955: Hrotsvit von Gandersheim über die galicische Geisel Pelagius am Hofe ʿAbd al-Raḥmāns III.: Unterschied zwischen den Versionen

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Pelagius’ Geiselstellung und Tod lassen sich in die Herrschaftsperiode des umayyadischen Kalifen von Córdoba, ʿAbd al-Raḥmān III. (regn. ab 300/912 als Emir, 317-350/929-961 als Kalif), einordnen. Wie schon im 9. Jahrhundert, waren Razzien zwischen dem christlichen Norden und dem muslimischen Süden in seiner Herrschaftsperiode an der Tagesordnung.<ref name="ftn22">The Martyrdom of St. Pelagius, übers. Bowman, S. 227; Engels, Reconquista, S. 279-282.</ref> Unter ʿAbd al-Raḥmān III. kam es außerdem zu einem Ausgreifen des umayyadischen Emirates und späteren Kalifates nach Norden, dem die noch relativ unorganisierten christlichen Reiche nur bedingt Widerstand entgegensetzen konnten. Dies bewirkte für einige Jahrzehnte eine gewisse politische Stabilisierung der Iberischen Halbinsel unter umayyadischer Hegemonie.<ref name="ftn23">Fierro, ''ʿAbd al-Raḥmān III, ''S. 48-52, 60-64, 68-73; König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 300-309, zum arabisch-islamischen Quellenmaterial.</ref> Pelagius’ Geiselstellung erfolgte wohl nach der Schlacht von Valdejunquera 920-921, in der die Truppen des leonesisch-galicischen Königs Ordoño II. (regn. 911-924) eine Niederlage erlitten.<ref name="ftn24">Fierro, Hostages, S. 80; Cerulli, Le Calife, S. 74.</ref> Pelagius’ Tod wird üblicherweise auf das Jahr 925 datiert. <ref name="ftn25">Fierro, Hostages, S. 79.</ref>
Pelagius’ Geiselstellung und Tod lassen sich in die Herrschaftsperiode des umayyadischen Kalifen von Córdoba, ʿAbd al-Raḥmān III. (regn. ab 300/912 als Emir, 317-350/929-961 als Kalif), einordnen. Wie schon im 9. Jahrhundert, waren Razzien zwischen dem christlichen Norden und dem muslimischen Süden in seiner Herrschaftsperiode an der Tagesordnung.<ref name="ftn22">The Martyrdom of St. Pelagius, übers. Bowman, S. 227; Engels, Reconquista, S. 279-282.</ref> Unter ʿAbd al-Raḥmān III. kam es außerdem zu einem Ausgreifen des umayyadischen Emirates und späteren Kalifates nach Norden, dem die noch relativ unorganisierten christlichen Reiche nur bedingt Widerstand entgegensetzen konnten. Dies bewirkte für einige Jahrzehnte eine gewisse politische Stabilisierung der Iberischen Halbinsel unter umayyadischer Hegemonie.<ref name="ftn23">Fierro, ''ʿAbd al-Raḥmān III, ''S. 48-52, 60-64, 68-73; König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 300-309, zum arabisch-islamischen Quellenmaterial.</ref> Pelagius’ Geiselstellung erfolgte wohl nach der Schlacht von Valdejunquera 920-921, in der die Truppen des leonesisch-galicischen Königs Ordoño II. (regn. 911-924) eine Niederlage erlitten.<ref name="ftn24">Fierro, Hostages, S. 80; Cerulli, Le Calife, S. 74.</ref> Pelagius’ Tod wird üblicherweise auf das Jahr 925 datiert. <ref name="ftn25">Fierro, Hostages, S. 79.</ref>


