Tafelrunde und Gralsgesellschaft (Wolfram von Eschenbach, Parzival)
Eines der zentralen Themen im Parzival ist der Unterschied zwischen zwei bedeutenden Gruppierungen: der um König Artus einerseits und der um den heiligen Gral mit Anfortas und später Parzival als Gralskönigen andererseits. Diese zwei Gruppierungen sind verschiedene Königreiche unter den genannten Herrschern in der Welt von Wolframs Parzival, aber auch deutlich unterschiedliche Darstellungen von ritterlichen Gesellschaften in eben jener. In diesem Artikel werden die zwei Gesellschaften einander im Vergleich gegenübergestellt und analysiert. Durch den Vergleich ausgewählter Aspekte sollen Gemeinsamkeiten, Differenzen und Übergänge zwischen ihnen herausgearbeitet, anschaulich dargestellt und interpretiert werden.
Forschungsansätze
Dualistisches Modell
Als Modelle sind vor allem ein dualistisches und ein gradualistisches verbreitet.[Pratelidis 1994: S. 32] Die ältere, dualistische Deutung stellt die zwei Gesellschaften als Gegensätze gegenüber: die Tafelrunde stelle das Bild der höfischen auf Ehre und Minne fokussierten Rittergesellschaft dar, das Artuskönigstum sei weltgewandt und politisch aktiv. Dagegen sei die Gralssphäre auf Religiösität fokussiert, sie stelle eine Art kirchliches Rittertum dar, ihre Kämpfe seien auf die Verteidigung ihres Gebietes beschränkt, Kämpfe für Ehre und Frauen gäbe es nicht, auch an politischem Machtgewinn sei das Gralsreich nicht interessiert. In dieser Deutung handelt es sich um zwei Gegenpole die sich in keiner Weise auf einander zubewegen oder von einander beeinflusst würden. Die Gralsgesellschaft wurde dabei oft durch ihre scheinbare Nähe zu Gott als überlegen und übergeordnet zum weltlich Artushof betrachtet. [Pratelidis 1994: S. 14]
Gradualistisches Modell
Die zweite Deutung ist gradualistisch,[Pratelidis 1994: S. 43] dabei wird zwar auch von zwei weitgehend gegensätzlichen Gesellschaftsmodellen ausgegangen, jedoch bestehe ein Wandel und Wechsel zwischen ihnen. In der Regel gilt hier die Artussphäre als Vorstufe zur Gralssphäre, eine weltliche, ritterliche Gesellschaft, die sich weiterentwickeln könnte in eine spirituelle, christliche Rittergesellschaft. Dabei würden vor allem die egoistischen Motive des Artushofs (Ehrstreben und Minne) zu den altruistischen der Gralsgesellschaft (Selbstaufgabe für die Gemeinschaft, Zurückhaltung und Enthaltsamkeit) weiterentwickelt und dadurch eine größere Nähe zu Gott erworben. Parzivals Übergang vom Ritter der Tafelrunde zum Gralskönig und sein Sieg über Gawan verdeutlichen in dieser Interpretation die Beziehung zwischen den zwei Sphären und auch die Überlegenheit der Gralssphäre gegenüber der Artussphäre.
Neuere Forschungsansätze
Mittlerweile ist die Forschung wieder offener für andere Modelle: gerade ein gleiches Nebeneinander ohne Hierarchie und eine stärkere Vermischung der beiden Sphären stehen stärker im Fokus.[Pratelidis 1994: S. 36] Die religiös beeinflusste Betrachtungsweise schwindet und eröffnet damit einen unbefangeneren Blick auf die Gesellschaftsformen als zwei verschiedene und dennoch miteinander agierende, verschmelzende Konzepte des hochmittelalterlichen Miteinander.
Die unterschiedlichen Sphären
Die zwei unterschiedlichen Sphären sind vor der Detailanalyse noch einmal kurz zusammengefasst und anschaulich dargestellt.
Der Artushof
König Artus ist das namensgebende und zentrale Element des Artushofs, einer weltlich, ritterlichen Gesellschaft im Parzival. Der Hof besteht aus Artus als König samt seiner Frau Ginover und der Tafelrunde: einer Gruppe von Männern und Frauen welche den König beraten, teilweise für ihn kämpfen und mit ihm die Bedeutung des Hofes darstellen. In der Welt des Parzival gilt der Artushof als das Zentrum alles Ritterlichen(123,7-11) und stellt eine große politische Macht dar. Die Tafelrunde ist mehr eine freie Verbindung denn klassisches Vasallentum (sie werden als "messnîe" also "Anhang" beschrieben (216,13)) und der König hat keine absolute Macht über die Mitglieder. Dies entspricht weitgehend der Position eines Königs im hochmittelalterlichen Westeuropa. Der zentrale Aspekt des Hofes ist die Ritterlichkeit, aufbauend auf Ehre, Kampf und Minne. Wolframs Artushof unterscheidet sich massiv von älteren Darstellungen, wie durch Chrétin de Troyes, Artus und seine ganze Gesellschaft werden "entzaubert", er ist kein glorreicher Friedenskönig und keine mysteriöse Figur mehr.[Pratelidis 1994: S. 30] Wolfram stellt den Artushof aber nicht einfach negativ dar, vielmehr zieht er ihn aus dem Reich der Märchen und Sagen in eine realitätsnähere und glaubwürdigere Umgebung. Im Parzival dient der Artushof als Zentrum der Ritterlichkeit sowie als Gemeinsamkeit und Treffpunkt zwischen Parzival und Gawan.
