Die Todesmetaphorik (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem schon im Prolog angekündigtem Motiv des Todes im Tristan. Behandelt werden soll in erster Linie das Motiv von Liebe und Tod , das ein grundlegendes Motiv der edelen herzen(V.230) ist. Wichtige Aspekte hierfür ist die permanente Todesgefahr, sowie der Liebestod von Isolde und Tristan.


Der Tod im Prolog

Da es sich beim Tristanroman von Gottfried von Straßburg um ein Fragment handelt, wird der konkrete Tod Tristan und Isoldes nicht thematisiert. Auf ihren bevorstehenden Tod jedoch wird bereits im gesamten Roman angespielt. Die Forschungsdiskussion ist noch immer in der Kontroverse über den Ausgang des nie vollendeten Tristan Gottfrieds, jedoch ist der Tod der beiden Liebenden naheliegend. Siehe dazu auch die anderen Tristanfassungen. Der Prolog ist hierfür eine wichtige Schlüsselstelle und hat sehr deutliche Todesanspielungen:

und sol ir tot der werlde noch
ze guote lange und iemer leben,
den triuwe gernden triuwe geben
den ere gernden ere:
ir tot muoz iemer mere
uns lebenden leben und niuwe wesen
wan swa man noch hoeret lesen
ir triuwe, ir triuwen reinekeit
ir herzeliep, ir herzeleit. (225ff)

Der Tod der beiden Liebenden soll in den Herzen der Leser gegenwärtig bleiben, damit ist dem eweclichem sterben (12502) eine allgegenwärtige Permanenz zugeschrieben und lässt die Liebenden auch auf eine gewisse Weise unsterblich sein.[1] Auch die christliche Metaphorik schwingt bereits im Prolog mit. So wird mit dem Brot-Gedanken auf die Eucharistie angespielt. [2]

Deist aller edelen hezrn brot
die mite so leet ir beider tot
wie lesen ir leben, wir lesen ir tot
und ist uns daz süeze alse brot (233ff)

Leben und Tod wird als Brot dargestellt und es zeigt sich auch hier schon, wie eng beides miteinander verwoben ist.

Liebe und Tod am Beispiel des Minnetranks

Wohingegen in der Fassung von Eilhart und von Wagner der Tod im Minnetrank wesentlich deutlicher erwähnt wird, gibt es in der Minnetrankszene in Gottfrieds Tristan nur leichte Anspielungen auf den Tod. Doch auch hier gibt es eine deutliche Erwähnung des drohenden Todes:

nein ezn was niht mit wine,
doch ez ime gelich waere.
ez was diu wernde swaere,
diu endelose herzenot,
von der sie beide lagen tot(11675ff)

Nach der Einnahme des Trankes steht in erster Linie die neu entstandene Liebe im Fordergrund, die sich durch Vertrautheit zeigt (12031) und als süß beschrieben wird (12043). Deutlich soll auch hier werden, dass es Gottfried um die Darstellung von Liebe und Tod geht und er das Eine nicht von dem Anderen ausschließen möchte.

Die Risikobereitschaft

Der Tod wird deutlich durch die Risikobereitschaft (auf verderben und genesen Z. 60) , welche ein wichtiges Element der edelen herzen ist. Die Liebe ist letztendlich der Sinn des Todesgeschehens. Trotz des warnenden Hinweises von Brangäne:

der tranc ist iuwer beider tot (12588)

lässt sich Tristan auf die Todesgefahr ein und verkündet dies:

nu waltes got!
ez wäere tot oder leben:
ez hat mir sanfte vergeben.
ine weiz , wie jeder werden so:
dirre tot der tuot mir wol.
sote die wunnecliche Isot
iemer alsus sin min tot,
wollte ich gerne werben
umb ein eweclichez sterben. (12494 ff.)

In dieser Aussage werden Lebenswillen und Todesthematik angesprochen. Diese Konstellation ist bereits mit der Elterngeschichte vorgegeben. Auch hier durchzieht das Motiv der Risikobereitschaft die Liebe von Riwalin und Blanscheflur, denn auch Riwalin sucht den Kampf und ist todesmutig. Der Mann muss im Dienste der Liebe sogar den Tod wagen. So ist der Gedanke des Würdigkeitsbeweises der Liebe und der Lohngedanke eng miteinander verbunden. Auch die Frau muss ihre Liebe beweisen. Ein Beispiel hierfür ist die Werbung des Truchseß' um Isolde (9284 ff). Sie lehnt ihn standhaft ab und gibt sich keiner entwürdigenden Liebe hin. Dies wird näher im Artikel Liebestrennung erläutert. So ist die Todesbereitschaft die Vorraussetzung, um ernsthaft zu minnen. [3]

Der Gegner der edelen Herzen

Die Höfische Lebenswelt ist der Gegner der edelen herzen und beinhaltet damit eine ständige Todesbedrohung. Die edelen herzen müssen ihren Lebensraum bewahren und sind im Konflikt mit der höfischen Welt. Gerade bei Tristan ist die höfische Welt der klare Gegner. So kämpft er beispielsweise nur gegen Personen die Teil der höfischen Welt sind. Während ihm das zur Gefahr wird, ist bei seinem Vater Riwalin die Gefährdung darin zu sehen, dass er zu tief in die höfische Welt verstrickt war. Diese Feindschaft Tristans gegenüber der höfischen Welt ist auch daran zu erkennen, dass er letztendlich aus dieser fliehen muss, ansonsten würde ihm der Tod drohen(siehe dazu mehr im Fazit).

