Seminar:Proseminar Die mittelhochdeutschen Bearbeitungen der Tristansage SoSe 2020

Aus MediaeWiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Eilhart von Oberg: Tristrant und Isalde

Der Tristanroman ist einer der bekanntesten Texte der mittelhochdeutschen Literatur. Zahlreiche Adaptionen und Variationen existieren von ihm. Seine Geschichte ist auch in der Gegenwart weiterhin bekannt und wird immernoch erzählt. Das "Romeo und Julia" des Mittelalters kommt aus dem französischen und wurde von den Autoren Eilhart von Oberg und Gottfried von Straßburg ins Deutsche übernommen. Von ihnen stammen die bekanntesten Handschriften des Sagenstoffes.


Aufgaben und Übungen

Aufgaben bis zum 13.05.20

1. Lesen Sie bis zum 13.05. die Verse 2845-6340 und fertigen Sie wieder stichwortartig eine Zusammenfassung der wichtigsten Handlungsstränge an.
2. Achten Sie für die bisherige Lektüre auf Textstellen, die für die Themenschwerpunkte (Brautwerbung, Liebeskonzeption usw.) in unserem Seminar einschlägig sein könnten, und sammeln Sie diese mit Versangaben in der unten stehenden Liste.
3. Nutzen Sie Ihre Notizen der letzten Woche und helfen Sie bei der Überarbeitung des ersten inhaltlichen Blocks. Sprechen Sie sich hier ggf. ab, damit es nicht zur Überschneidung und der Speicherung mehrerer Versionen kommt.

Aufgaben bis zum 20.05.20

1. Lesen Sie den letzten Abschnitt von Eilharts Tristrant (V. 6341-9750) und fertigen Sie stichwortartig eine Zusammenfassung der wichtigsten Handlungsstränge an.
2. Sammeln Sie weitere Textstellen zu Schwerpunktthemen und tragen Sie diese in die unten stehende Liste ein.
3. Überarbeiten Sie (alle) die Zusammenfassungen der Verse 1-2844 und 2845-6340! Achten Sie dabei auf folgende Punkte:

  • einheitlicher Gebrauch des Tempus
  • sprachliche und inhaltliche Korrektheit
  • wichtige inhaltliche Ergänzungen

Aufgaben bis zum 27.05.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Überarbeiten Sie das letzte Drittel unserer Inhaltsangabe und überlegen Sie sich für den neuen Artikel eine sinnvolle Gliederung (z.B. nach Handlungsabschnitten).
  • Fügen Sie Verlinkungen zu bestehenden Artikeln in den Fließtext ein (nur bei der ersten Nennung).
  • Achten Sie auf eine einheitliche Kursivierung und Formatierung mittelhochdeutscher Textbelege.

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie den Text von Tomasek zur Stoffgeschichte und achten Sie bei der Lektüre auf folgende Punkte:

  • Welche Versionen des Tristanromans gibt es?
  • Welche Hinweise zur Verbreitung finden Sie im Text von Tomasek?
  • Wie hängen die Texte zusammen, wodurch unterscheiden sie sich?
  • Was versteht man unter der ‚Estoire‘?

Aufgaben bis zum 03.06.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Überprüfen Sie die Ergebnissicherung der letzten Woche und fügen Sie mit Hilfe Ihrer Notizen ggf. Ergänzungen ein.

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie die Artikel aus dem Verfasserlexikon und fertigen Sie einen kurzen Steckbrief mit den wichtigsten informationen zu Autoren, Überlieferung und Werken an.
Lesen Sie den Textausschnitt von Schausten (S. 91-121) und prüfen Sie Eilharts Prolog auf inszenierte Mündlichkeit:

  • Wie wird Mündlichkeit im Prolog inszeniert?
  • Wie ist das Verhältnis von Mündlichkeit zu Schriftlichkeit (Funktion der Schrift)?

Aufgaben bis zum 10.06.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Überprüfen Sie die Ergebnissicherung der letzten Woche und fügen Sie mit Hilfe Ihrer Notizen ggf. Ergänzungen ein.

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie die Texte von Schmid-Cadalbert und Schulz zum Brautwerbungsschema und beantworten Sie folgende Fragen:

  • Wie läuft die gefährliche Brautwerbung ab?
  • Von welchem Text wurde das Schema abgeleitet?
  • Welche Raumstruktur ist typisch für die Brautwerbung?

Vergleichen Sie den Text von Schmid-Cadalbert mit der Brautwerbung bei Eilhart (ab Schwalbenhaar-Szene):

  • Wie sind die Handlungsrollen besetzt?
  • Welche Handlungsfixpunkte gibt es?
  • Gibt es Abweichungen vom Schema?

Aufgaben bis zum 17.06.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Korrigieren und überarbeiten Sie die Ergebnissicherung der letzten Woche (Brautwerbung).
  • Fügen Sie noch etwas detaillierter den schematischen Ablauf, die Raumstruktur und die Handlungsrollen samt Besetzung im Tristrant hinzu!

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie die Texte und Ausschnitte von Mikasch-Köthner, Schausten und Strohschneider zur Minnekonzeption.

  • In welchem Spannungsverhältnis befinden sich Minne und Gesellschaft bzw. Liebe und Herrschaft?
  • Welche Konzeptionen von Minne gibt es bei Eilhart?

Aufgaben bis zum 24.06.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Korrigieren und überarbeiten Sie die Ergebnissicherung der letzten Woche(n).
  • Berücksichtigen Sie bei der Überarbeitung der Themenbereiche "Liebe und Herrschaft" bzw. "Liebe und Gesellschaft" vor allem die Brüche höfischer Normen sowie die Täuschungen und den Verrat an Marke.
  • Ersetzen Sie die Fußnoten im Artikel durch Literaturverweise (Hilfe:HarvardReferences).

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie die Texte von Keck und Stolte zum Minnetrank.
Vergleichen Sie die Trankwirkungen aus Eilharts Tristrant (V 2335-2501), Gottfrieds Tristan (V. 11433-11744) und dem Prosaroman (1065-1099) und beantworten Sie folgende Fragen:

  • Wie unterscheiden sich die Trankwirkungen voneinander?
  • Wie wirken sich die Unterschiede auf die Schuldfrage aus?

Aufgaben bis zum 01.07.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Prüfen und überarbeiten Sie die Ergebnissicherung der letzten Woche (Liebestrank).
  • Ergänzen und überarbeiten Sie den neu angelegten Artikel zur Brautwerbung. Nutzen Sie hierfür Ihre Notizen zu Schmid-Cadalbert und Schulz.

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie den Text von Mertens.
Vergleichen Sie Gottfrieds Minnegrotte (V 16683ff.) mit Eilharts Waldleben (V. 4685ff.) und beantworten Sie folgende Fragen:

  • Wie unterscheiden sich die außerhöfischen Räume voneinander und wie werden sie beschrieben (Umfang, Wertung usw.)?
  • Welche Funktion könnten die unterschiedlichen Raumkonzepte (in Zusammenhang mit der Trank- und Minnethematik) haben?

Aufgaben bis zum 08.07.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Prüfen und überarbeiten Sie die Ergebnissicherung der letzten Woche.
  • Ergänzen und überarbeiten Sie den Artikel zur Brautwerbung mit dem Eintrag aus dem Reallexikon zum Thema "Erzählschema"

2. Vorbereitung der nächsten Woche

  • Notieren Sie die wichtigsten Punkte von Mälzer zu den Isolde-Gestalten bei Eilhart und Gottfried. Wie unterscheiden sie sich?
  • Vergleichen Sie bei Eilhart die Darstellung von Isalde I und Isalde II. Was fällt Ihnen auf? Gibt es Wertungen der Erzählinstanz?

Aufgaben bis zum 15.07.20

1. Überarbeitung und Korrektur

  • Überarbeiten und ergänzen Sie den Artikel zur Brautwerbung.
  • Ergänzen Sie in der Ergebnissicherung der letzten Woche Ihre Eindrücke zur Darstellung von Isalde I und Isalde II (Tristrants Ehefrau).

2. Vorbereitung der nächsten Woche
Lesen Sie den Text von Bonath und beantworten Sie folgende Fragen:

  • Welche Funktion erfüllt die Doppelung in der Nampetenis-Episode?
  • Welche wiederkehrenden Motive und Handlungen gibt es in Eilharts Tristrant noch?
  • In welchem Verhältnis könnte die Episodenhaftigkeit der Rückkehr-Abenteuer zur mündlichen Erzähltradition stehen?

Bearbeitete Artikel

Inhaltsangabe "Tristrant und Isalde" (Eilhart von Oberg)
Eilhart von Oberg - Tristrant und Isalde
Stoffgeschichte des Tristanromans
Die Brautwerbung (Eilhart von Oberg, Tristrant und Isalde)
Zentrale Textstellen und Themen (Proseminar "Die mittelhochdeutschen Bearbeitungen der Tristansage")

Stoffgeschichte

Die zwei wichtigsten Vorgänger von Gottfrieds „Tristan“ sind der Roman von Thomas von Britanje und Eilharts „Tristrant“.

1. Der „Tristan“ des Thomas

Das fragmentarisch erhaltene Werk, das von Gottfried als Gewährsmann, für seinen Text erwähnten Anglonormannen Thomas von Britanje, entstand etwa zwischen 1160 und 1176. Zwei weitere Dichtungen orientieren sich an seinem Handlungsaufbau, der sich primär auf die „Saga“ konzentriert: Der mittelenglische „Sir Tristrem“ (Ende 13. Jahrhundert), sowie die altnordische „Tristrams-Saga“ (1226) des Mönchs Robert. Die Thomas-Fragmente widmen sich, im Gegensatz zu Gottfried, zum Großteil dem Ende der Handlung. Leider ist ein Zusammenfügen des jeweiligen Stückwerks zur Nachvollziehbarkeit der Thomasschen Handlungsgestalt wenig effektiv, da jede Version des Tristan individuelle Entwicklungslinien aufweist. Lediglich das letzte Viertel erlaubt einen direkten Vergleich, da über längere Abschnitte auf die erhaltenen Thomas-Fragmente zurückgekommen werden kann. Einen auffallenden Unterschied bemerkt Peter Wapnewski bei den etwa 50 Versen des Cambridger Thomas Fragments (Thom. 1-52) aus der zweiten Baumgartenepisode: Der Straßburger Dichter illustriert Gefühle und Haltungen der Figuren und wechselt Nebenfiguren aus. 1995 wird ein neues Thomas-Bruchstück aufgefunden und veröffentlicht: Das Carlisle-Fragment zeigt, dass Gottfrieds Werk länger war, sich an Thomas` Handlungsstrang orientiert, aber dennoch einige Änderungen vornimmt. Aus dem Carlisle-Fragment lässt sich im Vergleich mit Gottfrieds Dichtung ableiten, dass das Brangänegespräch bei Gottfried vorverlegt wird, genau wie bei Eilharts Version. Die Auswertung des Neufundes lässt darauf schließen, dass Thomas eine geraffte Erzählweise bevorzugt, während Gottfrieds Fokus auf erzählerisch ausgearbeiteten inneren und äußeren Hergängen liegt. Weiterhin löst Thomas Datierung der Romanhandlung in die postarthurische Zeit die Zeitgleichheit von Artus- und Tristangeschehen auf, was einen Eingriff in die Konzeption des Tristanromans darstellt. Thomas prägnanteste Änderung im Gegensatz zu seiner Quelle, er beruft sich auf einen Gewährsmann namens Breri, ist die lebenslang anhaltende Kraft des Liebestrankes. Diese Abwandlung wird auch von Gottfried übernommen und kann als eine Aufwertung des Elements der Liebesthematik an sich gesehen werden. Außerdem ist eine inhaltliche Neuerung bei Thomas, die Einfügung der Minnegrotte und des Statuensaals. Auf sprachlicher Ebene können in Thomas „Tristan“ mehr Wortspiele und Antithesen beobachtet werden, als z.B. in Eilharts Version. Im Vergleich zu Gottfrieds Text fehlt Thomas allerdings ein qualitativ-musikalischer Klang der Sprache. [Tomasek 2007]

2. Der „Tristrant“ Eilharts von Oberg

Aufgrund des Carlisle-Fragments erhärtet sich die Annahme, dass Gottfried Eilharts Werk gekannt hat, was unter anderem seine Polemik gegen das Schwalben-Haar-Motiv nahelegt. Von Eilhardus de Oberch, einem Angehörigen einer welfischen Ministerialfamilie aus dem Dorf Oberg, der zwischen 1189 und 1209 urkundlich bezeugt ist, liegen sechs „Tristrant“ Textzeugen vor: Die Gottfried-Handschrift P, drei Fragmente des 12./13. und zwei vollständige Handschriften des 15. Jahrhunderts. Als unter Eilharts Namen komplett erhaltener Roman bietet der Text gute Einsicht in die Handlungsentwicklung eines Tristanromans vor Thomas. Einer der deutlichsten Unterschiede zu Thomas` Dichtung ist die Wirkung des Minnetranks. Bei Eilhart wirkt er vier Jahre lang so intensiv, dass das Paar bei einer Trennung von über einem Tag körperliche und seelische Qualen leidet, danach schwächt sich die Trankwirkung ab (auf früherer Stufe hatte der Trank eine Wirkungsstaffelung). Die schwächere Trankwirkung führt bei Eilhart zum Bereuen ihres Zusammenseins, dass sie in der Ugrim-Episode als Sünde deuten. Durch den Zauber des Trankes sind die beiden Liebenden bei Eilhart von einer Eigenverantwortung befreit, im deutlichen Unterschied zu Gottfrieds Darstellung. Eilharts Roman zeichnet sich weiterhin durch die dominante Darstellung der feudalen Herrschaft und des Heldentums Tristrants aus, der schon im Prolog als Hauptprotagonist vorgestellt wird, wohingegen Gottfried und Thomas den Fokus auf die Minnethematik legen. Interessant ist bei Eilhart die Figur des König Marke, welcher als kräftiger und manchmal zorniger Herrscher charakterisiert wird. Bei Eilhart führt er die Handlung ein und schließt sie am Ende ab. [Tomasek 2007]