Der Gralshof
Der heilige Gral ist das namensgebende zentrale Element des Gralshofs, einer geistlichen, kämpferischen Gesellschaft im Parzival. Der Hof besteht aus dem Gral und seinen durch Gott erwählten Amtsleuten, dem König und der Gralsträgerin, sowie der Gralsgesellschaft, einem Bund aus erwählten Rittern, welche den Gral beschützen und Damen, welche politisch agieren und für den Gralsaufzug wichtig sind. Große Teile des Parzivals über ist Anfortas der Gralskönig, da er aber gegen das Minneverbot der Gralswelt verstoßen hat, ist er stetigem Leid ausgesetzt und die Gralsgesellschaft erwartet einen neuen König. Dieser wird schlussendlich in Parzival gefunden (827,7f). Die Sippe des Titurels, des ersten Gralskönigs, welcher den Gral durch "neutrale Engel" (471,15-21) erhalten hat, spielt eine zentrale Rolle in der Gralsgesellschaft. Alle Könige sind mit Titurel direkt verwandt. Die Gralsgesellschaft hat andere Wertvorstellungen und Zugänge zu Begriffen wie Ehre oder Minne und ist stark auf ihre Aufgabe fokussiert. Der heilige Gral ist ein wichtiges Element der Welt im Parzival und das Ziel vieler Suchen. Die zentrale Tätigkeit des Romanprotagonisten Parzival ist ebenfalls die Suche nach dem heiligen Gral, welche im letzten Buch mit seiner Ernennung zum Gralskönig ihre Vollendung findet (827,7f).
Zentrale Vergleichsaspekte
Das Verhältnis zwischen den zwei Sphären lässt sich am besten dadurch darstellen, dass einzelne zentrale Aspekte beleuchtet und ausgewertet werden. Dabei wird bei jedem Aspekt zuerst die Position des Artushofs und anschließenden die des Gralshofs aufgeführt, anschließend werden die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgearbeitet.
Die Königreiche
Ländereien
Artus hat die Königreiche Bretane (273,5), Engellant (735,16) und Löver (216,3ff) in Besitz. In diesen Reichen reist er mit seinem Hof von einem Ort zum Nächsten. Diese Länder verfügen über Städte und Burgen, sind belebt und bewohnt und demnach nicht viel weiter beschrieben. Der Gralskönig hingegen ist nur der König von Terre Salvaesche, einem Gebiet, das wie eine Wüste aus Wald beschrieben wird. Um die Gralsburg Munsalvaesche herum seien 30 Meilen weit keine Häuser außer jene der Einsiedler (225,19-22). Dieses Reich wirkt ohne Leibeigene, Landwirtschaft oder ähnliches wenig realitätsnah. Die Realitätsnähe ist der bedeutende Unterschied: König Artus Reich wirkt weitgehend passend und in der Welt verankert, das Gralsreich hingegen ist definitiv kein Beispiel eines hochmittelalterlichen Königreiches sondern wirkt andersartig. Da es allerdings durch andere Ritter bedroht ist, wirkt es nicht entrückt. Weder der Artushof kann mit Terre Salvaesche interagieren noch ist die Gralsgesellschaft an den Ländereien des Artus interessiert, hier besteht also kein Verbindungspunkt.
Herrscher
Artus ist der König des Artushofs, der Hof ist so eng um ihn zentriert, dass er sogar seinen Namen trägt. Artus hat die Reiche von seinem Vater Utependragun geerbt, jedoch hat er seine Zeit so sehr beeinflusst, dass dies in den Hintergrund rückt und seine Rolle als Herrscher einer ganzen Generation der Ritterlichkeit überwiegt.[Pratelidis 1994: S. 80] Er wird sehr ambivalent beschrieben, einerseits verfügt er über große Macht und Durchsetzungskraft (280,1-4/290,22/680,1-8/651,1-3/755,5-8), aber andererseits kann er auch nicht absolut regieren, sondern ist sehr auf seinen Rat und die Zustimmung seiner Mitglieder angewiesen, diesen Rat beruft er stets vor wichtigen Entscheidungen ein (280,1-4/652,1-3/730,11-13). Mehrfach werden seine Entscheidungen auch gebeugt, er kann sie nicht immer durchsetzen oder muss sie sogar zurücknehmen (150,11ff/787,1-788,16).[Pratelidis 1994: S. 86] Im Kampf ist Artus bei seinen Männern und wird als guter Tjoster dargestellt (664,10-665,24). Zusammengefasst ist er also trotz "chaotisch"[Bumke 2004: S. 62] wirkender Passagen des Zögerns, der Passivität und mangelnder Durchsetzungskraft ein funktionierender und für sein Reich ausreichender Herrscher. Der Gralskönig ist durch den Gral direkt als Herrscher der Gralssphäre berufen, er befehligt die Templeisen und genießt viel Respekt (793,21-30/798,9f)[Pratelidis 1994: S. 68f] aber untersteht doch deutlich Gott (und dadurch dem Gral) selbst (455,2-8/493,23f). Befehle, die denen des Grals widersprechen, wie zum Beispiel der Todeswunsch des Anfortas, führen die Templeisen nicht durch (787,1-788,16). Desweiteren übernimmt der Gral klassische Rollen eines Herrschers im Bezug auf die Ernährung seiner Untertanen. Er steht im Zentrum der Aufmerksamkeit und regelt die Nachfolge.[Delabar 1990: S. 187] Demnach ist der Gralskönig also ein integraler Bestandteil der Gralsgesellschaft, aber dem Gral so weit untergeordnet, dass dieser (und damit Gott) der wahre Herrscher der Gralsgesellschaft ist. Der Name deutet ebenso darauf hin, dass alles auf den Gral fixiert ist, nicht den Gralskönig. Demnach ist das wirkliche Vergleichsstück zu Artus eher der heilige Gral selbst und nicht der Gralskönig als dessen Diener.[Delabar 1990: S.190] In diesem Gebiet besteht also keine wirkliche Ähnlichkeit, das Gottesgnadentum des Gralskönigs ist einerseits deutlicher zu sehen, andererseits ist die Herrschaft des Artus doch nennenswert stärker als die des Gralkönigs, weswegen eine Hierarchisierung nicht ersichtlich ist.
