Tiere und ihre Bedeutung (Wolfram von Eschenbach, Parzival)

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In diesem Artikel wird die Bedeutung der Tiere im Parzival beschrieben. Hierzu soll ein Überblick über die Tiere und ihren Gebrauch im Parzival gegeben werden. Die nur metaphorisch verwendeten Tiere, sowie die Tiere, die z.B. lediglich in Wappen vorkommen, sollen dabei außen vor bleiben. In diesem Überblick wird die Bedeutung der Tiere im Parzival herausgearbeitet und teilweise auch auf deren allgemeine Bedeutung im Mittelalter hingewiesen. Am Ende werden die Funktionen, die diese Tiere im Parzival erfüllen, noch einmal knapp zusammengefasst werden.

Tiere im Parzival

Reale Tiere

Vögel

Die Vögel im Parzival können in mehrere Gruppen aufgeteilt werden: Zum einen spielen sie eine Rolle als nicht näher definierte Gruppe, zum anderen werden insbesondere Jagdvögel immer wieder genannt. Außerdem wird im Zusammenhang mit dem Gral auf einige Vögel verwiesen, die teils realen Vögeln entsprechen, wie die Taube, teilweise aber mystisch-orientalischer Art sind, sodass diese letzteren unter den "Mystischen Tieren" weiter unten aufgeführt werden. Im Bezug auf den Gral wird an dieser Stelle nur auf die Taube verwiesen.

Davon abgesehen kommen Vögel auch als Nahrungsmittel mehrmals vor. Auf diese wird aber nicht weiter eingegangen werden, da es zu diesem Thema einen eigenen Artikel gibt.

Waldvögel

Gleich zu Beginn von Parzivals Werdegang wird davon berichtet, dass er im Wald von Sôltane Vögel mit bogen und bölzelîn (118,4) jagt. Er weint jedoch, wenn die Vögel tot vor ihm liegen, weil ihn der Gesang der Vögel zwar bewegt, er aber trotzdem eines dieser Tiere getötet hat. Im gleichen Absatz wird auch beschrieben wie sehr ihn der Gesang bewegt:

erne kunde niht gesorgen, __________ Er kannte keinen Kummmer, __________
ez enwære ob im der vogelsanc, __________ außer wenn über ihm die Vögel sangen; __________
die süeze in sîn herze dranc: __________ das drang ihm so süß ins Herz und __________
daz erstracte im sîniu brüstelîn. __________ machte ihm sein Kinderbrüstlein weit. __________
al weinde er lief zer künegîn. __________ Weinend lief er dann zur Königin. __________ (118, 14 - 18)


Wie man in dieser Textstelle sieht, rührt der Gesang das Kind zutiefst. Es kann seiner Mutter gegenüber aber nicht in Worte fassen was ihn rührt und zum Weinen bringt. Sobald Herzeloyde versteht, dass der Gesang der Vögel diesen Effekt auf Parzival hat, versucht sie die Vögel töten zu lassen, was sich aber als unmöglich herausstellt. Parzival versteht das Verhalten seiner Mutter nicht und bittet sie, dem Morden Einhalt zu gebieten.

Diese Stelle ist aus zwei Gründen interessant: Zum einen ist die Musik eine höfische Kunst und verweist somit auf das Leben bei Hofe, das die Mutter aber durch ihr Leben in der Ödnis zu umgehen sucht. Parzival jedoch trägt durch seine edle Herkunft die Liebe zum Höfischen im Blut, was in 118, 28 durch das Verb twang hervorgehoben wird. Dieses Wort zeigt, dass es sich um etwas Gewalttätiges, Natürliches handelt dem, er sich nicht entgegenstellen kann. Genauso wie Herzeloyde die Natur nicht bezwingen und alle Vögel töten kann, kann sie auch die Natur Parzivals nicht ändern und ihn nicht von einem Leben als Ritter fernhalten.

Die Gewalt gegen eine unbestimmte Anzahl an Vögeln, die sich dieser Mordaktion so leicht entziehen können, wirkt fast schon lächerlich und die Gewalt an sich maßlos übertrieben. Auch Parzival begreift dieses Verhalten nicht. Erst durch seine Frage erst erkennt Herzeloyde wie sehr sie sich gegen die Natur und eine höhere Ordnung auflehnt - aufgrund ihrer Liebe zu ihrem Sohn. Somit verweist diese Stelle auf die Zukunft und rechtfertigt, warum Herzeloyde durch die Abreise Parzivals zu Tode kommt: Sie verliert den einzigen verbleibenden Sinn in ihrem Leben. [Lewis 1974: vgl. 135 f.]

