Parzivals Glaubensverlauf
Dieser Artikel thematisiert Parzivals Glaubensverlauf im Geschehen des gesamten Epos. Als Ausgangspunkt dient die Gotteslehre von Parzivals Mutter, Herzeloyde in Soltane. [1] Weitere Schwerpunkte des Artikels sind der Auslöser für die Lossagung von Gott, der Wendepunkt durch das Gespräch mit Trevrizent, die Rückkehr zum christlichen Glauben und immer wieder die Analyse, inwiefern sich das göttliche Wirken und das höfische Erzählen von Gott im Parival auswirken. Im Folgende sollen die Gliederungspunkte und die Frage, inwiefern sich Herzeloydes Gotteslehre auf den Glaubensverlauf des Protagonisten auswirkt skizziert, interpretiert und kritisch hinterfragt werden. [2] [3]
Gotteslehre in Soltane
In Soltane entsteht zwischen Parzival und seiner Mutter ein Gespräch über Gott. [4] [5]
119, 17-24 [6] | |
Ôwê muoter, waz ist got? | Ach Mutter, was ist das: Gott? |
sun, ich sage dirz âne spot. | Mein Sohn, es ist kein Spaß, was ich dir jetzt sage: |
er ist noch liehter denne der tac, | Er ist noch heller als die Sonne, |
der antlitzes sich bewac | der sich entschloss, Gestalt anzunehmen |
nâch menschen antlitze. | nach des Menschen Bild. |
sun, merke eine witze, | Mein Sohn, merke dir die Lehre: |
und flêhe in umbe dîne not: | Zu ihm sollst du flehen; |
sîn triuwe der werlde ie helfe bôt. | Seine Treue hat noch nie den Menschen Hilfe verweigert. |
Herzeloyde beschreibt Gott auf die Frage ihres Sohnes hin, was dieser sei, als etwas Strahlendes in menschlicher Gestalt, der niemals die Menschen, die ihm treu folgen, im Stich lässt. Sie fährt fort und erzählt von einem Mann, der schwarz ist. Hierbei geht es um den Teufel, der zur Hölle gehört. Die Mutter warnt ihren Sohn vor dieser Gestalt und rät Parzival sich niemals zu ihm hinziehen zu lassen. Herzeloydes Gotteslehre ist eine typische Lehre für das Mittelalter, denn damals war die Lehre von Gut und Böse bzw. von Gott und dem Teufel weit verbreitet. Die metaphorische Beschreibung Herzeloydes in eine Hell-dunkel-Charakterisierung unterlegt das mittelalterliche Glaubensbild [Haas 1964: vgl. 62] Sie vermittelt Parzival mit dieser einfachen Erklärung ein sehr kindliches und naives Bild von Gott, weshalb der junge Parzival den Eindruck erhält, dass Gott ihm in jeder Lebenslage hilfsbereit und treu zur Seite stehen wird. Peter Czerwinski beschreibt in seinem Buch die kontrastierende Darstellung Herzeloydes zwischen der untriuwe (Untreue) des Teufels und der triuwe (Treue) Gottes als eine charakteristische Darstellung für das Mittelalter und schreibt auch, dass die im weiteren Handlungsverlauf zu Missverständnissen führt. [Czerwinski 1989: vgl. 162] Dies zeigt sich bereits wenig später, wenn Herzeloydes Sohn im Wald ist. Dort verknüpft er das aufkommende Hufgetrampel mit dem womöglich anreitenden Teufel. Als er jedoch drei Ritter erkennt, ist Parzival der Überzeugung, jeder von ihnen ist Gott. Aufgrund jener Annahme und der Tatsache, dass der Ritter Karnahkarnanz einen wunderschönen Waffenschmuck trägt, wirft sich der Junge vor den Männern auf den Boden. In dieser Situation trifft Herzeloydes Gotteslehre, dass der Schöpfer vom hellen Licht dargestellt wird, für Parzival zu. Natürlich ist seine kindliche und naive Schlussfolgerung, dass der Herrgott vor ihm stehe, falsch. Jedoch kann man Parzival keinen Vorwurf machen. Viel mehr liegt das Problem bei der missverständlichen Gotteslehre von Herzeloydes und dem isolierten Leben in Soltane.[7]
