Melot (Gottfried von Straßburg, Tristan)

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Der Zwerg Melot ist neben Marjodo eine der Figuren, die wiederholt König Markes Zweifel an Isoldes Treue erzeugen. Seine Motivation liegt dabei weniger in einer persönlichen Abneigung gegen Tristan, sondern vielmehr im Streben nach Lohn und Ansehen. Als Handlanger Marjodos versucht er die Gunst Markes zu erhalten. Obwohl er über magische Eigenschaften verfügt, setzt er sie nicht ein und lässt sich so nur schwerlich in eine Reihe mit Zwergen in der Literatur bringen. Seine exakte Bezeichnung lautet Melôt petit von Aquitân (Klein Melot von Aquitanien).

Einführung durch Erzähler

Melot wird im Tristan durch den Erzähler eingeführt. Dabei werden verschiede Eigenschaften genannt, unter anderem die übernatürliche Gabe der Vorhersage:

ein getwerc was in dem hove dâ
daz selbe solte namen hân
Melôt petit von Aquitân
und kunde ein teil, alsô man giht,
umbe verholne geschiht
an dem gestirne nahtes sehen. (V. 14238 - 14243)[1]
Bei Hofe war ein Zwerg, / der hieß, wie man sagte, / Klein Melot von Aquitanien / und verstand sich darauf, wie man erzählt, / verborgene Dinge / nachts aus den Sternen zu lesen.[2]

Abgesehen von seiner Gabe, aus den Sternen lesen zu können, wird er als "kündic" (schlau, V. 14248), "listic unde rederîch" (kunstreich und beredt, V. 14249) beschrieben. Ihm wird außerdem die Position eines Vertrauten des Königs zugeschrieben, der Zugang zu den Frauengemächern hat. Bei Melot handelt es sich demnach um einen Bediensteten Markes, der ihm zwar nicht außerordentlich nahe steht, aber ein gewisses Maß an Vertrauen genießt. Aus diesem Grund wird ihm aufgetragen, das Verhalten von Tristan und Isolde zu beobachten.

Melots Aufgabe

Melot wird von Marjodo als sein Werkzeug eingesetzt, nachdem dieser mit einer List erfolglos versucht hatte, Marke von der Untreue Isoldes zu überzeugen. Der Verbündete und Berater von Marke nimmt somit eine ähnliche Position ein wie Marjodo und wird zum Minnefeind. Er bekommt die Aufgabe, das vermutete Liebespaar zu beobachten und Beweise für ihre minne zu finden. Marke verspricht ihm dafür Lohn und Ehre auf ewig. Deshalb unterstützt Melot die Aufdeckung des Ehebruchs von Isolde durch vielerlei Fallen und Listen: "Dâ kêrte ouch ez spâte unde vruo/sîne lüge und sîne lâge zuo" (V. 14261f.: Von früh bis spät richtete er / seine Verschlagenheit und Spitzelei darauf.) Erneut wird Melot als Überwacher eingesetzt, als sich Tristan und Isolde nicht mehr sehen dürfen und Marke auf eine Jagd geht:

verholne bevalh er dô
dem getwerge Melôte,
daz ez Tristande unde Isôte
zuo z'ir tougenheite
lüge unde lâge leite. (V. 14364 - 14368)
Heimlich befahl er dann / dem Zwerg Melot, / er solle Tristan und Isolde / bei ihren Heimlichkeiten / mit Lüge und Fallen nachspionieren.

So wird Melot Zeuge eines heimlichen Treffens von Tristan und Isolde im Baumgarten und versucht am folgenden Tag, ein erneutes Treffen zwischen Tristan und Isolde zu arrangieren (vgl. V. 14621 bis 14582). Er überbringt Tristan eine vermeintliche Botschaft von Isolde, Tristan jedoch durchschaut seinen Plan. Dennoch informiert Melot Marke, beide gehen zu dem heimlichen Treffpunkt und verstecken sich in einem Ölbaum. Tristan und Isolde entdecken die Falle und können Marke durch eine weitere List von ihrer Unschuld überzeugen. Melot wird daraufhin von Marke wegen Verleumdung beschimpft. Das Verhältnis zwischen Melot und Marke zeichnet sich demnach rein durch Dienerschaft aus, es besteht keine emotionale Bindung. Der Zwerg wird benutzt, um die Wahrheit über das Dreieck zwischen Marke, Isolde und Tristan heraus zu finden. Im Gegensatz zur Einführung durch den Erzähler nutzt Melot zu dieser Aufgabe jedoch kein einziges Mal seine magischen Fähigkeiten. Viel mehr geht er eher plump und wenig ausgeklügelt vor, denn seine Absichten kann er vor Tristan nicht verbergen. So bezeichnet Tristan Melot und Marjodo als eiterslangen / in tûben bilde (V. 15088f.: Zwei Giftschlangen in Taubengestalt), als sie ihm nach der Szene im Baumgarten erneut Freundschaft und Gefolgschaft heucheln. Sie schaffen es, bei Marke erneut Zweifel zu wecken und Melot führt schließlich eine weitere List aus: Bei einem gemeinsamen Aderlass von Tristan und Isolde streut Melot Mehl auf den Boden, um herauszufinden, ob Tristan an Isoldes Bett tritt (vgl. V. 15117 - 15204). Auch hier ist er wieder ein Handlanger Markes und Marjodos, ohne eigene Motivation.

