Minnebegegnungen - Parzival und die Frauen: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Besonderheit der ''minne'' zwischen ''Parzival'' und ''Condwiramurs'' besteht darin, dass sie in den Nächten vor und nach der Eheschließung enthaltsam bleiben. Erst in der dritten Nacht nach der Eheschließung wird die ''minne'' erfüllt<ref>Näheres zur Vermählung von Parzival und Condwiramurs finden Sie unter: [[Die Vermählung Parzivals mit Condwiramurs - Trinoctium Castitatis]]</ref>. Dies geschieht aber nur bedingt aufgrund sinnlicher Lust. Primär denkt ''Parzival'' an die Verwirklichung der Lehren seiner Mutter und ''Gurnemanz'' (vgl. 203,2). Die Enthaltsamkeit darf dabei allerdings nicht als fehlende Liebe interpretiert werden.
Die Besonderheit der ''minne'' zwischen ''Parzival'' und ''Condwiramurs'' besteht darin, dass sie in den Nächten vor und nach der Eheschließung enthaltsam bleiben. Erst in der dritten Nacht nach der Eheschließung wird die ''minne'' erfüllt<ref>Näheres zur Vermählung von Parzival und Condwiramurs finden Sie unter: [[Die Vermählung Parzivals mit Condwiramurs - Trinoctium Castitatis]]</ref>. Dies geschieht aber nur bedingt aufgrund sinnlicher Lust. Primär denkt ''Parzival'' an die Verwirklichung der Lehren seiner Mutter und ''Gurnemanz'' (vgl. 203,2). Die Enthaltsamkeit darf dabei allerdings nicht als ein Zeichen fehlender Liebe interpretiert werden. Wie stark die Liebe zwischen ''Parzival'' und ''Condwiramurs'' ist, zeigt die Abschiedsszene. Als ''Parzival'' durch ''âventiure zil'' (223,23) und seiner Mutter wegen (223,19) aufbricht, stellt seine Frau weder überhöhte Forderungen an seine ritterliche Bewährung, noch hindert sie ihn an der Erfüllung seiner Ritterschaft:
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|IV. Buch  (223,27) ||
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| er was ir liep, so'z maere giht: || Sie hatte ihn lieb, so sagt uns die Geschichte,
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| sine wolde im versagen niht. ||  und wollte ihm keinen Wunsch abschlagen.
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== Fazit ==
== Fazit ==

Version vom 11. Juli 2015, 12:54 Uhr

Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Minnebegegnungen Parzivals. Dabei wird anhand ausgewählter Textstellen[1] untersucht, unter welchen Umständen Parzival auf die verschiedenen Frauen trifft und wie sich sein jeweiliges Entwicklungsstadium auf den Umgang mit diesen auswirkt.

Die verfehlte Begegnung: Jeschute

Jeschute ist die erste Frau, die Parzival außerhalb Soltanes sieht. Sie liegt alleine und schlafend in ihrem Zelt. Jeschute wird als wunderschön beschrieben. Sie ist die Verkörperung des mittelalterlichen Schönheitsideals und "truoc der minne wâfen" (130,4): Ihr Mund ist leuchtend rot, die Zähne strahlend weiß und gerade, die Gliedmaßen lang und die Haut weiß wie Schnee (vgl. 130,4 ff.). Der Erzähler ist so begeistert von ihrem Äußeren, dass seine Beschreibung sie als ein "Kunstwerk göttlicher Schöpfung" [Russ 2000: 68] preist "si was geschicket unt gesniten, / an ir was künste niht vermiten: / got selbe worthe ir süezen lîp." (130,21 ff.). Sie ist ohne Zweifel eine Frau, die eine erotische Ausstrahlung hat und das Verlangen der Männer weckt. Parzival beeindrucken jedoch weder ihre weiblichen Reize noch ihre Schönheit. Er verspürt kein Minneverlangen, sinnliche Reize haben auf ihn noch keine Wirkung. Einzig der Ring am vingerlîn Jeschutes zieht ihn in seinen Bann (vgl. 130,26 ff.). Zu diesem Zeitpunkt ist der junge Held erst kürzlich von Soltane aufgebrochen und befindet sich noch im Entwicklungsstadium der pueritia[2], in welchem er noch nicht empfänglich für Minne ist. Parzival dringt lediglich in das Zelt ein, um die Lehre Herzeloydes zu befolgen: "dô dâhte er an die muoter sîn: / diu riet an wîbes vingerlîn" (130,29 f.). Während er buchstäblich die Lehre der Mutter befolgt, deren Symbolcharakter der junge tôr nicht erkennt, raubt er Jeschute emotionslos Kuß, Umarmung und Ring (vgl. 131,13 ff.). Denn statt sich den Kuss, die Umarmung und den Ring einer Frau durch seinen Minnedienst zu verdienen, welcher sich vor allem durch einen liebe- und respektvollen Umgang auszeichnet, verhält er sich gegenüber der Herzogin genau gegenteilig. Durch sein rücksichtsloses sowie brutales Verhalten entehrt er Jeschute und bringt Leid über sie. Parzival ist zu diesem Zeitpunkt schlichtweg zu jung, zu unerfahren und zu tump, um mit einer Frau wie Jeschute umgehen zu können. Die Begegnung zeigt, wie weit er noch von der Verwirklichung der wahren Minnelehre entfernt ist [Boesch 1977: 35]. Während die Begegnung für Parzival vorerst ohne Konsequenzen bleibt,[3] wird Jeschute von ihrem Mann Orilus bitter bestraft. Erst im fünften Buch der Geschichte begegnet er den Eheleuten ein zweites Mal und macht sein Vergehen wieder wett.[4]

