, S. 10; Otto I., Diplomata, ed. Theodor Sickel (MGH DD Ko I. / DD H I. / DD O I.) Hannover: Hahn, 1884, a. 965, S. 411. Ich danke Mohamed Qassiti für den Hinweis.
  48. Radtke, Noch einmal Haithabu, S. 85.
  49. Radtke, Noch einmal Haithabu, S. 85.
  50. Radtke, Noch einmal Haithabu, S. 85.
  51. Adam von Bremen / Adamus Bremensis, Hamburgische Kirchengeschichte / Gesta Hammaburgis ecclesiae pontificum, ed. Bernhard Schmeidler (MGH SS rer. Germ. 2.), Hannover und Leipzig: Hahn, 1917, S. 56-57.
  52. Radtke, Noch einmal Haithabu, S. 86.
  53. Dunlop, al-Baḥr al-Muḥī.
  54. Hilberg, Haithabu im 11. Jahrhundert, S. 187.
  55. Jacob, Arabische Berichte, S. 29, FN 4.
  56. Schietzel, Spurensuche Haithabu, S. 37.
  57. Rösch, The Schleswig Waterfront, S. 159.
  58. Schietzel, Spurensuche Haithabu, S. 145-151.
  59. Hilberg, Haithabu im 11. Jahrhundert, S. 187.
  60. Jacob, Arabische Berichte, S. 29.
  61. Vgl. z. B. Ibn Manẓūr (gest. 711/1311-1312), Lisān al-ʿArab, ed. ʿAbd Allāh ʿAlī al-Kabīr, Muḥammad Aḥmad Ḥasab Allāh, Hāšim Muḥammad al-Šāḏilī, Kairo: Dār al-maʿārif, 2007, S. 1299, unter dem Lemma „ḫayr“ in Bezugnahme auf Q 2:180, wo es um Erbrecht und Testamente geht: „wa-qawluhu taʿālā in taraka ḫayran ay mālan“ – „Und seine Aussage, erhaben ist Er: ‚Wenn er Gutes (ḫayran) hinterlässt‘, also Geld [oder Besitz] (mālan).“ Ich danke Mohamed Qassiti für den Hinweis.
  62. Rösch, The Schleswig Waterfront, S.159.
  63. Müller, Rösch und Schimmer, Von Haithabu nach Schleswig, S. 28.
  64. Zu den Ergebnissen der archäologischen Grabungen in der Schleswiger Altstadt vgl. Rösch, Zentraler Knotenpunkt, S. 137-151; Rösch, The Early Schleswig Waterfront, S. 44-54; Rösch, The Schleswig Waterfront, S. 159-172.
  65. Vgl. beispielhaft Schietzel, Spurensuche Haithabu, S. 18.
  66. Department of Nordic Research (University of Copenhagen), Names in Denmark: Settlement names ending in ‑torp, ‑drup, ‑rup and ‑trup, URL: https://names.ku.dk/place-names/common_place-name_endings/torp/: „The word torp has the meaning ‚outlying settlement,‘ and in this way, the torp-names denote settlements, single farms and villages, that have moved out from a mother settlement.“
  67. Vgl. Haverkamp, Die Städte, S. 331-338, für vergleichende Perspektiven.
  68. Singer, Córdoba, 1. Topographie und Geschichte, Sp. 230-232.
  69. Radtke, Haithabu, II. Archäologie, Sp. 1865-1867.
  70. Hultgård, Religion, S. 212.
  71. Für Ägypten: Gautschy, Der Stern Sirius, S. 116-131; für Babylon: Boyce, A History of Zoroastrism, S. 205; für Zentralasien: Bonnefoy, Asian Mythologies, S. 332.
  72. Tacitus, Annales, ed. Carl Hoffmann (Sammlung Tusculum), Berlin: De Gruyter, 2014, lib. 13,55, S. 647.
  73. Schjødt, The Old Norse Gods, S. 221.
  74. Snorri Sturluson, Die Edda: die ältere und jüngere nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, übers. Karl Simrock, Stuttgart: Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung, 1876, S. 303.
  75. Al-Qurṭubī (gest. 671/1272), al-Ǧāmiʿ li-aḥkām al-Qurʾān, ed. ʿAbd Allāh b. ʿAbd al-Muḥsin al-Turkī, Beirut: Muʾassasat al-Risāla, 1427/2006, Bd. 20, S. 62. Ich danke Mohamed Qassiti für diesen Hinweis.