Erbfolge und Legitimation
Artus ist der Sohn des Utependragun, dieser war der Sohn des Brickus und jener der des Mazadan. Mazadan hatte zwei Söhne, beide konnten ihre Geschlechter zu wichtigen Königreichen ausbauen. Aus dem Zweig des Lazalies entsprang die Königsfamilie von Anschouwe aus dem des Brickus die von Bretane. In der Brickus Linie gab es sowohl mit Utependragun als auch mit Artus jeweils nur einen Sohn der offensichtlich das Reich geerbt hat. Mit Artus ist diese agnatische Linie nun unterbrochen, da sein einziger Sohn Ilinot im Kampf gefallen ist (586,10). Die Frage seiner Erbfolge wird von Wolfram nicht weiter behandelt, ergibt jedoch Platz für Spekulationen wer die Nachfolge Artus nach dessen Tod antreten wird. Die Söhne seiner Schwester Sangive, Beacurs, Gawan oder Gaherjet, der Sohn von Artus zweiter Schwester, scheinen am besten geeignet, jedoch ist diese Frage nicht endgültig zu beantworten. Auch die Frage ob unter Mazadan das Erbe noch gleichteilig unter den Brüdern geteilt wurde oder es bereits ein Primogenitursrecht, wie zu Beginnd es 1. Buches in Anschouwe (5,1-5) gab, muss unbeantwortet bleiben.
Der Gral wurde an Titurel gegeben, in dessen Blutslinie wurde die Gralsherrschaft danach vererbt. Der Gral schreibt eine komplizierte Weitergabebestimmung vor: der Träger muss von Gott erwählt sein (468,12-24/471,26-29), aus der Linie des Titurel entspringen (455,12-22) und durch die Gralsgesellschaft, zumindest akklamatorisch, gewählt werden (796,17-21). Im Grunde jedoch ist die Abstammung von Titurel das Merkmal, welches die Erfüllung der anderen zur Folge hat und demnach ausschlaggebend ist. Titurels Sohn Frimutel ist jedoch bereits tot, er starb im Kampf (586,8-11), dessen erster Sohn Anfortas ist durch sein verbotenes Minnestreben nicht mehr würdig Gralskönig zu sein und nicht fähig Kinder zu zeugen (616,11-26), der zweite Sohn Trevrizent hat dem Rittertum abgeschworen und ist daher nicht geeignet (480,19-24). Wie dem Artushof fehlt dem Gralshof also ein Nachfolger, anders als bei Artus jedoch ist Anfortas nicht mehr fähig sein Reich ausreichend zu regieren, weswegen ein Nachfolger dringend gebraucht wird. Da die agnatische Linie aber nicht mehr fortbesteht, muss auf die weibliche Verwandtschaft ausgeweitet werden. Parzivals Mutter Herzeloyde war eine Tochter des Frimutel, dadurch ist Titurel Parzivals Urgroßvater und sie teilen das selbe Blut. Schlussendlich erhält Parzival als letzter rechtmäßiger Erbe die Gralskönigswürde (827,7f), mit ihm wird zugleich sein Sohn Loherangrin zum nächsten Gralskönig berufen (781,17-19), dadurch ist die Nachfolge Parzivals gesichert. Im Blick auf die Erbfolge bestehen also starke Gemeinsamkeiten zwischen dem Artushof und dem Gralshof, beide wurden über 3 Generationen aus einer direkten Linie regiert und können diesen Standard nicht mehr erreichen. Mit Parzival wird Anfortas Schwesternsohn zum neuen Gralskönig, bei Artus ist es ebenso wahrscheinlich, dass einer seiner Schwestersöhne ihn beerben wird. Zwar ist die Legitimation durch die Massivität des Königsheils des Gralshüters bei diesem deutlich stärker, jedoch ist die Erbfolge an und für sich sehr ähnlich und gut vergleichbar. Dadurch, dass möglicherweise Gawan Artus Erbe sein wird geht die Vergleichbarkeit zwischen diesen beiden Charakteren sogar weiter.
Lebendigkeit
Der Hof des Artus wird von Beginn bis zum Ende als lebendig beschrieben. Wolfram verwendet dafür das negativ klingende "gedranc" (153,19) also Gedränge. Jedoch zeigt dieses Gedränge und weitere Beschreibungen (147,15/148,19-21/150,30/216,9-19/273,2-11), dass der Hof stets gut besucht und somit von großer Wichtigkeit und Bewegung erfüllt ist. Beim Gralshof ist dies zuerst anders, die Burg Munsalvaesche wirkt, als ob es dort lange keine Feierlichkeiten oder Turniere gegeben habe (227,7-16) und ist kein Ort großer Bewegung. Zwar leben hier auch viele Menschen (229,28-230,2), lebendig wirkt sie dadurch jedoch nicht. Der Grund dafür liegt in den Leiden des Anfortas, solang er Qualen erleidet kann auf der Gralsburg keine Freude und keine Lebendigkeit herrschen. Mit der Gralsherrschaft Parzivals ändert sich dieser Zustand jedoch und das Leben kehrt in die Gralsburg zurück (807,25-26).[Pratelidis 1994: S. 97] Während der Herrschaft Anfortas klaffen zwischen Gralshof und Artushof auf diesem Gebiet große Unterschiede auf, wieder wirkt das Gralsreich nicht sehr menschlich aber auch nicht sehr fröhlich. Durch den ehemaligen Artusritter Parzival kommt die Lebendigkeit aber zurück und somit passt sich dieser Sachverhalt stärker an die Artuswelt an.
