Blanscheflur (Gottfried von Straßburg, Tristan)

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Blanscheflur ist die Mutter von Tristan und die Schwester von Marke.

Die Figur Blanscheflur

Blanscheflur ist die Schwester König Markes von Cornwall und England. Dort lernt sie Riwalin kennen, der an den Hof gekommen ist, um seine Ritterlichkeit weiter voranzutreiben. Er hat von Markes Edelmut gehört und möchte an seiner Seite weiter reifen. Blanscheflur und Riwalin begegnen sich zuerst bei einem Fest, das Marke veranstaltet. An dieser Stelle im Text wird Blanscheflur zum ersten Mal erwähnt [V. 633]. Sie sei der Inbegriff der Schönheit, außerdem wird beschrieben, dass Männer durch ihren Anblick Frauen im Allgemeinen höher schätzen lernen.


Blanscheflûr sîne swester dâ:
ein maget, daz dâ noch anderswâ
schoener wîp nie wart gesehen.
wir hoeren von ir schoene jehen,
sine gesaehe nie kein lebende man
mit inneclîchen ougen an,
ern minnete dâ nâch iemer mê
wîp und tugende baz dan ê. [V. 633 ff.][1]

Blanscheflur und Riwalin

Riwalin wird als der mutigste und stärkste bei den Ritterspielen, die auf diesem Fest veranstaltet werden, beschrieben. Alle Frauen sind ihm sehr zugeneigt und preisen seine positiven Eigenschaften pausenlos. Blanscheflur zeigt sich unbeeindruckt und huldigt dem Fremden heimlich und in Gedanken. Sie verliebt sich in ihn, schon bevor sie das erste Mal mit einander gesprochen haben, dort auf dem Kampfplatz und Riwalin wird als König ihres Herzens beschrieben.


sî haete in in ir muot genomen,
er was ir in ir herze komen;
er truoc gewalteclîche
in ir herzen künicrîche
den cepter und die crône [V. 725 ff.]


Auch Riwalin verliebt sich, jedoch bleibt ihrer beider Liebe vorerst geheim. Riwalin schließt sich im Anschluss an das Fest Markes Heer an, das gegen einen Widersacher kämpft. Als er verwundet wird ist Blanscheflur in Schmerz ergriffen. Es geht soweit, dass sie sich selbst Schmerzen zufügt aus Angst der Geliebte könnte sterben. Auf dem Krankenbett gelangt sie zu Riwalin und sie vollziehen das erste Mal ihr Liebe und schlafen miteinander. Riwalin gesundet durch diesen Akt der Liebe und Blanscheflur wird schwanger. Ihr Kind wird Tristan sein, der Titelheld des Romans.


dar nâch sô was vil harte unlanc,
unz daz ir beider wille ergienc
und daz vil süeze wîp enpfienc
ein kint von sînem lîbe. [V. 1322 ff.]

Blanscheflur und Riwalin leben in der Folge ihre Liebe, die jedoch weiter im Geheimen zu bleiben scheint was jedoch nicht weiter erläutert wird. Häufig werden sie als ein Ganzes beschrieben und als untrennbar. Sie scheinen eine Lebenskraft zu teilen, die untrennbar ist und sind unnatürlich abhänging von einander. [V. 1358 ff.]

Als Riwalin erfährt, dass er in die Heimat reisen muss, da sein Land bedroht ist, schließen sie den Plan gemeinsam zu gehen. Blanscheflur beichtet ihre Schwangerschaft und geht im Geheimen mit Riwalin nach Parmenien. Dort heiraten die Beiden, kurz bevor Riwalin in den Krieg zieht. Er kehrt nie mehr zurück. Blanscheflur ist vom Schmerz betäubt und kann nicht ohne ihn leben. Sie erleidet tôtlîchen herzesmerzen [V. 1721]. Die Wehen setzen ein und sie bringt einen gesunden Jungen zur Welt.

Blanscheflurs Tod

Blanscheflur stirbt bei der Geburt von Tristan. Die Ursache des Todes jedoch kann nur bedingt auf die Tatsache der Geburt zurückgeführt werden:

sie seic et nider unde lac
quelende unz an den vierden tac
erbermeclîcher danne ie wîp;
si want sich unde brach ir lîp
sus unde sô, her unde dar
und treip daz an, bîz sî gebar
ein sünelîn mit maneger nôt.
seht, daz genas uns lac si tôt. [V. 1743 ff.]

Bereits vier Tage vor der Niederkunft muss Blanscheflur wegen Riwalins Tod große Qualen erleiden. Auf die Nachricht, dass Riwalin gestorben ist, reagiert sie ohne Tränen. dâ was ir herze ersteinert./da enwas niht lebenes inne [V. 1730 f.]. Das Leben ohne ihren Geliebten scheint für sie keinen Sinn zu machen und ihr selbst das Leben und den Lebensmut zu rauben. In ihr selbst ist zu diesem Zeitpunkt vor der Geburt bereits kein Leben mehr. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass der Grund für Blanscheflurs Tod in Riwalins Tod liegt.[2] Diese Todesursache verdeutlicht noch einmal die Stärke und Kraft der Gefühle zwischen Tristans Eltern. Die Liebe ist eng mit Leid verbunden und weist damit Parallelen zur Liebe zwischen Tristan und Isolde auf.[3] Die Geburt selbst als mögliche Todesursache kann jedoch nicht ausgeschlossen werden. Sie taucht bereits vor Blascheflurs Leiden im Sterbebett auf. So kommentiert der Erzähler schon nach der Zeugung von Tristan, dass Isolde den Tod mitnimmt [vgl. V. 1331 ff.] und durch die Geburt sterben wird. Auch Blanscheflur selbst fürchtet die Geburt und glaubt, sie ohne Gottes Hilfe nicht überstehen zu können. Dies wird deutlich, als sie Riwalin ihre Schwangerschaft gesteht:

daz eine ist, daz ich trage ein kint,
des entrûwe ich niemer genesen,
got enwelle mîn gehelfe wesen. [V. 1467 ff.]

So lässt sich der Tod auf das Zusammentreffen zweier Ursachen zurück führen: Zum einen auf die physische Belastung der Geburt, zum anderen auf die psychische Belastung durch Riwalins Tod.[4]

Bedeutung für den Roman

Blanscheflur stellt als Mutter Tristans eine besonders wichtige Person dar, da es ohne sie, und die Geburt ihres Sohnes Tristan, nie zur Verbindung zwischen Tristan und Isolde gekommen wäre. Die bereits beschriebene, innige Beziehung zwischen Blanscheflur und Riwalin ist sinnbildlich für die perfekte Beziehung wie sie oft in mittelalterlichen Romanen dargestellt wird. Wie auch die Eltern, die von unbesiegbarer Kraft und unübertrefflicher Schönheit gesegnet sind wird sich Tristan als ein Vertreter der Superlative herausstellen. Das Fehlen seiner leiblichen Eltern, und das Aufwachsen bei den Pflegeeltern haben ebenfalls großen Einfluss auf die Entwicklung Tristans.

Anmerkungen

  1. Vgl. Krohn 1980.
  2. Vgl. Hollandt 1966, S. 18.
  3. Vgl. Tomasek 2007, S. 96.
  4. Vgl. Jupé 1976, S. 37.

Literatur

Textausgabe

Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3.Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).

Forschungstexte

Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan. Wesenszüge, Handlungsfunktion, Motiv der List. Berlin 1966.

Jupé, Wolfgang: Die "List" im Tristanroman Gottfrieds von Straßburg. Heidelberg 1976.

Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.