Die Passio beginnt mit einer detaillierten Lobrede auf die Stadt Córdoba, die unter hispanischer Herrschaft, also in vorislamischer, römischer und westgotischer Zeit, ein leuchtendes Zentrum des Christentums und der sieben freien Künste gewesen, daraufhin aber durch die Eroberung seitens der ungläubigen Sarazenen dem Untergang verfallen sei. Bei Hrotsvit folgt dem Sturz des als überaus christlich und gerecht dargestellten Westgotenherrschers<ref name="ftn26">Zu alternativen Darstellungen des letzten Westgotenkönigs Roderich vgl. 711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel; 711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern.</ref> 711 die Herrschaft eines „pervertierten Mannes“ (''vir perversus''), der seine „schändlichen Gefährten“ (''socios nefandos'') im Land ansiedelt. Er füllt die trauernde Stadt Córdoba mit vielen Feinden und „verschmutzt“ (''polluit'') sie mit einem „barbarischen Ritus“ (''barbarico ritu''). Der Versuch, die „Heiden“ (''paganos'') mit den „rechtmäßigen Einwohnern“ (''iustis colonis'') zu vermischen und dadurch deren „väterliche Sitten zu zerstören“ (''patrios dissolvere mores''), ruft seitens der Christen Widerstand hervor. Als diese verlautbaren lassen, dass sie lieber sterben wollen, „als blöd im Dienst religiöser Neuerungen zu leben“ (''vivere quam stulte sacris famulando novellis''), entscheidet der Herrscher (''rex'') angesichts der Mühen der Eroberung und der Unmöglichkeit, alle Einwohner dieser reichen Stadt zu töten, diesen die freie Kultausübung zu gestatten. Er stellt allerdings „respektloses Handeln gegenüber aus Gold hergestellten Göttern“ (''blasphemare diis auro fabricatis'') unter Todesstrafe. So lebt die Stadt zunächst in einem „trügerischen Frieden“ (''pax simulata''), wird aber tatsächlich von „tausend Übeln erdrückt“ (''obruta mille malis''). Allerdings machen diejenigen, die „das Feuer der Liebe Christi entflammte“ (''quos ignis Christi succensit amoris''), die vom Fürsten geschmückten, beweihräucherten und verehrten Statuen (''marmora'') mit Worten schlecht (''dictis corrumpere''). Sie werden dafür hingerichtet und so zu Märtyrern<ref name="ftn27">Hrotsvitha, ''Passio Pelagii'', ed. Winterfeld (MGH SS. rer. Germ. in us. schol., 34), v. 25-59, S. 52-54.</ref> – hier verweist Hrotsvit wohl auf das Phänomen der so genannten „Märtyrer von Córdoba“.<ref name="ftn28">Bei den sogenannten Märtyrern von Córdoba handelt es sich um etwa 50 Christen, die aufgrund des Vorwurfs der Apostasie oder der Schmähung des Islam zwischen 850 und 859 in Córdoba hingerichtet oder vom Mob getötet wurden. Hierzu siehe Wolf, ''Christian Martyrs''.</ref>
Die Passio beginnt mit einer detaillierten Lobrede auf die Stadt Córdoba, die unter hispanischer Herrschaft, also in vorislamischer, römischer und westgotischer Zeit, ein leuchtendes Zentrum des Christentums und der sieben freien Künste gewesen, daraufhin aber durch die Eroberung seitens der ungläubigen Sarazenen dem Untergang verfallen sei. Bei Hrotsvit folgt dem Sturz des als überaus christlich und gerecht dargestellten Westgotenherrschers<ref name="ftn26">Zu alternativen Darstellungen des letzten Westgotenkönigs Roderich vgl. [[711: Ibn ʿAbd al-Ḥakam zur Kollaboration Julians bei der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel]]; [[711-745: Ibn al-Qūṭiyya zur Kooperation seiner westgotischen Vorfahren mit den muslimischen Eroberern]].</ref> 711 die Herrschaft eines „pervertierten Mannes“ (''vir perversus''), der seine „schändlichen Gefährten“ (''socios nefandos'') im Land ansiedelt. Er füllt die trauernde Stadt Córdoba mit vielen Feinden und „verschmutzt“ (''polluit'') sie mit einem „barbarischen Ritus“ (''barbarico ritu''). Der Versuch, die „Heiden“ (''paganos'') mit den „rechtmäßigen Einwohnern“ (''iustis colonis'') zu vermischen und dadurch deren „väterliche Sitten zu zerstören“ (''patrios dissolvere mores''), ruft seitens der Christen