3. Zur Entstehung des Tristanromans

Die genauen Ursprünge des Tristan-Stoffes sind bis heute nicht eindeutig nachgewiesen. Vieles weist darauf hin, dass es vor den von Gottfried von Straßburg, Eilhart von Oberg und Thomas von Britanje aufgezeichneten Versionen des Tristan-Stoffes bereits mündlich überlieferte Versionen gibt. Der Vorläufer der Aufzeichnungen ist die sogenannte Estoire-Version. In der Estoire-Version waren wohl alle handlungsrelevanten Bestandteile des Tristanromans bereits vorhanden, so z.B.: Tristans Geburt, sein Kampf mit Morolt, der Liebestrank („Minnetrank“), Isoldes und Markes Hochzeitsnacht, Tristans und Isoldes Leben im Wald, etc. Festzustellen sind dabei Unterschiede in der Auswahl der Episoden, welche die drei maßgeblichen Tristan-Autoren gewählt hatten. Die Gattung der Estoire-Version ist indessen nicht mehr eindeutig festzustellen. Die Kombination aus Liebe und Tod spricht für ein Heldenepos, während die Verweise auf Künstlertum und List eher für ein Spielmannsepos sprechen.

Der Tristanstoff zählt als einer der bedeutendsten Liebesmotive der mittelalterlichen Literatur.

Wo aber liegen – geographisch – die Ursprünge des Tristanromans? Darüber gibt es nach Tomasek zwei Theorien: zum einen wird die Entstehung dieser Geschichte im angelsächsischen Raum (Großbritannien bzw. Irland) vermutet, zum anderen aber im Orient. Bis ins 20. Jh. hinein bestand unter Experten Konsens darüber, dass „Tristan“ von den Britischen Inseln stammt. Darauf weisen die keltischen Namen der Hauptfiguren hin, z.B. Tristan, Brangäne, Marke (bzw. Marcus/March). Es gibt sogar Hinweise auf einen realen König Marcus oder March, welcher seit dem 9. Jh. in bretonischen und walisischen Texten erwähnt wird und im 6. Jh. gelebt haben soll.

Der Name „Tristan“ taucht ebenfalls seit dem 6. Jh. auf den Britischen Inseln auf. Man weiß von einem Grabstein in Cornwall aus dieser Zeit, auf welchem der Name „Drvsta(n)us“ zu lesen ist. Des Weiteren gab es im 8. Jh. den piktischen Namen „Drust“ und im 13. Jh. den kymrischen Namen „Drystan“. Die Ähnlichkeit zu „Tristan“ ist hier bereits sehr deutlich. Nicht nur der Name „Tristan“ ist möglicherweise kymrischen Ursprungs, auch der Name „Isolde“ könnte von dem kymrischen Namen „Essylt“ abgeleitet worden sein.

Auch Teile der Handlung weisen auf einen keltischen Ursprung hin, so z.B. die keusche Schlafhaltung von Tristan und Isolde im Wald, die Episode des „kühnen Wassers“, das Motiv des voreiligen Versprechens oder die im Wasser treibenden Späne, welche Parallelen zu irischen Erzählungen aufweisen. Darüber hinaus gibt es die irischen Erzählgattungen „immram“ (Seefahrt), „tochmarc“ (Werbung) und „aithed“ (Fluchterzählung), welche Tristans Fahrten nach Irland bzw. der Episode im Wald entsprechen. Die irische Erzählung namens „Diarmaid und Grainne“ ist der Tristangeschichte ebenfalls ähnlich. Diese Geschichte handelt von einem Liebespaar, das zunächst nicht zusammen kommt, da das Mädchen Grainne mit einem alten Heerführer verheiratet wird. Parallelen zu „Tristan“ sind außerdem der Liebestrank, die Flucht mit Diarmaid und das Leben der Beiden im Wald. Allerdings wurde die Geschichte von Diarmaid und Grainne zwar erstmals im 10. Jh. erwähnt, die Haupthandschrift aber stammt aus dem 17. Jh., sodass aus heutiger Sicht wohl eher ein Einfluss der Tristangeschichte auf die Geschichte von Diarmaid und Grainne angenommen wird als umgekehrt. Gleichermaßen nimmt man heute an, dass „Tristan“ von anderen europäischen Erzählungen beeinflusst wurde, z.B. von der griechischen Sage des Theseus, was an dem schwarzen bzw. weißen Segel als Rückkehrsignal deutlich wird.

Ist „Tristan“ nun doch orientalischer Herkunft? Zu dieser Theorie wurde von der Forschung der persische Epos „Wis und Ramin“ aus dem 12. Jh. angeführt. Allerdings ist es mittlerweile erwiesen, dass dieser Epos im Mittelalter im Westen nicht bekannt wurde. Gleich verhält es sich mit der arabischen Geschichte „Kais und Lubna“, welche nie ins Lateinische übersetzt wurde. Diese könnte allerdings am aquitanischen Hof mündlich überliefert worden sein. Es war im 12. Jh. durchaus möglich, arabische Geschichten an westeuropäischen Höfen zu erzählen, da rege Dichterbegegnungen stattgefunden haben.

In der Tristangeschichte werden viele international bekannte und teilweise vorchristliche Motive wiedergegeben, so z.B. der Drachenkampf, der Brautunterschub, das gefälschte Gottesurteil etc. Sogar biblische Motive finden sich hier, z.B. die sogenannte „Baumgartenszene“, welche an die Geschichte von Adam und Eva im Paradies erinnert. Für den Tristanstoff typisch sind Episodengedichte, also Gedichte aus separaten Episoden, die ein Handlungselement aus der Estoire-Version erzählen oder neue Episoden einfügen. Als Beispiele seien hier genannt: das „Geißblattlai“ von Marie de France, die Berner und die Oxforder „Folie“, „Donnei des amants“, „Tristan ménestrel“ und „Tristan als Mönch“, deren Verfasser heute nicht mehr bekannt sind. Diesen Werken ist gemein, dass sie nicht nur den Handlungsverlauf des Tristanromans wiedergeben, sondern auch viele der Motive und Themen aufgreifen. [Tomasek 2007]

4. Zur Verbreitung des Tristanromans in Mittelalter und Neuzeit

Die frühen Episodengedichte „Geißblattlai“ und die Urfassung der „Folie“ stammen aus Frankreich und zeigen, dass bereits die Basis der grundlegenden Handlung auf der Stufe der Estoire gelegt wurde. Ebenso basiert das Werk „Tristan en prose“ (verfasst um 1230) auf Material aus der Estoire-Stufe. Dieses Werk konnte sich allerdings in Mitteleuropa, vor allem im deutschsprachigen Raum, nicht durchsetzen. Vieles deutet darauf hin, dass die Autorin Marie de France (Geißblattlai) von Eleonore von Aquitanien und Heinrich II gefördert wurde. Auch Eilhart von Oberg war Ministerialer im Dienste der Welfen, welche wiederum durch die Heirat zwischen Heinrich dem Löwen und der Tochter von Heinrich II mit dem englischen Königshaus verwandt waren. In den auf das 12. Jh. folgenden Jahrhunderten breitete sich der Tristanroman in ganz Europa aus. So ist „La Tavola ritonda“, bekannt, das auf dem Werk „Tristan en prose“ basiert und sich von der iberischen Halbinsel bis auf den Balkan ausbreitete. Zur Ausbreitung des Tristanromans trug im 13. Jh. auch die Beziehung des englischen Königshof zum norwegischen König Haakon Haakonarson bei. In Norwegen kannte man die „Tristrams-Saga“, während in Deutschland Gottfried v. Straßburg bzw. Eilhart v. Oberg zur Verbreitung dieses Stoffs beitrugen, vor allem Letzterer, der den Romanhelden „Tristrant“ nannte und in sein Werk auch eine alttschechische Versübertragung mit einfließen ließ, welche wiederum Teile aus Gottfrieds Fassung enthielt. Im 16. Jh. wurden Tristan und Isolde sodann durch den Dichter Hans Sachs in mehreren seiner Meisterlieder weiter bekannt gemacht. [Tomasek 2007]

→ Siehe auch: Stoffgeschichte des Tristanromans

Die deutschsprachige Überlieferung und inszenierte Mündlichkeit bei Eilhart

Inszenierte Mündlichkeit

Bei Eilharts Tristangeschichte handelt es sich um die erste, komplettierte Fassung der Dichtung in Europa überhaupt. Da unklar ist, auf welche Form sich der Autor selbst gestützt hat, greift die Forschung immer wieder auf einen Vergleich mit der späteren Tristanfassung Gottfrieds zurück, wobei beiden Fassungen die Begriffe „spielmännisch“ und „höfisch“ zugeordnet wurden. Der Eilhart’schen Fassung ist dies der spielmännisch traditionellen Erzählweise des Autors zu verschulden. Die Schriftlichkeit Eilharts von Oberg steht hierbei der Mündlichkeit in Konzeption und Stil nahe. Die altgermanistische Forschung jedoch, sieht in den beiden Fassungen eine notwendige Trennung, da Eilharts Fassung die Konnotation „spielmännisch“ zu einem vorhöfischen Epos werden lässt und sie somit in den Schatten Gottfrieds fällt. Dies ist auch der problematischen Mehrdeutigkeit des Begriffs zu verantworten, der zum einen die Erzählweise Eilharts definiert und zum anderen inhaltlichen Bezug durch die vermeintliche Auffassung der Stoffgeschichte des Tristan durch den Autor nimmt. Des Weiteren ist Eilhart mit seiner Fassung viel mehr von der Heldenepik geprägt, er „repräsentiert von der Minneauffassung her eine frühe Stufe höfischer Epik“ (S.93), im Gegensatz zu Gottfried, welcher seine Figuren klug handeln lässt, er somit ein anderes Menschenbild darstellt und selbst eine andere Auffassung der Menschen besitzt. Auch in puncto Erzählstil fällt, im Auge der Forschung, die Fassung des Oberg in den Schatten der des Gottfried. So erzählt Eilhart seinen Tristan in in trivialer Sprache, was sich durch Gottfrieds Version und seiner reflektierten Erzählweise herauskristallisiert. „Somit erweist sich die zunächst durchaus überlegenswerte Zuweisung des Eilhartschen Textes zur Mündlichkeit in dieser Form als äußerst problematisch, weil hier Oralität mit „Simplizität“ […] assoziiert wird“(S.94). Durch diese Aussage wird klarer, dass eine vergleichende Betrachtung der beiden Tristan Fassungen wenig hilfreich ist, da diese den neutralen Blick auf den Text selbst erschwert. Um auf die Bezeichnung „spielmännisch“ zurückzukommen: Auch diese Betitelung des Eilhart’schen Textes erfolgte aus der „höfischen“ Fassung Gottfrieds, welche dem modernen Leser mehr entspricht, als die ältere Version des Eilhart. Eine Abstufung seines Textes erfolgt also aus dem Bewusstsein des Lesers, dem Erkennen der mangelnden Logik der Handlung, welche aus der „Konsequenz der Literalität“ (S.95) [Goody/Watt 1986] (Lese- und Schreibfähigkeit) folgt. Menschen, welche in einer elitären, schriftlichen Gesellschaft aufwachsen, entwickeln ein logisch- empirisches Denken. Durch die Einführung des Schriftlichen fand hier also eine Entwicklung vom „mythisch“ zum „logisch“ denkenden Menschen statt. Somit sind die Kriterien, auf welche zur Sichtung literarischer Werke zurückgegriffen wird, Resultate einer von Schriftlichkeit geprägten Gesellschaft. Problematisch ist hierbei, dass mediävistische Texte anders zu erfassen sein müssen. Denn diese entstammen einer Zeit, in welcher die Mehrheit der Bevölkerung ohne Schrift gelebt hat (folglich Analphabeten waren). Beschäftigung mit Literatur dieser Zeit muss sich also zwangsläufig auch mit den mündlichen Formen und dem Zusammenspiel beider auseinandersetzen. Schwierig zu erforschen sind hierbei die Formen der Aufführungen eines Textes und der Zeitpunkt, ab welchem die Autoren mit ihren Texten nicht mehr nur bei (Zu-)Hörern, sondern auch privaten Lesern Anklang fanden. Aus den schriftlichen Überlieferungen wird versucht, die Mündlichkeit herauszuarbeiten, die Präsentationsweise „im Kontext der höfischen Gesellschaft“(S.97), welche bis 1200 wohl in Form von Vortragsdichtung erfolgt ist. Wissenschaftler wie Manfred Günther Scholz stellen daher die These auf, dass Werke dieser Zeit nicht nur ausschließlich als lyrische Texte angedacht waren. Denn trotz dem Fakt, dass der Auto sein Publikum als zuhörendes anspricht, sollte ein Text nicht notwendig als Vortragsdichtung gelten. Des Weiteren kritisiert er, innerhalb der Epen den sprechenden Erzähler mit der Person des Autors gleichzusetzen. Diese beiden Charaktere müssen getrennt voneinander angesehen werden. Wenn nämlich dieses Verständnis von Fiktionalität bereits in mittelalterlicher Literatur nachgewiesen werden kann, ergibt sich daraus die Frage, „wo die Ursprünge der modernen Art, Literatur zu rezipieren, zu suchen sind, als grundsätzlich von einem Gegensatz […] mittelalterlicher und neuzeitlicher Literatur auszugehen“(S.98). Somit ist die Literarizität dieser Texte im Laufe der Zeit immer mehr in den Blick der Forschung gerückt, Mündlichkeit und Schriftlichkeit müssen in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden (dies gilt somit auch für volkssprachliche Literatur). Der „Übergang von der „mündlich-unmittelbaren Kommunikation“ zu einer „rhetorisch erzeugten Mündlichkeit“[Butzer 1995] wird auch als „fingierte Mündlichkeit“ bezeichnet. Autoren des Mittelalters verfassten ihre Texte also absichtlich in einer mündlichen Erzählsituation, um den Eindruck wörtlicher Rede zu erschaffen. Somit wird der Sprecher zum fiktiven Erzähler, welcher sich an fiktive Rezipient*Innen wenden kann. Mit dieser Einführung folgt auch eine Trennung von Diskurs und Geschichte, da der Erzähler durch den Diskurs nun eine eigenständige Kommunikationssituation entwickeln kann.[Schausten 1999]

