Verwandtschaftsbeziehungen (Wolfram von Eschenbach, Parzival): Unterschied zwischen den Versionen
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Noltze, Holger: Gahmurets Orientfahrt: Kommentar zum ersten buch von Wolfram 'Parzival' (4,27-58,26), Würzburg 1995. [*Noltze 1995] | Noltze, Holger: Gahmurets Orientfahrt: Kommentar zum ersten buch von Wolfram 'Parzival' (4,27-58,26), Würzburg 1995. [*Noltze 1995] | ||
Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral: die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994. [*Pratelidis 1994] | Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral: die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994. [*Pratelidis 1994] |
Version vom 19. Juli 2012, 00:45 Uhr
Wolfram von Eschenbach verwendet im Parzival dutzende verschiedene. Diese Figuren sind zum Großteil mit einer über mehrere Generationen zurückreichenden Ahnenlinie ausgestattet. Die wichtige Bedeutung der Verwandtschaftsbeziehungen im Werk Wolframs wird durch die starke Präsenz von Genealogie deutlich. Jede für die Handlung relevante Figur erhält einen Namen und die meisten sind in Beziehungen zu anderen festgelegt. Dies ist ein Merkmal in welchem sich Wolfram stark von seinen Vorgängern wie Chrétin de Troyes oder Hartmann von Aue unterscheidet.
Verwandtschaft im Früh und Hochmittelalter
Verwandtschaft ist ein bedeutender Begriff in der Geschichte des Mittelalters,
Die Bedeutung von Verwandtschaftsbeziehungen
Inhaltlich sind verwandtschaftliche Beziehungen wichtig um Reaktionen von Figuren aufeinander zu begründen.
Verwandtschaftliche Pflichten im Parzival
Freundschaft und Feindschaft
Waffenhilfe
Verwandtenkämpfe
Manche Figuren sind miteinander verwandt und erkennen sich in Freundschaft, andere erkennen sich nicht und begehen hierdurch schwerwiegende Fehler, wie mit ihren Verwandten zu kämpfen oder sie gar zu töten. Auch Freundschaften und Feindschaften zu anderen, nicht verwandten, Figuren sind teilweise auf den Familienhintergrund zu beziehen. Hilfsaktionen für Verwandte im Kampf sind in der mediavistischen Literatur und im Parzival üblich, schon das erste Buch des Romans behandelt einen Solchen fall, Die Bindung durch das Blut sorgt für einen theoretischen Frieden zwischen den Betroffenen, es ist nicht akzeptiert sich mit seinem eigenen Blut zu bekämpfen,[Althoff 1990: S. 78] dazu begründet es Solidarität und Hilfe, selbst unter größten Gefahren, die ein Verwandter für seinesgleichen auf sich nimmt. Diese Regeln werden allerdings nicht durchgehend befolgt und Duelle zwischen Blutsverwandten sind im Parzivalroman ein mehrfach auftretendes Phänomen.
Auch literarisch ist diese starke Präsenz von Verwandtschaftsbeziehungen zu bemerken. Sie dienen nicht nur zur genauere Erklärung des Inhaltes, sondern auch um die weniger wichtigen Charaktere in ein dichtes Netz aus Beziehungen einzuspannen und so ihre Glaubwürdigkeit zu gewährleisten. Die extrem häufige Verwendung von Verwandtschaftsbeziehungen durch Wolfram von Eschenbach ist dabei sehr auffällig und macht den Text zusätzlich komplex und schwerer durchschaubar. Im Vergleich zu seinen bekannten Vorgängern mit vergleichbarem Stoff Chrétin de Troyes sowie Hartmann von Aue verwendet er sein komplexes Geflecht deutlich detaillierter und ausgiebiger. Er stellt dabei auch wesentliche Verbindungen neu her, welche in den Vorgängertexten noch nicht vorhanden sind und maßgeblich für die Handlung sein können. Zum Beispiel verwendet Chrétin de Troyes Ither den Roten Ritter als nicht groß beschriebenen Ursupator und Gegner des König Artus, während jener bei Wolfram ein Verwandter des König Artus ist, seine Ansprüche deshalb diskutabel und sein Tod schwer wiegend ist. Auch die Verwandtschaft zu Parzival ist bei Chrétin noch nicht gegeben, Wolfram bringt den versehendlichen Verwandtenmord hier das erste Mal ein.[Pratelidis 1994: S. 134-139] Eine Trennung zwischen inhaltlichen und literarischen Mitteln verfließt hier allerdings in gegenseitiger Wechselwirkung.
