955: Hrotsvit von Gandersheim über die galicische Geisel Pelagius am Hofe ʿAbd al-Raḥmāns III.: Unterschied zwischen den Versionen

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Wie oben dargelegt, hatte Hrotsvit trotz vieler Parallelen wohl keinen Zugriff auf Raguels Version, die möglicherweise sogar später niedergeschrieben wurde. Sie selbst behauptet im Nachwort zum ersten bzw. Vorwort zum zweiten Band ihrer Dichtungen, von Pelagius’ Martyrium durch einen Augenzeugen aus Córdoba erfahren zu haben, der am ottonischen Hofe zu Besuch war. Dieser soll Pelagius gekannt haben und bei seinem Tode anwesend gewesen sein.
Wie oben dargelegt, hatte Hrotsvit trotz vieler Parallelen wohl keinen Zugriff auf Raguels Version, die möglicherweise sogar später niedergeschrieben wurde. Sie selbst behauptet im Nachwort zum ersten bzw. Vorwort zum zweiten Band ihrer Dichtungen, von Pelagius’ Martyrium durch einen Augenzeugen aus Córdoba erfahren zu haben, der am ottonischen Hofe zu Besuch war. Dieser soll Pelagius gekannt haben und bei seinem Tode anwesend gewesen sein.


„Ich habe alles Material dieses und des vorangehenden kleinen Werkes aus alten Büchern genommen, die bestimmten Autoren zugeschrieben worden sind, außer die oben niedergeschriebene Passio des heiligen Pelagius, dessen Martyrium mir ein gewisser Eingeborener der Stadt, in der es sich vollzog, darlegte, der getreulich behauptete, er habe diesen schönsten aller Männer gesehen und den Ausgang dieser Geschichte bezeugt. Von daher, falls ich also in einem der beiden Werke eine Falschheit eingefügt habe, habe ich nicht selbst einen Fehler gemacht, sondern unvorsichtig diejenigen nachgeahmt, die den Fehler gemacht haben.<ref name="ftn33">''Hrotsvitha, Operae", ed. Winterfeld (MGH SS. rer. Germ. in us. schol., 34), praefatio II, S. 105: „Huius omnem materiam sicut et prioris opusculi sumis ab antiquis libris sub certis auctorum nominibus conscriptis, excepta superius scripta passione sancti Pelagii cuius seriem martirii quidam eiusdem, in qua passus est, indigena civitatis mihi exposuit, qui ipsum pulcherrimum virorum se vidisse et exitum rei attestatus est veraciter agnovisse. Unde, si quid in utroque falsitatis dictando comprehendi, non ex meo fefelli, sed fallentes incaute imitata fui.“ Lateinischer Text und englische Übersetzung: [https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html]: „I took all the material of this little work as I did the first from ancient books written by named authors, except the passion of St. Pelagius [in the first book]; his martyrdom was told to me by a native of the city in which he suffered it, who bore witness that he had seen that most beautiful of men and truly knew the outcome of the affair. Wherefore, if I included anything false in either one, I did not err on my own, but uncautiously followed those who erred.“ Vgl. Haight, Hroswitha, S. 16.''</ref>''
„Ich habe alles Material dieses und des vorangehenden kleinen Werkes aus alten Büchern genommen, die bestimmten Autoren zugeschrieben worden sind, außer die oben niedergeschriebene Passio des heiligen Pelagius, dessen Martyrium mir ein gewisser Eingeborener der Stadt, in der es sich vollzog, darlegte, der getreulich behauptete, er habe diesen schönsten aller Männer gesehen und den Ausgang dieser Geschichte bezeugt. Von daher, falls ich also in einem der beiden Werke eine Falschheit eingefügt habe, habe ich nicht selbst einen Fehler gemacht, sondern unvorsichtig diejenigen nachgeahmt, die den Fehler gemacht haben.<ref name="ftn33">''Hrotsvitha, Opera", ed. Winterfeld (MGH SS. rer. Germ. in us. schol., 34), praefatio II, S. 105: „Huius omnem materiam sicut et prioris opusculi sumis ab antiquis libris sub certis auctorum nominibus conscriptis, excepta superius scripta passione sancti Pelagii cuius seriem martirii quidam eiusdem, in qua passus est, indigena civitatis mihi exposuit, qui ipsum pulcherrimum virorum se vidisse et exitum rei attestatus est veraciter agnovisse. Unde, si quid in utroque falsitatis dictando comprehendi, non ex meo fefelli, sed fallentes incaute imitata fui.“ Lateinischer Text und englische Übersetzung: [https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html https://epistolae.ctl.columbia.edu/letter/23.html]: „I took all the material of this little work as I did the first from ancient books written by named authors, except the passion of St. Pelagius [in the first book]; his martyrdom was told to me by a native of the city in which he suffered it, who bore witness that he had seen that most beautiful of men and truly knew the outcome of the affair. Wherefore, if I included anything false in either one, I did not err on my own, but uncautiously followed those who erred.“ Vgl. Haight, Hroswitha, S. 16.''</ref>''