Diese Episode ist aber auch deshalb aussagekräftig, weil Parzival seiner Mutter gegenüber nicht artikulieren kann, was ihn bewegt und somit auf die Schwierigkeiten verwiesen wird, die er während seines Werdegangs haben wird: Er muss sich die höfische Welt erst erschließen und lernen ihren Regeln und Vorstellungen gemäß zu leben und zu handeln. Er kann für die Musik als ein Motiv der höfischen Welt noch keine Worte finden, da diese Welt ihm noch unbekannt ist. Somit weist diese kleine Vogelepisode auf die zukünftigen Ereignisse und die Entwicklung Parzivals hin.

Jagdvögel

Jagdvögel sind im Parzival häufig anzutreffen und durchweg positiv konnotiert. Sowohl Sperber als auch Falken sind Teil des Jagdtopos und als solcher sind auch sie Ausdruck höfischer Kunst. Jagdvögel sind darüber hinaus aber auch sehr wertvoll, was in der Beizjagd König Vergulahts deutlich gezeigt wird. Denn während dieser Jagd rettet der König selbst Falken aus einer Gefahr und schont dabei weder sein Pferd noch seine Kleidung, sondern verliert beide durch diese Rettungsaktion:

sîn ors verlôs er umbe daz, __________ Zwar konnte er die Falken aus ihrer Not erlösen,
dar zuo al diu kleider sîn. __________ doch ging ihm sein Pferd dabei verloren
(doch schiet er valken von ir pîn): __________ und seine Kleider noch dazu.
daz nâmn die valkenære. __________ Das alles nahmen sich die Falkner.
ez was ir reht, si soltenz hân: __________ Es war ihr Recht und Privileg, daß ihnen das gehörte,
man muose och si bî rehte lân. __________ und ihr Recht konnte man ihnen nicht nehmen. (400,24-27, 29-30)

Jagdvögel sind aber nicht nur wertvoll, sondern sind auch ein positives Indiz, wenn sie in Verbindung mit Menschen auftreten, da sie diese Menschen durch ihre Anwesenheit gewissermaßen charakterisieren. So wird die erste Begegnung Gwans und Plippalinots beschrieben und Plipalinot hat bei dieser Gelegenheit einen mûzersprizelîn (544, 3), einen Sperber, auf der Hand. Das Aufeinandertreffen Gawans und Plipalinots wirkt bedrohlich, doch der Sperber relativiert diesen Eindruck, was im Laufe der Handlung bestätigt wird: Er erweist sich nicht als Feind, sondern im Gegenteil als der entscheidende Ratgeber Gawans im Kampf um Orgeluse. Der Sperber tritt nachher zusätzlich als Ernährer auf, indem er Lerchen fängt, die Gawan vorgesetzt bekommt. Dies beschreibt den Sperber nicht nur als wertvollen Besitz, sondern auch als wichtiges Hilfsmittel und zeichnet Plipalinot gleichzeitig auch als Falkner aus. [Lewis 1974: 100]

Taube

Die Taube taucht zwar nicht oft im Parzival auf, ist aber in der Gralswelt von grundlegender Bedeutung: Die Taube macht den Gral erst wirksam, indem sie ihn jedes Jahr am Karfreitag gleichsam "auflädt".

Ez ist hiute der karfîtac, __________ Es ist heute wieder der Karfreitag: __________
daz man für wâr dâ warten mac, __________ Da kann man - das ist wirklich so - __________
ein tûb von himel swinget: __________ eine Taube sehen, die kommt vom Himmel geflogen __________
ûf den stein diu bringet __________ und bringt dem Stein __________
ein kleine wîze oblât. __________ eine feine, weiße Oblate; __________
ûf dem steine si die lât: __________ auf dem Stein legt sie die nieder. __________
diu tûbe ist durchliuhtec blanc. __________ Diese Taube ist durch und durch leuchtend weiß, __________
ze himel tuot si widerwanc. __________ und sie kehrt zurück zum Himmel. __________ (470, 1-8)