Auch die illegitime Liebe von Tristan und Isolde und die damit verbundenen Nachstellungen von eifersüchtigen Dritten (Marke ) zeigen die allgegenwärtige Todesdrohung und die Feindschaft gegenüber Dritten. Doch diese Feindschaft ist auch eine Prüfung ihrer wahren Liebe. Die Liebenden bejahen den Tod und das damit verbundene Leiden.

Der Schmerz und das Leiden sind Bedingungen für die wahre Liebe, damit sind nach Gottfried alle Liebenden: marteraere (17085). Das äußerste Leid ist der Tod, hier sieht man klare Parallelen und Bezüge zur christlichen Mystik. [4]

Tod durch unerfüllte Liebe

Ein zentrales Motiv des Minnesangs ist der Gedanke, dass unerwiderte Liebe für den verzweifelten Liebenden tödlich sein kann. Auch dieser Gedanke findet sich mit der Gestalt des Markes im Tristan wieder. Die einseitige Liebe Markes zerstört sein Leben und raubt ihm den Lebensmut.

sin lebender tot (18230)
schmerzlichez herzeleit (18218)

[5]

Verbundenheit bis in den Tod

Tod durch Untreue betrifft letztendlich den Tod für beide Personen. Tod für den, der untreu wird und für den, der verlassen wird. Dieses Motiv wird sehr stark deutlich in Isoldes Abschiedsmonolog. Isolde fordert Tristan auf, ihr die Treue zu halten:

ohne seine Liebe nicht leben kann. (18500)

Der Tod ist damit die Metapher für das innere Leid, bedeutet aber auch letztendlich das wirkliche Sterben. Sie bittet Tristan um die Bewahrung seines Lebens und verdeutlicht, dass sein Tod auch ihren Tod bedeuten würde: doch will ich einer bete gern... (18334) Wie eng das Leben der Liebenden miteinander verbunden ist, sieht man auch am Beispiel von Blanscheflur und Riwalin. Nach Riwalins Verwundung stirbt sie innerlich: Ihre Tränen versiegen und ihr Herz versteinert. (1726ff) Damit ist unerfüllte Liebe tödlich und man kann an dieser Sehnsucht sterben. Was sich besonders in diesem Zitat Tristans zeigt:

wir zwei wir sind in kurzer vrist unsinnic worden
beide mit wunderklichem leide:
wir sterben von minnen [...]
unser tot und unser leben
diu sint in iuewer hant gegeben (12108)

Hier wird die Verbundenheit der Liebenden bis in den Tod deutlich, der Tod des Einen bedeutet den Tod des Anderen. Somit haben die Liebenden die Macht über den Tod des Anderen. [6]

wir zewi wir tragen under uns zwein tot
unde leben ein ander an,
wan unser enwederez enkan ze rehte sterben noch geleben
ezn müeze ime daz ander gebn (18510).

Selbst der eigene Tod erscheint sinnlos, wenn er nicht mit dem des Liebenden verbunden ist.

sin mohte leben noch sterben ane in. (18475)

Fazit und Schlussfolgerung

Der Tod ist im Tristan in erster Linie eine Metapher für das innere Sterben, bedeutet aber auch wirklichen, physischen Tod. Der Tod ist eine ständige Bedrohung für die edelen herzen, wichtig aber ist auch, dass die gemeine liebe nur durch die Anwesenheit des Todes wirklich besteht. Nur wer den Tod wagt, liebt wirklich. Die höfische Welt ist eine ständige Todesbedrohung für Tristan. Er flieht am Ende aus der höfischen Welt, da seine Liebe aufgedeckt wurde und ihm der Tod droht. Jedoch bedeutet seine Flucht letztendlich seinen wirklichen Tod, denn er verlässt mit seiner Flucht vor dem Tod Isolde, die eng mit seinem Leben und seinem Tod verwoben ist. Die Liebeseinheit der Beiden bedeutet zugleich eine Todeseinheit. Die wirkliche Tödlichkeit seines Abschieds wird Tristan erst bewusst, als er Isolde bereits verlassen hat:

diz liep daz mir sus wirret,
daz mir benimmet lip unde sin,
da von ich sus beswaeret bin (1942ff)

Im Gegensatz dazu hat Isolde den drohenden Tod bereits in ihrem Monolg erkannt, sie begreift, dass er sein Leben verliert, wenn er sie verlässt:

weiz ich doch vol wol
daz ir von iuwerm lebene ziehet,
swenne ir isolde vliehet (18495ff.)[7]

Literaturnachweis

  1. Vgl.Tomasek,Tomas:Gottfried von Straßburg.Reclam:Stuttgart,2007. S.221.Zitiert als Tomasek.
  2. Vgl.Haug, Walter: Die höfische Liebe im Horizont der erotischen Diskurse des Mittelalters und der frühen Neuzeit.De Gruyter: Freiburg,2000.S. 60.
  3. Vgl. Rolf,Hans:Der Tod in mittelhochdeutschen Dichtungen.Wilhelm Fink Verlag: München,1974. S. 292-293.Zitiert als Rolf.
  4. Vgl Rolf S. 294-300.
  5. Vgl. Rolf S. 302.
  6. Vgl. Rolf 308-312
  7. Vgl. Rolf 319-320.

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