Es ist auffällig, dass bei Textstellen in Eschenbachs Epos, die einen Gottesbezug thematisieren, sich die Erzählinstanz zurückzieht. Mit dieser Thematik beschäftigt sich Susanne Knaeble. Sie schreibt, dass sich in diesen Situationen die Erzählinstanz keineswegs als Herr über die Geschichte oder Figurenwelt ausgibt. Vielmehr tritt die Erzählinstanz personalisiert auf, wie in diesem Beispiel durch Herzeloyde. [Knaeble 2011: vgl. 298]
Auslöser-Gralsburg
Gründe für die Abwendung von Gott
Auf der Suche nach dem Gral trifft Parzival auf der Burg Munsalvaesche ein. Zu diesem Zeitpunkt ahnt er nicht, dass er in jenem Augenblick dem Gral so nahe ist, wie nie zuvor. Leider versäumt Parzival jedoch, aufgrund seiner Unwissenheit, Anfortas die erlösende Mitleidsfrage zu stellen, die ihn zum Gral führen würde. Sigune, Parzivals Cousine klärt ihn später über sein Versäumnis auf. Der junge Mann ist verärgert und sieht die Schuld bei Gurnemanz [8], welcher ihn nicht ausreichend gelehrt hat. Einige Zeit und viele Kämpfe später wird Parzival in die Artusgesellschaft aufgenommen. In einem Gespräch mit der Gralsbotin Cundrie erfährt Parzival seine Herkunft und dass er nun verflucht sei, weil er in der entscheidenden Situation auf Munsalvaesche versagt habe. Der Protagonist ist nach diesem Misslingen mit sich selbst und der Welt höchst unzufrieden.
332,1-7 | |
Der Wâleis sprach ´wê waz ist got? | Da sprach der Wâleise: „ Weh, was ist Gott? |
wær der gewaldec, sölhen spot | Wäre er doch nur ein großer Herr! |
het er uns pêden niht gegebn, | Er hätte uns beide nicht so zum Gespött gemacht, |
kunde got mir kreften lebn. | wenn er mit Macht zu herrschen wüsste. |
ich was im diens undertân, | Ich habe ihm immer treu gedient, |
sît ich genâden mich versan. | seit ich weiß, was das ist: die Huld des Herrn. |
nu wil i´m dienst widersagn: | Jetzt sage ich mich los von ihm. |
Die Verdrossenheit Parzivals kommt in dieser Textstelle deutlich zum Ausdruck. Er realisiert aufgrund der Darlegungen von Cundrie und Sigune nun selbst, wie nahe er dem Gral war. Parzival fühlt sich, bezogen auf die Situation auf der Gralsburg von Gott alleine gelassen und sagt, dass er sich dadurch zum Gespött gemacht habe. Ihm ist Gottes Verhalten unerklärlich, weil er sich nie etwas ihm gegenüber zu Schulden habe kommen lassen. Die Summierung der geschilderten Gründe führt zu der Lossagung vom Schöpfer. Der Auslöser der Lossagung ist somit das Nicht-einschreiten Gottes in der beschriebenen Situation. Die Vorkommnisse auf der Gralsburg markieren erneut Parzivals tumpheit und sein einfaches Weltbild. Die obige Textstelle ist auch ein Rückbezug zu Parzivals Kindheit in Soltane und zur Gotteslehre seiner Mutter. Denn auf der Seite 332,1 fragt Parzival erneut: „ Weh, was ist Gott?“. Diese Frage stellte er auch als Kind seiner Mutter. Jene Fragestellung, die sich ausschließlich durch zwei unterschiedliche vorangestellte Ausrufe unterscheidet, verdeutlicht, dass Parzival aufgrund der Gotteslehre seiner Mutter noch immer nicht weiß, wer dieser Gott ist. Der Auszug 332,1-7 stellt den Protagonisten wie damals als ein Kind in Soltane unwissend, weltfremd und verloren dar. Seine Abwendung zeigt auch, dass er bis dato nicht versteht, was die Funktion Gottes ist. Allerdings kann man Parzival hierbei nur zum Teil Vorwürfe machen, da seine tumpheit zu großen Teilen seiner Mutter zu zuschreiben ist.
Einen interessanten Ansatz zur Gottesentfremdung führt auch Friedrich Ranke in seinem Werk auf.