Die Bedeutung konzeptioneller Mündlichkeit für die literarische Inszenierung der Erzählerfigur

Die Verwendung eines Diskurses ist in der Tristansage zu erkennen, dieser erhält durch die mündliche Überlieferung Funktionen, die sich im schriftlichen fixierten Kontext fixieren. In der Version von Eilhart gibt zum einen die Dissoziation von Erzähler und Publikum und auf der anderen Seite eine Erzählfigur, die der mündlichen Vortragsweise entspricht. Wörter wie „uns“ sind Indikatoren für die Unmittelbarkeit der mündlichen Erzählsituation ist aber im schriftlichen Text die Trennung zwischen Erzähler und Autor. Unterschieden wird zwischen den Modi „geschrieben“ und „gesprochen“, anders ausgedrückt durch „Sprache der Distanz“ und „Sprache der Nähe“. Die „Sprache der Nähe“ oder das „geschriebene“ Wort charakterisiert sich durch Monologe, fehlendem Sprecherwechsel, etc. Während die „Sprache der Nähe“ als angebliche Mündlichkeit in epischen Texten verkörpert. Eilharts Erzählfigur ist der „Sprache der Nähe“ zuzuordnen, da er gleichzeitig Publikum und Erzähler suggeriert. Charakteristisch dafür sind, Verben wie „sagen“ oder „sprechen“ oder wenn eine Unterhaltung inszeniert wird. Somit wird die „Sprache der Nähe“ in einem schriftlichen Text verankert. So kann die Mündlichkeit und Schriftlichkeit anhand der erzählerischen Konzeption sichtbar gemacht werden. Eilhart bemüht sich in seiner Dichtung „die Hinweise auf die Verbindungen zwischen Erzähler und Rezpierenden zu erhalten“ (vgl. S. 109). Direkt zu Beginn versucht sich Eilhart schon dieses Konzept einzuführen in dem er schreibt: „ich sage ûch, wolt ir swîgen […]“. Hier ist die fingierte Erzählsituation besonders deutlich, ein Erzähler kann erst beginnen, wenn das Publikum zur Ruhe gekommen ist. Auch deuten weitere Worte daraufhin, z. B. sollen die Leser die Geschichte „vernemen“ und „hôren“ anstatt zu lesen. Er bemüht sich außerdem die Aufmerksamkeit der Leser immer wieder zu steigern, indem er sie wiederholt auffordert, sich das Gesagte zu merken: „diz merkit recht, wen ez ist wâr“ (v. 1385). Auch hier ist wieder die Mündlichkeit des Diskurses zu erkennen. Eilhart macht viel dafür die mündliche Vortragsweise zu fingieren, damit dies aber auch vollständig funktioniert ist das Gedächtnis des Lesers von großer Bedeutung. Die immer wiederkehrenden Aufforderungen bewirken das Publikum durch das geschriebene zu steuern. Wiederholung wie zum Beispiel „ich sage ûch wêrliche“ oder „nû merkit“ am Anfang eines Verses unterstreichen das. Viele Indikatoren in Eilharts Dichtungen lassen darauf schließen, dass „formelhafte Dichtung [nicht] mündlich komponierst sein mu[ss]“ (vgl. S. 111) . Es gibt viele Beispiele, die darauf hindeuten, dass er sich „am menschlichen Gedächtnis orientiert“ (vgl. S. 111). Tristan werden im Laufe immer wieder positive Attribute zugeschrieben. Durch die ständige Wiederholung verschiedener Attribute und Eigenschaften der Charaktere, bleibt dem Leser ein solches Bild im Gedächtnis. Der Autor legt dem Leser also sein Bild der Personen fest. Diese verschiedenen Ausdrücke sind also eine Redundanz der schriftlichen Erzählung, die die Geschichte über den Handlungsbereich hinaus erzählen. Die verschiedenen Abschnitte wie Geburt, Leben, Liebe und Tod machen das Leben des Helden zum Gegenstand, ohne diese aktiv miteinander zu verbinden. So entsteht eine heute weniger verständliche Methode des Erzählens, nämlich die Aneinanderreihung von Geschehnissen. Die dadurch enstandene Befremdung kommt also ohne die üblichen Mittel wie absteigenden Erzählverlauf und Höhepunkt aus. Daraus lässt sich schließen, dass diese Art der Erzählung nicht nur typisch war, sondern, sondern sogar die Norm. „Somit ist auch der Erzählplan des Textes an dem mündlichen Erzählens orientiert“ (vgl. S. 112). Ein einziges Mal wird die Aneinanderreihung durchbrochen, in Vers 7865.[Schausten 1999]

Der inszenierte Körper der Isalde

Die kämpferischen Darfstellungen, genauso wie die Attributen, die den Personen zugeordnet werden, verdeutlichen Eilharts vorhöfische Abstammung und die damit verbundenen „Kultur[en] des weltlichen Adels [stehen im] Mittelpunkt“ (vgl. S. 114). Das ist zu erkennen an den, teilweise „ausführlichen Beschreibungen“ von Kostbarkeiten. Besonders wertvolle Materialien werden hervorgehoben. Eilharts Erzählungen sind nicht nur heldenepisch und auf spielmännische Art inszeniert worden, sondern auch ein „Rückgriff auf die Zeichensprache körperlicher Inszenierung in mündlichen Kulturen, auf die Darstellung höfischer Gesellschaft und ihres Ideals“ (vgl. S. 114). In laufe der Gesichte kam es zur einer Episode, in der Tristan eine andere Frau ehelich vernachlässigt hat, da Isalde ihm mehr Zuneigung spüren lässt. Das belegte Tristan, indem er meinte, dass Isalde sich besser um seinen Hund, als irgendjemand sonst, kümmert. In diesem Zusammenhang setzt Eilhart, nach seinen vorherigen Bemerkungen, dass das Publikum sich etwas merken sollte, sie diesmal auf das „sehen“ an. Isalde soll so hübsch wie möglich erscheinen. Eilhart möchte, dass die Figuren, und auch die Leser, bemerken, wie einzigartig Isaldes „höfische Vollkommenheit“ ist. Anschließend folgt die Beschreibung des Jagdzuges, welche vorher schon mehrfach angesprochen wurde. Die Inszenierung des Aufzuges übertrifft aber alle Erwartungen. „Der Eindruck höchster Vollkommenheit und höfischer Pracht wird durch den nun einsetzenden zweiten Teil des Zuges erzielt, indem die Damen der Hofgesellschaft im Mittelpunkt stehen.“ (vgl. S. 115). Es wurde darauf geachtet, dass jede der folgenden immer prächtiger gekleidet oder geschmückt wurde als die Vorherigen. Dadurch steigert sich die „höfische Pracht“ (S. 115) immer mehr. Der Höhepunkt bildet Isalde, die schöner ist als je zuvor. Das wird anschließend gekrönt, als Isalde den Hund, den sie von Tristan bekommen hatte, in eine goldene Unterkunft führt und diesen mit einem kostbaren Mantel liebkost. Diese Episode zeigt, das Eilharts Erzählung nicht als vorhöfisch zu bezeichnen ist. Sondern vielmehr als die „Darstellung moderner höfischer Adelskultur“, welche „ein zentrales Anliegen dieses Tristansromans ist“ (vgl. S. 117).

Von Büchern und Berichten, Briefen und Boten: Abschließendes zu Besonderheiten der Eilhartschen Tristandichtung Eilhart schaffte in seiner Tristandichtung eine Verbindung zwischen den Traditionen des mündlichen Erzählen, sowie die Präsentation der adeligen Körper. Zusätzlich weißt er mehrfach auf die Oralität und Literalität seines Werkes, in Abhängigkeit zu seiner Episoden, hin. So wird die Konkurrenz zwischen Mündlichkeit und Schriftlichkeit zum Thema. Der Autor schafft es bewusst die Darstellung als literarische Technik einzusetzen, um seiner Dichtung Identifikation Möglichkeiten zu einem kunstvoll inszenierten höfischen Gesellschaftsbild darzustellen.[Schausten 1999]

Eilhart von Oberg

Verfasser des "Tristrant und Isalde". Er nennt sich in seinem Werk selbst, deshalb ist gesichert, dass er der Verfasser ist. Er selbst benennt sich "von hobering her eylhart" (S.410). Seine Herkunft ist unklar, vermutlich rheinisches Zentrum, der Generation der Oberge angehörig, was jedoch nicht nachweisbar ist. Belegt ist, dass ein "Eilhardus de Oberch" gelebt hat, von 1189 bis 1209, der dem Ministerialgeschlech in Braunschweig im östlichen Sachsen angehörte. Ob es sich dabei um den Verfasser des Tristan handelt, ist jedoch zweifelhaft. Auch der literaturgeschichtliche Ort des Tristrant bleibt somit unbekannt, da von der ursprünglichen Tristrant-Dichtung nur noch Pergament-Bruchstücke von drei Handschriften erhalten sind (Wagner versuchte diese einst anhand der Sprache der alten Fragmente zu bestimmen). Eine zeitliche Wirkung seiner Tristrant Erzählung ist erst circa ein Jahrhundert später mit dem sogenannten „Tristranteppich“ greifbar, der in der Region um das östliche Deutschland, im heutigen Sachsen auftauchte.
Vorreiter des Tristrant war die sogenannte Estoire. Auch diese ist nicht vollkommen überliefert, aber inhaltlich zu erschließen. Wichtiges Leitmotiv der Tristrant Erzählung ist die Liebe, geprägt durch die in Frankreich ausgelöste „neue Vorstellung [Ovids], wie sie als wunderhafte Macht den Menschen ohne seinen Willen geradezu wie eine Krankheit überwältigt“ (S.413), welches Oberg im Motiv des Minnetranks umsetzt. Somit haben auch die Schilderung der Gefühle und Gedanken, sowie der Liebesmonolog der Isalde einen modernen Stellenwert innerhalb des Werkes. Hier finden sich jedoch Passagen wieder, welche zum Teil Eins zu Eins dem Liebesmonolog der Lavinia aus Heinrich von Veldekes „Eneit“ zu entnehmen sind. „Wenn Wagner [jedoch] Ort und Zeit von [Obergs] Schaffen richtig bestimmt hat, war der 'Tristrant' zu Anfang der siebziger Jahre am Niederrhein verfügbar, sodass Veldeke den [Monolog] der Isalde bei der Ausarbeitung heranziehen konnte“ (S.416). Eilhart hielt sich in seiner Dichtung zwar nicht an Reimschemata, doch folgten seine Assonanzen bestimmten Regeln (Beispiel: überschüssiges n im Auslaut; vokalische Ungleichheiten)- Motive, welche auch bei Veldeke so auftauchen. Wagner stellte bei einem Vergleich der beiden Werke fest, dass diese Assonanzen im Fortschreiten beider Dichtungen abnehmen (fortschrittlich zeigen sich bei Eilharts Text die ausgedehnten Hemistichien).
Trotz der „trümmerhaften“ Überlieferung der Tristrant Erzählung, genießt sie einen hohen Bekanntheitsgrad und literarische Relevanz. Von Wagner ausgewertete literarische Erwähnungen wurden durch Lichtenstein (S. CXCII—CCIV) zusammengefasst und auf den Zeugniswert der Namen hingewiesen. Dazu kommen die drei Wienhäuser „Tristranteppiche“, wovon der älteste (um 1300) hierbei vermutlich für das Herzogshaus bestimmt war. Der zweite aus der Dorfkirche Emern bei Ülzen im Lüneburger Museum und ein letzter, vermutlich aus Würzburg stammender Teppich, aus dem 14. Jahrhundert. Die Hochphase des Tristan sollte erst im späten Mittelalter erfolgen, als das Stoffliche dem Leser mehr und mehr in den Vordergrund rückte. „Von der Prosaauflösung des Tristan sind bis 1664 vierzehn Drucke nachgewiesen“ (S.417). Ein auf 1539 datierter Wandbehang aus einer Kirche im Erzgebirge fasst dieses Motiv wieder auf. Sie inspirierte Hans Sachs 1551 und 1553 für fünf Meisterlieder und eine Tragedia. [Wolff/Schröder 1980]

Gottfried von Straßburg

→ Siehe auch: Gottfried von Straßburg [Kuhn 2010]

Leben

Gottfried von Straßburg hält sich Zeit seines Lebens im Hintergrund, genauso wie Informationen zu seiner Person. Einzig bezeichnet er sich als Meister, aus welchem Kontext heraus ist jedoch nicht schlüssig. Aus seinen Erzählungen lässt schließen, dass er eine lateinisch-artistische und französische Bildung genossen hat. Genauso sein wissen über das Laienrecht, der höfischen Sachkultur und Musik. Sein Stand als Bürger ist leider nicht nachzuweisen. Es wird spekuliert ob er am Bischofshof oder städtischen Verwaltung gearbeitet hat. Der Einsiteg seines Tristansroman wird als Widmung angesehen, auch wenn es dafür keine Belge gibt. Er starb ohne Tristan beenden zu können, welcher aber von Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg fortgesetzt wurde.

