Race Konzepte im Parzival

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Dieser Artikel untersucht die Konzepte von race, die im Parzival[1] dargestellt werden. Hierbei wird insbesondere auf die Konnotationen in den Beschreibungen der jeweiligen Hautfarben eingegangen und wie die Differenzen durch Erzähler und erzählende Figuren klassifiziert werden. Außerdem wird sich dieser Artikel damit auseinandersetzen, inwiefern Religiösität und Hautfarbe zueinander verhalten. In mittelhochdeutscher Literatur findet man häufig eine gegenseitige Bedingbarkeit von Hautfarbe und Religion. Schwarze Menschen sind häufig heidnisch und ändern bisweilen auch ihre Hautfarbe, nachdem sie getauft wurden. Diese wechselseitige Bedingung schlägt sich auch im Parzival nieder, allerdings findet man hier auch weiße Heiden, was die verschiedenen race Konzeptionen besonders interessant macht.

race im Mittelalter

Das Konzept race [2] beschreibt die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer Gruppe, die laut Ramey auf "some soically selected physical traits" [Ramey 2014: 25]. Rassismus bezeichnet die Bewertung dieser physischen Eigenschaften und Hierarchisierung der Menschen mit eben diesen Eigenschaften. In diesem Kontext wird auch darauf verwiesen, dass "[o]n a spiritual some Christian writers questioned whether everyone had a soul or not, creating a dual-layered categorization of people in which some were privileged by God from the outset" [Ramey 2014: 30]. Vermeintlich wissenschaftliche Grundlagen der Theorie einer biologischen Rasse, wie die Rassentheorie des NS-Regimes, wurden mehrmals widerlegt - Ramey bezeichnet diesen "wissenschaftlichen Rassismus" als "inevitable outcome of thought that preceded it" [Ramey 2014: 37]. Auch im Parzival sind bereits Ansätze von Stereotypen vorhanden. Bereits im Prolog findet sich auch ein Zusammenhang von Judentum und Geld (12, 8 ff.)- ein Stereotyp, das insbesondere durch den Nationalsozialismus verbreitet wurde.

Abhängig vom Kontext kann race Teil einer Identität sein, im Mittelalter trugen jedoch andere Elemente zur Identitätsstiftung bei. Sprache, Recht, Gebräuche und Religion sind Ebenen der In- und Exklusion und somit Teil der kulturellen Identität [Auslander 2010]. In Anschluss an Apiah[3] fügt Ramey hinzu, dass "prior to the modern period religion was the primary indivator of difference and skin color was a marker of disbelief, not the cause of that disbelief" [Ramey 2014: 36].

Die Schönheitsideale des höfischen Romans verlangen eine weiße Haut. Die Begründung für die schwarze Hautfarbe einer Figur liegt laut Oster entweder in der "Herkunft aus einem exotischen Land, [...] [der] Sündhaftigkeit oder Schuld der Figur [...] oder [...] einer körperlichen oder psychischen Krankheit" [Oster 2014: 134] begründet. Das Konzept race beschreibt die Zugehörigkeit eines Menschen zu einer Kategorie, die auf scheinbar physiologischen und genetisch veranlagten Gegebenheiten, basiert. Vermeintlich wissenschaftliche Grundlagen der Theorie einer biologischen Rasse, wie die Rassentheorie des NS-Regimes, wurden mehrmals widerlegt. Je nach Kontext ist die race einer Person identitätsstiftend; im Mittelalter trugen jedoch andere Elemente zur Identität bei. Sprache, Recht, Gebräuche und Religion sind Ebenen der Ausgrenzung und somit der Identitätsstiftung.

In der mittelalterlichen Literatur besteht häufig eine starke Verknüpfung von christlichem Glauben und weißer Hautfarbe. In Sheba's Daughters [de Weever 1998] wird dargelegt, wie in der altfranzösischen Literatur häufig schwarze Sarazenen nach ihrer Taufe nicht nur Religion, sondern auch Hautfarbe wechseln, was daraufhin deutet, dass race hier ein wandelbares religionsabhängiges Konstrukt ist. Strickland beschreibt hier den Wechsel von schwarzer zu weißer Hautfarbe als "a physical manifestation of a moral turn" [Strickland 2012: 381]. In dem Heldenepos Kudrun[4] wird der König Sîfrît von Kârâdie zuerst in Übereinstimmung mit seinem schwarzen Gefolge beschrieben und Kudrun ist ihm swie salwer varwe er ware ze sezehene an sînem lîbe (583, 3: obgleich er an seinem Leib schmutzig anzusehen war[5]) zugetan. Sobald er jedoch die christliche Schwester Herwigs heiraten soll, scheint sîn varwe kristenlîche an dem helde und sîn hâr lag ûf dem houbte als ein golt gespunnen (1664, 2 f.: die christliche Farbe an dem Helden/seine Haare lagen auf dem Haupt gesponnen wie Gold).