Er schreibt, dass Wolfram von Eschenbach sich im Parzival überwiegend mit dem Verhältnis des höfischen Ritters zu Gott beschäftigt. Das Versagen auf der Gralsburg veranschaulicht, welche fatalen Folgen die formale Erziehungskultur und „Höflichkeit“ für das Miteinanderleben haben kann. Denn in dieser Situation wird Parzival durch jenen Erziehungsstil aufgehalten. Dadurch wird laut Ranke: „ Seine Stimme im Herzen, dass Unmittelbare und Echte im Menschen zum Schweigen gebracht." Das Befolgen dieser starren, erlernten Regeln führe ihn zum Schluss zum Sturz, zur Verzweiflung und zur Gottesentfremdung. [Ranke 1953: vgl. 29]
Die geschilderte Abwendung von Gott ist laut Susanne Knaeble ein typisches Beispiel, inwiefern sich religiöse Denkmuster im höfischen Erzählen festigen. Die inszenierte Beziehungslosigkeit der Helden von der höfischen Gesellschaft und ihre Reintegration seien dabei bezeichnend für die Schöpfung eines Helden. Parzival durchläuft durch seine Lossagung von Gott und zum Teil auch mit einhergehend von der Gesellschaft dieses theoretische beschriebene Erzählmuster. Dadurch thematisiert der Epos mit diesem Auszug, ein religiöses Verfahren, welches sich als ein Muster im Bezug auf die Kulturspezifika des mittelalterlichen Textes gibt. [Knaeble 2011: vgl. 300] Aufgrund der geschilderten Situation wird den höfischen Rittern, in diesem Fall Parzival, eine paradoxe Identität zugewiesen. Zum einen wird ihm die providentielle Ordnung Gottes und zum anderen Kohärenz in den epischen Abläufen zugeteilt. Dadurch ist Parzival der Weg zum Heilbringer in seiner Bezugsgesellschaft und die Gewährung göttlicher Gnade als gegeben. [Knaeble 2011: vgl. 301]
Zeit der Gottlosigkeit [9]
Seit der Abwendung von Gott ist Parzival alleine unterwegs und weiterhin auf der Suche nach dem Gral. Er möchte sich den Gral erkämpfen und ohne Gottes Gnade sein Ziel erreichen. Antriebskraft sind sein Ehrgeiz und das Mitleid für Anfortas. Es ist auffällig, dass der Protagonist nach der Abwendung von Gott im Werk in den Hintergrund tritt. Der Grund könnte ein mittelalterliches Bußemotiv sein. Denn damals musste sich der Sündige so lange von seinem Herrn fernhalten, bis jener ihm verzeiht. Ob das von Eschenbach gezielt so geschrieben wurde oder ein Zufall ist bleibt offen. [Bumke 1991: vgl. 147 f.] Tatsache ist jedoch, dass Parzival in der Zeit vor und nach der Lossagung von Gott gesündigt hat. Die erste Sünde ist der Tod seiner Mutter, die Zweite das Schweigen auf der Gralsburg, die Dritte die Tötung Ithers in seiner gottlosen Zeit und die Vierte die Abwendung von Gott. Ein Ansatz ist, dass die erste Sünde Parzival die Worte auf der Gralsburg abgeschnitten hat und dadurch kommt es zur Aufsummierung der Sünden. Angeblich hat Parzival fünf Jahre lang keine Kirche besucht und Gott in dieser Zeit auch vergessen. [Bumke 1991: vgl. 129] Nach einer längeren, intensiven Reise trifft Parzival erneut im Lager seiner Cousine Sigune ein und bekommt von ihr abermals den Weg zur Gralsburg erklärt. Schon nach kurzer Zeit verliert Parzival die Spur und ist sehr unglücklich darüber. Kurz darauf trifft er jedoch einen grauen Ritter und dessen Familie. Auch bei diesem beklagt er sich über Gott. Der graue Ritter rät ihm mitzukommen, denn er sei auf dem Weg zu einem Einsiedler, um Buße zu tun. Da Parzival an einem Karfreitag mit Waffen unterwegs ist, empfiehlt der graue Ritter ihm mitzukommen. [Czerwinski 1989: vgl. 165] Trotz Parzivals Lossagung von Gott und der darauf resultierenden Bedeutungslosigkeit des Karfreitags, begleitet er den Ritter und seine Familie. Die Worte des Fremden bringen Parzival zum Nachdenken. Zum ersten Mal nach seiner Abwendung vom Herrn, denkt er wieder über den Glauben nach. (451,9 f.) Er sagt, dass heute vielleicht der Tag gekommen sei, an dem die Hilfe Gottes eintrete. Diese Aussage zeigt, dass Parzival nachdenklich wird, ob er mit seiner kompletten Lossagung und dem Alleingang richtig liegt. Eine innere Stimme sagt ihm, dass er Gott vielleicht noch mal eine Chance geben sollte, denn mit seiner Distanzierung in den vergangenen Jahren war er bis dato nicht erfolgreicher.
