1270: Ibn Ḫaldūn über das Vorspiel zum tunesischen Kreuzzug Ludwigs IX.: Unterschied zwischen den Versionen

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Anhand einer Gegenüberstellung muslimischer und christlicher Darstellungen des Vorspiels zum Kreuzzug von Tunis lässt sich damit hervorragend herausarbeiten, wie hier unterschiedliche Kenntnisse und Wissenshorizonte ins Spiel gebracht, jeweils andere Kontexte erkannt, verschiedene Emotionen ausgelebt und auch ganz sicher unterschiedliche Agenden verfolgt wurden. Die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Darstellungen der mit diesem Kreuzzug verbundenen wirtschaftlichen, politischen, aber auch persönlichen Beziehungen machen deutlich, wie eng die nördlichen und südlichen Ufer des westlichen Mittelmeerraums Ende des 13. Jahrhunderts miteinander verflochten waren. Ibn Ḫaldūns Bericht ist deswegen von Bedeutung, weil er uns eine faktenreiche aber auch emotionalisierte Perspektive auf das Kreuzzugsgeschehen und seinen Vorlauf gibt. Anders als die christliche Historiographie liefert er uns einen Anhaltspunkt dafür, dass neben den Kreuzzugsidealen Ludwigs IX. und den Machenschaften Karls I. von Anjou vielleicht auch interne Spannungen zwischen europäisch-christlichen Händlern und lokalen Funktionären im Hafsidenreich dazu beitrugen, den Kreuzzug auszulösen. Anders als christliche Quellen, die Ludwig IX., wie Saba Malaspina, sogar in einer Opfersituation gegenüber seinem Bruder sehen können, zeichnet Ibn Ḫaldūn den französischen König als listigen und raffgierigen Tyrannen. Dieser hat das ihm von Seiten der Muslime erwiesene Vertrauen nicht nur tief enttäuscht, sondern sich letztlich auch gegenüber seinen christlichen Glaubensgenossen nicht als verantwortungsvoller König erwiesen. Im von Ibn Ḫaldūn zitierten Gedicht des ägyptischen Hofdichters Abū Maṭrūḥ bzw. Ibn Maṭrūḥ zeigt sich, dass nach muslimischer Auffassung Jesus nicht auf Seiten der Kreuzfahrer stand. Mit Verweis auf die vielen toten Christen, die Ludwig IX. zu verantworten habe, spricht ja der Dichter: „Möge Gott Dich an dieselbe Stelle schicken wie sie, / vielleicht hat dann Jesus Ruhe vor euch (''alhamaka llāh ilā miṯlihi / laʿalla ʿĪsā minkum yastarīḥ'')!“|6=Ibn Ḫaldūn, ''Tārīḫ'', ed. Suhayl Zakkār und Ḫalīl Šaḥāda, 8 Bde., Beirut: Dār al-fikr, 2000-01, Bd. 6, S. 425-426.
Anhand einer Gegenüberstellung muslimischer und christlicher Darstellungen des Vorspiels zum Kreuzzug von Tunis lässt sich damit hervorragend herausarbeiten, wie hier unterschiedliche Kenntnisse und Wissenshorizonte ins Spiel gebracht, jeweils andere Kontexte erkannt, verschiedene Emotionen ausgelebt und auch ganz sicher unterschiedliche Agenden verfolgt wurden. Die verschiedenen, teilweise widersprüchlichen Darstellungen der mit diesem Kreuzzug verbundenen wirtschaftlichen, politischen, aber auch persönlichen Beziehungen machen deutlich, wie eng die nördlichen und südlichen Ufer des westlichen Mittelmeerraums Ende des 13. Jahrhunderts miteinander verflochten waren. Ibn Ḫaldūns Bericht ist deswegen von Bedeutung, weil er uns eine faktenreiche aber auch emotionalisierte Perspektive auf das Kreuzzugsgeschehen und seinen Vorlauf gibt. Anders als die christliche Historiographie liefert er uns einen Anhaltspunkt dafür, dass neben den Kreuzzugsidealen Ludwigs IX. und den Machenschaften Karls I. von Anjou vielleicht auch interne Spannungen zwischen europäisch-christlichen Händlern und lokalen Funktionären im Hafsidenreich dazu beitrugen, den Kreuzzug auszulösen. Anders als christliche Quellen, die Ludwig IX., wie Saba Malaspina, sogar in einer Opfersituation gegenüber seinem Bruder sehen können, zeichnet Ibn Ḫaldūn den französischen König als listigen und raffgierigen Tyrannen. Dieser hat das ihm von Seiten der Muslime erwiesene Vertrauen nicht nur tief enttäuscht, sondern sich letztlich auch gegenüber seinen christlichen Glaubensgenossen nicht als verantwortungsvoller König erwiesen. Im von Ibn Ḫaldūn zitierten Gedicht des ägyptischen Hofdichters Abū Maṭrūḥ bzw. Ibn Maṭrūḥ zeigt sich, dass nach muslimischer Auffassung Jesus nicht auf Seiten der Kreuzfahrer stand. Mit Verweis auf die vielen toten Christen, die Ludwig IX. zu verantworten habe, spricht ja der Dichter: „Möge Gott Dich an dieselbe Stelle schicken wie sie, / vielleicht hat dann Jesus Ruhe vor euch (''alhamaka llāh ilā miṯlihi / laʿalla ʿĪsā minkum yastarīḥ'')!“|6=Ibn Ḫaldūn, ''Tārīḫ'', ed. Suhayl Zakkār und Ḫalīl Šaḥāda, 8 Bde., Beirut: Dār al-fikr, 2000-01, Bd. 6, S. 425-426.


Ibn Khaldoun, ''Histoire des Berbères'', übers. William McGuckin de Slane, Bd. 2, S. 361-62 [französische Übersetzung]
Ibn Khaldoun, ''Histoire des Berbères'', übers. William McGuckin de Slane, Bd. 2, S. 361-62 [französische Übersetzung].


Ibn Khaldun, ''Narratio de expeditionibus Francorum in terras islamismo subjectas'', ed. Carolus Johannes Tornberg, Uppsala: Leffler & Sebell, 1840, S. 110-111 (AR), S. 115-117 (LAT) [Edition und lateinische Übersetzung].|7=Al-ʿAẓma, ʿAzīẓ: ''Ibn Ḫaldūn wa-tārīḫiyatuhu'', Beirut: Dār al-ṭalīʿa, 1987.
Ibn Khaldun, ''Narratio de expeditionibus Francorum in terras islamismo subjectas'', ed. Carolus Johannes Tornberg, Uppsala: Leffler & Sebell, 1840, S. 110-111 (AR), S. 115-117 (LAT) [Edition und lateinische Übersetzung].|7=Al-ʿAẓma, ʿAzīẓ: ''Ibn Ḫaldūn wa-tārīḫiyatuhu'', Beirut: Dār al-ṭalīʿa, 1987.
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