Die Kunst am Hof (Gottfried von Straßburg, Tristan)
Einführung
Die Kunst als typisches Moment für die höfischen Romane des Mittelalters spielt auch im Tristanroman eine tragende Rolle, da mit ihr die weitreichenden, tugendhaften und ehrenhaften Eigenschaften des Protagonisten untermauert und bildhaft ausgeschmückt werden.
Die Kunst im Tristan
Die Kunst als Moment im Tristan ist wesentlich, auch wenn das zu Beginn nicht einleuchtend klingt. Die Kunst eröffnet Tristan den Weg an den Hof Markes, so wie sie ihm ebenfalls dabei hilft, Gandin zu überlisten. Ein weiterer Punkt ist das Band, welches zwischen Isolde und Tristan geknüpft wird, da Tristan ihr als Musiklehrer dient, und die beiden im weiteren Verlauf gemeinsam musizieren.
Neben der Fähigkeit ein guter Musiker zu sein, ist Tristan ebenso talentiert was Sprachen betrifft. Gottfried von Straßburg bezeichnet ihn als der Wortgewandte. Die Sprache selbst hat im Tristanroman eine doppelte Funktion für den Protagonisten. Zum einen ist ihm die Sprachgewandtheit ein Mittel, um sich gegebenenfalls aus der Schlinge zu befreien, zum anderen stellt Gottfried ihn auch als einen Mann des Wortes dar. So dient ihm seine Sprachkunst bei seinen Problemen, wie beispielsweise seinen Listen und den damit einhergehenden Verhüllungen. Die Sprache lässt ihn in den verschiedenen Szenen glänzen. So beeindruckt er die norwegischen Kaufleute mit seiner Sprachgewandtheit. In einer weiteren Szene glänzt Tristan mit der Verwendung von Fremdwörtern bei der Jagd, und am Hofe gilt Tristan als Wortkünstler.[1]
Vers: 2282-2290.[2] [Kaufmannepisode]
- si nam des wunder, daz ein kint
- sô manege sprâche kunde;
- die vluzzen ime ze munde,
- daz sî'z ê nie vernâmen,
- an swelhe stat sî ie kâmen.
- der höfsche hovebaere
- lie sîniu hovemaere
- und vremediu zabelwortelîn
- under wîlen vliegen în.
Vers: 3018-3028.[3] [Jagdepisode]
- „seht“ sprach der wortwîse
- „diz heizent sî curîe
- dâ heime in Parmenîe
- und wil iu sagen umbe waz.
- ez heizet curîe umbe daz,
- durch daz ez ûf der curie lît,
- swaz man den hunden danne gît.
- als hât diu jegerîe
- den selben namen curîe
- von cuire vunden unde genomen.
- von cuire sô ist curîe komen.
[...]“
Vers: 3273-3280.[4] [Marke lernt Tristan kennen]
- Der künec der nam des kindes war.
- den jeger den besande er dar:
- „sag an“, sprach er „wer ist diz kint,
- des wort sô wol besniten sind?“
- „â hêrre, ez ist ein Parmenois
- sô wunderlîchen cûrtois
- und alsô rehte tugentsam,
- daz ich'z an kinde nie vernam,
[...]“
Gottfried von Straßburg widmet der Thematik um die Kunst und das Künstlertum Tristans ein eigenes Kapitel. An sich zieht sich das Künstlertum durch den gesamten Roman, sodass er in der Forschung zum Teil als ein Künstlerroman angesehen wird. Schon zu Beginn des Werks geht Gottfried von Straßburg auf die Bedeutung und Funktion der Talente von Tristan ein.
So wird im Kapitel Tristans Ausbildung[5] bereits Bezug darauf genommen, inwieweit die Fäden der Ausbildung Tristans gespannt werden. Als Tristan sieben Jahre alt ist, und bereits die Sprache und das gängige Benehmen verinnerlicht hatte, sollte er ins Ausland gehen, um Fremdsprachen zu erlernen.
Vers: 2093-2099.[6]
- Under disen zwein lernungen
- der bouche unde der zungen
- so vertete er sîner stunde vil
- an iegelîchem seitspil.
- dâ kêrte er spâte unde vruo
- sîn emezekeit sô sêre zuo,
- biz er es wunder kunde.
Die Jagd
Eingeleitet wird die Thematik um das Künstlerdasein Tristans bereits durch ein vorheriges Kapitel, nämlicher das der Jagd. Diese Fertigkeiten machen Tristan zu einem weit begabteren und edleren Mann, der sich unter anderem durch diese Eigenschaften von den anderen männlichen Charakteren abgrenzt.