Werke (Datierung/ Echtheit)

Die Datierung seines Versroman ist schwierig, lässt sich aber annähern durch Äußerungen seinerseits. Er nennt zum Beispiel Heinrich von Veldecke und den Minnesänger von Hagenau als verstorben aber Hartmann von Aue, sowie Bligger von Steinach, Walther von der Vogelweide, etc seien noch am Leben gewesen. Die wenigen Hinweise verweisen auf die Jahre 1200-1220. Der Abbruch nach Vers 19548, vor dem dritten Teil, rief immer wieder Spekulationen herraus, wurde aber von seinen Nachfolgern mit seinem Tod erklärt. Genauso könnte es aber möglich sein, dass ihm die Arbeit zu müßig wurde oder, dass er nach der Trennung des Paares zu gerührt war um fortzufahren. Zwar umfasst er im Prolog schon die ganze Geschichte bis zum Tod , weicht aber schon früher von der Gliederung ab, was auf eine Überarbeitung schließen lassen kann, deren Umfang aber nicht bekannt ist.

Überlieferung des Tristan. Überlieferungsgeschichte, Textkritik

Die Tristangeschichte ist bis zum Abbruch vollständig. Es sind 11 Handschriften und 16 Fragmente erhalten. Charakteristisch ist, dass 9 Fragmente aus dem 13. Jahrhundert eine vollständige Überlieferung bezeugen. Die Handschriften M aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts ist eine sehr aufwendig gestaltete Ausgabe. Obwohl die Überlieferung viel einheitlicher ist, als man vermutet hatte, wurde erst durch den Aufsatz “Die Überlieferungen zu G´s Tristan” die textkritische Arbeit der im wesentlichen noch heute geltenden methodischen Grundsätze gezeigt.

Quellen

Gottfried verfolgt im großen und ganzen die wesentliche Handlungsabfolge des Tristans. Gleichzeitig bringt er so viele komplexe Koordiantennetze von Reflevionen in seinen Text, dass jede Nacherzählung, die seine komplett verfälschen würde. Er slebst hat lange nach der richtigen Fassung gesucht, der er folgen konnte. Unterscheiden lassen sich die Differenzen der Anlagen durch eine spielmännische Fassung und eine höfische Fassung. An manchen Stellen spricht sich Gottfried gegen diese Fassungen aus, die bei Eilhart zu finden sind. Dies setzt aber keine Kenntnis Eilharts voraus, denn diese können auch schon bei Thoman gefunden werden. Was Gottfried von Thomas übernommen hat, ist meist nur hypothetisch. Genauso überschneiden sich Thomas Fragmente nur zwei Stellen mit Gottfrieds.

Problemansatz und Strukturprogramm

Gottfrieds Tristan besteht aus einem komplexen Koordinatennetz aus Reflexionen. Gottfried schmückt seine Erzählung immer wieder mit Kommentaren, Einwürfen und Exkursen. Dies führt zu einem vielschichtigen Text. Werden die Details separat betrachtet lässt sich auf folgendes schließen:

Problemansatz

Gottfried möchte einen Minneroman schreiben und bezieht sich deshalb auf viele seiner deutschen Vorgänger. Er möchte aber einen Kontrast zum üblichen Minneroman bilden. Er bezieht sich damit auf den Problemansatz der Minne. Er setzt die Minne einer zerreißenden Dialektik aus. Diese liebe-leit-Minnegeschichte steigert ihre positive Wirkung vom Prolog bis zur Evangeliums- und Sakrament- Analogie. Diese Leit- Komponente besteht aus der “zwanghaften, ins absolute gesteigerten Liebesbeziehung selbst”, die Gottfried in seiner rationalen Weisheit darstellt, die vom Anfang der Bindung bis letztlich zu Selbstverlust, Elend und Tod führt. Dieses Extrem Bild der Reflexionen bildet den Kern Gottfrieds Erzählung. Weshalb bis heute auch noch keine einheitliche Deutung zustande gekommen ist.

Strukturprogramm

Dem Grundprinzip, welches in allen Fassungen zu finden ist, nämlich die tragische Minne von Tristan und Isolde, die erst im Tod miteinander verbunden sind, folgt auch Gottfried. Doch lassen sich bei Gottfrieds Fassung einige Unterschiede erkennen. So ist denn der erste Teil von staatsrechtlichen Aspekten geprägt im Gegensatz zu Eilharts Märchengestaltung. Unterscheiden lässt sich auch noch die Wirkung des Liebestranks, die Bei Gottfried keine Einschränkung hat, im Gegensatz zu anderen Versionen des Tristansromans. Genauso ist Gottfrieds Kommentar zum Gottesurteil heut noch sehr umstritten und stellt sich vor große Deutungsprobleme. Auch wird das Waldleben von ihm positiv dargestellt, in dem das Paar eine paradiesische Einsamkeit genießen kann. Nach Tristans widerstehen der Fremden, und dem treu bleiben gegenüber Isolde, endet Gottfrieds Erzählung.

Wirkungsgeschichte

Gottfried und seine Auswirkungen werden immer wieder erwähnt, unter anderem von Rudolf von Ems und Konrad von Würzburg. Er versucht seine trotz durch Reflexionen gesteigerte Tristan-Erzählung, doch bewusst zu verschleiern. Die immer fortschreitenden Möglichkeiten, sowie neue Kenntnisse in der Wissenschaft lassen mittlerweile eine fast unabsehbare Möglichkeit von Deutungen zu.

Prosaroman

Bis 1664 sind 13 Drucke der Tristan Dichtung als Prosaroman nachweisbar. Eine Prosa Veröffentlichung war nötig, da sich die Gesellschaft der Reimkunst entfernt hatte. Hier wurde auch der Prolog gestrichen, da langes Hören wie Lesen einer Vorrede nicht mehr üblich war. Der Text wurde dabei inhaltlich nicht verändert, es wurden lediglich Lücken durch lehrhafte Reflexionen gefüllt und durch ein sich selbst reflektierendes „Ich“ ergänzt. Des Weiteren wurden hier poetisch ausschweifende Beschreibungen gekürzt. Durch den Wechsel von der Handschrift zum Druck wurde die lückenhafte Überlieferung komplettiert.[Schmid 2000]

Liebe/Minne


Liebe bei Eilhart von Oberg Tristanroman:
Der Zuhörer wird bereits im Prolog über den groben Umriß der Geschichte aufgeklärt:

dar umb so wil ich so beginnen,
wölt ir nuº schigen still,
wann eß ist min will,
daß ich úch o˅n all valschait
hie künd die rechten wa˅rhait,
die ich in sinem buºch vand,
wie der her Tristrand
zuº der welt kam
und welch wunder er begieng
und wie er in der welt began
und wie der listig man
die frowen Ysald erwarb
und wie er dar nach starb,
er durch sie und sie umb in.
merckent recht den sin,
und laussend úchß dunckent nit ze lang,
wann diß ist nuº der anfang
(Vers 32 - 50)

Die Tristansage ist unter anderem eine Geschichte die »die existenzielle Liebesgeschichte und feudalgesellschaftlich-institutionalisierter Ehebindung vorführt«[Eilhard von Oberg S. XV] Es geht um die gesamte Lebensgeschichte des Protagonisten Tristrant, seine Heldentaten und die Liebe zu Isalde bis zu seinem Tod.
Tristrant und Isalde verkörpern das Ideal der damaligen ritterlich-feudalistischen Gesellschaft. Er ein heldenreicher Ritter, ein Königssohn und sie eine wunderschöne Königstochter mit heilenden Kräften. In der gesamten Erzählung wird vor allem durch die zwei adeligen Liebenden, die durch den Minnetrank vier Jahre untrennbar sind, da sonst sie der Tod ereilt, die Struktur der Gesellschaft und Herrschaft veranschaulicht. Es entsteht eine Dreiecksgeschichte zwischen den beiden Liebenden und König Marke, Tristrants Onkel und nach der Brautwerbung Ehemann von Isalde. Es entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen der Minne auf der einen Seite und der höfischen Gesellschaft auf der anderen Seite – zwischen der arrangierten Ehe und dem Bündnis von zwei Liebenden.
Durch alle Ebenen erstreckt sich eine komplexe Geschichte, die Verstrickungen, Verbannung, Verrat, Untreue, Ehebruch, Freundschaft, Verwandtschaft, Intrigen, Liebe, Krieg und dergleichen beinhaltet. Dem Leser wird das gesellschaftliche und herrschaftliche Treiben der damaligen Zeit vor allem durch das Handeln von Tristan und Isalde näher gebracht. So schlüpft Tristrant, um seine Liebe Isalde heimlich zu treffen in die Rolle anderer Gesellschaftsschichten wie die eines Pilgers oder Spielmanns.

Zu der Liebe der beiden gibt es vom Erzähler kaum moralische Stellungnahme und er überlässt es dem Leser sich eine Meinung zu bilden. Die Liebe, die im ersten Teil noch Auswirkung des Minnetranks gewesen ist (»Die Liebe erscheint als etwas von außen Kommendes als zwanghaft, ja geradezu als der durch seine gesellschaftliche Bindung bedingten "Natur" des Menschen zuwider« [Mikasch-Köthner 1991] hat auch im zweiten Teil noch bestand, jedoch in anderer Form ([…]dem Beweis der Beständigkeit ihrer Liebe, einer Liebe die sich nun an eigenen sittlichen Normen – Freiwilligkeit, Gegenseitigkeit, Bedingungslosigkeit, Geduld – orientiert.« [Mikasch-Köthner 1991]. Nachfolgend soll auf das Spannungsverhältnis, das aufgrund dieser Liebe in Gesellschaft und Herrschaft entsteht, näher eingegangen werden.


Liebe und Gesellschaft

Schon zu Beginn wird von Eilhard zum Ausdruck gebracht welchen Stellenwert Bildung, Ansehen, Ruhm und Ritterschaft, das Tristrant von Kindesbeinen gelehrt wird, in der Gesellschaft hat.

der kund in wol bringen an
in hoffentlichen dingen.
harpffen und singen
lert er wol daß kind.
weder vor noch sÿd
ward nie kain kind gelert baß.
an im er nicht vergaß,
daß sich zoch zuº eren und zuº lob.
[…]
er lert in ouch sin milt
und mit dem schilt
ritterlichen riten und wie er in den striten
sölt schlachen mit dem schwert.
(Vers 140 - 161ff.)