Verwandtschaftsbeziehungen im Detail
Im Parzival gibt es zwei große Ahnherren - Titurel und Mazadan. Daraus entspringen die drei wichtigsten Linien für den Text. Auf Titurel geht die Linie der Gralshüter zurück, Mazadans Söhne Lazaliez und Brickus gründen die Linien der Könige von Anschouwe und der Britonen. Durch das große Geflecht an Verwandtschaften vereinen sich diese Linien im Text in Parzival, wodurch er als Zentrum des Textes mit allen drei wichtigen Blutslinien verwandt ist und von den beiden großen Ahnherren abstammt.
Titurel
Alle Gralskönige müssen vom Blute Titurels sein (455,12-22). Dieser hat eine Tochter namens Rischoyde, welche mit Kaylet verheiratet war, sowie einen Sohn namens Frimutel. Jener Frimutel wiederum hat zwei Söhne, den Grakskönig Anfortas und den Einsiedler Trevrizent, sowie drei Töchter. Die erste Tochter heißt Schoysiane, welche mit Kyot verheiratet ist und Sigune als Tochter hat. Repanse de Schoye ist Frimutels zweite Tocher, sie ist die Gralsträgerin und spätere Gemahlin des Feirefiz und Mutter des Johan. Die dritte Tochter ist Herzeloyde, die 2. Ehefrau Gahmurets und Mutter Parzivals. Durch diese Verbindung stammt Parzival mütterlicherseits aus der Linie Titurels und hat somit das nötige Blut in sich, um Gralskönig werden zu können, wenn die agnatische Erbfolge durchbrochen ist.
Mazadan
Mazadan ist der legendäre Stammvater der Könige von Anschouwe und der Britonen, er hat mit der Fee Terdalaschoye die zwei Söhne Lazaliez und Brickus gezeugt (56,18-19).[Pratelidis 1994: S. 162]
Lazaliez
Lazaliez war der Sohn Mazadans. Sein Sohn hieß Addanz und dessen Sohn war König Gandin gewesen. Der Tod Gandins wird zu Beginn des 1. Buches erklärt und sorgt für den Erbfall in Anschouwe (5,1-5). Gandin hatte zusammen mit Schoete die Kinder Galoes, Gahmuret, Lammire und Flurdamurs. Galoes stirbt kinderlos im Kampf, Lammire heirate Ither den roten Ritter. Gahmuret zeugt mit der Mohrenkönigin Belacane den elsterngleichen Feirefiz, welcher später Repanse de Schoye heiratet und mit ihr Johan zeugt. Mit seiner zweiten Frau Herzeloyde zeugt Gahmuret Parzival, die Titelfigur des Textes. Aus dessen Verbindung mit Conduviramurs entstehen Loherangrin und Kardeiz, welche die Linie noch weiter führen auch wenn ihre Kinder unbenannt bleiben. Flurdamurs, die zweite Tochter des Gandin, heiratet Kingrisin, welcher der Cousin von Kingrimursel ist. Mit Kingrisin zeugt Flurdamurs Antikonie und Vergulaht.