Diese Fertigkeiten weiß Gottfried von Straßburg hervorzuheben, egal ob er Tristan selbst die Fähigkeit zuspricht, oder aber nur die Entscheidungsfähigkeit Tristans zurückhaltend und wohl erzogen erscheinen lässt. Ein Beispiel, welches an dieser Stelle zu nennen ist, ist die geplante Jagd von Marke mit Tristan als seinem Jägermeister an der Seite. Doch Tristan lehnt die Jagd ab, da er die Begebenheiten des Waldes nicht kennt. Das Entbästen jedoch fällt Tristan leicht, sodass er bei den Jägern, wie auch später am Hofe weiteres Ansehen gewinnt.
Vers: 3459-3464; 3473-3479.[7]
- Nu sî den hirz gevalten,
- ir meister sî dar stalten,
- Tristanden, den heinlîchen gast,
- und bâten, daz er sî den bast
- von ende z´ende lieze sehen.
- Tristan der sprach: "diz sol geschehen!"
- den bast und die furkîe,
- die kunst von der curîe,
- dô si die begunden sehen,
- si begunden eines mundes jehen,
- daz nieman von dem liste
- niht bezzers enwiste
- noch niemer kunde ervinden.
Auf den folgenden Seiten werden weitere Eigenschaften und Tugenden durch Gottfried von Straßburg hervorgehoben. So beschreibt er ihn als einen wohl erzogenen, hilfsbereiten, wie auch begabten jungen Mann, der seine Fähigkeiten nur zu gerne mit anderen teilt und dadurch ein beliebtes Mitglied des Hofes ist.
Vers: 3490-3500.[8]
- ouch was er alsô diensthaft
- dem armen unde dem rîchen.
- möhte er ir iegelîchen
- ûf sîner hant getragen hân,
- daz haete er gerne getân.
- die saelde haete im got gegeben:
- er kunde und wolte in allen leben.
- lachen, tanzen, singen,
- rîten, loufen, springen,
- zuhten unde schallen,
- daz kunde er mit in allen.
Der junge Künstler
Auf den folgenden Seiten des Kapitels "Der junge Künstler" werden Tristan, neben den Eigenschaften, an denen sich ein Zweiter nur erfreuen kann, musikalische Begabungen zugesprochen. Tristan setzt sich zu einem Harfenspieler, von dem er begeistert ist und durch die Melodie der Musik so bewegt wird, dass er nicht anders kann, als weiterhin zuzuhören. Er wird dann selbst aufgefordert, etwas zu spielen, da Tristan dem Spieler erzählt, dass er die Melodie kennt. So beginnt Tristan auf einer Harfe zu spielen, was im Folgenden so beschrieben wird:
Vers: 3547-3555; 3566-3572.[9]
- Als er die harpfen dô genam,
- sînen handen sî vil wol gezam.
- die wâren, alse ich hân gelesen,
- daz sî niht schoener kunden wesen:
- weich unde linde, clein, lanc
- und rehte alsam ein harm blanc.
- mit den sìïô ruorte er unde sluoc
- ursuoche und notelîne genouc
- seltsaen, süeze, guote.
- sîne noten und sîne ursuoche,
- sîne seltsaene grüeze
- die harpfete er sô süeze
- und machete sî schoene
- mit schoenem seitgedoene,
- daz iegelîcher dâ zuo lief,
- dirre jenem dar nâher rief.
Die Leute am Hof sind begeistert, auch dieses konnte Tristan also hervorragend, sodass auch Marke davon hört.
Er ist, wie auch die anderen, von dem Talent Tristans überrascht und sehr erfreut. Tristan ist ein beliebtes Gesprächsthema am Hof Markes, alle kommen sofort herbei geeilt, wenn er beginnt, auf der Harfe zu spielen. Unter anderem wird er als "Hochbegabter", tugende rîche bezeichnet.[10] König Marke bittet Tristan so oft wie möglich für ihn zu spielen. Marke fragt Tristan, welche Instrumente er noch spielen kann, und Tristan sagt ihm, dass er in seiner Jugend lernte, mehrere Instrumente zu spielen, doch keines gut beherrsche. Diese Antwort ist auf die Bescheidenheit Tristans zurück zu führen.