Pracht und Repräsentation
Wie jedes Königtum begründet sich auch das Artuskönigtum unter anderem darauf, sich selbst herrschaftlich zu repräsentieren. Pracht, Reichtum und damit Macht wird vor allem in Form von großen Prozessionen, Umzügen und Auftritten (661,20/718,3-9/764,24) und Ähnlichem dargestellt. Bemerkenswert ist das Artus and er Tafelrunde keinen Thron besitzt (309,24-25) und damit auf eine Machtrepräsentationsmöglichkeit zugunsten der Gleichheitsvorstellung der Tafelrunde verzichtet. Pracht ist also ein allseits vorhandenes und offenes Mittel, die eigene Legitimität zu betonen.[Pratelidis 1994: S. 89-90] Am Gralshof gibt es vergleichbare Pracht zu bestaunen, vor allem der Gralsaufzug wird von Wolfram mehrfach und in größter Ausführlichkeit beschrieben (229,28-230,2/233,2-3). Da der Gral aber die Macht des Gralskönigs legitimiert, handelt es sich hier neben dem Ritual an sich auch um eine Form von Herrschaftsrepräsentation, der Glanz des Grals macht auch den Glanz seiner Gemeinschaft aus. Der Thron des Gralskönigs wird als hervorstechend und besonders prunkvoll beschrieben (808,17) und betont die hohe Stellung des Gralskönigs gegenüber der restlichen Gemeinschaft. Die Mittel und Wege Pracht darzustellen sind in beiden Gemeinschaften weitgehend gleich, die Gralsgemeinschaft tritt seltener offen auf und hat ihre Pracht deswegen verstärkt in den eigenen Räumen während der reisende Artushof primär strahlende Umzüge veranstaltet. Beim Gral ist die rituelle Komponente nicht zu vernachlässigen, jedoch ist das Hauptziel beider Parteien die Herrschaftsrepräsentation, demnach sind sie in diesem Feld weitgehend gleich.
Die Gesellschaften
Aufgaben
Die Aufgaben des König Artus sind vielfältig, er ist in seinem Königreich für den inneren Frieden und die Rechtswahrung zuständig (526,10-15), desweiteren für die Verteidung seiner Gebiete, sowie politische Aktivität durch Krieg, Diplomatie und Hochzeiten (729,27-730,22). Die Aufgaben der Tafelrunde sind dabei mit den traditionellen Begriffen der "Heer und Hoffahrt" zu beschreiben. Die Mitglieder haben eine beratende Funktion für Artus "Artûs was frouwen milte: sölher gâbe in niht bevilte. des was mit râte vor erdâht| Artus teilte Damen aus mit generöser Hand, zum Schenken war ihm nichts zu teuer. Er hatte es aber vorher mit den Seinen im Rat besprochen" (730,11-13)(weitere Belege). Andererseits ist sie auch sein ausführendes Organ, ohne die Kraft seiner "messîne" wäre er militärisch selbstverständlich nicht so durchsetzungsstark wie im Parzival dargestellt (664,18-665,24). Die Aufgabe der Gralsburg sowie all ihrer Bewohner ist der Schutz des Grals, der König leitet diesen Schutz, die Ritter halten ihn militärisch aufrecht und die Damen sind Bestandteil des rituellen Lebens sowie der politischen Aktivitäten der Burg. Die Templeisen der Gralsburg haben als oberstes Ziel ihre Feste und den heiligen Gral selbst zu beschützen (286,10-14/473,5-11/802,13-16). In diesen Kämpfen verlieren sie immer wieder Ritter und zahlen für ihre Aufgabe einen hohen Blutzoll (177,25). Die Damen haben eine herausragende Rolle im Ritual des Gralsaufzugs (232,11-235,30), desweiteren werden sie, wie die Ritter ebenso, in die Welt entsandt um über Reiche zu herrschen, die herrscherlos geworden sind (495,1-6/494,7-107/818,24-30). Dort ist es ihnen auch erlaubt zu heiraten und Kinder zu bekommen, jene werden dann wieder Teil der Gralsgesellschaft, wodurch diese sich von außen regenerieren kann (471,1-9/468,12-16). Die Aufgaben der Artusgesellschaft sind also ihrem König mit Rat und Kampfkraft zu helfen, Einfluss auf die Politik zu nehmen und desweiteren durch Heldentum die ritterliche Ehre des Artushofs zu verstärken. Die der Gralsgesellschaft beschränkt sich dagegen auf die Verteidigung des Grals, seine Rituale und das Weiterbestehen der Gralsgesellschaft durch Kinder von außerhalb. Die Rolle als Berater fällt in der Gralsgesellschaft völlig weg, auch im Kampf agieren die Ritter nicht durch besondere Heldentaten, sondern verteidigen einfach ihre Feste und die Wälder darum. Demnach sind die Handlungen der zwei Sphären zwar im Endeffekt auf Repräsentation, Kampf und Diplomatie ausgelegt, die Ziele dahinter und die Art und Weise diese zu erreichen unterscheiden sich aber massiv von einander.