Im weiteren Verlauf der Tristansage betont Eilhart von Oberg immer wieder was »ere« ist. Tristrant ist mit allen Attributen ausgestattet, die einen ansehnlichen, ehrenvollen Ritter ausmacht und wird von allen im Lande verehrt. Im Königreich seines Onkels Marke bewährt er sich entsprechend und genießt großes Wohlwollen und Loyalität seines Onkels, der ihn sogar als Erben in Betracht zieht. Durch den Neid Tristrant gegenüber übt die Verwandtschaft großen Druck auf König Marke aus, sich zu vermählen und somit einen legitimen Erben zu zeugen. Als gedachtes aussichtsloses Vorhaben willigt der König Marke der Brautwerbung, unter der Bedingung ein, nur die Frau ehelichen zu wollen, die Trägerin jenen Haares ist, worum sich die Schwalben stritten (siehe Schwalbenepisode). Tristrant ist derjenige, der die Braut Isalde findet und tritt als Brautwerbungshelfer in Erscheinung. Dem geht eine Geschichte voraus, die latent zwischen Tristrant und Isalde eine Spannung in der Episode »Tristrants Zerwürfnis mit Isalde« zum Ausdruck kommt. Erst mit dem Minnetrank und der damit einhergehenden Liebe entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen Tristrant (mit Isalde) und der Gesellschaft. In verschiedenen Episoden durchlaufen sie Bewährungsproben ihrer Liebe und dem Widerstand zur höfischen Gesellschaft. Im ersten Teil der Tristansage ist die Liebe ein durch den Minnetrank eingewirkter Zwang, dem sich Isalde und Tristrant nicht entziehen können. Dahingehend haben sie keinen freien Willen mehr. Damit tragen Tristrant und Isalde unter den Auswirkungen des Minnetranks keine Verantwortung für ihr Verhalten, das als moralisch verwerflich zu betrachten wäre. Mit der sofortigen Wirkung des Minnetranks kommt bei Isalde Scham zum Ausdruck (vgl. V. 2479ff.), was darauf hindeutet, dass das Begehren eine Mannes, der nicht der eigene Ehemann (oder zukünftige Ehemann), nicht standesgemäß ist. Demnach nicht der gesellschaftlichen Norm zu entsprechen scheint. Die Liebe bereitet ihr auch Schmerz, der immer wieder in Erscheinung tritt:
„ÿa ist daß dú minn,
dú mich also tuºt besta˅n?
deß hett ich kainen wa˅n,
daß sú tät so we mir.
weß engilt ich arme gegen dir,
daß sú mir so we tuºt?
von ir mir lieb und guºt
gar dick vil gesagt ist:
ÿa waß ich arme deß gewiss,
daß sú guºt und süss wär.
nun ist sú mir laider also schwär
und alß ain essich sur.
(Vers 2564 - 2575ff.)

Die Bürde jemanden zu lieben, mit dem sie nicht vermählt ist und außerdem den König, ihren Gatten zu hintergehen, wird sie der Liebe wegen, im weiteren Verlauf tragen. Der Kontrast zwischen dem, was gesellschaftlich anerkannt und üblich ist – einerseits die Form der arrangierten Ehe, wo die Liebe nicht im Vordergrund steht, sondern die Erbfolge und damit die Sicherung des Königreichs und andererseits der leidenschaftlichen Liebe, die Gefahren auf sich nimmt, tritt besonders mit der Figur der Isalde, die quasi zwischen den Stühlen steht, in Erscheinung.

Das wird sich auch im Verlauf der Geschichte fortsetzen. Denn aufgrund der Minne müssen Tristrant und Isalde viele Hürden auf sich nehmen.Nachdem Brangene, die Zofe Isaldes und Kurneval, der Knappe Tristrants feststellen, dass statt König Marke und Isalde den Minnetrank, den Isaldes Mutter Brangene mitgab, damit der König Marke und Isalde diesen gemeinsam verzehren und sich somit die einhergehende wirkende Kraft der Minne zwischen den Eheleuten entfacht, Tristrant und Isalde versehentlich den Minnetrank gemeinsam verzehrt haben, beschließen sie (Brangene und Kurneval) Isalde und Tristrant treu beizustehen:

so sprach Brangenen daß megetlin,
„so will ich den lib min ere,
e ich von sölichem sere
dise zwaÿ lauß sterben.“
„ich wolt e vor verderben!“
so sprach Kurnewal der guºt.
(Vers 2768 - 26773 ff.)

Damit haben Tristrant und Isalde zwei Verbündete, die diese Liebe vor König Marke und der Hofgesellschaft geheimhalten. Bereits nach Ankunft von der Überreise von Irland, der Heimat Isaldes nach Cornwall, beschließen die Liebenden Brangenes Liebe und Freundschaft zu Isalde auf die Probe zu stellen, indem Isalde sie bittet, die Hochzeitsnacht mit Marke ihrer statt zu verbringen, um ihre bereits verlorene Jungfräulichkeit vor dem Gatten zu verbergen. Womit zum Ehebruch auch noch ein weiterer Betrug kommt. An dieser Stelle schaltet sich der Erzähler mit einer moralischen Wertung, die Rückschlüsse auf die gesellschaftliche Norm aufwirft, ein:

der lischt ward dar umb erdaucht,
daß sie den kúng so betröge
und im ir huºrentuºm verzúge.
daß legt sú ir fúr,
dar umb daß sú nicht verlúr
ir weltlich ere.
(Vers 2852 - 2857 ff.)

Hier wird deutlich, dass die verlorene Jungfräulichkeit vor der Hochzeitsnacht gleichbedeutend mit Hurerei und Ehrverlust ist. Isalde und Tristrant, die ihr Ansehen und ihre Ehre nicht verlieren wollen, schrecken nicht davor zurück, Isaldes Zofe für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Womit auch die feudalistische Hierarchie der damaligen Gesellschaft zum Ausdruck kommt. Ihre Heimlichtuerei währt nicht lange, denn König Marke, der Tristrant gegenüber loyal ergeben ist und intriganten Behauptungen gegen Tristrant seitens Antret, dem Neffen Markes, keinen glauben schenkt, erwischt die Liebenden schließlich in flagranti.
Es kommt zum Bruch zwischen Tristrant und Marke. Für Marke bedeutet das Verrat und Betrug. Vergeltung ist für ihn der einzige Weg, um sein Ansehen vor sich und der höfischen Gesellschaft zu wahren. »Genauso wie der Verzicht auf ihre Liebe für Tristrant und Isalde den Tod bedeutet hätte, ist nun das Leben der Liebe am Hof Markes für die beiden eine ständige Gefahr für ihr Leben, die schließlich darin gipfelt, daß Marke beide zum Tode verurteilt.« [Schausten 1999] Tristrant gelingt die Flucht, doch Isalde wird im Zorn des Königs an einen Herzog übergeben, der sie mit den Kranken schlafen lassen möchte, damit sie einen besonders grauenvollen Tod erleidet. Die Grausamkeit die hier vermittelt wird, macht deutlich, wie Isalde an Ansehen und Ehre verloren hat. Sie wird behandelt wie eine Dirne, die zum Tode verurteilt ist. Doch Tristrant gelingt es Isalde aus den Fängen des Herzogs zu befreien und mit ihr, abseits jeglicher Zivilisation und Gesellschaft, die folgenden zwei Jahre, bis der Minnetrank seine Wirkung verliert, im Wald zu leben.
Es mag so wirken, als ob das Waldleben für die Liebenden ein romantisches Beisammensein darstellt. Aber die Tatsache, dass beide ihren Status des komfortablen adligen Lebens entbehren müssen, zeigt auf, dass sie für die Liebe einen hohen Preis zahlen müssen.

Tristrand und die kúngin
und Kurnewal der diener sin
littern gro˅ssen hunger.
wer in sölichem kummer
sölt ain ja˅r liden
– ich will der zwaÿ geschwigen –
er müßt sin deß todß,
wann sie enbissen kaineß brotß
metteß noch wineß
noch kainer hand fineß
(Vers 4757 - 4767)

Während dieser Zeit etablierte Tristrant einen Brauch, der den Beiden das Leben retten sollte. Er lag sein Schwert zu jeder Nacht zwischen ihn und Isalde. (Siehe dazu Liebe und Herrschaft)

Nach zwei Jahren Waldleben und dem Nachlassen des Minnetranks kommt bei Eilhart eine Wende der Liebe, die hier ein retardierendes Moment darstellt. Mit Hilfe des Einsiedler Ugrim, der ihm seine Beichte abnimmt wird in dieser Episode deutlich, dass christlich moralische Werte auch bei Eilhart der Erwähnung bedürfen. Tritrant bringt Isalde zurück zu König Marke, um sie ihrem Stand entsprechend in das adlige Leben zurückzuführen und beteuert weiterhin seine Liebe zu ihr, auch dem König gegenüber. Er selbst möchte ebenfalls an den Hof Markes zurückkehren, doch dies wird ihm vom König verwehrt. Tristrant, voller Zorn, würde am liebsten Marke aufgrund der Unnachgiebigkeit des Königs, erschlagen, wahrt aber Isalde zuliebe die Beherrschung. Marke verbannt seinen Neffen von seinem Königreich.
So kommt es zum Abschied, aber nicht ohne dass Tristan Isalde seinen Hund überlässt, dem sie an seiner statt empfundene Liebe zukommen lassen soll. Schweren Herzens bricht Tristrant auf. Hier kehrt eine entscheidende Wende nicht nur in Hinblick auf den Handlungsrahmen, sondern auch auf die Liebe bezogen. Die wahre Liebe kommt nimmt Gestalt an, denn trotz der räumlichen Trennung von den beiden Liebenden, bleibt bei den kommenden Aventiuren immer die Liebe der Beiden im Hintergrund bestehen. Die kommenden Handlungen sind weiterhin von dieser Liebe bestimmt. [Schausten 1999]

Liebe und Herrschaft

Der Liebestrank: Wirkungsweise, Unterschiede, Funktionen

Die verschiedenen Rollen des Liebestranks

Der Liebestrank, welcher in Tristandichtungen einen wichtigen Platz einnimmt, hat unterschiedliche Rollen inne. Bei Gottfried wird seine Einmaligkeit durch die Tiefe der hervorgerufenen Gefühle und seine vorbildliche Kraft und Staete verdeutlicht, während der Trank bei Eilhart als „zauberisches Gift“, welches eine unnatürlich heftige Liebeskrankheit auslöst, dargestellt wird. Der krankhaft übersteigerte Sonderfall der Liebe, wie Eilhart ihn aufzeigt, entschuldigt die Liebe zwischen Tristrant und Isalde. Der Trank bewirkt das Schwinden der Entscheidungsfreiheit und des personalen Bewusstseins. Personal bedeutet, dem mittelalterlichen Zeitgeist entsprechend, im Rahmen der heldischen und höfischen Qualitäten. Bei Gottfried dient der Liebestrank als Abschwächung der Betrügereien und soll als besonders typischer Fall, sogar als Lehrbeispiel eines Ideals gelten, dem alle Liebenden nacheifern sollen. Sowohl bei Eilhart als auch bei Gottfried ist der Trank der tatsächliche Anlass der Liebe (die magisch-materielle Ursache), waren in beiden Versionen die beiden einander vor der Einnahme des Tranks nur höflich zugetan, ohne romantische Absichten zu vermuten. Auch teilen sich beide Versionen die entschuldigende, sittliche Funktion des Tranks, sodass die höfischen, edlen und korrekten Figuren Tristrants und Isaldes keine Konsequenzen bezüglich ihres Ansehens zu befürchten haben. Insbesondere bei Gottfried dient der Trank nur dazu die Schuld der Betrügereien abzuschwächen. Die Liebe selbst bedarf keiner Entschuldigung.

Markes Eheverzicht & Drachenkampf [Stolte]

Aufgrund des Trank-Motivs haben die zwei Umstände von Eheverzicht und Drachenkampf bei Eilhart und Gottfried ihre ursprüngliche Bedeutung verloren. Die unter diesen beiden Umständen implizierte Rechtfertigung und der Rechtsanspruch Tristrants, d.h. das Anrecht auf Isalde, könnten an zwei Szenen bestärkt werden. Markes Versprechen, ehelos zu bleiben, um Tristrant als Erben einzusetzen, dient jedoch lediglich als Anlass für die anderen Fürsten in seinem Gefolge, ihren Neid auf Tristrant zu begründen. Und auch der Drachenkampf ist nicht eindeutig: Während Eilharts Tristrant nicht weiß, dass die irische Königstochter die Frau ist, die er für Marke umwerben soll, als er zum Drachenkampf aufbricht, ist ihm dieser Umstand bei Gottfried bewusst. Könnte man bei Eilhart seinen Anspruch auf Isolde durch das Besiegen des Drachen rechtfertigen, funktioniert dies für Gottfried nicht.

Do der zag sich besprach,
vor allem volck er do jach,
er schlüg nit den serpant,
eß sölt haben Trÿstrand,
die frowen billich.
(Vers 2315 - 2319)

"Heldenlied und Marchen, hohe Dichtung und Volksdichtung, logischer und alogischer Geist, tragische und mystische Seele stehen sich in Eheverzicht und Drachenkampf einerseits und Liebestrank anderseits gegenüber".[Stolte]


Stufen der inneren Motivierung

Aus dem Text von Stolte lassen sich drei verschiedene innere Motivierungen entnehmen:

1. Rechtliche Motivierung (älteste) Es gibt den Rechtsanspruch auf Isalde durch Eheverzicht und Drachenkampf. Marke verspricht/schwört, ehelos zu bleiben und Tristan als Erben einzusetzen. Würde er sich an diesen Schwur halten, bräuchte er keine Frau und Isalde würde an den Drachenbezwinger (Tristan) gehen. Es stellt sich die Frage, wie schwerwiegend Markes Bruch des Versprechens zu gewichten ist.

2. Dämonisch-mystische Motivierung (Eilhart) Der Zaubertrank wird als Gift bezeichnet; durch die unabsichtliche Einnahme und die Wirkung des Tranks sind Tristrant und Isalde nicht für ihr Handeln verantwortlich, sondern einem „bösen“ Zauber erlegen.

3. Allgemein-menschliche Motivierung (Gottfried) Tristant gewinnt Isalde nicht einmal, sondern zweimal für Marke. In der Gandin-Episode muss Tristant sie für Mark zurückgewinnen, nachdem Marke seine Frau gegen ein Harfenspiel eintauschte. Durch sein Handeln verliert Marke jeglichen menschlichen Anspruch an Isolde.