Widerstand hervor. Als diese verlautbaren lassen, dass sie lieber sterben wollen, „als blöd im Dienst religiöser Neuerungen zu leben“ (''vivere quam stulte sacris famulando novellis''), entscheidet der Herrscher (''rex'') angesichts der Mühen der Eroberung und der Unmöglichkeit, alle Einwohner dieser reichen Stadt zu töten, diesen die freie Kultausübung zu gestatten. Er stellt allerdings „respektloses Handeln gegenüber aus Gold hergestellten Göttern“ (''blasphemare diis auro fabricatis'') unter Todesstrafe. So lebt die Stadt zunächst in einem „trügerischen Frieden“ (''pax simulata''), wird aber tatsächlich von „tausend Übeln erdrückt“ (''obruta mille malis''). Allerdings machen diejenigen, die „das Feuer der Liebe Christi entflammte“ (''quos ignis Christi succensit amoris''), die vom Fürsten geschmückten, beweihräucherten und verehrten Statuen (''marmora'') mit Worten schlecht (''dictis corrumpere''). Sie werden dafür hingerichtet und so zu Märtyrern<ref name="ftn27">Hrotsvitha, ''Passio Pelagii'', ed. Winterfeld (MGH SS. rer. Germ. in us. schol., 34), v. 25-59, S. 52-54.</ref> – hier verweist Hrotsvit wohl auf das Phänomen der so genannten „Märtyrer von Córdoba“.<ref name="ftn28">Bei den sogenannten Märtyrern von Córdoba handelt es sich um etwa 50 Christen, die aufgrund des Vorwurfs der Apostasie oder der Schmähung des Islam zwischen 850 und 859 in Córdoba hingerichtet oder vom Mob getötet wurden. Hierzu siehe Wolf, ''Christian Martyrs''.</ref>


Die hier zitierten Passagen beschreiben zunächst, wie Pelagius’ Vater nach einem erfolgreichen Kriegszug ʿAbd al-Raḥmāns III. gegen Galicien als Geisel genommen wird. Auf eigenen Wunsch tritt der fromme Pelagius an die Stelle seines Vaters und erregt in Córdoba nach kurzer Kerkerhaft die Aufmerksamkeit des als Tyrann dargestellten Herrschers. Dieser fühlt sich zu dem Jüngling hingezogen und bedrängt ihn während mehrerer Annäherungsversuche, denen Pelagius zunächst diskret ausweicht, die er dann aber verbal und schließlich unter Einsatz physischer Gewalt zurückweist. Ein reiner und keuscher Christ, so Pelagius, habe sich den Liebkosungen eines barbarischen Teufelsdieners zu verweigern. Der gedemütigte Herrscher lässt den Jüngling exekutieren, dessen sterbliche Überreste im Fluss von einer Fischerin gefunden und in ein Kloster gebracht werden. Nach einer Feuerprobe werden diese dort als sterbliche Reste eines heiligen Märtyrers für den christlichen Glauben erkannt.  
Die hier zitierten Passagen beschreiben zunächst, wie Pelagius’ Vater nach einem erfolgreichen Kriegszug ʿAbd al-Raḥmāns III. gegen Galicien als Geisel genommen wird. Auf eigenen Wunsch tritt der fromme Pelagius an die Stelle seines Vaters und erregt in Córdoba nach kurzer Kerkerhaft die Aufmerksamkeit des als Tyrann dargestellten Herrschers. Dieser fühlt sich zu dem Jüngling hingezogen und bedrängt ihn während mehrerer Annäherungsversuche, denen Pelagius zunächst diskret ausweicht, die er dann aber verbal und schließlich unter Einsatz physischer Gewalt zurückweist. Ein reiner und keuscher Christ, so Pelagius, habe sich den Liebkosungen eines barbarischen Teufelsdieners zu verweigern. Der gedemütigte Herrscher lässt den Jüngling exekutieren, dessen sterbliche Überreste im Fluss von einer Fischerin gefunden und in ein Kloster gebracht werden. Nach einer Feuerprobe werden diese dort als sterbliche Reste eines heiligen Märtyrers für den christlichen Glauben erkannt.  
