Bedeutung der Pflanzen (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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In Gottfrieds von Straßburg Tristan tauchen verschiedene Pflanzen auf, deren Bedeutung in diesem Artikel beschrieben werden.

Bäume

Linde

Herzförmiges Lindenblatt - ein Zeichen für die Liebe in der Minnegrotte?

Die Linde taucht in drei Episoden im Tristan auf. Zum einen wird sie bei der Beschreibung des Maienfestes am Hofe Markes erwähnt (V. 558, 597), zum anderen lässt Tristan sich und dem Jägermeister Markes nach der Bast einen Kranz aus Lindenlaub aufsetzen (V. 3150-3151), des Weiteren gehören drei Linden zu der Landschaft der Minnegrotte (V. 16731, 16741, 16881-16882, 17174-17175, 17178, 17181, 17381).

Die Linde kann somit zum einen als Bestandteil der idyllischen Natur gesehen werden.[Glogau 1993:223,225] Zum anderen ist die Linde, aufgrund ihrer herzförmigen Blätter und des süßen Dufts ihrer Blüten, ein Symbol der Liebe, gleichzeitig ist die Linde nicht mehr nur reine Begegnungsstätte, sondern Trösterin und Beschützerin der sich Liebenden. Diese Funktion hat sie vor allem in der Minnegrotten-Episode inne. [Butzer 2008:208]

Palme

Palmenzweige als Zeichen der Buße?

Die Pilger, auf die Tristan in Cornwall nach seiner Entführung trifft, führen zum Zeichen ihrer Buße Palmenzweige mit sich (V. 2647-2649). Die Palmenzweige weisen die Pilger darüber hinaus als Jerusalem-Pilger aus.

Der Palmenzweig ist jedoch ein gesetztes Zeichen und birgt dadurch gleichzeitig die Möglichkeit der Täuschung in sich. Die Palmenzweige geben Tristan daher keine wirkliche Sicherheit, ob es sich wirklich um harmlose Pilger handelt, sodass er selbst zur Täuschung greift und eine Lügengeschichte erzählt, um seine wahre Herkunft als Fremder nicht preiszugeben.[Glogau 1993:227]

Ölbaum

Der Ölbaum als Zeichen des Friedens und des Segen Gottes?

Der Ölbaum spielt vor allem im Zusammenhang mit den Intrigen um Tristans und Isoldes heimliche Liebe und ihre Treffen eine Rolle. So benutzt Tristan auf Brangänes Rat hin Zweige eines Ölbaums, um die heimlichen Treffen mit Isolde im Baumgarten zu verabreden (V. 14423-14447) und Marke und Melot verstecken sich auf einem Ölbaum, um Tristan und Isolde als Liebespaar zu überführen (V. 14598-14611). Tristan und Isolde bemerken jedoch die Schatten der Lauscher (V. 14628-14631, 14692-14695) und können so gewarnt den beiden genau das Gegenteil eines Liebespaares vorspielen und schaffen es so, das Misstrauen von Marke zu zerstreuen (V.14716-14906).

Interessanterweise ist der Baum, in dem sich Marke und sein Helfer verstecken, in anderen Tristanversionen kein Ölbaum, sondern beispielsweise bei Beroul und vermutlich auch bei Thomas eine Pinie und bei Eilhart eine Linde.

Der Ölbaum ist schon aus der Bibel bekannt. So stehen im Paradies unter anderem Ölbäume, die die Tugend konnotieren, und auch die Taube, die von Noah nach der Sintflut ausgesandt worden war, bringt das Blatt eines Ölbaumes zur Arche zurück. Der Ölbaum kann somit als Zeichen des Frieden und des Segen Gottes gesehen werden. Nach Hildegard von Bingen ist der Ölbaum des Weiteren ein Zeichen für Barmherzigkeit. Der Ölbaum steht also insgesamt für den Frieden und Segen Gottes, das Erbarmen und die Versöhnung, sowie für die Tugend.

Da in der Baumgarten-Szene der Ölbaum eine zentrale Rolle spielt, kann die Szene so gedeutet werden, dass es die beiden Liebenden mit Gottes Segen schaffen, ihre Liebe und damit den Ehebruch zu verheimlichen. Somit ist in der Baumgartenszene schon eine Andeutung auf die spätere Gottesurteil-Szene zu erkennen, in der Isolde es erneut gelingt, mit der Hilfe Gottes ihren Ehebruch zu leugnen.[Glogau 1993:228-230]

Tanne

Die Tanne als Zeichen der Stärke?