Wendepunkt durch Trevrizent
Parzival kommt aufgrund des grauen Ritters am Karfreitag zu Trevrizent , seinem Oheim. Der Empfang ist freundlich und Parzival berichtet von seinem Sündenbekenntnis.
456, 29-30 | |
„ Her, nu gebt mir rât: | Mein Herr, jetzt helft mir, |
ich bin ein man der sünde hât.“ | ich bin ein Mann, der Sünden hat.“ |
Es ist das erste Mal, das Parzival selbst von einer Sünde spricht. Seine Aussage bzw. Einsicht ist von großer Bedeutung, denn es ist ein Anzeichen, dass er bemerkt, mit seiner Lossagung von Gott nicht mehr auf dem richtigen Weg zu sein. Dieser Punkt ist als Wende seiner Haltung gegenüber Gott zu werten. Parzival erzählt von seinem schweren Hass gegenüber Gott und sagt, dass er einen Krieg gegen ihn führe. (461, 9). In intensiven Gesprächen ergründet Trevrizent die Ursachen von Parzivals Distanzierung gegenüber dem Herrn und führt ihn auf den Weg der Buße und Reue. Er belehrt ihn über die Erbsünde, Gottes Barmherzigkeit, Treue und beschreibt Gott als Inbegriff der Liebe. Außerdem klärt Trevrizent Parzival über die Geheimnisse des Grals und die Geschichte seiner Hüter auf. Im gleichen Zug rät er Parzival nicht nach dem Gral zu suchen. Man könne ihn nicht suchen, sondern kann nur zu ihm berufen werden. Von Trevrizent erfährt Parzival auch, dass der leidende Anfortas sein leiblicher Mutterbruder ist. Zusätzlich öffnet der Oheim ihm die Augen für die Sünden, die er mit dem Tod der Mutter und Ithers auf sich genommen hat. Bei Parzivals Eintreffen bei Trevrizent führt ersterer Waffen mit sich. Daraufhin spricht der Oheim von Hochmut und trifft den zentralen Punkt. Trevrizent fordert Parzival zur Demut auf, aufgrund seines Hochmuts des Gotteshasses.
Vierzehn Tage lang teilt Parzival das asketische Leben Trevrizents. Durch das Empfangen des heiligen Abendmals am Ostersonntag wird Parzival frei von Sünden. Danach geht er von ihm als ein innerer Gewandelter. [Bumke 1991: vgl. 91f.] Dass sich ein Wendepunkt in Parzivals Glaubensverlauf vollziehtt, unterstreicht zusätzlich die Textstelle, in der er sagt, dass er seit seinem Aufbruch bei Trevrizent, fest auf Gott vertraut (741, 25).