  76. Für einen vergleichbaren Fall, siehe König, Arabic-Islamic Views, S. 107-108.
  77. Hultgård, Religion, S. 215-216.
  78. Zusammensetzung aus altnordisch blótan = opfern und veizla = Festmahl. Blótveizlur = „sacrificial banquet“. Siehe Zoëga, Concise Dictionary of Old Icelandic, S. 60, 61, 96, 480 (Lemmata „blótan“, „blót-veizla“, „drykkia“, „blótan“). Zu blótveizlur schreibt Hultgård, Altskandinavische Opferrituale, S. 238: „Die Kultteilnehmer versammeln sich an einem Kultplatz, bringen Opfertiere, Speise und Trank mit. Die Tiere werden geschlachtet, die dazu bestimmten Opferelemente werden der Gottheit übergeben, und ein rituelles Mahl wird gehalten.“
  79. Zusammensetzung aus altnordisch blótan = opfern und drykkia = trinken. Siehe Zoëga, Concise Dictionary, S. 60, 96.
  80. Hultgård, Religion, S. 215.
  81. Schieffer, Christianisierung, S. 49-52.
  82. In Rimbert, Vita Anskarii, ed. Georg Waitz (MGH SS rer. Germ. 55), Hannover: Hahn, 1884, cap. 24, S. 52, wird Sliaswic und nicht Hediba/Haithabu als Ort genannt, in dem Ansgar seine Kirche errichten durfte.
  83. Rösch, The Schleswig Waterfront, S. 162.
  84. Schieffer, Christianisierung, S. 53.
  85. Padberg, Christianisierung, S. 99-100. Die Akten der Synode von Ingelheim, Synodus Ingelheimensis, Gesta synodalia, in: Ottonis I. constitutiones, Nr. 6, ed. Ludovicus Weiland (MGH Const. 1: 911-1197), Hannover: Hahn, 1893, S. 12, erwähnen einen „Oredo Sliewiccensis [Slieuuicensis] ecclesiae episcopo“, im Codex Vindobonensis (S. 11) bezeichnet als „Horat Scleoswicensis“. Vgl. Gesta synodalia, ed. Ernst-Dieter Hehl (MGH Concilia 6,1), Hannover: Hahn, S. 158. Hehl weist S. 137 darauf hin, dass die Bischöfe von Ripen, Schleswig und Aarhus hier erstmals erwähnt werden, „so daß wiederholt vermutet wurde, sie hätten ihre Weihe auf der Synode empfangen.“
  86. Padberg, Christianisierung, S. 103.
  87. Rösch, The Schleswig Waterfront, S. 162.
  88. Wicker, Infanticide, S. 208.
  89. Wicker, Infanticide, S. 209.
  90. Giladi, Some Observations, S. 185-187.
  91. Magnúsdóttir, Women, S. 46.
  92. Allen, Poet, S. 50; Christie, Dirty Stories, S. 71-87.
  93. Die folgenden Online-Artikel zeigen exemplarisch, dass – wenn überhaupt eine Quellenangabe gemacht wird – Ibrāhīm b. Yaʿqūb al-Isrāʾīlī al-Ṭarṭūšī als ausschließliche Quelle für die Augenschminke von Wikingern genannt wird: West, Viking Eyeliner; Maskworld.com, Der Wikinger.
  94. Tom McInerney, Maskenbildner der TV-Serie „Vikings“, erklärte, warum der Schiffsbauer „Floki“ Schminke trage, wie folgt: „among the few things known about Vikings and their looks, is that both men and women wore kohl around their eyes to enhance them (…).“ Zwar wird al-Ṭarṭūšī nicht explizit erwähnt, die Wortwahl lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass dieser Aussage die Information al-Ṭarṭūšīs zugrunde liegt, siehe Tyler, Vikings.
  95. Tacitus, Germania, ed./übers. Arno Mauersberger (Sammlung Dietrich, Bd. 100), Köln: Anaconda, 2009, S. 35: „Sunt illis haec quoque carmina, quorum relatu, quem barditum vocant, accendunt animos futuraeque pugnae fortunam ipso cantu augurantur (…). Affectatur praecipue asperitas soni et fractum murmur, obiectis ad os scutis, quo plenior et gravior vox repercussu intumescat.“
  96. Canard, Ibn Faḍlān, S. 759.