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„Ich habe alles Material dieses und des vorangehenden kleinen Werkes aus alten Büchern genommen, die bestimmten Autoren zugeschrieben worden sind, außer die oben niedergeschriebene Passio des heiligen Pelagius, dessen Martyrium mir ein gewisser Eingeborener der Stadt, in der es sich vollzog, darlegte, der getreulich behauptete, er habe diesen schönsten aller Männer gesehen und den Ausgang dieser Geschichte bezeugt. Von daher, falls ich also in einem der beiden Werke eine Falschheit eingefügt habe, habe ich nicht selbst einen Fehler gemacht, sondern unvorsichtig diejenigen nachgeahmt, die den Fehler gemacht haben.<ref name="ftn33">''Hrotsvitha, Operae", ed. Winterfeld (MGH SS. rer. Germ. in us. schol., 34), praefatio II, S. 105: „Huius omnem materiam sicut et prioris opusculi sumis ab antiquis libris sub certis auctorum nominibus conscriptis, excepta superius scripta passione sancti Pelagii cuius seriem martirii quidam eiusdem, in qua passus est, indigena civitatis mihi exposuit, qui ipsum pulcherrimum virorum se vidisse et exitum rei attestatus est veraciter agnovisse. Unde, si quid in utroque falsitatis dictando comprehendi, non ex meo fefelli, sed fallentes incaute imitata fui.“ Lateinischer Text und englische Übersetzung: [https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html]: „I took all the material of this little work as I did the first from ancient books written by named authors, except the passion of St. Pelagius [in the first book]; his martyrdom was told to me by a native of the city in which he suffered it, who bore witness that he had seen that most beautiful of men and truly knew the outcome of the affair. Wherefore, if I included anything false in either one, I did not err on my own, but uncautiously followed those who erred.“ Vgl. Haight, Hroswitha, S. 16.''</ref>''
„Ich habe alles Material dieses und des vorangehenden kleinen Werkes aus alten Büchern genommen, die bestimmten Autoren zugeschrieben worden sind, außer die oben niedergeschriebene Passio des heiligen Pelagius, dessen Martyrium mir ein gewisser Eingeborener der Stadt, in der es sich vollzog, darlegte, der getreulich behauptete, er habe diesen schönsten aller Männer gesehen und den Ausgang dieser Geschichte bezeugt. Von daher, falls ich also in einem der beiden Werke eine Falschheit eingefügt habe, habe ich nicht selbst einen Fehler gemacht, sondern unvorsichtig diejenigen nachgeahmt, die den Fehler gemacht haben.<ref name="ftn33">''Hrotsvitha, Operae", ed. Winterfeld (MGH SS. rer. Germ. in us. schol., 34), praefatio II, S. 105: „Huius omnem materiam sicut et prioris opusculi sumis ab antiquis libris sub certis auctorum nominibus conscriptis, excepta superius scripta passione sancti Pelagii cuius seriem martirii quidam eiusdem, in qua passus est, indigena civitatis mihi exposuit, qui ipsum pulcherrimum virorum se vidisse et exitum rei attestatus est veraciter agnovisse. Unde, si quid in utroque falsitatis dictando comprehendi, non ex meo fefelli, sed fallentes incaute imitata fui.“ Lateinischer Text und englische Übersetzung: [https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html]: „I took all the material of this little work as I did the first from ancient books written by named authors, except the passion of St. Pelagius [in the first book]; his martyrdom was told to me by a native of the city in which he suffered it, who bore witness that he had seen that most beautiful of men and truly knew the outcome of the affair. Wherefore, if I included anything false in either one, I did not err on my own, but uncautiously followed those who erred.“ Vgl. Haight, Hroswitha, S. 16.''</ref>''