Nun stellt sich die Frage, inwieweit gewisse Handlungsschemata auf das höfische Erzählen von Gott zurückzuführen sind. Hierzu schreibt Knaeble von den Koinzidenzien, die im Höfischen und Religiösen Augenblicke im Textverlauf sind, in denen ein Paradoxon als Thema erörtert wird. Dadurch wird die Frage aufgeworfen, wie der Text mit dem Dilemma „Erzählinstanz oder Gott“ umgeht und wie die Beobachterposition besetzt wird. Knaeble beschreibt die Bewegungsposition folgendermaßen: „Dabei handelt es sich zum einen um die Nutzung der Möglichkeit zur Auslagerung an das religiöse System, bei welcher über religiöse Semantisierung ein Verweis auf Gott als dem besonderen, selbst paradoxen Beobachter geleistet wird, der in seiner Funktion als Kontingenzformel den Umgang mit der Paradoxie erlaubt.“ [Knaeble 2011: 298] Im Textabschnitt, indem Parzival bei Trevrizent ist und es viele religiöse Gespräche gibt, ist folgende Bewegungsrichtung des Erzählens auffällig: Die Erzählinstanz zieht sich zurück und überträgt diese Aufgabe auf die Figurenwelt. [Knaeble 2011:vgl. 298] Religiöse Äußerungen über den Schöpfer werden erkennbar und symptomatisch auf die Figurenebene verlagert. Ein sehr gutes Beispiel im Epos für dieses Erzählverhalten sind Trevrizents theologischen Äußerungen, Belehrungen und Deutungen. Im besagten Abschnitt werden die Figur des Trevrizent und seine religiösen Botschaften bewusst von der Erzählinstanz inszeniert und in den Vordergrund gestellt. [Knaeble 2011:vgl. 299]
Rückkehr zum christlichen Glauben
Bevor Parzival den Weg zurück zum Schöpfer findet, reist er lange Zeit auf ruhelosen Irrfahrten einsam durch die Länder. Ranke ist der Meinung, dass erst der ritterliche Einsiedler Trevrizent mit seiner gründlichen Lehrrede über das Wesen Gottes und den Sündenfall der Menschheit erheblich zu Parzivals Rückkehr zum christlichen Glauben beiträgt. [Ranke 1953: vgl. 29] Dieser erklärt ihm die Dimension der Verstricktheit des Individuums in Sünde und Schuld. Zusätzlich spricht er über die Größe der Liebestat des leidenden Heilands, der seinen Ritterhochmut zurechtweist und sein Mitleiden und zugleich den angespannten Willen des Gralssuchers aufsucht. „ Erst dadurch wird Parzival innerlich reif, durch die von Gottes Rat zugedachte Krönung seines Strebens. Nach langem Kämpfen erreicht Parzival endlich das Gralskönigtum.“ [Ranke 1953: 30] Die Rückkehr zum Glauben wird für Parzival mit der Berufung zum Gral gekrönt. Als Cundrie ein zweites Mal erscheint, verkündet sie ihm die freudige Botschaft: „ Wohl dir, Sohn des Gahmuret, Gott will dir jetzt gnädig werden.“ (781, 1-3) Dadurch wird Parzival von der Gier, die ihn auf der Suche nach dem Gral beherrschte, befreit und bekommt gleichzeitig seinen hart erkämpften Seelenfrieden. Parzival ist von dieser Nachricht sehr gerührt und sagt auch, dass sich Gott nun sehr wohl durch diese Berufung ihm offenbart hat. Bis zum Ende des Epos bleibt Parzival dem christlichen Glauben und Gott treu.
Anmerkungen
- ↑ Folgender Artikel dient zum besseren Verständnis von Parzivals Glaubensverlauf: Mutter-Sohn-Beziehung (Herzeloyde-Parzival)
- ↑ Um einen groben Gesamtüberblick zu erhalten, eignet sich folgender Artikel: Inhaltsangabe "Parzival" (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
- ↑ Ein weiterer Artikel über die Thematik der Religion in diesem Epos: Religion im Parzival
- ↑ Vgl.: Parzivals Erziehung durch Herzeloyde und ihre Folgen (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
- ↑ Vgl.Erziehung fernab jeder Zivilisation
- ↑ Im Folgenden stets zitierte Ausgabe: Parzival (vgl. Primärliteratur).