Hautfarbe im Parzival

Im Parzival werden nur zwei Hautfarben unterschieden: schwarz und weiß. Feirefiz stellt hierbei eine Mischung beider Farben dar, weshalb er auch als Elster bezeichnet wird. Die Definition eines Schwarzen liefert Hiutegêr, der in Zazamanca Gahmuret sieht und frägt:

mittelhochdeutsch Übersetzung
'wenne oder wie 'Wann oder wie
kom dirre Franzois in diz lant? kam der Franzose in dieses Land?
wer hât den stolzen her gesant? Wer hat den Stolzen hergesandt?
het ich den für einen Môr, Würde ich den für einen Mohren halten,
so waer mîn bester sin ein tôr.' so wäre mein bester Sinn ein Narr.

(37, 16 ff.)

Hier lassen sich wichtige Elemente für das Verständnis von race feststellen: race wird über die lokale Herkunft definiert und wird über die Augen wahrgenommen.

An einigen Stellen kommentiert Wolfram von Eschenbach die Erzählung mit allgemeinen Aussagen, die etwas über Normen und Konventionen der erzählten Welt offenbaren. Diese Aussagen haben eine besondere Gewichtung, da der Erzähler sie selbst ausspricht und nicht über eine Figur vermittelt. Somit fälllt die vermittelnde Funktionen der Aussagen der Figuren weg und der Erzähler trifft selbst eine Aussage. Bereits im ersten Buch stellt er eine Verbindung zwischen Dunkelheit bzw. Schwärze und Bösem her:

mittelhochdeutsch Übersetzung
der unstaete geselle Der untreue Geselle
hât die swarzen varwe gar, enthält die ganze schwarze Farbe
und wirt och nâch der vinster var: und wird auch nach der Finsternis geraten:
sô habet sich an die blanken An die Weißen hält sich
der mit staeten gedanken der mit festen Gedanken.

Hier wird nicht nur eine Verknüpfung des „unstaete[n] geselle[n]“ (1,10: unsteten Gesselen) und Schwärze gebildet, sondern auch ein Zusammenhang von Helligkeit und „staeten gedanken“ (1, 14: steten Gedanken) etabliert. Diese Farbkonnotation setzt sich fort, indem Gott als „helle[r] wirt“ (119, 25: heller Herr) und der Teufel als „swarz“ (119, 26) dargestellt wird. Zwar durchbricht Wolfram von Eschenbach seine Dichotomie, indem er die agelstern varwe(1, 6: elsternfarben) einführt, doch trotzdem wird diese Zuordnung im Text bisweilen bestätigt.


Bereits vor Parzivals Geburt werden erste race Konzepte eingeführt, wenn Gahmurets Erzählung einsetzt. Gahmuret gelangt nach Zazamanc, wo er die schwarze Königin Belacâne trifft und zur Frau nimmt, und schließlich verlässt, weil seine Rastlosigkeit überhand gewinnt. Während seiner Flucht trifft er auf einen Kapitän, der darauf besteht, dass sie leise sind, damit sicher sind, vor den die tragent daz swarze vel (55, 5: vor denen, die das schwarze Fell tragen). Die Tatsache, dass zuvor erwähnt wird, dass der Kapitän niht [was] als ein Môr gevar (55,2: nicht wie ein Schwarzer gefärbt war) macht deutlich, dass hier eine starke Diskrepanz zwischen Schwarzen und Weißen besteht. Zwischen Gahmuret und dem namelosen Kapitän bildet sich eine Verbindung über ihre gemeinsame Hautfarbe und den gemeinsamen Gegner, vor dem sie fliehen wollen. Innerhalb der erzählten Welt des Parzival ist die Hautfarbe eine Möglichkeit der geografischen Zuordnung, wie durch Hiutegêr (vgl. 37, 16 ff.) offensichtlich wird. Seine Aussage ist jedoch nicht wertfrei; zwar werden die Schwarzen nicht abgewertet, jedoch wird ein Gemeinschaftsgefühl aufgebaut, dass auf der jeweiligen race beruht.