Die Liebeskonzeption der mittelalterlichen Tristanromane

Bild der Liebe bei Eilhart

Tristrant und Isalde sehen sich das erste Mal, als Tristrant auf der Suche nach Markes auserwählter Braut von einem Sturm nach Irland getrieben wird. Dass die beiden bereits eine gemeinsame Vergangenheit haben, weiß zu dem Zeitpunkt keiner von beiden (Heilungsfahrt). Nachdem der Drache besiegt und die Vereinbarung getroffen ist, wird der Liebestrank, den Isaldes Mutter der Kammerzofe Brangene anvertraut, vom Erzähler definiert. Die erste Wirkung des Tranks, die genannt wird, ist die Unfähigkeit, voneinander getrennt zu sein, erst dann wird die Liebe erwähnt. Die Dauer des Tranks wird als logischer Widerspruch beschrieben; zwar heißt es, der Trank wirkt vier Jahre, doch heißt es auch, der Trank verbinde zeitlebens miteinander. Als Synonym der Liebe wird die Erfahrung von Verlust aufgeführt, dem Verlust der Entscheidungsfreiheit und dem personellen Bewusstsein. Freie Entscheidungen können von beiden nicht mehr getroffen werden. Auch können die beiden Identitäten (Ritter Markes bzw. Frau Markes und Geliebte/r) nicht vereinbart werden und bleiben bis zum Schluss voneinander getrennt. Die Wiederkehrabenteuer zeigen dies: entweder ist Tristrant ein ehrbarer Ritter oder Isaldes Geliebter, aber nie beides gleichzeitig. Die Tristan-Figuren kämpfen aus einer unterlegenen Position heraus vergebens um Liebe und Glück und müssen ihre Unterfangen listig anstellen, da die Identität des Helden und die Identität des Liebhabers sich nicht vereinbaren lassen. Auch Tristrants freiwillig gegebenes Versprechen, im Namen Isaldes jede Herausforderung anzunehmen, ist eine Art Zwang. Zwar könnte er dieses Versprechen brechen, wenn er wollte, doch dient es ihm als Rechtfertigung und Beweis, dass er öffentlich zu seiner Liebe zu Isalde steht. Zudem ist sein Versprechen an die Geliebte auch Ausdruck der Ehre.

Die Unterschiede der Trankwirkungen [Keck 1998]

Eilhart V. 2335-2501 Gottfried V. 11433-11744 Prosaroman V.1065-1099
Wer von dem Trank gemeinsam trinkt, kann vier Jahre lang nicht voneinander getrennt sein Wer von dem Trank gemeinsam trinkt, muss „âne sînen danc“ den anderen vor allem anderen lieben Wer von dem Trank gemeinsam trinkt, muss einander lieben, werden sie getrennt, erkranken sie (ähnlich Eilhart)
In den ersten vier Jahren ist die Liebe so stark, dass sie erkranken, wenn sie auch nur einen Tag ohneeinander sind → Werden sie eine Woche lang getrennt, sterben sie Der Trank reinigt Isoldes Herz vom Hass auf Tristan, der ihren Onkel tötete → Keine Wirkungsdauer angegeben Tranks lässt die „natürliche“ Liebe zueinander wachsen, sodass nach dem Ablauf der Wirkung des Tranks die Liebe so stark ist, dass sie nicht getilgt werden kann
Nach vier Jahren lässt die Wirkung des Trankes nach und längere Trennungen sind möglich, doch die innige Verbundenheit / “Liebe“ bleibt Brangene sagt, dass der Trank der Tod von Tristan und Isolde sein wird (V. 11709 f) Nach vier Jahren hört der Trank auf zu wirken, doch die durch ihn entstandene Liebe bleibt bestehen
Die Liebenden sind auch nach dem Abklingen der Wirkung des Liebestranks ihr Leben lang in Liebe verbunden→Lebenswirkung Sie zweifeln an der Liebe des anderen (V. 11739) Trank zwingt für 4 Jahre zur Liebe, danach soll tatsächliche Liebe entstanden sein und so stark, dass man ein Leben lang zusammen bleib
„ane dang“- Motiv, unfreiwillig „ane dang“- Motiv Erst Zwang, dann freier Wille
Trank als Rechtfertigung des Ehebruchs, der Lügen und des Verrats an Marke Trank als Begründung, wandelt Hass Isoldes in Liebe Trank als Ursache, lässt Liebe wachsen

Die Auswirkungen der Unterschiede auf die Schuldfrage

Während bei Eilhart der Trank allein für das verwerfliche Verhalten und die Betrügereien von Tristrant und Isalde verantwortlich gemacht wird (der Erzähler betont dies immer wieder), wird der Trank und seine Wirkung ebenso als Rechtfertigung gesehen, um Tristrant und Isalde von ihren Sünden (Ehebruch, Treuebruch, Betrügereien & Verrat) zu befreien, da nicht sie dies wollen, sondern die Wirkung des Tranks sie zwingt, so zu handeln, um einander sehen zu können. Auch bei Gottfried zwingt der Trank die beiden, alles zu tun, um sich sehen zu können. Die Kraft des Trankes wird hier durch seine Fähigkeit, Isaldes Hass gegenüber Tristan in Liebe zu wandeln, unter Beweis gestellt. Der Trank ist Begründung ihrer Liebe. Im Prosaroman ist der Liebestrank die Ursache der späteren „natürlichen“ Liebe der beiden. Während der ersten vier Jahre, der Zeit, in welcher der Trank wirkt, ist es erzwungene Liebe, welche das Verhalten bestimmt. Doch nach Ablauf dieser Zeit soll eine wahrhaftige Liebe die beiden aneinander binden.

Raumkonzepte bei Eilhart und Gottfried

Waldleben bei Eilhart von Oberg

Das Waldleben bei Eilhart wird als eine Notsituation dargestellt. Der Wald dient Tristrant und Isalde dabei als Exil, als Schutz vor dem König und seinen Untertanen. Das Leben dort ist geprägt von Hunger (V. 4757 ff), Kälte und Witterung. Mertens spricht von einem locus terribilis[Mertens 1995:47] – einem harten, schrecklichen Ort. Es unterscheidet sich ganz deutlich vom höfischen Alltag, allein schon bei der Beschaffung der Nahrung wird dies hervorgehoben. Tristrant, Isalde und Kurneval müssen sich von Kräutern ernähren, die sie aufgrund ihrer Lage dennoch wertschätzen (V. 4725-4729). Auch durch den Einfallsreichtum Tristrants gelangen sie zu Wild und Fischen (V. 4732 ff). Die Charaktere müssen selbstständig Handeln bzw. arbeiten, um zu Überleben. Kurvenal beschafft die Materialien (Blätter und Äste), welche Tristrant zum Bau einer einfachen Hütte nutzt (V.4716 ff). Und selbst die Königin Isalde kümmert sich derweil um die Pferde (V. 4720), bleibt also nicht tatenlos. Der Verstand (im Besonderen Tristrants) ermöglicht so zum Teil das Überleben, den größeren Anteil habe dabei vor allem aber die Liebe zwischen Tristrant & Isalde, welche die Strapazen zu einem „Kinderspiel“ mache (V. 4747 ff: ain kindß spil). Dennoch spricht Eilhart hier von Wundern (V. 4771: grovß wunder, da ein normaler Mensch niemals so lange ohne geeignete Nahrung auskommen könnte (V. 4760 ff). Das wird stets mit der Macht der Liebe begründet, wobei das Überleben des Kurnivals selbst wieder als Wunder bezeichnet wird, da er all dies ohne die Minne bewältigen musste (V. 4752). Eilhart gibt sich hier als unwissend.
Der Ort selbst wird als dichter, unwegsamer, wilder Wald beschrieben (V. 4707: der wald waß gar wild) und vor allem durch das harte Überleben charakterisiert. Mertens spricht explizit von einem außerhöfischen Ort.[Mertens 1995:47]Der Wald bietet keine positiven Eigenschaften, lediglich die Fähigkeiten bzw. die Liebe der Figuren ermöglichen, das Beste aus der Situation zu machen. Die vorübergehenden Schutzfunktion ist spätestens mit dem Entdecken durch den Jäger sowie Marke beendet, allerdings war die stetige Gefahr bereits zuvor bekannt und erkennbar (u.a. auch durch das Schwert Tristrants bei Nacht).

Minnegrotte bei Gottfried von Straßburg

Die Minnegrotte bei Gottfried ist laut Mertens ein locos amoenus[Mertens 1995:47] inmitten eines locus terribilis (V. 16765 ff: von disem berge und disem hol sô was ein tageweide wol velse âne gevilde und wiieste unde wilde). Ihre Beschreibung folgt sehr detailliert, allein die Begriffsvielfalt für diesen Ort ist bemerkenswert: hol (V. 16686), der minnenden hol (V. 16705), wilden klûse.(V. 16810), fossiure (V. 16708) usw. Bei der Grotte handelt es sich um einen prunkvollen Ort, welcher aus wertvollen Materialien besteht, u.a. sind die Tore aus Erz (V. 16702), der Boden aus grünem Marmor (V. 16719) oder das Bett aus Kristall (V. 16720 ff). Sonnenlicht kann durch Fenster in die Höhle dringen (V. 16729 ff). Von schlechten Wetter ist nicht die Rede, eine Schutzfunktion gegen äußere Einflüsse (Regen, Kälte etc.) wird ihr somit nicht zuteil. Es ergibt sich stattdessen ein äußerst positives Bild einer kunstvoll erbauten Grotte, welche dem Liebespaar als Lustort dient.[Mertens 1995:47] Es herrscht eine gewisse Idylle, in der die Liebenden ihren gewohnten höfischen Alltag an anderer Stelle nachgehen können. Sie singen gemeinsam, gehen spazieren und Jagen allein aus Vergnügen. Mertens und Bertau sprechen hier von "stundenplangeregelt"[Mertens 1995:50], indem der Alttag in Ruhe und Beschäftigungszeiten eingeteilt wird.[Mertens 1995:49] Erst durch das Erscheinen König Markes und seinem Jagdtrupp wird diese Ruhe gestört.

Unterschiede beider Raumkonzepte

Beide Raumkonzepte behandeln das Leben der beiden Liebenden außerhalb des Hofes, allerdings auf gänzlich unterschiedliche Art und Weise. Während bei Eilhart das harte Leben im Exil geschildert wird, widmet sich Gottfried einer deutlich idyllischeren Darstellung. Das Waldleben stellt ein "rechtloses Leben außerhalb der Gesellschaft"[Mertens 1995:47] vor, in der die Strapazen nur durch die Liebe bzw. Wirkung des Liebestrankes bewältigt werden können. Kurneval nimmt hierbei eine Sonderrolle ein, da er es ohne Liebestrank durchstehen musste, allerdings dafür große Not litt (V. V. 4751) – im Gegensatz zu Tristrant & Isalde. Der Ort wird im Hinblick zur Minnegrotte-Episode relativ gering beschrieben. Es werden ihm nur wenige Attribute genannt. Stattdessen wird vielmehr die negative Lebenssituation (Kälte, Hunger etc.), die sich aus den lokalen Umständen ergibt, anhand der Personen beschrieben. Der Umgang mit den Qualen/Entbehrungen steht demnach im Vordergrund. Bei Gottfried treten diese Qualen erst gar nicht auf. Sie benötigen keine Nahrung, sondern "ernährten" sich allein durch die gegenseitige Minne (V. 16822 ff). Auch erfahren sie scheinbar keine Kälte bzw. Regen während ihres Aufenthaltes. Selbst wenn diese Problematik eintreten würde, könnte die Minnegrotte eine Schutzfunktion ausüben. Da es aber nicht nötig ist, wird ihr allein die Funktion als Lustort[Mertens 1995:47] zuteil. Dies bietet dem Liebespaar die Möglichkeit, ihren gewohnten höfischen Ablauf an anderer Stelle aufzunehmen. Bei Eilhart ist dies nicht möglich, sie befinden sich dort in einem locus terribilis (in diesem Fall ein Wald) und müssen ums Überleben kämpfen. Die Grotte hingegen ist lediglich von einem solchen locus terribilis umgeben, sie selbst allerdings ist ein sogenannter locos amoenus[Mertens 1995:47]. Es bildet nun mehr einen "gesellschaftsfreien Idealzustand"[Mertens 1995:47] für das Paar. Dieser endet erst, als der König Marke in die Nähe der Höhle gelangt und ihnen eine Botschaft zukommen lässt. Bei der Wald-Episode hält das Entdecken des Verstecks die Liebenden nicht auf, sie fliehen weiter noch tiefer in den Wald. Erst durch die schwindende Wirkung des Liebestrankes wird das Leben im Exil bei Eilhart beendet.
Eine Schlüsselszene in beiden Versionen nimmt das Schwert Tristrants bzw. Tristans ein. Bei Eilhart wird es zum Brauch (V. 4783), das Schwert jede Nacht zwischen die Liebenden zu legen. Dies diente dem Schutz in der Nacht. Als allerdings Marke die beiden so vorfindet, deutet er es als körperliche Distanz zwischen den Beiden bzw. als keusche, nicht körperliche Liebe (V. 5083). Bei Gottfried gibt es diesen Zufall nicht. Es handelt sich um eine List Tristans. Nachdem sie den Jagdtrupp König Markes näherrücken hören, legen sie sich zum ersten Mal in das Kristallbett und legen das Schwert zwischen sich. Die Interpretation zu der Marke gelangt, war also gewollt.
Ein weiterer Unterschied in beiden Raumkonzepten nimmt die Beschreibung des Ortes ein. Die Minnegrotte wird ausführlich beschrieben. Die Architektur der künstlichen Höhle wird in zahlreichen Facetten betont und es fällt dem Zuhörer/Leser leicht, sich das Beschriebene vorzustellen. Bei Eilhart wird der Wald, wie bereits erwähnt, nur spärlich vorgestellt. Die schwerwiegenden Problematiken stehen im Vordergrund. Der geringe Umfang dieser Darstellung spiegelt die Einfachheit des Ortes, ohne prunkvolle Materialien (Holz, Geäst statt Edelsteine und Marmor etc.), wider. Statt einer anmutigen Liebesgrotte gibt es nur eine einfache kleine Hütte, die dem Schutz dient und nicht einzig der Minne.
Während bei Gottfried die Minne zwischen Tristan und Isolde und dessen Schönheit im Mittelpunkt steht, wird bei Eilhart die Minne als Kraftquelle und Bezwingerin der Probleme dargestellt. Diese treten bei Gottfried nicht auf, die Minne lässt solche Probleme erst gar nicht zu (z.B Hunger etc.). Kurnival ist darüberhinaus nicht Teil des Lebens im Exil, denn der Zutritt zur Grotte erfolgt nur durch die Kraft der Liebe (V. 17009).