- ↑ Vgl. Mutter-Sohn-Beziehung (Herzeloyde-Parzival)
- ↑ Zusätzliche Informationen über Gurnemanz Die theoretische und praktische Ausbildung Parzivals durch Gurnemanz
- ↑ Vgl. Parzivals Gotteszweifel
Fazit
Nach einer ausführlichen Auseinandersetzung mit Parzivals Glaubensverlauf in den unterschiedlichen Phasen des Epos, solle nun ein abschließendes Resümee gezogen werden. Parzival wird in Soltane von Herzeloyde über Gott belehrt. Die Beschreibung der Mutter, dass Gott heller ist als die Sonne, vermittelt dem Jungen ein sehr naives und einfaches Bild vom Schöpfer. Mit dieser Erklärung verlässt er kurz darauf seine Mutter. Im weiteren Verlauf der Handlung trifft Parzival auf der Gralsburg ein und ist dem Gral so nahe wie nie zuvor. Allerdings versäumt er es, die Frage zu stellen, die ihn zum Gral gebracht hätte. In dieser Situation ist Parzival zum ersten Mal in einem inneren Konflikt mit Gott. Aufgrund seines Gottesverständnisses ist ihm unerklärlich, weshalb dieser ihn auf der Gralsburg im Stich gelassen hat und so gleichzeitig zum Gespött gemacht hat. Diese Situation ist der Auslöser für Parzivals Abwendung von Gott. Eschenbach schreibt im Epos, dass Parzival ungefähr fünf Jahre abgewendt von Gott lebt. In diesen Jahren betritt er kein einziges Mal eine Kirche, ist aber weiterhin auf der verbitterten Suche nach dem Gral. Durch Parzivals Treffen des grauen Ritters am Karfreitag begleitet er jenen zum Einsiedler Trevrizent. Der Einsiedler führt Parzival durch zahlreiche Gespräche wieder auf den Weg der Buße und Reue. Die Begegnung des grauen Ritters und die anschließenden Gespräche mit Trevrizent stellen den Wendepunkt in Parzivals Glaubensverlauf dar. Das Epos endet mit Parzivals Ernennung zum Gralskönig. Zu Beginn des Artikels wurde außerdem die Frage gestellt, inwieweit sich das göttliche Wirken und das höfische Erzählen von Gott im Parival auswirken. Es sollte kritisch hinterfragt werden, inwiefern der Inhalt des Epos gezielt an die Kriterien des höfischen Erzählens entspricht. Der Unterpunkt „ Abwendung von Gott“ thematisiert das religiöse Denkmuster im höfischen Erzähler. Demnach ist laut Knaeble Eschenbachs Erzählmuster bzw. Parzivals Glaubensverlauf ein typisches Beispiel für mittelalterliche Werke. Die Abwendung von Gott bzw. die Isolation Parzivals von der Gesellschaft und die spätere Reintegration durch die Ernennung zum Gralskönig sind gefestigte Bestandteile des höfischen Erzählens. Durch diesen Handlungsablauf wird die Schöpfung des Helden erst bezeichnend. Insgesamt kann im Werk Parzival von einer multiperspektivischen und polysemantisierenden Erzählkonzeption gesprochen werden, die das Verfolgen von Kunst und Religion mit ihrer transzendenten und immanenten Ausrichtung zulässt.[Knaeble 2011: vgl. 300] Die Aussagen Trevrizents und Parzivals Erleben erhalten keinen auffälligen Wertungshorizont. Abschließend sollte festgehalten werden, dass durch das höfische Erzählen von Gott und dessen Wirken schon zu Beginn des Epos ein Erzählmuster des Protagonisten Parzivals im Handlungsverlauf vorgegeben wird. Durch dieses Muster lässt sich auch Herzeloydes Gotteslehre ein Stück weit erklären, denn ihre triviale Gotteslehre ist später mitunter ein Auslöser für Parzivals Abwendung von Gott und den daraus resultierenden Verlauf des Epos. [1]
Literaturverzeichnis
Primärliteratur
▲ Alle Versangaben beziehen sich auf die Ausgabe: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
Sekundärliteratur
<HarvardReferences />
[*Bumke 1991]
Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler 1991.
[*Czerwinski 1989] Czerwinski, Peter: Der Glanz der Abstraktion. Frühe Formen von Reflexivität im Mittelalter, Frankfurt/ New York: Campus 1989.
[*Haas 1964] Haas, Alois, M.: Parzivals Tumpheit bei Wolfram von Eschenbach, Berlin 1964 (Philologische Studien und Quellen 21).
[*Knaeble 2011] Knaeble, Susanne: Höfisches Erzählen von Gott. Funktion und narrative Entfaltung des Religiösen in Wolframs Parzival, Berlin/ New York: Walter de Gruyter 2011.
[*Ranke 1953] Ranke, Friedrich: Gott Welt und Humanität. In der deutschen Dichtung des Mittelalters, Basel: Benno Schwabe und Co. 1953.