Die Tanne, die nach Hildegard von Bingen ein Zeichen der Stärke ist, wird im huote-Exkurs genannt:

swâ sô daz wîp ir wîpheit
unde ir herze von ir leit
und herzet sich mit manne,
dâ honiget diu tanne,
dâ balsamet der scherlinc,
der nezzelen ursprinc
der rôset ob der erden.
(V. 17979-17985)[1]
Wenn eine Frau ihr weibliches Naturell und ihre Veranlagung ablegt und die des Mannes annimmt, dann gibt die Tanne Honig und der Schierling Balsam, und die Wurzeln der Brennesseln lassen über der Erde Rosen erblühen.[2]

Gottfried macht durch den Vergleich der Tanne, die Honig gibt, die Unmöglichkeit deutlich, dass sich die weibliche Wesensart in eine männliche verwandeln könnte, und stellt so deutlich heraus, dass sich Mann und Frau grundlegend in ihrer Natur unterscheiden.[Glogau 1993:231-232]

Blumen

Blumen und Blüten

Die Blumen bzw. Blüten werden zum einen als Bestandteil der idyllischen Natur beschrieben, so bei der Beschreibung des Maienfestes (V. 551, 562), des Baumgartens oder der Minnegrottenlandschaft.[Glogau 1993:235] Gleichzeitig wird, da Blumen auch ein Liebessymbol[Butzer 2008:50] darstellen, durch diese auch auf die mit diesen Szenen verbundene Minnethematik hingewiesen.

Des Weiteren wird das Bild der Blume bzw. Blüte als Symbol der weiblichen Schönheit[Becker 2006:45] genutzt, um die außerordentliche Schönheit Isoldes, der bluome von Irlant (V. 11525) und Isolde Weißhands, der bluome von den landen (V. 18958) zu beschreiben.

Rose

Rose


Die Metapher der Rose, die für Liebe, Jugend, Vollkommenheit und Schönheit steht[Butzer 2008:301] und im Mittelalter als Symbol der Jungfrauen galt[Becker 2006:243], taucht an verschiedenen Stellen auf.

So wird Tristans Mund als rôsenrôt (V. 3334) bezeichnet, wodurch seine Schönheit und Jugend hervorgehoben wird. Ebenso wird Isoldes Schönheit mit einem Rosenvergleich dargestellt: suoze und alse lôse als ein gemischet rôse (V. 17565-17566).

Des Weiteren setzt Gottfried das Bild der Rose als den die goute minne darstellenden, positiven Gegensatz zum giftigen Bilsenkraut, das für die falsche Minne steht. Wahre Liebe und Freundschaft dagegen ist gekennzeichnet durch rôsen bî dem dorne (V. 12271) und senfte bî der arbeit (V. 12272), beinhaltet also neben den Mühen, immer wieder durch die Rose dargestellte beglückende Momente.

Ebenso umschreibt Isolde den Verlust ihrer Jungfräulichkeit mit den Worten, ich habe dem Mann die êrste rôsenbluome von mînem magetuome (V. 14765-14766) geschenkt.

Auch im huote-Exkurs taucht die Rose als Metapher auf. Der Erzähler beschreibt, wie es demjenigen Mann ergeht, der von einer bestimmten Frau geliebt wird:

der endarf dekeine sorge haben,:
[...],
daz in der dorn iht steche,
sô er die rôsen breche.
(V. 18068-18072)
Der muss nicht fürchten, [...] dass die Stacheln ihn verletzen, wenn er die Rosen pflücken will.

Der Euphemismus rôsen brechen beschreibt dabei, dass der Mann sexuelle Erfüllung ohne negative Konsequenzen finden kann.[Wharton 1990:147]

Lilie

Die Lilie wird im Minne-Exkurs erwähnt, wo sie das Gegenbild zur falschen Minne darstellt:

nein, minne ist niht alsô getân,
als wir s’ein ander machen
mit velschlîchen sachen.
wir nehmen der dinge unrehte war.
wir saejen bilsensâmen dar
und wellen danne, daz uns der
liljen unde rôsen ber.
(V.12224/12228-12230)
Nein, Liebe ist nicht so, wie wir sie miteinander betreiben auf falsche Weise. Wir machen es falsch. Wir säen giftige Bilsensamen aus und wollen dann, dass er für uns Lilien und Rosen hervorbringe.

Die in V. 122230 erwähnte Lilie ist das Symbol für Reinheit, Unschuld und Jungfräulichkeit.[Becker 2006:172] Die Minne an sich wird hier also nicht als falsch dargestellt, sondern die Umgangsweise mit ihr. Denn wer giftige Bilsensamen sät, der kann nicht erwarten, dass daraus Lilien und Rosen erwachsen. Stattdessen muss er ernten, was er gesät hat. Die Lilie stellt die richtige Minne als positives Gegen-Zeichen zu der durch das giftige Bilsenkraut symbolisierten falschen Minne dar, „dessen Samen ebenso wenig Rosen und Lilien hervorzubringen vermag, wie aus falscher minne gute werden kann“ [Glogau 1993:240]. Lilie und Bilsenkraut verdeutlichen somit die Polarität zwischen guter und schlechter Minne.[Glogau:241]

Distel

Dornen als Zeichen von Gottes Zorn?