Regeln und Gebote
In der Arutswelt gibt es vor allem die Regeln der Courtoisie und der Ritterlichkeit, dazu ein Kampfverbot zwischen Mitgliedern der Tafelrunde. [Pratelidis 1994: S. 201] Die Gralswelt hat als einschränkendste Regel den Verzicht auf Minne (495,7-9), außer für ihren König, welcher eine von Gott bestimmte Gemahlin zur Seite gestellt bekommt (495,9-12). Dabei handelt es sich um ein erweitertes Exogamiegebot: solange man Teil der Gralsgesellschaft ist, darf man nicht heiraten. Erst wenn man in die Welt entsandt wird, darf man eine Person, die nicht zur Gralsgesellschaft gehört, heiraten. Der Grund für die Leiden des Anfortas ist eine Strafe Gottes für den Übertritt dieses Minneverbots (616,11-26), das Gebot wird also sehr ernst genommen. Was die Regeln und Gebote angeht ist der Unterschied zwischen Artus und Gralsgesellschaft unverkennbar, die Regeln der Artuswelt haben in der Gralswelt nur eine sehr untergeordnete Rolle, der Verbot der Minne stellt sogar ein Hindernis für eines der zentralen Aspekte der Artuswelt dar. Durch dieses Verbot haben die Mitglieder der Artus und Gralsgesellschaft so unterschiedliche Ehrbegriffe und Ziele, solange das Minneverbot so erhalten ist, kann hier auch kein Austausch stattfinden. Erst indem ein Mitglied der Gralsburg die Festung verlässt kann es teilhaben an der Lebenswelt der Arutsgesellschaft und wird damit aber auch ein Teil von ihr.
Werte und Moralvorstellungen
Minne
Ritterlichkeit und Minne sind am Artushof unzertrennlich zusammengehörend. Das Streben nach Ehre richtet sich nach der Minne aus, sie ist das Ziel jeder Werbung um eine Dame und von dieser Dame als Belohnung für Rittertaten und Treue versprochen (216,23-25/767,20-30/776,17-21). In schönen Worten beschreibt Gurnemanz Parzival im III. Buch die Bedeutung der Minne (173,1-5). Desweiteren beweist der Tod vieler Ritter in ihrem Namen ihren zentralen Stellenwert in der Artuswelt (586,10). Das Geschlecht des Mazadan, aus dem Artus, Gawan aber auch Parzival entspringen, sei durch Mazadans Ehe mit der Fee Terdelaschoye (56,18-19) schon von je her der Minne sehr nah gewesen.[Pratelidis 1994: S. 162] Die einvernehmende und auch ablenkende Wirkung der Minne wird in der Blutstropfenszene deutlich gemacht. Am Gralshof ist die Minne ein komplett anderes Thema, sie ist für die Gralsgesellschaft mit wenigen Ausnahmen verboten (495,7-9). Nur im Auftrag des Grals dürfen die Gralsleute in fernen Ländern heiraten und der Minne nachgehen, wie Herzeloyde es im 2. Buch des Parzival tut (60,15-17). Dann geht aber auch der Bezug zur Gralswelt verloren und der Kontakt bricht ab.[Pratelidis 1994: S. 124f] Wie bei den Regeln und Geboten schon dargestellt, ist das Herangehen an die Idee der Minne in Artus und Gralsgesellschaft komplett unterschiedlich. Einzelne können nur durch Assimilation der Ansichten der anderen Sphäre an deren Lebenswelt teilhaben. Eine weitere Vereinbarkeit ist nicht vorhanden.
Ehrbegriff und Geschlechterrollen
Ritter
Die Artusritter gewinnen ihre Ehre im Kampf, sie tjostieren auf ritterliche Art und Weise mit anderen Rittern, um damit als "prîs" Damen und deren Zuneigung zu gewinnen (767,20-30). Wenn ein Ritter für eine einzelne Dame Rittertaten vollbringt, ist für beide der Begriff der "triuwe" ausschlaggebend (474,14-19), sie mehren gemeinsam und gegenseitig ihre Ehre und ihr Ansehen. Die ritterliche Ehre ist in der Welt des Parzival so bedeutend, dass in ihrem und dem Namen der Minne immer wieder Ritter im Kampf fallen, wie Ither. Für die Gralsritter ist der Kampf das Zentrum der Ehre, in aufopferungsvollen (177,25) Kämpfen verteidigen sie den heiligen Gral und beweisen damit ihren Wert für die Gralsgesellschaft.[Pratelidis 1994: S. 121f] Einen so festen und auf Wachstum bedachten Ehrbegriff wie am Artushof haben die Gralsritter allerdings nicht, die Erfüllung ihrer Aufgaben ist Sinn und Ziel zugleich, kein einfaches Mittel zum Zweck des Ehrgewinns. Der Ehrbegriff der Artus und Gralswelt misst sich also zwar an Kämpfen, hat jedoch einen anderen Aufbau und eine unterschiedliche Gewichtung. Gerade der Ehrbegriff der Artuswelt hat in der Gralswelt keinen Stellenwert, da die Minne, welche für den Ehrbegriff der Artuswelt unverzichtbar ist, in der Gralswelt eine gänzlich andere Rolle spielt.