Brickus
Brickus war der Sohn Mazadans. Dieser hatte einen Sohn und eine Tochter gehabt. Diese war die Mutter von Ither dem Roten Ritter, welcher vom unwissenden Parzival erschlagen wurde. Ither war also sowohl der Mann von Parzivals Tante Lammire als auch über Mazadan direkt mit ihm blutsverwandt. Der Sohn des Brickus war Utepandragun, jener zeugte mit Arnive Artus, sowie Sangive und die Mutter von Gaherjet. Artus hat mit seiner Frau Ginover den Sohn Ilinot gehabt welcher jedoch im Kampft gefallen war (586,10). Sangive war zweimal verheiratet, mit ihrem zweiten Ehemann Florant hatte sie keine Kinder, mit ihrem ersten Ehemann Lot hingegen zeugt sie Itonje, die Frau von Gramoflanz, den Sohn Beacurs sowie Gawan den Mann von Orgeluse und Hauptfigur in einigen Büchern des Parzivals. Desweiteren zeugt sie Cundrie, die Ehefrau von Loschoys und Surdamurs, die Frau von Alexander.
Linien ohne Ahnherren
Die Linien des Titurel, des Lazaliez und des Brickus können auf je einen Namen zurückverfolgt werden, die weiteren im Parzival vorkommenden Familien jedoch nicht. Diese werden also im Folgenden bei ihren bekanntesten Vertretern benannt. Ihre Bedeutung liegt zumeist darin, dass sie in die Hauptlinien einheiraten und dadurch damit vernetzt sind.
Gurnemanz
Ohne Ahnherren ist die Linie des lehrenden Gurnemanz. Er hat die Tochter Liaze sowie drei Söhne. Der erste war Lascoit, der zweite Schenteflurs und der dritte Gurzgri, welcher Mahaute ehelichte und mit ihr Gandiluz und Schinotalander, den Geliebten der Sigune, zeugte, diese Söhne starben jedoch alle im Kampf.
Condwimarus
Gurnemanz Schwester heiratet Tampunteire, den Bruder von Manpfilyot und des Kyot. Kyot ist der Ehemann von Schoysiane und der Vater der Sigune. Tampunteire zeugt mit Gurnemanz' unbenannter Schwester Kardeiz und Condwimarus - die spätere Ehefrau des Parzival.
Belacane
Belacane ist die Mutter des Feirefiz und Großmutter des Johan. Sie hatte eine unbenannte Mutter, deren ebenso unbenannte Schwester eine Tochter namens Ekuba hat, welche am Hofe König Artus weilt und von Feirefiz Reich erzählt. Diese ist somit Belacanes Cousine.
Schoette
Von unbenannten Stammeltern stammten Ehkunat sowie Schoette, die Frau des Gandin. Deren Schwester Mahaute, die Frau des Gurzgri, hat mit diesem Gandiluz und Schionatulander, den Geliebten der Sigune, gezeugt. Eine dritte, unbenannte, Schwester heiratet Hoskurast, den Bruder des Schiltunc.
Isenhart
Die Tochter Schiltuncs ist mit Vridebrant verheiratet, welcher der Neffe der ungenannten Frau des Tankanis ist. Tankanis war Isenharts Vater. Durch diese Verflechtung ist das Eingreifen der Männer um Vridebrant gegen Belancane zu erklären, da sie ihre Cousin rächen wollen.
Kaylet
Kaylet ist mit Rischoyde, der Tochter Titurels verheiratet. Er hat desweiteren eine Schwester, welche die Mutter von Killirjacac ist.
Gaschier
Gaschier der Normanne ist der Onkel von Killirjacac.
Ahnentafel
Diese übersichtlichere Darstellung enthält die 3 Hauptlinien in Wolframs Parzivals. Eine geht auf Titurel zurück, zwei auf Mazadan. Beide Söhne des Letztgenannten sind wiederum selbst Stammväter einer eigenen Linie.
Datei:Stammbaum Parzival.JPG
Literaturangaben
<HarvardReferences /> Althoff, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue: zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im früheren Mittelalter, Darmstadt 1990. [*Althoff 1990]
Delabar, Walter: Erkantiu sippe unt hoch geselleschaft. Studien zur Funktion des Verwandtschaftsverbandes in Wolframs von Eschenbach Parzival, Göppingen 1990. [*Delabar 1990]
Noltze, Holger: Gahmurets Orientfahrt: Kommentar zum ersten buch von Wolfram 'Parzival' (4,27-58,26), Würzburg 1995. [*Noltze 1995]
Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral: die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994. [*Pratelidis 1994]
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.