Die Funktion der Taufe im Parzival

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Die Taufe ist ein christliches Ritual, welches in Wolframs Parzival[1] an mehreren Stellen eine wichtige Rolle spielt. In Christentum ist die Taufe das Aufnahmeritual in die religiöse Gemeinschaft. Für Gahmuret stellt sie jedoch eine Hürde für die Heirat mit Belacane dar, wohingegen sie für seinen Sohn Feirefiz vielmehr die Türen zur Gralsgemeinschaft öffnet. Die Frage ist nun, ob die Taufe nur eine religiöse Funktion oder auch andere Aufgabe erfüllt.

Taufe als christliches Ritual

Generell ist die Taufe das Ritual, durch welches eine Person in die religiöse Gemeinschaft der Christen aufgenommen wird. Aus diesem Grund ist die Taufe an sich ein transzendenter Akt. Außerdem war zu Wolframs Zeit die Ansicht verbreitet, dass seit dem Sündenfall Adams jede Seele dem Teufel gehöre, bis sie diesem durch das Sakrament der Taufe genommen werde. Die drei entscheidende Elemente bei der Taufe sind: Glaube, Wasser und Trinität.[Gnädinger 1974: 57f.] Hinsichtlich des Mittelalters müssen in Bezug auf die Taufe zusätzlich die Überlegungen des Augustinus mit berücksichtigt werden. So ging dieser davon aus, dass man durch die Taufe das göttliche Licht empfange, welches zu innerem Verstehen und Sehen führe.[Gnädinger 1974: 67ff]

Die Taufe auf intradiegetischer Ebene

Die Taufe tritt an zwei Stellen der Parzival-Handlung am stärksten in Erscheinung - beim Abschied Gahmurets von Belacane und bei der Taufe von Feirefiz. Nun werden beide Stellen hinsichtlich der Funktion der Taufe in den jeweiligen Situationen untersucht.

Das Ritual an sich wird im Parzival noch vor der Taufe von Feirefiz charakterisiert.

Mittelhochdeutsch (752, 27-30) Neuhochdeutsch
der touf sol lêren triuwe. Die Taufe gießt Treue in die Seelen.
sît unser ê diu niuwe Darum ist unsere Religion, der Neue Bund,
nâch Kriste wart genennet: nach Christus benannt,
an Kriste ist triwe erkennet. denn in Christus hat die Treue Gestalt angenommen.

In diesen Versen wird vor allem die religiöse Dimension der Taufe verdeutlicht, wobei besonders der Aspekt der triuwe hervorgehoben wird. Dieser wird durch die Personifikation der Treue in Jesus (752,30) eine besondere Stellung zugewiesen. Die Taufe erscheint dadurch als ein religiöses Ritual, das einerseits triuwe voraussetzt und andererseits diese lehrt. Zusätzlich wird der Taufe die Folge zugesprochen am urteillichen ende uns loesen sol gebande (107,23f.). Hierdurch wird noch einmal die Wichtigkeit der Taufe nicht nur im Diesseits, sondern auch besonders für das Jenseits betont. Dem mittelalterlichen Rezipienten, der stets auf seinen Seelenheil bedacht war, wird hierdurch die Notwendigkeit der Taufe vor Augen geführt. Die in der Forschung diskutierte Tränentaufe, wird hier nicht miteinbezogen, da es im Folgenden um das durch einen Priester verliehene Sakrament der Taufe gehen soll.[2]

Gahmuret

Das erste mal wird die Taufe bei der Abreise Gahmurets aus Zazamanc erwähnt.

Mittelhochdeutsch 56,25f. Neuhochdeutsch
frouwe, wiltu toufen dich, Meine Dame, wenn du dich taufen lässt,
du maht ouch noch erwerben mich. vielleicht kannst du mich dann doch noch wiedergewinnen.

Im Gegensatz zur religiösen Funktion der Taufe - der Integration in eine christliche Gemeinschaft - stellt sie hier ein Moment der Abgrenzung dar. Gahmuret verwendet die Taufe hier als den Grund, warum er nicht weiter mit Belacane zusammen sein kann. Zwar stellt er ihr in Aussicht, dass sie, indem sie sich taufen ließe, ihn zurückgewinnen könne. Durch die Konstruktion des Verses mit den Wörtern ouch noch (56,26) wird jedoch ausgedrückt, dass dies eher unwahrscheinlich ist. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle suggeriert, dass es sehr abwegig ist, dass ein Heide oder eine Heidin getauft wird, auch wenn Belacane sich bereitwillig taufen ließe (57,7f.). Die Taufe eröffnet eine Kluft zwischen heidnischer und christlicher Kultur, die für die Lebenswelt der Protagonisten weitreichende Folgen besitzt.