Damen
In der Artusgesellschaft spielen die Damen eine bemerkenswerte Rolle, sie werden oft erwähnt (151,7-10/216,15-22/273,7/644,16-19/671,18f/753,25-754,4) wirken manchmal aber auch als seien sie nur schmückendes Beiwerk oder klatschende Statistinnen (777,20-24/610,6-8). Ihre Ehre erhalten sie durch den Minnedienst ihrer Ritter, sie suchen sich einen Ritter aus und jener tut in ihrem Namen Taten, welche ihnen beiden zur Ehre gereichen (216,23-25/776,17-24). Wenn ein Ritter in ihren Diensten große Taten vollbracht hat, sollen sie ihm seine Anstrengung und Treue vergelten und als eine Art Belohnung fungieren (767,20-30). Je mehr Erfolge ihr Ritter also in ihrem Namen erzielt, desto mehr Ansehen und Ehre erreichen sie durch ihn und desto mehr Ehre erreicht er, indem er diese Taten in ihrem Namen und für ihre Treue und Schönheit vollbringt. Dadurch sind die Damen der Artuswelt fest in das Verhältnis zwischen Ehre und Minne eingebunden und haben einen unverzichtbaren Teil daran. In der Gralsspähre sind die Damen ebenso unverzichtbar wie in der Artussphäre (806,8-26/493,19-21/808,23-809,14), ihre rituellen Aufgaben sind von großer Bedeutung. Ihre Ehre jedoch gewinnen die Damen durch Keuschheit und Gralsdienst (806,17/235,15-30), die Reinste und Keuscheste unter ihnen hat die Ehre die Gralsträgerin zu sein, im Parzival ist dies Repanse de Schoye. Wie bei den Rittern schon unterscheiden sich die Ehrbegriffe der Damen zwischen den zwei Sphären durch die unterschiedliche Bewertung des Minnebegriffs fundamental. Auch wenn in beiden Gesellschaften die Damen eine wichtige Rolle spielen so erlangen sie ihre Ehre durch ganz andere Konzepte. Die Konzepte der zwei Sphären sind dabei aber nicht mit einander in Einklang zu bringen, Keuschheit und Minne unterscheiden sich zu grundliegend. Nur der Begriff der "triuwe|Treue" (474,17) bleibt für beide Seiten von gleicher Bedeutung.
Religion und Gott
Für das Hochmittelalter an sich ist Religion und Religiösität ein sehr bedeutendes Themenfeld, vor allem durch die Institution Kirche und ihre weltliche Macht. Im Parzival spielt die Religion und Religiösität zwar eine große Rolle, die Kirche jedoch wird bewusst soweit es geht ausgespart.[Pratelidis 1994: S. 175] Die Artuswelt ist jedoch dennoch gläubig, Artus besucht mehrfach die Messe (307,12/705,1-8/776,25), auch Parzival geht zusammen mit Gurnemanz in die Messe (169,15-16) und auch Gawan geht vor dem Kampf zum Priester um für sein Seelenheil zu beten (705,1-8/378,21-25). Gerade bei Gawan, dem Artusritter schlechthin, sind viele Textstellen die sich mit Glaube und Religion beschäftigen vorhanden (331,25-30/350,14f/431,7/514,21/558,4f/562,11-14/568,1-14). Andererseits reagieren Gawan und die Artuswelt nur sehr wenig auf Parzivals Gotteszweifel (332,1-8) und beherbergen auch Heiden (wie zum Beispiel Ekuba, die Cousine der Belacane.) Der Gralshof ist offensichtlich sehr auf Gott fixiert,[Pratelidis 1994: S. 99] jedoch spielt hier die Kirche auch keine bemerkenswerte Rolle. Der Gral, Gottes Wirken direkt und die Gralsrituale stehen hier im religiösen Zentrum. Messen gibt es jedoch auch (802,23) und Feirefiz' Taufe (817,8-10) ist eine wichtige Szene in der Gralsburg. Die Gralswelt ignoriert auch den Gotteshass Parzivals nicht (461,3-16), in seinem langen Gespräch mit Trevrizent kann Parzival ihn sogar schließlich überwinden. Die Taufe des Feirefiz, durch welche er die schöne Repanse de Schoye heiraten kann, geht jedoch verwunderlich schnell und wirkt mehr wie ein Mittel zum Zweck (siehe dazu hier und hier hier). Religiösität ist also in beiden Sphären wichtig, für die Gralswelt steht sie durch den heiligen Gral noch stärker im Fokus, aber auch in der Artuswelt hat sie ihren Platz. Die schwache Beachtung der Institution Kirche betrifft beide Sphären und ist daher kein Hindernis für einen Austausch. Sowohl Artuswelt als auch Gralswelt bieten für eine gewisse Zeit Platz für Heiden und sind nicht agressiv-religiös, verleugnen den Glauben jedoch auch nicht. In diesem integralen Vergleichsaspekt, der für viele Literaturforscher der Scheidepunkt schlechthin war,[Pratelidis 1994: S. 15f] sind die zwei Sphären zwar nicht gleich, jedoch durchaus vergleichbar.
Leid
Der Artushof ist grundsätzlich eine lebendige Gesellschaft, jedoch ist auch hier Leid nicht unbekannt. Der Tod vieler guter Ritter in Kämpfen bringt oft Schmerz über die Gesellschaft, Ilinot (586,10) oder Ither(155,12-14) als Beispiele dafür. Auch am Gralshof ist Leid vorhanden, neben dem offensichtlichen Leiden des Anfortas(480,27-29) ist auch hier der Tod ein steter Begleiter, die Templeisen haben einen hohen Blutzoll in ihren Aufgaben zu bezahlen (177,25) und auch wichtige Personen können im Kampf den Tod finden, wie der zweite Gralskönig Frimutel (586,8-11). Das Verhältnis zum Tod und dem damit einhergehenden Leid ist also beiden Gesellschaften eigen. In diesem nur allzu menschlichem Aspekt unterscheiden sie sich überhaupt nicht.