Funktionen der Raumkonzepte

Eilhart´s Waldleben (V.4685ff.) Gottfrieds Minnegrotte (V. 16683ff.)
Verdeutlichung der Trankthematik durch die Erwähnung des Minnetrankes, den Isalde und Tristrant vor dem Waldleben zu sich genommen haben Beschreibung des Waldes erfolgt bei Gottfrieds Minnegrotte weitaus idyllischer als bei Eilhart → mögliche Verdeutlichung des locus amoenus
Trotz der harten Umstände, die in dem Wald herrschen, da dieser Wald waß gar wild (V.4707) haben sowohl Tristrant als auch Isalde durch ihre unzerstörbare Minne dieses Abenteuer als Beglückung überstanden (vgl. V. 4744-4749) Die Liebe zwischen Tristan und Isalde reicht aus, um die Minnegrotte zu überleben
Durch die Wiederholung der harten Umstände, die im Waldleben erfolgen, soll eine Abgrenzung durch Gottfrieds Minnegrotte (schönes Liebesnest) erfolgen Suchen nicht nach Nahrung, Kräutern, Tieren oder desgleichen wie bei Eilhart, Jagen nur als Vergnügen
Brauch zwischen Tristrant und Isalde: wann sie sich gelegten und mit ain ander retten, daß eß geducht genu°g so, sin swert uß zoch jo und legt eß zwischen sich und sie, daß wolt der held nie durch kein ding gelassen (V.4785-4791) → Verdeutlichung des Trankes, der die Beiden zusammenhält (Durch das Schwert soll die körperliche Distanz zwischen den beiden verdeutlicht werden) Ausführliche Beschreibung des von ihnen erbauten Liebeshauses → Verstärkung des locus amoenus

Schlafen nur ein einziges Mal im selben Bett → das Schwert soll hier als Täuschung dienen, da sie sich von König Marke und deren Konsequenzen schützen wollen

Nachdem der König die Beiden im Wald gefunden hat, wird ab dem Zeitpunkt das Spiel mit dem Leben und Tod verdeutlicht, da dieser diesbezüglich verärgert ist Sie führen kein hartes Leben im Wald, sondern ein idyllisches und schönes Leben, welches hier freiwillig erfolgt
Das Verlassen des Waldes ist erst dann möglich, wenn die Wirkung des Minnetrankes nachlässt → Das Überstehen des harten Lebens im Wald war nur durch die Wirkung des Minnetrankes möglich Sie kommen freiwillig zurück auf Bitten des Königs
Erst durch den Nachlass der Wirkung des Trankes ist Tristrant bereit, Isalde wieder an König Marke zu übergeben

Die Isolde-Gestalten

Im folgenden Kapitel soll die Figur der Isalde in Eilharts von Oberg „Tristan“ und die Isolde Figuren in Gottfrieds „Tristan“, sowie das damit verbundene Frauenbild näher beschrieben und verglichen werden. „Mögliche Übereinstimmungen bzw. Divergenzen der Isalde-/Isolde Gestalten Eilharts und Gottfrieds können zum einen mit der Konzeption der Frauengestalten zusammenhängen, die jeder Dichter in seiner Vorlage fand: Eilhart in der 'Estoire' und Gottfried bei Thomas von Bretagne.“ [Mälzer 1991] Zum anderem spielt die zeitliche Einordnung der Werke, wie auch zeitgenössische Einflüsse eine Rolle für die Gestaltung der Isolde-Figuren. In beiden Figurenkonzeptionen finden sich Einflüsse des Frauenbildes aus der keltischen Mythologie und Epik und der irischen Gesellschaft wieder. [Mälzer 1991]

Die Isalde in Eilharts "Tristrant"

Eilhart stellt in seinem Versroman Tristrants Lebensgeschichte und Heldentaten in den Vordergrund (in Tradition der frühen höfischen Epik), weshalb Frauenfiguren bei ihm eine eher untergeordnete, rein funktionale Rolle zugewiesen bekommen. Es wird angenommen, dass Eilhart die Figuren, die ihm in der Estoire vorlagen, nicht neu konzipiert und nur kleine Änderungen an ihnen vorgenommen hat. Bei Eilhart findet sich eine monofigurale Isalde-Konzeption (keine Ausarbeitung der Figur der Mutter von Isalde, vgl. Gottfried). Die Isalde wird als uneinheitliche Figur konzipiert, welche archaisch-mythische Elemente der mythisch keltischen Epik und Gesellschaft enthält, gleichzeitig überwiegen aber vor allem zeitgenössische Werte der höfischen Gesellschaft, welche durch sie repräsentiert werden. [Mälzer 1991]

Isalde wird erstmals in Bezug zu Morolt erwähnt. Dabei wird ihre starke Verbindung zu ihrem Onkel beschrieben (stärker als zum Vater). Hier lässt sich ein Bezug zur matristisch orientierten Gesellschaft (vgl. Gottfried: Konstellation Mutter-Tochter und Schwester-Bruder), wie sie in der frühen irischen Gesellschaft, wie auch in Epik und Mythologie zu finden sind. Der Verzicht auf Rache an Tristrant, wegen des Mordes an Morolt, spiegelt die höfische Auffassung der Frau wieder (vgl. Gottfried), da sich das höfische Umfeld nicht mit dem archaischen Wunsch nach Rache vereinbaren lässt.[Mälzer 1991]

Auch die einzigartigen Heilkünste und die Intelligenz Isaldes sind auf einen mythisch-feenhaften Ursprung zurückzuführen (Ähnlichkeit zur keltischen Feengestalt Morgane). Die Isalde-Figur wird von Eilhart an das zeitgenössische feudal-patriarchale Frauenbild angepasst und repräsentiert somit höfische Tugenden und die höfische Erziehung. „Bezeichnend ist, daß dabei individuelle Aspekte vollkommen fehlen, diese Charakterisierung kann beliebig auf andere Frauengestalten höfischer Romane übertragen werden (beides modifiziert bei Gottfried)“[Mälzer 1991]

Als Isalde von der Behauptung des Truchsesses erfährt, dass dieser den Drachen getötet haben soll, und dass ihr Vater sie infolgedessen dem Truchsess als Braut versprochen hat, reagiert Isalde selbstbewusst. Sachlich begründet sie ihre Zweifel am Wahrheitsgehalt der Behauptung und wehrt sich so gegen die mögliche Heirat. Auch hier lässt sich wieder ein Bezug zu Frauengestalten der irischen Epik und frühen irischen Gesellschaft herstellen: Isalde steht ihrem Vater gleichberechtigt gegenüber und fordert diesen auf, die Aussage des Truchsesses erst zu prüfen. Dieses Selbstbewusstsein und sichere Auftreten (im Gegensatz zu Gottfrieds junger Isolde in dieser Situation) ist auch vergleichbar mit der Isolde Figur im Ur-Tristan. Isalde setzt sich über höfische Konventionen hinweg und stellt unabhängig eigene Nachforschungen zum wahren Drachentöter an. Im Gegensatz dazu steht ihr Verhalten bei der Vereinbarung ihrer Hochzeit mit Marke. Hier ist Isalde passiv und nimmt den Beschluss ihres Vaters so hin. Dies reflektiert die zeitgenössische Ehepolitik, in der die Frau vom Vater verheiratet wird. [Mälzer 1991]

Der Liebesmonolog der Isalde, der auf die Einnehme des Minnetrankes folgt, wird von christlicher Tradition (fehlt bei Gottfried) beeinflusst (gebetähnliche Einwürfe). Isalde schämt sich für die aufkommenden Gefühle, welche nicht mit der höfischen Norm vereinbar sind. Sie versucht ihre Gefühle zu rechtfertigen, indem sie Tristrant als außerordentliche Ritter darstellt (vgl. traditioneller Minnemonolog). Sie sieht sich zunächst als Opfer des Trankes und klagt über die Macht der Minne. Doch dann erkennt Isalde, dass sie selbst es ist, die sich vor den Folgen des Trankes (Tod) retten kann, wenn sie sich mit Tristrant vereint.[Mälzer 1991]

Vergleich von Isalde I und Isalde II (Tristans Ehefrau)

Die Isolde-Gestalten in Gottfrieds "Tristan"

Gottfried entwirft in seinem Werk ein neues Menschenbild und wertet Frauenfiguren auf, indem er sich gegen das typische Frauenbild der mittelhochdeutschen höfischen Dichtung stellt, in der die Frau primär funktionalen Charakter hat und zum Objekt degradiert wird, das höfische Tugenden verkörpert. Damit unterscheidet sich die Frauenkonzeption Gottfrieds von der seiner Vorlage. Während Thomas Frauenfiguren stark von christlichen Moralvorstellungen seiner Zeit geprägt sind, so ist in Gottfrieds Werk ein Bruch mit dieser Tradition zu sehen. Bei Gottfried liegt eine bifigurale Konzeption der Isolde vor (Mutter/alte Isolde und Tochter/junge Isolde), daher „[fallen] der jungen Isolde Gottfrieds zumindest vor dem Minnetrank eine in vielen Punkten andere Rolle und Funktion zu[..] als der Isalde Eilharts“ [Mälzer 1991]

Die alte Isolde

Da die Figur der alten, weisen Isolde, anders als bei Eilhart, in Gottfrieds Werk eine wichtige Rolle einnimmt, lässt sich hier der Vergleich zur matristisch-keltischen Familienstruktur noch ausgeprägter vorfinden (Bruder-Schwester, Mutter-Tochter), da die alte Isolde ebenso wie ihre Tochter, durch die starker Verbindung zu ihrem Bruder Morolt charakterisiert wird. Die Figur der alten Isolde und die Figur der jungen Isolde haben unterschiedliche Funktionsbereiche. Die alte Isolde verfügt über magische Heilkräfte (vgl. Isalde in Eilhart), die auf keltische Mythologie zurückgeführt werden können. Sie ist hier diejenige, die Tristans Wunden versorgt. Ihre Fähigkeiten könnten bei Gottfried, wie auch bei Eilhart „auf denselben archaischen Kontext zurückzuführen sein.“ [Mälzer 1991] Die alte Isolde hat durch ihren heilenden Fähigkeiten Macht über Leben und Tod und nimmt damit den größtmöglichen Machtbereich ein, weshalb die Figur der alten Isalde über die Isalde Eilharts hinauswächst. Ihre Intelligenz und Besonnenheit, wie auch die mystischen Kräfte werden im Vergleich zu Eilharts Isalde deutlicher hervorgehoben. Beide Aspekte (Heilkunst und Intelligenz) ihrer Charakterisierung finden sich im irischen Frauenbild der Epik und der Gesellschaft, samt ihrer matristischen Struktur wieder. So ist die alte Isolde ist den männlichen Figuren ebenbürtig, teilweise sogar überlegen. Sie wird als machtvolle, schöne Königin vorgestellt, die weise, unabhängig und selbständig handelt. Die Eigenschaften prägen auch ihre Tochter Isolde. Die alte Isolde wird als Präfiguration der jungen Isolde angesehen.[Mälzer 1991]

Als Mutter und Tochter davon berichtet bekommen, dass die junge Isolde den vermeintlichen Drachentöter, den Truchsess, heiraten soll, fällt deren Reaktion anders aus als die der Isalde Eilharts. Die junge Isolde ist so schockiert von der Botschaft, dass sie sogar an Selbstmord denkt. Hier ist es ihre Mutter, die sich dem Beschluss des Königs entgegensetzt (sie sieht durch ihre magischen Fähigkeiten, dass der Truchsess gelogen hat) und Nachforschungen anstellt. „Die alte Isolde Gottfrieds ist mindestens so selbständig und aktiv wie die archaischere Isalde.“ [Mälzer 1991] Auch bei der Verhandlung ist es bei Gottfried die alte Isolde, welche in der Verhandlung gegen den Truchsess mit rhetorischer Geschicklichkeit argumentiert. Die junge Isolde schaltet sich nur ein, um ihre Abneigung gegen den Truchsess auszudrücken. [Mälzer 1991]