Die verfrühte Begegnung: Liaze

Während die Begegnung mit Jeschute ein reines Zufallsprodukt war, ist die Begegnung mit Liaze durch ihren Vater Gurnemanz arragniert. Nachdem Parzival sich während seiner Ausbildung bei ihm[5] durch seine ritterlichen Fähigkeiten als potentieller Herrscher qualifiziert hat, möchte Gurnemanz ihn an sich und seine Familie binden. Diesen Wunsch offenbart er ihm allerdings erst kurz vor seiner Abreise:

III. Buch (178,8)
ôwê daz ich niht sterben kan, Ach, das ich nicht sterben kann,
sît Lîâz diu schoene magt da Lîâze, das schöne Mädchen
und ouch mîn lant iu niht behagt und mein Land dazu Euch nicht gefällt.

Doch auch im Vorfeld gibt es von Gurnemanz immer wieder implizite sowie explizite Äußerungen, die sein Interesse an dieser Verbindung offenbaren. Zum Einen hegt er die Hoffnung, dass Parzival und Liaze heinlîche werden (176,23), zum Anderen fordert er seine Tochter bei einem gemeinsamen Abendessen ausdrücklich dazu auf, sich von Parzival küssen zu lassen (vgl. 175,26). Obwohl ihm also augenscheinlich viel an der Verbindung liegt, fordert er Parzival zu zurückhaltend-höfischem Verhalten auf, wodurch klar wird, dass die Bindung an Liaze eine andere Qualität haben soll als die an Jeschute:

III. Buch (175,29)
ouch solt an iuch gedinget sîn Von Euch aber muss ich verlangen,
daz ir der meide ir vingerlîn dass Ihr dem Mädchen sein Fingerringlein
liezet, op siz möhte hân. lassen möchtet, ich meine: wenn sie eins hätte.

Durch Gurnemanz inhärente Kritik an Parzivals Verhalten bei Jeschute wird deutlich, dass diese Begegnung verfehlt war und sich so nicht noch einmal wiederholen soll. Parzival, der nun wesentlich reifer ist und zudem die Erziehung Gurnemanz genossen hat, schämt sich nun für sein Fehlverhalten "der gast begunde sich des schemen" (176,8). Während Jeschute als eine sehr sinnliche und attraktive Frau beschrieben wurde, steht Parzival mit Liaze eine Frau gegenüber, die sich vor allem durch ihre Reinheit auszeichnet. Zwar ist sie auch hübsch und hat blanke hende (176,18) sowie einen minneclîch lîp (176,11), doch ist sie primär an kiusche und an zühten rîch (176,12 ff.). Trotzdem hat Liaze einen viel stärkeren Einfluss auf Parzival. Das Verhältnis zwischen Parzival und Liaze bleibt zwar während seines Aufenthaltes eher distanziert [Delabar 1990: 231], gleichwohl verliebt sich Parzival in sie (vgl. 179, 16 ff.). Nach einem für beide Seiten schmerzlichen Abschied, macht sich der junge Ritter innerlich aufgewühlt wieder auf den Weg, um ritterliche Abenteuer zu erleben. Die minne zu Liaze geht ihm dabei immer wieder durch den Kopf (vgl. 179,25 f.). Parzival weiß jetzt allerdings, dass er sich die minne einer Frau erst durch ritterlichen Dienst erwerben muss. Insofern ist die Liebe zu Liaze verfrüht, da er sie sich nicht durch Dienste in der Ritterschaft verdient hat. Die Begegnung mit Liaze verdeutlicht vor allem, dass Parzival nun die Schönheit von Frauen wahrnimmt und fähig ist, Liebe sowie Sehnsucht zu empfinden. Des Weiteren wird Parzivals edle Art hervorgehoben, denn er "erliegt nicht der Gefahr des verligen, indem er sich ins „gemachte Nest" setzt, sondern ist erfüllt vom Streben nach Ritterschaft." [Russ 2000: 71].