Schuld
Am Tod des Ither hat der Artushof eine große Beteiligung, zwar hat man wohl nicht mit dem Sieg Parzivals gerechnet, jedoch wurde der unbeholfene Recke gezielt eingesetzt um sich eines Problemes zu entledigen. Ithers Herrschaftsansprüche (150,9f) und sein Betragen vor der Tafelrunde hatten ihn zum Problem für die Gemeinschaft gemacht, von sich aus war sie jedoch, wegen des Kampfverbotes innerhalb der Tafelrunde,[Pratelidis 1994: S. 201] nicht in der Lage dieses Problem zu beheben. Keies Unterstützung der Kampfeslust Parzivals (150,11-22) und Artus mangelnder Wille ihn aufzuhalten (150,23-28) bringen den Artushof nah mit Ithers Tod in Verbindung.[Pratelidis 1994: S. 197-199] Auch die Bestrafung der Cunneware de Lalant durch Keie kann als klares Unrecht (152,18) identifiziert werden. Am Gralshof kann man Anfortas Verstoß gegen das Minneverbot (616,11-26) als schuldbringende Tat sehen. Er hat sich gegen die von Gott bestimmten Regeln der Gralsgesellschaft aufgelehnt und dadurch sehr viel Leid über sie gebracht. Sein Vergehen wird von Gott direkt bestraft und ist durch seine Heilung (796,3-4) und Ablösung durch Parzival vergeben. Die Artuswelt ist also deutlich stärker vom Konflikt zwischen Recht und Unrecht betroffen, in ihr passieren immer wieder ungerechte Handlungen,welche sie mit Schuld beladen. Der Gralshof ist hierbei deutlich zurückhaltender, seine größte Schuld liegt in einem verstoß gegen die eigenen Regeln. Die Art und Weise der Buße ist auch stark unterschiedlich, Anfortas leidet bis er erlöst wird, während die Ither Schuldfrage nie ganz geklärt wird, Cunneware hingegen wird von Parzival gerächt (295,24). In dieser moralischen Kategorie unterscheiden sich die beiden Sphären also stark voneinander und man kann die Gralssphäre sogar als moralischer, weniger durch Schuld belastet, einstufen.
Parzival
Parzivals Anfangsziel ist es Artusritter zu werden (126,9-14). In seiner Zeit als Artusritter vollendet er diese Art des Rittertums, er erringt die höchste Ehre und wird zum Besten der Besten, er kämpft für die Minne und gewinnt seine Frau Condwiramurs dabei (223,1-7) und er verinnerlicht die Kampfesart der Artusritter, geschlagene Gegner werden nach dem Rat des Gurnemanz gegen das Ehrenwort geschont und nicht einfach getötet (213,29-214,2). Sein zweites großes Ziel jedoch ist es den Gral zu erhalten, diesem Ziel jagt er in der Art eines Artusritters mit "Âventiuren" hinterher und erreicht es schlussendlich, durch seine Abstammung und Gott, auch (827,7f). Dabei verlässt er den Artushof und wird der neue Gralskönig, geht also in der Gralswelt auf und wird wichtiger Bestandsteil von ihr. In Parzivals Sieg über Gawan, der als für alle(auch Gawan) erfreulich beschrieben wird, (694,26-28) könnte man eine Überlegenheit der Gralswelt gegenüber der Artuswelt identifizieren, jedoch kann man auch argumentieren, dass dieser Kampf keine derartige Bedeutung hat, da Parzival direkt danach wieder in die Tafelrunde aufgenommen werden möchte und auch wird (700,15-24) somit also in diesem Moment gar nicht als Vertreter der Gralswelt agiert. In ihrem Verhältnis zu Parzival unterscheiden sich die beiden Sphären teilweise von einander. Die Artuswelt ist Parzivals erstes Zuhause, nach seinem Ausschluss sucht er zum Ende hin wieder einen Platz in diesem Kreis (700,15-24). Die Gralswelt wird zuerst enttäuscht und schlussendlich von ihm gerettet. Durch seine Abstammung sowohl von Mazadan, als auch Titurel, bildet Parzival auch genealogisch einen Schnittpunkt zwischen den zwei Welten. Hier kann eine Berührung und ein starker Austausch (der des Parzivals) nicht mehr geleugnet werden. Parzival fungiert demnach als Vermittler und Verbindung zugleich und bringt die zwei Sphären näher zueinander ohne, dass dabei eine von beiden in der anderen aufgehen muss. In seinen Söhnen zeigt sich diese Annäherung zwischen normaler, weltlicher Königsherrschaft und Gralskönigtum noch einmal. Kardeiz tritt das Erbe als König von Waleis, Norgals, Kanvoleiz, Kyngrivals, Bealzenan und Anschouwe an (803,5-10), der erstgeborene Loherangrin hingegen wird bereits als nachfolgender Gralskönig festgelegt (781,17-19). Parzival ordnet also keine Lebensweise der anderen klar über, er lässt sie nebeneinander bestehen.