Darstellung einzelner Figuren

Gahmuret und Belacâne

Obwohl Gahmuret sich im Dienst des Barûc befindet, hat er doch einen negativen Eindruck von den schwarzen Bewohnern Zazamancs (17, 20).Trotz seiner späteren Beziehung zur schwarzen Heidenkönigin Belacâne und der Betonung, dass er nicht aufgrund ihrer Hautfarbe von ihr gegangen sei, zeigt sich hierbei eine "[r]assische Überheblichkeit" [Ebenbauer 1984: 16f.], die sich in Gahmurets Furcht vor diu wîle lanc (17, 26: die lange Weile) äußert, mit der er den Schwarzen Primitivität unterstellt. Doch auch die Beziehung zwischen Gahmuret und Belacâne nimmt keinesweigs einen guten Anfang. Während Belacâne "Rassenkomplexe" [Ebenbauer 1984: 17] hat, werden diese durch Gahmurets Widerwillen sie zu küssen, bestätigt (20, 26). Erst nachdem Belacâne ihm ihre Umstände - der Tod Isenharts und die Konsequenzen - geschildert hat, zeigt er Intersse an ihr. Ebenbauer bezeichnet hierbei gahmurets Sinneswandel als Revision des Vorurteiles, "daß heidnische Frauen weniger wîplichen sin hätten, daß kiusche und Heidentum sich nicht vertrügen" [Ebenbauer 1984: 17]. Gahmuret, der von Belacânes Äußerlichkeit erst einmal abstoßend findet, fühlt sich nun aufgrund ihrer Verkörperung von christlichen Werten zu ihr hingezogen. Diese These schließt direkt an die Keuschheitsnormen für die Gralsgesellschaft und für die Heiden an. Der Reiz, den Belacâne für Gahmuret ausmacht und in brâhte dicke in unmaht (35, 29: ihn ziemlich machtlos machte), liegt in ihrer "erotischen Ausstrahlung" [Ebenbauer 1984: 18]. Auch wenn der Text Belacâne nicht negativ darstellt, wird doch im Vergleich offensichtlich, dass Wolfram von Eschenbach sie nicht "auf die höhe anderer Frauengestalten wir Sigune oder Kondwiramurs" [Ebenbauer 1984. 19] hebt. Insbesondere bei Herzeloyde wird das Superioritätsgefühl der weißen christlichen Figuren hervorgehoben, die das Sakrament der Taufe über die Beziehung von Gahmuret zu einer schwarzen Heiden stellen (vgl. 94, 10 ff.). Abschließend kommt Ebenbauer zu dem Schluss, dass Wolfram von Eschenbach bei Belacâne eine Unterscheidung der Äußerlichkeit als schwarze Heidin und der "weißen", tugendhaften Innerlichkeit durch ihre (sexuelle) Reinheit und ihre Tränen macht [Ebenbauer 1984: 30].

Feirefiz

Feirefiz' Éntwicklung ist bisweilen eine Spiegelung der Entwicklung Gahmurets, der auch seine erste schwarze, heidnische Frau verlässt, um weiterhin Ehre erlangen zu können und anschließend durch einen Gerichtsspruch mit der weißen, christlichen Königin Herzeloyde verheiratet wird. Auch wenn der Erzähler Feirefiz durchweg positiv darstellt und seine fleckenhafte Hautarbe als Merkmal der Einzigartigkeit hervorhebt, bezeichnen weiße Figuren seine Flecken als vremdiu mal (758, 5). Diese Fremdartigkeit und Exotik seiner gescheckten Hautfarbe wird durch die höfischen Damen fetischisiert und sexualisiert (774, 1ff.). Rückblickend betrachtet, wird offensichtlich, dass Feirefiz' Entwicklung nur auf seine abschließende Integration durch die Taufe in die Gralsgesellschaft hinausläfut, die wiederum schließlich dazu führt, dass Indien missioniert wird. Wenn salama bei der Gegenüberstellung von Gahmuret, Parzival und Feirefiz "Assoziationen der Trinität" [Salama 2014: 7] sieht, so stellt dies eine Einordnung in einen heilsgeschichtlichen Diskurs dar. Doch auch Feirefiz' Hautfarbe ist ein Merkmal der Fremde und des Vertrauten, aber auch gleichzeitig eine visuelle Vereinigung des Christentums und des Orients, die auch nach seiner Taufe beständig bleibt.

Religion und Hautfarbe

Die oben benannten Beispiele zeigen, dass in der mittelalterlichen Literatur eine Korrelation von Religion und Hautfarbe besteht. Im Parzival werden jedoch von Belacâne auch weiße Heiden (vgl. 29, 5) erwähnt und der schwarzweiß gefleckte Feirefîz kann sich taufen lassen. Dies deutet darauf, dass hier ein etwas anderes Verhältnis von Religion und Hautfarbe besteht.