Da ansonsten nur schwer zu erklären wäre, wie eine sächsische Nonne an Informationen über den Tod eines iberischen Christen kommen sollte, muss dieser Hinweis auf einen direkt oder indirekt vermittelten Augenzeugenbericht zumindest als plausibel erachtet werden. Hrotsvits Informant ist dabei mit großer Sicherheit am Ottonenhof zu suchen. Außerhalb des Hofmilieus verband zu dieser Zeit wahrscheinlich nur der Handel mit slawischen Sklaven die sächsischen Kernregionen des Ottonenreiches mit al-Andalus.<ref name="ftn34">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 85-86. Ausführlich zu den Voraussetzungen: McCormick, New Light, S. 17-54.; Henning, Gefangenenfesseln, S. 403-426.</ref> Da Hrotsvit wohl mehr mit dem Hof als mit dem Sklavenhandel zu tun gehabt haben dürfte, ist die Passio wohl als schriftlicher Niederschlag eines Informationstransfers zu sehen, der ein Produkt der ottonisch-umayyadischen politischen Beziehungen der 950er Jahre war.<ref name="ftn35">McMillin, Pelagius, S. 295: „Hrotsvit tells us that her source for the tale is a firsthand witness’s account. This would seem possible, given the presence of a diplomatic party from al-Andalus in the court of Otto I during the 950s.“ Cerulli, Le Calife, S. 70, geht allerdings davon aus, dass auch Händler als Informationsträger vorstellbar sind und zitiert hierzu die ''Acta Sanctorum (''Juni V, S. 205): „Gandershemium autem per Visurgum ac Leinam fluvios facilis ascensus est mercatoribus ex Hispania venientibus.“</ref> Anders als seine karolingischen Vorgänger<ref name="ftn36">Vgl. hierzu Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus''.</ref> war der stark mittel- und südeuropäisch orientierte Ottonenhof mit den in der ''Vita Iohannis abbatis Gorziensis'' dokumentierten Gesandtschaften der 950er Jahre selbst zum ersten Mal direkt mit dem umayyadischen al-Andalus in Kontakt getreten. In diesem Rahmen erreichten mindestens vier Mal Personen aus dem muslimischen al-Andalus den Ottonenhof: # <div style="margin-left:0.635cm;margin-right:0cm;">Zunächst empfing Otto I. vor bzw. um 953 eine Nachricht von ʿAbd al-Raḥmān III., welche von einem mozarabischen, d.h. unter umayyadischer Herrschaft tätigen Bischof überbracht wurde, der nach Aussage der ''Vita Iohannis abbatis Gorziensis ''bei dieser Gesandtschaft verstarb.<ref name="ftn37">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 115,1, S. 416: “inter moras episcopus, qui legatis preerat, mortem obit.”</ref> Sowohl von seiner religiösen Zugehörigkeit als auch von seinem Alter her ließe sich dieser Bischof potenziell als Augenzeuge und Überbringer einer Erzählung über einen 925 hingerichteten Christen identifizieren, auch wenn er als Funktionär des Umayyadenherrschers wohl eher kein allzu schlechtes Bild seiner muslimisch beherrschten Heimat gezeichnet haben wird.<ref name="ftn38">Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der in der Nähe von Córdoba mit Johannes von Gorze zusammentreffende mozarabische Bischof auch kein ganz positives Bild christlichen Lebens unter muslimischer Herrschaft zeichnete, vgl. ''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 122-123, S. 434-439. </ref>  
Da ansonsten nur schwer zu erklären wäre, wie eine sächsische Nonne an Informationen über den Tod eines iberischen Christen kommen sollte, muss dieser Hinweis auf einen direkt oder indirekt vermittelten Augenzeugenbericht zumindest als plausibel erachtet werden. Hrotsvits Informant ist dabei mit großer Sicherheit am Ottonenhof zu suchen. Außerhalb des Hofmilieus verband zu dieser Zeit wahrscheinlich nur der Handel mit slawischen Sklaven die sächsischen Kernregionen des Ottonenreiches mit al-Andalus.<ref name="ftn34">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 85-86. Ausführlich zu den Voraussetzungen: McCormick, New Light, S. 17-54.; Henning, Gefangenenfesseln, S. 403-426.</ref> Da Hrotsvit wohl mehr mit dem Hof als mit dem Sklavenhandel zu tun gehabt haben dürfte, ist die Passio wohl als schriftlicher Niederschlag eines Informationstransfers zu sehen, der ein Produkt der ottonisch-umayyadischen politischen Beziehungen der 950er Jahre war.<ref name="ftn35">McMillin, Pelagius, S. 295: „Hrotsvit tells us that her source for the tale is a firsthand witness’s account. This would seem possible, given the presence of a diplomatic party from al-Andalus in the court of Otto I during the 950s.