Feirefiz

Feirefiz, der von seiner orientalischen Mutter Belacane erzogen wurde, gehört bis zu seiner Taufe nicht dem Christentum an und glaubt auch nicht an den Gott der Christen. Dies zeigt sich beispielsweise in der Anrufung Jupiters, als er den Gral nicht sehen kann (s. 810, 26). Zu diesem Zeitpunkt ist Feirefiz noch deutlich in seinem "heidnischen" Glauben verankert. Allerdings lässt er sich nur wenige Verse später taufen (s. 813ff.). Die sich aufdrängende Frage ist nun die, warum sich Feirefiz so schnell umentscheidet und welche Bedeutung die Taufe für ihn und für die Darstellung des Christentums im Parzival besitzt.

Zu Beginn muss jedoch geklärt werden, inwieweit Feirefiz das oben angesprochene Kriterium der triuwe, das im Parzival eng mit der Taufe zusammenhängt, erfüllt. Wolfram spricht Feirefiz die Treue bei dem Kampf gegen Parzival zu, als er schreibt: dâ streit der triwen lûterheit: grôz triwe aldâ triwen streit (741,21f.). Somit könnte gesagt werden, dass seine Taufe ab diesem Zeitpunkt in Bezug auf die zu erfüllenden Tugenden legitimiert ist. Durch den Besitz dieser Tugend, aber auch durch den Vollzug der Taufe findet hier eine Verschränkung von heidnischer und christlicher Kultur statt. Es ist jedoch nicht von einer Überblendung des Heidnischen durch das Christliche zu sprechen.

Interessant ist, wie die Taufe an Feirefiz herangetragen wird und wie er darauf reagiert. So bitten Anfortas und der Wirt ihn, sich taufen zu lassen, damit er den Gral sehen könne (813, 23ff.). Wie hier erklärt wird, ist die Taufe eine Voraussetzung, um den Gral sehen zu können bzw. ein Teil der Gralsgemeinschaft zu werden. Gnädinger stellt hierzu die These auf, dass durch die Taufe die Erbschuld, die die Heiden nach zeitgenössischer Ansicht besessen hätten, weggewaschen würde.[Gnädinger 1974: 66] Dieser Grund sich taufen zu lassen, wirkt für Feirefiz irrelevant. In seinem Interesse steht vielmehr, dass er durch die Empfängnis des Sakraments Repanse de Schoye heiraten kann (814,1f.). Für Feirefiz ist die Taufe ein Mittel zum Zweck und er handelt nicht aus religiösen Motiven. Dies erzeugt dadurch Komik, dass die sexuelle Begierde Feirefiz' auf den sakralen Ernst der Taufe stößt. Auf diese Weise kommt dem Sakrament hier die Funktion zu, Komik zu erzeugen.[Ridder 2002: 148f.] Besonders hervorgehoben wird dies durch seine Aussage: holt man den touf mit strîte(814,25). Anscheinend sieht er die Taufe als etwas zu erkämpfendes, wodurch seine Unwissenheit und sein Unverständnis der christlichen Kultur gegenüber offenbart wird. Im Vordergrund steht an dieser Stelle das Aufeinandertreffen von Christen und Heiden. Kritik wird durch Wolfram aber nicht geäußert, was für den zeitgenössischen Rezipienten äußerst verwunderlich gewesen sein dürfte. Diese Verwunderung könnte zu einer tiefergehenden Beschäftigung der Rezipienten mit der Thematik der Taufe und den Gründen sich taufen zu lassen, geführt haben. Folglich wäre dies eine Auseinandersetzung der christlichen Zuhörer mit sich selbst und ihrer Religion. Somit bekäme die Taufe, sofern eine derartige Reflexion der Rezipienten stattfand, auch diese Funktion.

In Bezug auf die Funktion der Taufe in der Gahmuret-Handlung ist auffällig, dass die Taufe hier kein abgrenzendes sondern integratives Ritual darstellt. Denn durch die Taufe wird Feirefiz in die Gralsgesellschaft eingeführt. In diesem Handlungsraum hat die Religion eine größere Bedeutung als in der Gesellschaft am und um den Artushof. Folglich geht es hier weniger um eine religiöse Funktion, wie beispielsweise dazustellen, wie ein Heide bekehrt werden soll, sondern um die Hervorhebung der Geschlossenheit und Exklusivität der Gralsgesellschaft.[Schotte 2009: 80] Gnädinger führt einen weiteren Aspekt ein, indem sie durch das erneute Aufgreifen der Taufe bei Feirefiz eine Fortführung der Gahmuret-Handlung sieht.[Gnädinger 1974: 54]

Im weiteren Verlauf der Handlung nimmt diese Taufe eine wichtige Funktion ein, da Feirefiz durch die in den heilsgeschichtlichen Plan eingeordnet wird und den christlichen Glauben in Indien verbreitet (822,27-30). Erst hierdurch gewinnt die von Komik durchzogene Taufe von Feirefiz eine gewisse Ernsthaftigkeit und ihren religiösen Wert.[Schmitz 2012: 155] Hinsichtlich der Einordnung in den Heilsplan sieht Joachim Bumke die Funktion eben genau in der Einordnung Feirefiz' in dieses Wirken, wodurch er mit Bezug auf die Motivation die Taufe als reine Formalie sieht. [Bumke 1991: 238f.]