Die vollkommene Begegnung: Condwiramurs

Als Parzival auf Condwiramurs trifft befindet er sich zunächst in einem Zustand emotionaler Verwirrung und denkt an Liaze zurück:

IV. Buch (188,2)
Lîâze ist dort, Lîâze ist hie. Lîâze ist weit fort, Lîâze ist hier.
mir wil got sorge mâzen: Gott will meine Schmerzen nach ihr lindern,
nu sihe ich Lîâzen, ich sehe jetzt Lîâze vor mir,
des werden Gurnemanzes kint. das Kind des edlen Gurnemanz.

Dadurch, dass der Anblick Condwiramurs in Parzival die minne nach Liaze auslöst, wird gleich zu Beginn indirekt Bezug auf die bevorstehende Condwiramurs-Minne genommen. Die verfrühte Begegnung mit Liaze präfiguriert also die vollkommene Begegnung mit Condwiramurs [Cosman 1965: 232]. Auch der Erzählerkommentar verdeutlicht Liazes Vorbotenrolle:

IV. Buch (188,6)
Lîâzen schoene was ein wint Die Schönheit der Lîâze war nur ein Wind vor
gein der meide diu hie saz, dem Mädchen, das hier saß.
an der got wunsches niht vergaz An ihr - sie war des Landes Herrin - hatte Gott mit nichts gespart.

Condwiramurs wird im Weiteren als vollkommen in allen Bereichen beschrieben. Ihre äußere Schönheit übertrifft die aller anderen Frauen (vgl. 187,12-19), schon ihr Name "Condwîr âmûrs" (187,21) bedeutet schoener lîp (187,23), was nach mittelalterlicher Auffassung auch innere Schönheit impliziert, da der Name Ausdruck des Wesens einer Person ist [Russ 2000: 72]. Dieser Zusammenhang zwischen äußere und innerer Schönheit hat das antike Ideal der "Kalokagathia" zum Vorbild, nach welcher ein schönes Erscheinungsbild kausal mit einem guten Charakter verknüpft ist.[6] Somit kann eine Parallele zwischen Parzival und Condwiramurs gezogen werden: Parzivals äußere Schönheit ist gleichzeitg Zeichen seiner edlen Art und seines Heldenmutes und Condwiramurs makelloses Äußeres spiegelt ihre innere Reinheit wieder. Auch Parzival ist von der Schönheit Condwiramurs überwältigt (vgl. 188,14) und bemüht sich die Lehren des Gurnemanz verwirklichend, so höflich wie möglich zu sein, weshalb er nicht das Wort ergreift und zunächst schweigt:

IV. Buch (188,15)
sîn manlîch zuht was im sô ganz, Er hatte sich die Regeln seiner Erziehung zum Ritter völlig zu eigen gemacht
sît in der werde Gurnamanz von dem Tag an, da der edle Gurnemanz ihm seine
von sîner tumpheit geschiet kindliche Dummheit nahm und ihm
unde im vrâgen widerriet besonders das Fragen - zur Unzeit und am falschen Ort, so war's gemeint - verbot.