“ Cerulli, Le Calife, S. 70, geht allerdings davon aus, dass auch Händler als Informationsträger vorstellbar sind und zitiert hierzu die ''Acta Sanctorum (''Juni V, S. 205): „Gandershemium autem per Visurgum ac Leinam fluvios facilis ascensus est mercatoribus ex Hispania venientibus.“</ref> Anders als seine karolingischen Vorgänger<ref name="ftn36">Vgl. hierzu Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus''.</ref> war der stark mittel- und südeuropäisch orientierte Ottonenhof mit den in der ''Vita Iohannis abbatis Gorziensis'' dokumentierten Gesandtschaften der 950er Jahre selbst zum ersten Mal direkt mit dem umayyadischen al-Andalus in Kontakt getreten. In diesem Rahmen erreichten mindestens vier Mal Personen aus dem muslimischen al-Andalus den Ottonenhof:  
 
# Zunächst empfing Otto I. vor bzw. um 953 eine Nachricht von ʿAbd al-Raḥmān III., welche von einem mozarabischen, d.h. unter umayyadischer Herrschaft tätigen Bischof überbracht wurde, der nach Aussage der ''Vita Iohannis abbatis Gorziensis ''bei dieser Gesandtschaft verstarb.<ref name="ftn37">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 115,1, S. 416: “inter moras episcopus, qui legatis preerat, mortem obit.”</ref> Sowohl von seiner religiösen Zugehörigkeit als auch von seinem Alter her ließe sich dieser Bischof potenziell als Augenzeuge und Überbringer einer Erzählung über einen 925 hingerichteten Christen identifizieren, auch wenn er als Funktionär des Umayyadenherrschers wohl eher kein allzu schlechtes Bild seiner muslimisch beherrschten Heimat gezeichnet haben wird.<ref name="ftn38">Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der in der Nähe von Córdoba mit Johannes von Gorze zusammentreffende mozarabische Bischof auch kein ganz positives Bild christlichen Lebens unter muslimischer Herrschaft zeichnete, vgl. ''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 122-123, S. 434-439. </ref>  
# Diese Gesandtschaft wurde mit der Gegengesandtschaft des Johannes von Gorze (von 953 bis ca. 956) beantwortet, die aufgrund zahlreicher Verwicklungen wiederum vor 956 die Gesandtschaft des späteren Bischofs von Sevilla, Recemund, nach sich zog. Dieser wird als für die Petitionen zuständiger hochstehender Funktionär am Umayyadenhof dargestellt, der zum Lohn für seine Gesandtschaftsdienste von ʿAbd al-Raḥmān III. ein Bistum erhielt.<ref name="ftn39">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 128-129, S. 448-452.</ref> Er wird wohl eher keine anti-islamische Propaganda über seinen Herrn und Brotgeber verbreitet haben, auch wenn er anschließend mit dem Historiographen und Bischof Liutprand von Cremona in Kontakt blieb, der Recemund sein Werk ''Antapodosis'' widmete.<ref name="ftn40">Wilson, ''Hrotsvit,'' S. 156-157. Ausführlich zu dieser Gesandtschaft und ihrem Kontext: Walther, Der gescheiterte Dialog, S. 20-44, mit Quellenangaben; König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 196-197, 281, mit Behandlung arabisch-islamischer Perspektiven und ihrer Dokumentation.</ref>  
# Diese Gesandtschaft wurde mit der Gegengesandtschaft des Johannes von Gorze (von 953 bis ca. 956) beantwortet, die aufgrund zahlreicher Verwicklungen wiederum vor 956 die Gesandtschaft des späteren Bischofs von Sevilla, Recemund, nach sich zog. Dieser wird als für die Petitionen zuständiger hochstehender Funktionär am Umayyadenhof dargestellt, der zum Lohn für seine Gesandtschaftsdienste von ʿAbd al-Raḥmān III. ein Bistum erhielt.<ref name="ftn39">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 128-129, S. 448-452.</ref> Er wird wohl eher keine anti-islamische Propaganda über seinen Herrn und Brotgeber verbreitet haben, auch wenn er anschließend mit dem Historiographen und Bischof Liutprand von Cremona in Kontakt blieb, der Recemund sein Werk ''Antapodosis'' widmete.<ref name="ftn40">Wilson, ''Hrotsvit,'' S. 156-157. Ausführlich zu dieser Gesandtschaft und ihrem Kontext: Walther, Der gescheiterte Dialog, S. 20-44, mit Quellenangaben; König, ''Arabic-Islamic Views'', S. 196-197, 281, mit Behandlung arabisch-islamischer Perspektiven und ihrer Dokumentation.