Da ansonsten nur schwer zu erklären wäre, wie eine sächsische Nonne an Informationen über den Tod eines iberischen Christen kommen sollte, muss dieser Hinweis auf einen direkt oder indirekt vermittelten Augenzeugenbericht zumindest als plausibel erachtet werden. Hrotsvits Informant ist dabei mit großer Sicherheit am Ottonenhof zu suchen. Außerhalb des Hofmilieus verband zu dieser Zeit wahrscheinlich nur der Handel mit slawischen Sklaven die sächsischen Kernregionen des Ottonenreiches mit al-Andalus.<ref name="ftn34">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 85-86. Ausführlich zu den Voraussetzungen: McCormick, New Light, S. 17-54.; Henning, Gefangenenfesseln, S. 403-426.</ref> Da Hrotsvit wohl mehr mit dem Hof als mit dem Sklavenhandel zu tun gehabt haben dürfte, ist die Passio wohl als schriftlicher Niederschlag eines Informationstransfers zu sehen, der ein Produkt der ottonisch-umayyadischen politischen Beziehungen der 950er Jahre war.<ref name="ftn35">McMillin, Pelagius, S. 295: „Hrotsvit tells us that her source for the tale is a firsthand witness’s account. This would seem possible, given the presence of a diplomatic party from al-Andalus in the court of Otto I during the 950s.“ Cerulli, Le Calife, S. 70, geht allerdings davon aus, dass auch Händler als Informationsträger vorstellbar sind und zitiert hierzu die ''Acta Sanctorum (''Juni V, S. 205): „Gandershemium autem per Visurgum ac Leinam fluvios facilis ascensus est mercatoribus ex Hispania venientibus.“</ref> Anders als seine karolingischen Vorgänger<ref name="ftn36">Vgl. hierzu Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus''.</ref> war der stark mittel- und südeuropäisch orientierte Ottonenhof mit den in der ''Vita Iohannis abbatis Gorziensis'' dokumentierten Gesandtschaften der 950er Jahre selbst zum ersten Mal direkt mit dem umayyadischen al-Andalus in Kontakt getreten. In diesem Rahmen erreichten mindestens vier Mal Personen aus dem muslimischen al-Andalus den Ottonenhof:  
Da ansonsten nur schwer zu erklären wäre, wie eine sächsische Nonne an Informationen über den Tod eines iberischen Christen kommen sollte, muss dieser Hinweis auf einen direkt oder indirekt vermittelten Augenzeugenbericht zumindest als plausibel erachtet werden. Hrotsvits Informant ist dabei mit großer Sicherheit am Ottonenhof zu suchen. Außerhalb des Hofmilieus verband zu dieser Zeit wahrscheinlich nur der Handel mit slawischen Sklaven die sächsischen Kernregionen des Ottonenreiches mit al-Andalus.<ref name="ftn34">Kennedy, ''Muslim Spain'', S. 85-86. Ausführlich zu den Voraussetzungen: McCormick, New Light, S. 17-54.; Henning, Gefangenenfesseln, S. 403-426.</ref> Da Hrotsvit wohl mehr mit dem Hof als mit dem Sklavenhandel zu tun gehabt haben dürfte, ist die Passio wohl als schriftlicher Niederschlag eines Informationstransfers zu sehen, der ein Produkt der ottonisch-umayyadischen politischen Beziehungen der 950er Jahre war.<ref name="ftn35">McMillin, Pelagius, S. 295: „Hrotsvit tells us that her source for the tale is a firsthand witness’s account. This would seem possible, given the presence of a diplomatic party from al-Andalus in the court of Otto I during the 950s.“ Cerulli, Le Calife, S. 70, geht allerdings davon aus, dass auch Händler als Informationsträger vorstellbar sind und zitiert hierzu die ''Acta Sanctorum (''Juni V, S. 205): „Gandershemium autem per Visurgum ac Leinam fluvios facilis ascensus est mercatoribus ex Hispania venientibus.“</ref> Anders als seine karolingischen Vorgänger<ref name="ftn36">Vgl. hierzu Sénac, ''Les Carolingiens et al-Andalus''.</ref> war der stark mittel- und südeuropäisch orientierte Ottonenhof mit den in der ''Vita Iohannis abbatis Gorziensis'' dokumentierten Gesandtschaften der 950er Jahre selbst zum ersten Mal direkt mit dem umayyadischen al-Andalus in Kontakt getreten. In diesem Rahmen erreichten mindestens vier Mal Personen aus dem muslimischen al-Andalus den Ottonenhof:  
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