In der Bibelauslege werden Disteln und Dornen als Zeichen von Gottes Zorn interpretiert, als die sündhafte Natur des Menschen, Laster und Wollust.[Wisbey 1980:21-25] Im huote-Exkurs benutzt der Erzähler Stacheln und Dornen, den hagen unde den dorn (V. 17861), als Metapher für die Schädlichkeit der Bewachung. Der Dornbusch, der in fruchtbarer Erde Wurzeln schlägt, wird als Metapher für diejenige Frau benutzt, die ihre Ansehen aufgrund von zu starken Kontrollen verliert (V. 17879-17895). Stacheln und Dornen werden mit dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Paradies assoziiert.[Wharton 1990:145] Der Erzähler veranschaulicht mit dieser Metapher im ersten Teil des huote-Exkurses die unvermeidbaren negativen Folgen, die das Aufstellen von Verboten hat. Ebenso wird die Metapher der Stacheln und Dornen vom Erzähler benutzt, um das Paradies zu beschreiben, das eine Frau im Herzen eines Mannes schaffen kann - dort gibt es weder Dornen, Disteln oder Stacheln (V. 18066-18078). Alles Negative, das an den Sündenfall erinnert, ist dort nicht vorhanden.

Nesselkraut

Das Nesselkraut steht als Symbol für Schmerz, Leid, Krankheit, Unordnung, Chaos und Sünde.[Butzer 2008:251] Dadurch tritt die Boshaftigkeit und die Bedrohung der durch folgenden Vergleich beschriebenen Figuren Marjodo und Melot noch deutlicher zutage:

Ich spriche daz wol überlût,
daz keiner slahte nezzelcrût
nie wart sô bitter noch sô sûr
alse der sûre nâchgebûr,
noch nie kein angest alsô grôz
alse der valsche hûsgenôz.
(V. 15047-15052)
Ich sage frei heraus, dass kein Nesselkraut jemals so brennend und scharf war wie ein böswilliger Nachbar, und keine Bedrohung so groß wie ein falscher Hausgenosse.

Gras und Klee

Gras und Klee sind zum einen Teil der idyllischen Natur innerhalb der Maienfestbeschreibung (u.a. V.551, 563) und der Minnegrottenlandschaft (u.a. V. 16745, 16885). Auch trägt Isolde innerhalb der Minnegrotte einen schapel ûfe von clê (V. 17605), wobei Klee ein Symbol für Lebenskraft und die Dreifaltigkeit darstellt.[Becker 2006:148] Des Weiteren benutzt Marke gras, bluomen unde loup (V.17613) zum Verdecken des Minnegrottenfensters, sodass diese zum Zeichen der Entdeckung der Liebenden werden. Klee und Gras wird außerdem dazu benutzt, die Farbe Grün darzustellen, so werden Tristans Kleider als ingrüener danne ein meiesch gras (V.2549) beschrieben, die Fellfarbe Petitcrüs ist unter anderem grüener danne clê (V.15826) und der Minnegrottenboden besteht aus grüenem marmel alse gras (V. 16715).[Glogau 1993:244]

Gras und Klee sind eng mit der Farbe Grün verknüpft und stellen unter diesem Aspekt aufgrund der Farbe, die das alljährliche Wiederkommen der Natur charakterisiert, ein Symbol für Hoffnung und Leben dar.[Becker 2006:107]

Fazit

Gottfried setzt in seinen Beschreibungen vielfältig Vergleiche mit Pflanzen ein und benutzt so deren allgemein bekannte Symbolhaftigkeit zur Verdeutlichung und Ausschmückung seiner Erzählungen.

Literatur

  1. Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (RUB 4471, 4472).
  2. Die Übersetzung wird im Folgenden zitiert nach Rüdiger Krohn aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (RUB 4471, 4472).
  • [* Krohn 1980] Gottfried von Straßburg: Tristan. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu herausgegeben, ins Neuhochdeutsche übersetzt, mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Bd. 1–3. Stuttgart 1980 (RUB 4471-3).
  • [*Glogau 1993] Glogau, Dirk R.: Untersuchungen zu einer konstruktivistischen Mediävistik. Tiere und Pflanzen im „Tristan“ Gottfrieds und im „Nibelungenlied“. Essen 1993.
  • [*Wessel 1984] Wessel, Franziska: Probleme der Metaphorik und die Minnemetaphorik in Gottfrieds von Straßburg ‚Tristan und Isolde‘. München 1984.
  • [*Wharton 1990] Wharton, Janet: "Daz lebende paradis? A consideration of the love of Tristan and Isot in the light of the "huote" discourse", in: Gottfried von Strassburg and the medieval legend: papers from an Anglo-North American symposium, hg. von Brewer, Cambridge 1990 S. 143-154.
  • [*Wisbey 1980] Wisbey, R.A.: The "Renovatio Amoris" in Gottfried's Tristan', in: London German Studies, hg. von Bock, London 1980, S. 1-66.
  • [*Becker 2006] Becker, Udo: Lexikon der Symbole. Freiburg 2006.
  • [*Butzer 2008] Butzer, Günther u. Jacob, Joachim: Metzler Lexikon literarischer Symbole. Stuttgart 2008.