Parzivals Fehlinterpretation des Schweigegebots führt dazu, dass sich Condwiramurs zunächst unwohl fühlt, da sie glaubt, dass ihr Gast aufgrund ihres durch die Belagerung gezeichneten Körpers[7] nicht mit ihr spricht. Nach einer Weile erkennt sie allerdings, dass Parzivals Schweigen andere Gründe hat (vgl. 188,25) und ergreift selbst die Initiative. Die ersten Gespräche der beiden haben nicht gerade romantische Themen zum Sujet. Sie stehen ganz im Zeichen der Not durch die Belagerung (vgl. 190,7 ff.). Doch gerade diese Not ist es auch, die Condwiramurs des Nachts in Parzivals Schlafgemach führt. Es ist also nicht die minne, sondern ein Hilfegesuch, welches den beiden ihre erste gemeinsame Nacht bescherrt (vgl. 192,13). Condwiramurs vertraut Parzival, der sich als würdig erweist und ihr Hilfe anbietet "mit mîner hant ir sît gewert / als ez mîn lîp volbringen mac." (195,30). Die Bedeutung dieser Nacht liegt allerdings nicht in Parzivals Kampfansage, sondern in der Inimität, welche die beiden wie selbstverständlich teilen. Obwohl Parzival Condwiramurs anbietet anstelle seiner in dem Bett zu schlafen, legt sich diese Parzivals Nähe suchend einfach dazu (vgl. 193,23 ff.). Trotzdem bleiben beide keusch und es gibt keine Minneerfüllung (vgl. 193,12 ff.). Als Parzival am nächsten Tag Kingrun im Kampf besiegt, ergreift wieder Condwiramurs die Initiative und erklärt ihm öffentlich ihre Liebe:

IV. Buch (199,25)
si dructe in vaste an ir lîp, Sie drückte ihn fest an ihren Leib,
si sprach >ichn wirde niemer wîp sie sprach: >Ich will auf Erden keinen anderen zum
ûf erde deheines man, Mann nehmen,
wan den ich umbevangen hân. als den ich hier in meinen Armen halte.<

Die Besonderheit der minne zwischen Parzival und Condwiramurs besteht darin, dass sie in den Nächten vor und nach der Eheschließung enthaltsam bleiben. Erst in der dritten Nacht nach der Eheschließung wird die minne erfüllt[8]. Dies geschieht aber nur bedingt aufgrund sinnlicher Lust. Primär denkt Parzival an die Verwirklichung der Lehren seiner Mutter und Gurnemanz (vgl. 203,2). Die Enthaltsamkeit darf dabei allerdings nicht als ein Zeichen fehlender Liebe interpretiert werden. Wie stark die Liebe zwischen Parzival und Condwiramurs ist, zeigt die Abschiedsszene. Als Parzival durch âventiure zil (223,23) und seiner Mutter wegen (223,19) aufbricht, stellt seine Frau weder überhöhte Forderungen an seine ritterliche Bewährung, noch hindert sie ihn an der Erfüllung seiner Ritterschaft:

IV. Buch (223,27)
er was ir liep, so'z maere giht: Sie hatte ihn lieb, so sagt uns die Geschichte,
sine wolde im versagen niht. und wollte ihm keinen Wunsch abschlagen.

Fazit

Textausgabe

Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

[*Russ 2000] Russ, Anja: Kindheit und Adoleszenz in den deutschen Parzival- und Lancelot-Romanen: hohes und spätes Mittelalter. Stuttgart / Leipzig 2000.

[*Boesch 1977] Boesch, Bruno: Lehrhafte Literatur: Lehre in der Dichtung und Lehrdichtung im deutschen Mittelalter. Berlin 1977.

[*Delabar 1990] Delabar, Walter: Erkantiu sippe unt hoch gesellschaft. Studien zu Funktion des Verwandtschaftsbandes in Wolframs von Eschenbach Parzival. Göppingen 1990.

[*Cosman 1965] Cosman, Madeleine Pelner: The Education of the Hero in Arthurian Romance. Chapel Hill 1965.

Fußnoten

  1. Alle Versangaben beziehen sich auf die genannte Textausgabe.
  2. Näheres zur Entwicklung Parzivals unter: Adoleszenz in der Ritterwelt
  3. Genau genommen zieht er sogar einen Nutzen aus dem Vorfall, da er den geraubten Ring später als Entgelt für eine Übernachtung bei einem gierigen Fischer nutzt.
  4. Siehe hierzu: Parzival, Jeschute und Orilus
  5. Eine ausführliche Analyse der Ausbildung Parzivals finden Sie unter: Die theoretische und praktische Ausbildung Parzivals durch Gurnemanz
  6. Näheres zum Thema Schönheit und Hässlichkeit im Mittelalter und speziell im Parzival finden Sie unter: Schönheit und Hässlichkeit (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
  7. Als Parzival nach Pelrapeire kommt, befindet sich die Bevölkerung dort in einer Notlage. Durch eine langwierige Belagerung herrscht Nahrungsmittelknappheit, wodurch auch der schöne Körper Condwirmaurs gezeichnet ist.
  8. Näheres zur Vermählung von Parzival und Condwiramurs finden Sie unter: Die Vermählung Parzivals mit Condwiramurs - Trinoctium Castitatis