Die junge Isolde

Die junge Isolde hat im Gegensatz zu Eilharts Isalde keine Heilkräfte, ist somit aus dem materiellen arzatie-Bereich ausgeschlossen. Isoldes Funktionsbereich ist die minne (archaisches Prinzip Eros),welche in ihrem Inneren angelegt ist und die eine metaphorische Heilkraft auf Tristan ausübt. Sie wird von der minne und ihren Gefühlen geleitet und geformt (Unterschied zur alten Isolde). Dabei wird Isolde, durch ihre erotische Ausstrahlung auf Männer, sirenenartig dargestellt(wie im Ur-Trsitan, fehlt bei Eilhart). Ihre Schönheit und Anziehungskraft entstehen durch die minne in Isoldes Inneren, welche sie nach außen trägt. Das ist ein Bruch mit dem höfischen Frauenbild, „welches die Frau des öfteren in einer Rolle darstellt, in der sie ihre wahren Gefühle zu negieren hat.“[Mälzer 1991] Zwar werden auch die höfischen Tugenden wie Lieblichkeit und Jugendlichkeit der Isolde gepriesen, gleichzeitig bricht sie das Frauenbild der höfischen Dichtung durch die umfassende Bildung, die sie erhält, welche über die standesgemäße Erziehung hinausgeht (Bsp. Rhetorik, Sittenlehre). Durch die Fähigkeiten, mit denen die junge Isolde, wie auch die alte Isolde ausgestattet sind, zeigt Gottfried auf, was er Frauen und ihrem Leistungsvermögen zutraut. Zudem unterschiedet sich Isolde von Eilharts Isalde dadurch, dass sie sich durch Tristans Erziehung von einem zurückhaltenden, höfischen Mädchen in eine unabhängige, Tristan intellektuell ebenbürtige Frau verwandelt. Der Minnetrank ist es, der die beschriebene Verwandlung der jungen Isolde abschließt, weil der Minnetrank sie zu ihrer Bestimmung, der minne, führt. Den Liebestrank hat die alte Isolde selbst hergestellt (Bezug zu inselkeltischen Frauen). Als Tristan und Isolde den Trank einnehmen, schämt sich Isolde (nach höfischen Wertvorstellungen) für ihre Gefühle. Da die minne aber bereits in ihrer Natur angelegt ist, kann sich Isolde schnell mit ihrem Schicksal abfinden und beschließt, sich nun vollkommen von der minne leiten zu lassen. Sie nimmt ihr Schicksal selbst in die Hand, indem sie diejenige ist, die als erste auf Tristan zugeht und ihm, mit rhetorischen Geschick, ihre Liebe gesteht. Damit befreit der Liebestrank Isolde von jeglicher Passivität, die sich in der Obhut ihrer Mutter in Irland erkennen ließ. Isolde ist nun frei und selbständig.[Mälzer 1991]

Die Rückkehr-Abenteuer

Rückkehrepisoden bzw. Wiederkehrabenteuer werden sowohl bei Eilhart als auch bei Thomas erzählt. Es gibt allerdings „eine Vielzahl von Überlieferungen, die davon handeln, in welchen Verkleidungen Tristran nach seiner Flucht von Markes Hof die Geliebte immer wieder aufsuchte“ [Haug 2011].

Die Rückkehr-Abenteuer bei Thomas

Thomas schreibt zwei (bzw. drei) Rückkehrepisoden.

In der ersten Episode geht die Motivation eher von Kaedin aus, welcher von der Schönheit der Statuen Brangänes und Isoldes überwältigt ist und die beiden Damen deshalb in Echt sehen will. Tristan und Kaedin verkleiden sich als Pilger und es kommt zu einem Liebestreffen zwischen Tristan und Isolde I. Nach einer Verwechslung mit fliehenden Knappen wird Tristan von Isolde verflucht. Daraufhin verkleidet sich Tristan aufwändig als Aussätziger, um an den Hof zu kommen. Er wird jedoch dennoch von Brangäne erkannt, woraufhin er verjagt wird. Nachdem eine Versöhnung zwischen Tristan und Brangäne stattfindet, kommt es zu einem erneuten Liebestreffen zwischen Tristan und Isolde I.

In der zweiten (bzw. dritten) Episode erfährt Tristan, dass Isolde I in Gedanken an ihn Nachts einen Lederpanzer auf ihrer bloßen Haut trägt. Nachdem er von dieser Handlung erfährt, macht er sich zusammen mit Kaedin verkleidet auf zum Hof Markes. Dort können sie vertraulich mit den Damen sprechen. Da sie aber beim dort stattfindenden Turnier zwei Barone getötet haben, sind sie gezwungen zurück in die Heimat zu fliehen.

Die Rückkehr-Abenteuer bei Eilhart

Bei Eilhart gibt es fünf Rückkehrepisoden.

- Das Wolfeisen-Abenteuer

- Die Episode des „kühnen Wassers“

- Das dritte Rückkehrabenteuer

- Das vierte Rückkehrabenteuer

- Tristrant als Narr

Tristans tödliche Verwundung

Die Gemeinsamkeit bei Thomas und Eilhart liegt darin, dass der Tod durch eine Wunde herbeigeführt wird, welche nicht aus der Geschichte Tristans und Isolts kommt, sondern von außen.

Nampetenis-Episode bei Eilhart

In der Nampetenis-Episode wird das in der Haupthandlung verdrängte Motiv des betrogenen Ehemanns, der seine Ehre rächt, wieder aufgegriffen. Die Ehebruchsgeschichte wiederholt die Dreieckskonstellation Tristran - Isolt - Marke mit Kehenis - Gariole - Nempetenis. Tristran tritt hier als Helfer des Liebhabers Kehenis auf. Nampetenis tut in dieser Geschichte das, worauf Marke immer verzichtet: „Er rächt den Verlust seiner Ehre“ [Bonath 1983], indem er den Liebhaber mit dem Tod bestraft. Tristran als Helfer ergeht es dabei wenig besser. Angesichts der Ergebnisse seiner Racheaktion erfasst allerdings Nampetenis die Reue.

Marke als Nampetenis

Obwohl bei Eilhart Nampetenis als Gegenentwurf zu Marke konzipiert ist, um einen anderen Ausgang der gleichen Situation zu beschreiben, kann er dies nicht aufrecht erhalten. Eilharts Liebesauffassung spielt hier eine große Rolle. Auch wenn er sieht, dass der Ehemann zum Handeln gezwungen wird, da er sonst seine Ehre verliert, sind dessen Handlungen Unsinn, da die Liebenden immer einen Weg finden werden [Bonath 1983]. Der Ehemann steht zwar als „Gewinner“ da, aber bereut selbst diesen „Sieg“. Er dient nur als Hindernis für die Liebe, welches immer wieder überwunden werden muss. Durch diese wiederholende Überwindung zeigt sich immer wieder die Qualität der Liebe. Die Liebenden haben hier kein Bewusstsein für ihre Schuld und jeder der nicht auf ihrer Seite ist, wird zum Minnefeind. Diese Moral kann Eilhart nur schwer aufrechterhalten, da er ja selbst zugibt, dass der Ehemann, auf Grund der Rechtslage, zum Handeln gezwungen ist. Deshalb greift er am Anfang und Ende der Betrugsphase zu einer Entschuldigung für Tristran und Isalde, dem Minnetrank. Das der Treuebruch Tristrans eigentlich nicht zu entschuldigen ist, wird so auf den Trank geschoben. Dies sorgt für das Problem, dass die Liebe zwischen den Beiden gleichzeitig entwertet wird und nicht mehr ist als ein falscher Zauber. Marke verhält sich am Ende, da er die Liebe nur durch den Trank anerkennen kann, also doch wie Nampetenis, nur unter besonderen Bedingungen. Unter normalen Bedingungen wäre er gezwungen genauso zu handeln wie Nampetenis.

Thomas Kritik an der Nampetenis-Episode

„Thomas hat die Nampetenis-Episode nicht nur durch eine andere Episode ersetzt, sondern auch gegen sie polemisiert.“ [Bonath 1983]. Thomas Kritik beschäftigt sich mit dem Punkt, dass Governal als Bote zu Isolt fungiert. Er bezeichnet weiterhin den Ehemann (Nampetenis bei Eilhart) als Zwerg, welcher mit Gift hantiert um ihn negativ zu besetzen.

Tristan der Zwerg bei Thomas

Die Episode wird ersetzt mit der Begegnung Tristrans mit dem Zwerg Tristan, welcher ihn auffordert ihm zu helfen seine Geliebte aus den Händen eines Riesen zu befreien. Tristran lässt sich nach anfänglichem Zweifeln überreden, da die Vernunft ihn dazu zwingt einem Liebenden zu helfen. Tristan der Zwerg fällt im Kampf und Tristran wird mit einem vergifteten Speer verwundet.

Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Anmerkungen und Belege

Alle Versangaben nach: Eilhart von Oberg. Tristrant und Isalde, hg. von Danielle Buschinger und Wolfgang Spiewok, Greifswald 1993. (Greifswalder Beiträge zum Mittelalter 27) <HarvardReferences /> [*Tomasek 2007] Tomasek: Gottfried von Strassburg. Zur Geschichte des Tristanromans, Stuttgart 2007, S. 249-260. <HarvardReferences /> [*Goody/Watt 1986] Jack Goody und lan Watt: Konsequenzen der Literalität, in: Jack Goody/lan Watt/Kathleen Gough (Hgg.), Entstehung und Folgen der Schriftkultur, Frankfurt am Main 1986. S. 63-122. <HarvardReferences /> [*Butzer 1995] Günter Butzer: Das Gedächtnis des epischen Textes. Mündliches und schriftliches Erzählen im höfischen Roman des Mittelalters, in: Euphorion, 89/1995, S. 158ff. <HarvardReferences /> [*Schausten 1999] Schausten, Monika: Erzählwelten der Tristangeschichte im hohen Mittelalter. Untersuchungen zu den deutschsprachigen Tristanfassungen des 12. und 13. Jahrhunderts, München 1999. <HarvardReferences /> [*Mikasch-Köthner 1991] Mikasch-Köthner, Dagmar: Eilharts Minneauffassung und seine Darstellung des Konflikts von Individuum und Gesellschaft-Erster Eindruck, in: Rüdiger Krüger und Joachim Kuolt (Hg.), Zur Konzeption der Tristanminne bei Eilhart von Oberg und Gottfried von Straßburg, Stuttgart 1991, S. 25-30. <HarvardReferences /> [*Mertens 1995] Mertens, Volker: "Bildersaal - Minnegrotte - Liebestrank. Zu Symbol, Allegorie und Mythos im Tristanroman", in: Beiträge zur Geschichte der deutschen Sprache und Literatur 117 (1995), S. 40-64. <HarvardReferences /> [*Wolff/Schröder 1980] Wolff, Ludwig/Schröder, Werner: Artikel: Eilhart von Oberg, in: Kurt Ruh (Hg.), Verfasserlexikon, Bd. 2, Berlin 1980, S. 410- 418. <HarvardReferences /> [*Kuhn 2010] Kuhn, Hugo: Artikel: Gottfried von Straßburg, in: Kurt Ruh (Hg.), Verfasserlexikon, Bd. 3, Berlin/ New York 2010, S. 153-168. <HarvardReferences /> [*Schmid 2000] Schmid, Elisabeth: Artikel: Tristrant und Isalde (Histori von Tristrant und Ysalden), in: Burghart Wachinger (Hg.), Verfasserlexikon, Bd. 9, Berlin/ New York 2000, Sp. 1065- 1068. <HarvardReferences /> [*Keck 1998] Keck, Anna: Die Liebeskonzeption der mittelalterlichen Tristanromane, in: Karlheinz Stierle (Hg.) Beihefte zu Poetica, München 1998, S. 93-123. <HarvardReferences /> [*Stolte] Stolte, Heinz: Drachenkampf und Liebestrank (Zur Geschichte der tristandichtung), in: Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, Goettingen, S. 250-261.<HarvardReferences /> <HarvardReferences /> [*Mälzer 1991] Mälzer, Marion: Eilhart und Gottfried: Komparatistische Analyse ihrer Protagonistinnen, in ebd.: Die Isolde-Gestalten in den mittelalterlichen deutschen Tristan-Dichtungen. Ein Beitrag zum diachronischen Wandel, Heidelberg 1991, S. 78-143.<HarvardReferences /> <HarvardReferences /> [*Haug 2011]Gottfried (von Strassburg). Tristan und Isold hg. von Walter Haug und Manfred Günter Scholz, Bd. 2, Bibliothek des Mittelalters, 2011,Deutscher Klassiker S. 790.<HarvardReferences /> <HarvardReferences /> [*Bonath 1983]Bonath, Gesa: Nampetenis-Tristan der Zwerg: Zum Schluss von Eilharts Tristrant und dem Tristan-Roman des Thomas, in: Dietmar Peschel (Hg.), Germanistik in Erlangen: 100 Jahre nach der Gründung des Deutschen Seminars, Erlangen 1983, S. 41-60.<HarvardReferences />