Auswertung
Die vermiedene Konkurrenz
Ein interessanter Ansatz zur Interpretation des Verhältnisses zwischen den Sphären bietet Walter Delabar in Erkantiu Sippe unt hoch Geselleschaft, er verweist auf eine absichtliche Vermeidung aller Konkurrenzfälle zwischen Artus und Gralswelt durch Wolfram von Eschenbach. Die zwei Reiche kommen genauso wenig wie ihre Herrscher jemals in deutliche Konkurrenz, durch die Unterschiede agieren die Sphären zwar nicht unabhängig von einander, jedoch geraten sie nicht in Konflikt und deshalb setzt sich auch keine durch. Gerade in Betrachtung des Herrschers betont Delabar die Vermeidung der Konkurrenz: Anfortas stellt keine Konkurrenz zu Artus da, Artus Gegenstück ist der Gral, die Gesellschaften sind so sehr auf diese zwei unterschiedlichen Faktoren (Artus und Gral) fixiert, dass es zu keinen großen Reibungsflächen kommt. [Delabar 1990: S. 187ff] Hasebrink zeigt auf, wie ein möglicher Konflikt zwischen den beiden Gesellschaften durch Gawan in der Blutstropfenszene entschärft wird. Parzival, der stärkster Ritter, gehört nicht der Tafelrunde an und droht den Artushof dadurch zu dezentralisieren.[Hasebrink 2005: Vgl. S. 245.] Von Munsalvaesche kommend, ereigent sich durch ihn ein verdeckter Konflikt zwischen den Gesellschaften bei seinem Treffen auf den Artushof am Plimizoel.[1] Im Minnetrance ist Parzival hin- und hergerissen zwischen seiner Sehnsucht zu Condwiramurs und dem Gral (stellvertretend für die Gralsgesellschaft) und den Zweikämpfen mit den Rittern des Artushofes. Beide Gesellschaften haben Ansprüche an ihn, doch Gawan schafft es, durch das Zudecken der Blutstropfen mit seinem Mantel, Condwiramurs und mit ihr die Gralsgesellschaft zu verdecken, den Konflikt somit auszublenden und Parzival, wenn auch nur vorübergehend, dem Artushof zuzuführen.
Fazit
Die Detailbetrachtung der Einzelaspekte ergibt einige sich wiederholende Faktoren. In manchen der Aspekten waren die Gesellschaften weitgehend gleich, dazu gehörte das Erfahren von Leid und die Herrschaftsrepräsentation sowie die äußert wichtige Erbfolge und Legitimation. Zwar gibt es selbstverständlich unterschiedliche Rituale und Aufzüge für die jeweiligen Aspekte, im Grunde genommen sind sie sich aber sehr ähnlich. Einige andere Aspekte hingegen sind völlig unvereinbar und sich entgegengesetzt, dabei ist vor allem der Ehrbegriff für Ritter und Damen gemeint sowie als Ursache für diesen Unterschied, die Einstellung zur Minne. An der Rolle der Minne scheiden sich Artus und Gralswelt erheblich, in beiden gilt sie als besonders wichtig und schön, die Artussphäre ist mit ihrem Ehrstreben komplett auf sie ausgerichtet, die Gralswelt hingegen erlaubt die Minne nur unter besonderen Umständen und verbietet sie ansonsten. Daraus erwächst der andere Ehrenkodex für die Damen der beiden Welten, die Damen der Gralswelt sind auf den Gral und Gott ausgerichtet und nicht auf die Minne. Hieraus wiederum erwächst der Unterschied der Lebensweise, Aufgaben und des Ehrbegriffs der Ritter. Die Artusritter streben nach Kampf um Ehre zu gewinne um Minne zu verdienen, die Gralsritter kämpfen nur für den Gral und ohne die rituell anmutenden Vorgaben und Ziele der Artuswelt. In der ritterlichen Welt des Parzival ist dieser Unterschied ausschlaggebend und kaum überwindbar. Einige weitere Aspekte haben keine klaren Ergebnisse hervorgebracht und laden daher zu tieferen Untersuchungen ein, sie ermöglichen allerdings in der Regel einen gewissen Austausch zwischen den beiden Sphären. Dabei ist speziell das Verhältnis zu Religion und Gott im Zentrum, bemerkenswerterweise ist nicht einfach die Gralsgesellschaft die transzendent und Gott nahe wirkende, sondern auch der Artushof ist in einem gewissen Maß religiös. In Parzival treffen sich die beiden Sphären wieder, er hat viel von einem Artusritter und lebte lange nach den Wertvorstellungen und Idealen dieser Gesellschaft. Dennoch wird er zum Gralskönig erhoben und tritt sein Amt an, er befolgt die Regeln und kann ohne Probleme so seine Vergangenheit und Zukunft vereinen, zumindest für ihn als Gralskönig scheint der Übergang von der Artus in die Gralswelt gut möglich zu sein. Durch ihn ist auch der Einfluss der beiden Welten aufeinander zu sehen, in der Gralsburg wird geheiratet und die Feste und Turniere kehren zurück. Die Aufgabe der Templeise löst sich deswegen jedoch nicht auf und sie bleiben ihren alten Wegen treu. Eine gleichberechtigte Stellung der zwei Sphären, möglicherweise im Sinne der "vermiedenen Konkurrenz" scheint dadurch durchaus glaubwürdig zu sein. Beide Welten existieren nebeneinander und beeinflussen sich manchmal auch gegenseitig, jedoch benötigt man keine Hierarchie zwischen ihnen, beide stellen bei Wolfram einen unverzichtbaren Teil der Welt des Parzivals dar.
Literaturverzeichnis
Bumke, Joachim: Wolfram von Eschenbach, Stuttgart/Weimar, 8. Auflage 2004. [*Bumke 2004]
Delabar, Walter: Erkantiu sippe unt hoch geselleschaft. Studien zur Funktion des Verwandtschaftsverbandes in Wolframs von Eschenbach Parzival, Göppingen 1990. [*Delabar 1990]
Hasebrink, Burkhard: Gawans Mantel. Effekte der Evidenz in der Blutstropfenszene des ›Parzival‹, in: Texttyp und Textproduktion in der deutschen Literatur des Mittelalters, hg. von Elizabeth A. Andersen, Berlin/New York 2005 (Trends in Medieval Philology 7), S. 237-248. [*Hasebrink 2005]
Pratelidis, Konstantin: Tafelrunde und Gral: die Artuswelt und ihr Verhältnis zur Gralswelt im ‚Parzival‘ Wolframs von Eschenbach, Würzburg 1994. [*Pratelidis 1994]
Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
- ↑ Verdeckt deswegen, weil die Kämpfer in der Blutstropfenszene sich gegenseitig nicht erkennen.