Beurteilung

Die zunächst eher neutral beschriebenen Eigenschaften von Melot werden im Verlaufe der Handlung durch den Erzähler revidiert. Melot ist nicht länger "listic", sondern wird als "daz vertâne getwerc,/des vâlandes antwerc" (V. 14511f.) verurteilt[Krohn 2008: 205] und somit zur diabolischen Figur[Tomasek 2007: 101]. Im Vergleich zu den übrigen Gegenspielern von Marke, wie Marjodo, die Landbarone oder der irische Truchsess[3], hat Melot keine eigene Motivation, gegen das Liebespaar vorzugehen. Tomasek spricht zwar von einer "niederträchtigen Absicht", Tristan aus Neid stürzen zu wollen, jedoch wird bei Melot außer Markes Belohnung kein Aspekt angesprochen, der ihm eine persönliche Absicht zuspricht.

Melot im Vergleich zu anderen Zwergen der Literatur

Sigurd, der Held der nordischen Nibelungensage, prüft das Schwert Gram, das er mit Hilfe des Zwergen Regin geschmiedet hat. 1901/Johannes Gehrts.

Die Zwerge in der deutschen Literatur des Mittelalters haben in der Regel einen mythologischen Hintergrund und besitzen besondere Eigenschaften und Fähigkeiten.[Johnson 1990:211] Sie können sich durch verschiedene Gegenstände unsichtbar machen oder besondere Kräfte erlangen.[4] Ein Zwerg kann sich außerdem weitere Naturkräfte zu eigen machen, sieht oft in die Zukunft oder das Innere der Menschen und ist begabter Schmiedekünstler.[Lütjens 1911:S. 85f.] Durch ihre Kleinwüchsigkeit sind sie jedoch auch missgebildet und häufig charakterlich zurückgeblieben oder bösartig.[Krohn 2008:S. 206] Zum Helden der Erzählung besteht oft jedoch eine besondere Verbindung, die auf gegenseitiger Hilfe und Vertrauen basiert.[Lütjens 1911:S. 97-99] Die Beurteilung der Zwerge in der Literatur ist demnach sehr unterschiedlich. Ursprünglich als negativ dargestellt, werden sie zunehmend zu wohlgesonnenen Geschöpfen. In den wenigen Erzählungen, in denen negative Eigenschaften überwiegen (Rachsucht, Treulosigkeit, Verschlagenheit), mildern die Dichter oft die Umstände und Handlungen der Zwerge.[Lütjens 1911:S. 107]

Melot entspricht dem typischen Zwerg der Literatur also nur bedingt. Zwar kann er angeblich aus den Sternen die Zukunft vorhersagen, innerhalb der Handlung setzt er diese Gabe jedoch nicht ein. Er zeigt keine besonderen Fähigkeiten und muss die Liebe zwischen Tristan und Isolde auf herkömmlichem Wege heraus finden. Durch seine Funktion als Minnefeind wird er auf die Seite der negativ dargestellten Zwerge gestellt. Dies wird vom Erzähler jedoch nicht gemildert, sondern explizit als "vertâne getwerc" (V. 14511) verurteilt.

Fazit

Melot entspricht von seinen Fähigkeiten und Funktionen her nur teilweise den anderen Zwergen in mittelhochdeutscher Literatur. Er kann zwar angeblich in den Sternen lesen, nutzt diese Gabe im Verlauf der Handlung jedoch nicht. Auch gibt es keine persönliche Bindung zwischen dem Helden Tristan, denn Melot handelt nicht eigenmotiviert, sondern im Auftrag von Marjodo und Marke.
Dies macht die Niedertracht umso deutlicher, gegen die sich Tristan und Isolde wehren müssen. Ihre Liebe muss nicht nur dem eifersüchtigen Ehemann und dem enttäuschten und ebenfalls eifersüchtigen Freund Tristans Stand halten, sondern auch einer dritten, neutralen Figur, die keinen persönlichen Grund für ihr Handeln hat.

Anmerkungen

  1. Mit Versangabe im Folgenden zitiert aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).
  2. Die Übersetzung wird im Folgenden zitiert nach Rüdiger Krohn aus Gottfried von Straßburg: Tristan. Hrsg. von Rüdiger Krohn. Stuttgart 1993 (Universalbibliothek 4471, 4472).
  3. Marjodo und der irische Truchsess wollten selbst Isolde für sich gewinnen, die Landbarone wollten aus Neid eine Machtübernahme Tristans verhindern.[Tomasek 2007: 101]
  4. Eine Tarnkappe oder ein Ring mit Edelstein verleihen die Gabe, den Träger für das menschlichen Auge unsichtbar zu machen, so z.B. die Tarnkappe im Nibelungenlied.[Lütjens 1911: 80] Ein Ring kann außerdem, ebenso wie ein Gürtel, herausragende Kräfte verleihen.[Lütjens 1911:82]

Literatur

<harvardreferences />

  • [*Johnson 1990] Johnson, Sidney M.: Medieval German Dwarfs: A Footnote to Gottfrieds Melot. In: Gottfried von Strassburg and the medieval Tristan legend. Hrsg. Adrian Stevens, Roy Wisbey. Cambridge 1990.
  • [*Krohn 2008] Krohn, Rüdiger: Gottfried von Straßburg. Tristan. Band 3. Kommentar. Stuttgart 2008.
  • [*Lütjens 1911] Lütjens, August: Der Zwerg in der Deutschen Heldendichtung. Germanistische Abhandlungen, Heft 38. Breslau 1911.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg. Stuttgart 2007.