</ref>  
# Johannes von Gorze kehrte etwa 956 von seiner Gesandtschaft aus Córdoba zurück. Da seine Vita an der Stelle abbricht, an der Johannes bei ʿAbd al-Raḥmān vorstellig wird, ist über die Umstände seiner Rückkehr nichts bekannt. Ebenso wenig lässt sich eine Aussage darüber treffen, ob bzw. wann die von Johannes von Sankt Arnulf (gest. vor 984) verfasste Vita den Ottonenhof erreichte und damit potenziell in die Hände der Gandersheimer Nonne gelangte. Es ist aber davon auszugehen, dass Johannes als Gesandter Ottos I. dem Hof in irgendeiner Weise Bericht erstattete. Auch wenn die Forschung die Vermutung geäußert hat, Hrotsvit habe die Pelagius-Erzählung wahrscheinlich von Johannes von Gorze vermittelt bekommen<ref name="ftn41">Henriet, Raguel, S. 379: „Hrotsvitha did not know Raguel’s text and was presumably inspired by an oral report from Jean de Vandières (later abbot of Gorze in Lorraine) (q.v. John of St Arnoul), who went to Cordova in the years 954-56 as the ambassador of the Emperor Otto I.“</ref>, erscheint dies eher unwahrscheinlich: Die ''Vita Iohannis'' erwähnt Pelagius mit keinem Wort. Sie zeichnet zwar anfangs das muslimische al-Andalus als eine Stätte des Unglaubens, in der gottesfürchtige Mönche das Martyrium erleiden können,<ref name="ftn42">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 116, S. 418-420.</ref> und stellt auch ʿAbd al-Raḥmān III. zunächst als blasphemischen Gewaltherrscher dar.<ref name="ftn43">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 115, S. 416-418.</ref> Im Laufe der Vita verändert sich dieses Bild aber dahingehend, dass eine zunehmend nuancierte und schließlich sogar positive Beschreibung des umayyadischen Herrschers gegeben wird.<ref name="ftn44">Frassetto, Vita Iohannis abbatis Gorziensis; ''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 134, S. 460-462.</ref> Nach seiner Rückkehr aus Córdoba hätte Johannes also nicht unbedingt ein so schlechtes Bild des umayyadischen al-Andalus vermittelt, wie es bei Hrotsvit aufscheint.
# Johannes von Gorze kehrte etwa 956 von seiner Gesandtschaft aus Córdoba zurück. Da seine Vita an der Stelle abbricht, an der Johannes bei ʿAbd al-Raḥmān vorstellig wird, ist über die Umstände seiner Rückkehr nichts bekannt. Ebenso wenig lässt sich eine Aussage darüber treffen, ob bzw. wann die von Johannes von Sankt Arnulf (gest. vor 984) verfasste Vita den Ottonenhof erreichte und damit potenziell in die Hände der Gandersheimer Nonne gelangte. Es ist aber davon auszugehen, dass Johannes als Gesandter Ottos I. dem Hof in irgendeiner Weise Bericht erstattete. Auch wenn die Forschung die Vermutung geäußert hat, Hrotsvit habe die Pelagius-Erzählung wahrscheinlich von Johannes von Gorze vermittelt bekommen<ref name="ftn41">Henriet, Raguel, S. 379: „Hrotsvitha did not know Raguel’s text and was presumably inspired by an oral report from Jean de Vandières (later abbot of Gorze in Lorraine) (q.v. John of St Arnoul), who went to Cordova in the years 954-56 as the ambassador of the Emperor Otto I.“</ref>, erscheint dies eher unwahrscheinlich: Die ''Vita Iohannis'' erwähnt Pelagius mit keinem Wort. Sie zeichnet zwar anfangs das muslimische al-Andalus als eine Stätte des Unglaubens, in der gottesfürchtige Mönche das Martyrium erleiden können,<ref name="ftn42">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 116, S. 418-420.</ref> und stellt auch ʿAbd al-Raḥmān III. zunächst als blasphemischen Gewaltherrscher dar.<ref name="ftn43">''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 115, S. 416-418.</ref> Im Laufe der Vita verändert sich dieses Bild aber dahingehend, dass eine zunehmend nuancierte und schließlich sogar positive Beschreibung des umayyadischen Herrschers gegeben wird.<ref name="ftn44">Frassetto, Vita Iohannis abbatis Gorziensis; ''Vita Iohannis'', ed. Jacobsen (MGH, SS rer. Germ. in us. schol. 81), cap. 134, S. 460-462.</ref> Nach seiner Rückkehr aus Córdoba hätte Johannes also nicht unbedingt ein so schlechtes Bild des umayyadischen al-Andalus vermittelt, wie es bei Hrotsvit aufscheint.
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