Im Verlauf der Erzählung wird in kurzen Diskursen der heidnische Glauben als polytheistische Religion und dadurch lächerlich gemacht. Diese Momente der Komik stellen das Heidentum als eine Verführung des Teufels dar. Bei Belacâne und Gahmuret wird auch deutlich, dass ihr heidnischer Glaube ein Manko der Beziehung ist: Auch wenn Gahmuret ihr keine Vorwürfe macht, greift er dennoch schließlich als Ausrede auf diese Diskrepanz zurück und legitimiert damit den Glaubensunterschied als Grund zu gehen. Während Belacâne bereit ist sich taufen zu lassen (vgl. 56, 27 ff.), wird Gahmurets Verhalten nicht sanktioniert und auch hierin liegt eine implizite Legitimation seines Verschwindens. Bereits die Möglichkeit einer Taufe einer schwarzen Heidin und die tatsächliche Taufe eines gescheckten Heiden weisen darauf hin, dass im Parzival der Zusammenhang von Hautfarbe und Religion nicht auf einer wechselseitigen Übereinstimmung beruht, sondern dass die Religion - eine Überwindung - zumindest in eine Richtung - zulässt. Ebenbauer schlusfolgert, dass für Wolfram von Eschenbach "Hautfarbe und Religion [...] etwas Verschiedenes [seien]. Die Frage der Religion ist lösbar, die Taufe eine erfüllbare Bedingung, ja eine heilsgeschichtliche Notwendigkeit. Die Hautfarbe hingegen ist unveränderbar." [Ebenbauer 1984: 27]

Fazit

Schwarze Hautfarbe wird als fremdartig klassifiziert, diese Fremdartigkeit hat eine exotische Anziehungskraft auf die weißen Mitglieder der höfischen Welt. Feirefîz wird von den höfischen Damen sogar fetischisiert. Diese Fremdartigkeit wird allerdings durch die schwarzen Figuren selbst nicht negativ betrachtet. Es ist durchaus Verständnis für die Angst vor dem Fremden da.Ebenbauer kommt im Zusammenhang mit schwarzen Frauen zu dem Schluss, dass sich "das Andersartige als Reiz, als sinnlicher Reiz" [Ebenbauer 1984: 41] äußert. Doch im Parzival ist dies nicht nur der bei Belacâne, sondern auch der als Fremder codierte Feirefiz wird unter anderem durch seine schwarzen Flecken fetischisiert. Der Zusammenhang von Religion und race ist insoweit anders konzipiert als in Teilen der mittelhochdeutschen Literatur, dass es eine Überschreitung der Heiden zum Christentum möglich ist, wenn die Gesellschaft eine Taufe für legitimiert und relevant hält.

Anmerkungen

  1. Es wird unter Angabe von Strophen und Verszahl zitiert nach: Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
  2. Aufgrund der negativen Konnotierung des deutschen Wortes "Rasse" wird der Terminus "race" benutzt.
  3. Appiah, Kwame Anthony: Race. in: Lentricchia, Frank; McLaughlin, Thomas: Critical Terms for Literary Study, Chicago/London 1990, S. 274 - 287.
  4. Es wird unter Angabe von Strophen und Verszahl zitiert nach: o. V.: Kudrun. Mittelhochdeutscher Text nach der Ausgabe von Bartsch/Stackmann. Übersetzung und Kommentar von Uta Störmer-Caysa (Hrsg.), Stuttgart 2010.
  5. Die Übersetzungen stammen im Folgenden alle vom Autor des Artikels.

Literaturverzeichnis

<HarvardReferences />

[*Auslander 2010] Auslander, Diane: Race and Ethnicity in the Middle Ages, in: Classen, Albrecht (Hrsg.): Handbook of medieval studies: terms, methods, trends 2. Berlin/New York 2010, S. 1155 - 1170.

[*de Weever 1998] De Weever, Jacqueline: Sheba's Daughters. Whitening and Demonizing the Saracen Woman in Medieval French Epic. New York/London 1998.

[*Ebenbauer 1984] Ebenbauer, Alfred: Es gibt ain mörynne vil dick susse mynne. Belakanes Landleute in der deutschen Literatur des Mittelalters, in: Zeitschrift für deutsches Altertum und Literatur 113 (1984), S. 16–42.

[*Oster 2014] Oster, Carolin: Die Farben höfischer Körper. Farbattribuierung und höfische Identität in mittelhochdeutschen Artus- und Tristanromanen. Berlin: 2014.

[*Ramey 2014] Ramey, Lynn T.: Black legacies. Race and the European Middle Ages, Gainesville 2014.

[*Strickland 2012] Strickland, Debra Higgs: Monstrosity and Race in the Late Middle Ages, in: Mittman, Asa Simon (Hrsg.): The Ashagte research companion to monsters and the monstrous, Farnham/Burlington 2012, S. 365 - 386.