Vers: 3576-3583.[11]
- nu Marke der sach allez zuo
- und saz allez trahtende,
- sînen vriunt Tristanden ahtende
- und wunderte in des sêre,
- daz er sô höfsche lêre
- und alsô guote liste,
- die er an im selben wiste,
- alsô verhelen kunde.
Vers: 3634-3639.[12]
- sich huop von sînen dingen
- und von sîner vuoge
- rede unde zal genuoge.
- si jâhen al gelîche,
- sine vernaemen in dem rîche
- an einem man die vuoge nie.
Vers: 3666-3682.[13]
„[...]:hêrre, ich hân gevlizzen
- an iegelîchem seitspil
- und enkan doch keines alsô vil,
- ine kunde es gerne mêre.
- ouch hân ich dise lêre
- niht vil manegen tac getriben
- und zwâre ich bin derbî beliben
- under mâlen kûme siben jâr
- oder lützel mêre, daz ist wâr.
- mich lêrten Parmenîen
- videln und symphonîen.
- harpfen unde rotten
- daz lêrten mich Galotten,
- zwêne meister Gâloise.
- mich lêrten Britûnoise,
- die wâren ûz der stat von Lût,
- rehte lîren und sambjût.“
Die künstlerische Selbstreflexion des Romans
Durch den gesamten Roman zieht sich ein Faden, der sich immer wieder mit der künstlerischen Darstellung im Roman beschäftigt. Die künstlerische Gestaltung der verschiedenen Szenen im Roman sind eng mit dem Ideal der höfischen Gesellschaft des Mittelalters verknüpft, was heißen soll, dass eine nach außen hin prunkvolle Gesellschaft, insbesondere am Hof, in einen gleichwürdigen "Rahmen" gesetzt werden muss. Beispielhaft hierfür ist die künstlerische Gestaltung des Maifestes an Markes Hof. An dieser Stelle beschreibt Gottfried von Straßburg die prunkvolle, nach außen hin repräsentative Gestaltung des Festgeländes, sowie die verschiedensten, zum Teil festlichen, wie auch tugendhaften, oder aber die zum puren Genuss bereitstehenden Aktivitäten, die die Gäste dort geboten bekommen. Die Gegend, in der Markes Hof liegt, wird als ideal geeignet beschrieben:
Vers: 549-556.[14]
- diu cleinen waltvogelîn,
- diu des ôren vröude sulen sîn,
- bluomen, gras, loup unde bluot
- und swaz dem ougen sanfte tuot
- und edeliu herze ervröuwen sol,
- des was diu sumerouwe vol:
- man vant dâ, swaz man wolte,
- daz der meie bringen solte:
[...]
Fazit und Ausblick
Die Kunst als Moment innerhalb des Romans ist ein wichtiges, da es sich durch die gesamte Geschichte zieht und an der ein oder anderen Stelle erwähnt wird. Einerseits zählt die Kunst am Hof als eine Fähigkeit, die eine Person noch vollkommener erscheinen lässt, andererseits aber auch als ein einfaches Mittel zur Unterhaltung. Gottfried von Straßburg nutzt diese Kunst an verschiedenen Stellen im Roman und auch nicht an nur einer Figur, denn neben Tristan ist auch Isolde mit ihrer Stimme künstlerisch begabt und selbst der Ritter Gandin kann musizieren. Die oben genannten Versabschnitte sind nicht alle, in denen Kunst dargestellt wird, daneben gibt es auch innerhalb des Kapitels "Die Minnegrotte" Kunst. Insbesondere in diesem Kapitel wird nicht nur auf die künstlerischen Fähigkeiten der Protagonisten hingewiesen, sondern auch die Gegend, die Höhle selbst und alles was man ihr entnehmen kann, künstlerisch dargestellt. Wird also in der Forschung der Tristanroman als ein "Künstlerroman" bezeichnet, so ist dieses nicht zufällig hergeleitet.
Literatur
- ↑ Vgl. Schoenwald, Ulrich: Hermes' Spuren. Geist und Struktur in Gottfrieds Tristan. Göttingen 2005. S.21-28.
- ↑ Vgl. von Straßburg, Gottfried: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Stuttgart 2007-2008. S.144ff.
- ↑ ebd. S.188.
- ↑ ebd. S.202.
- ↑ ebd. S.132-136.
- ↑ ebd. S.132.
- ↑ ebd. S.216.
- ↑ ebd. S.218.
- ↑ ebd. S.222.
- ↑ ebd. S.224.
- ↑ ebd. S.222.
- ↑ ebd. S.226.
- ↑ ebd. S.228.
- ↑ ebd. S.42.