Die anfangs gestellte Zwischenfrage, warum sich Feirefiz so schnell für eine Taufe entscheidet ist klar, da er sich zum Zeitpunkt des Vollzugs weniger für den christlichen Glauben als für die Liebe zur Gralsträgerin Repanse de Schoye entscheidet. Dies stellt für den Verliebten keine schwierige Entscheidung dar.

Taufe auf extradiegetischer Ebene

Das Sakrament der Taufe spielt im Parzival nicht nur innerhalb der eigentlichen Handlung eine entscheidende Rolle, sondern auch mit Blick auf die Quellenfrage. So verweist Wolfram darauf, dass nicht ein Christ, sondern der Heide Flegetanis die Geschichte um den Gral niedergeschrieben habe ( 553f.). Allerdings sei die Erkenntnis dessen, was dort aufgeschrieben wurde, erst durch Kyot, dem es half daz im der touf was bi (543,18) geschehen. An dieser Textstelle wird laut Clench eindeutig das augustinische Verständnis der Taufe deutlich, da nur einem Getauften, der nach das Licht Gottes empfangen habe, inneres Verstehen möglich wäre.[3] [Clench 2014: 70f.]

Fazit

Abschließend lässt sich sagen, dass die Taufe auf intradiegetischer Ebene neben der Aufnahme in die christliche Gemeinschaft verschiedene Funktionen übernimmt. In der Gahmuret-Handlung kommt ihr die Rolle eines trennenden Elements zu, wohingegen sie bei Feirefiz die Türen zur Gralsgemeinschaft öffnet. Durch die fehlende Kritik an den Gründen für die Taufe auf Seiten des Heiden, kann zudem vermutet werden, dass hier die Funktion hinzukommt, dass die Taufe zu einer Selbstreflexion der zeitgenössichen Rezipienten führen sollte. Im Gegensatz dazu, wird auf der extradiegetischen Ebene durch die Taufe die Überlegenheit des Christentums herausgestellt. Es ist deutlich geworden, dass der Taufe im Parzival noch viel mehr Funktionen zukommen als die reine Aufnahme in die Gemeinschaft der Christen. Die Taufe erhält, wie Schmitz schreibt, erst im Nachhinein durch die einsetzende Christianisierung in Indien eine religiöse Aufwertung, bei der Taufhandlung an sich tritt die religiöse Funktion der Taufe erst einmal in den Hintergrund.[Schmitz 2012: 155ff.]

Anmerkungen

  1. Im Folgenden immer zitiert aus: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
  2. Zur Tränentaufe s. beispielsweise Gnädinger, Louise (S.69).
  3. Aufbauend auf dieser Schlussfolgerung wird nochmals verdeutlicht, dass der Parzival auch eine bedeutende Quelle für die Mentalitätsgeschichte des Mittelalters bildet.

Literaturverzeichnis

  • [*Bumke 1991] Bumke, Joachim: Parzival und Feirefiz - Priester Johannes - Lohehangrin: Der offene Schluss des Parzival von Wolfram von Eschenbach, in: DVjs 61 (1991), S. 230-364.
  • [*Clench 2014] Clench, Kathrin: Die Wahrnehmung göttlichen Wirkens im interreligiösen Kontakt am Beispiel des >Parzival< Wolframs von Eschenbach, in: Thomas, Honegger et al. (Hgg.): Gottes Werk und Adams Beitrag: Formen der Interaktion zwischen Menschen und Gott im Mittelalter, Berlin 2014, S. 63-76.
  • [*Gnädinger 1974] Louise, Gnädinger: Wasser - Taufe -Tränen, in: Wolfram Studien 2 (1974), S. 53-71.
  • [*Ridder 2002] Ridder, Klaus: Narrheit und Heiligkeit. Komik im Parzival Wolframs von Eschenbach, in: Wolfram Studien 17 (2002), S. 136-156.
  • [*Schmitz 2012] Schmitz, Michaela: Der Schluss des Parzival Wolfram von Eschenbach. Kommentar zum 16. Buch, Berlin 2012.
  • [*Schotte 2009]Schotte, Manuela: Christen, Heiden und der Gral. Die Heidendarstellung als Instrument der Rezeptionslenkung in den mittelhochdeutschen Gralromanen des 13. Jahrhunderts, Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte 49 (2009).