Die Beschreibung der Taube, die nicht nur weiß, sondern sogar durchliuhtec blanc (470, 7) ist, weist auf ihre Funktion hin: Sie ist transzendent, da sie das Überirdische, Göttliche mit dem Irdischen und Menschlichen verbindet. Sie verkörpert diese beiden Pole, da sie sowohl ein Tier ist und deshalb dem Irdischen zuzuordnen ist, als auch durch ihr leuchtendes Weiß und ihren Aufenthaltsort klar Teil des Himmlischen ist. Sie überschreitet die Grenzen des Irdischen und kann in ein Jenseits und zurück wechseln, was sie als transzendentes Element auszeichnet. Dieser Grenzgang ist nicht neu, sondern aus dem Neuen Testament bekannt, was ihre Funktion nur bestätigt. [Lewis 1974: 112 f.] Denn da fliegt, nach der Taufe Jesu, "der heilige Geist [...] hernieder auf ihn in leiblicher Gestalt wie eine Taube" und wird auch begleitet, allerdings nicht von einer Oblate wie im Parzival, sondern von einer Stimme, die sagt: "Du bist mein geliebter Sohn; an dir habe ich Wohlgefallen." [Lukas 3, 22] Hier also schon ist die Verbindung des Göttlichen und Leiblichen und somit Irdischen durch eine Taube vorgezeichnet.

Schwan

Am Schluss des Epos wird von Lohengrin, dem Sohn Parzivals, berichtet, der mit seinem Schwan zur Fürstin von Brabant gelangt. Dabei kommt dem Schwan eine besondere Bedeutung im Epos zu: Er ist das einzige Tier, das als friunt (826, 16) bezeichnet wird. Somit ist er also nicht nur Bote und "Transportmittel", sondern hat ein besonders enges Verhältnis zu seinem Herrn, dem Gralskönig Lohengrin. Davon abgesehen ist er, genau wie das andere wichtgie Tier im Zusammenhang mit dem Gral, die Taube, ein Vogel und kann somit auch als dezenter Verweis auf die Herkunft des Helden und seines Begleiters sein, von der niemand in Brabant etwas weiß. [Lewis 1974: vgl. 137]

Pferde

Die Pferde im Parzival erfüllen, bis auf einige Ausnahmen, die Funktion, die man auch aus anderen Epen des Mittelalters kennt: Das Pferd ist zunächst schlicht ein Transportmittel. Das Pferd ist für jeden Ritter aber auch insofern wichtig, als es eine Voraussetzung für die Tjost darstellt. Zusätzlich gibt dieses Tier häufig Informationen über seinen Besitzer preis, wie zum Beispiel dessen Stand innerhalb der Gesellschaft oder auch seine persönliche Lage.

Streitrösser und andere Pferde

Im Parzival wird Kastilien als die Herkunft mehrerer Streitrösser. Diese Pferde scheinen von besonderer Qualität zu sein, da immer wieder betont wird, dass sie besonders edel sind. Jeodch werden diese Pferde kaum näher beschrieben oder als "eigenständiges" Wesen mit einer eigenen Funktion innerhalb des Werkes herausgearbeitet. Diese Streitrösser haben, abegsehen von ihrer primären Funktion als Transport- und Kampfmittel, nur die Aufgabe auf das Höfische zu verweisen und sind wie prächtige Kleider, gemeinsames Essen, Tjost und Musik Motive des Höfischen.

Ein anderer "Typ" Pferd, dem man in diesem Epos begegnet, ist der unansehnliche Klepper, der die Funktion hat ein Gegenbild zum höfisch-wertvollen Tier darzustellen und somit gleichzeitig auf den Zustand seines Herrn oder seiner Herrin verweist. Sowohl Parzival, als auch Jeschute und Gawan durchleben eine Episode auf einem solchen Pferd.

Parzival wird von seiner Mutter auf einem alten Pferd in die Welt entlassen, weil diese hofft, dass er schneller zurückkehrt, wenn er aufgrund seiner Kleidung und seines Pferdes verspottet wird. Dies geschieht jedoch nicht. Aufgrund seiner Unwissenheit kämpft er mit einem Verwandten und begeht so den ersten Frevel: er tötet seinen nahen Verwandten Ither, ohne von ihrer Verwandschaft zu wissen. Sowohl Ithers, als auch Parzivals Pferd jedoch beklagen dessen Tod, was man als Klage und Trauer über den begangenen Frevel lesen kann, den Parzival durch diese Tat begangen hat.

Jeschute muss ein ganzes Jahr lang auf einem alten Klepper reiten. Ihr Mann straft sie damit, weil er meint, dass sie ihn betrogen habe. Er lässt sie nur notdürftig bedeckt auf diesem Pferd reiten, nachdem er selbst den Sattel noch kaputt gemacht hat. Hier verweist das Tier sowohl auf die Schande, die sie ertragen muss, da das Pferd den Gegensatz zur Höfischen Welt darstellt und so ihre Position außerhalb dieser höfischen Welt nicht nur abbildet, sondern im wahrsten Sinne des Wortes erfassbar macht.

Auch Gawan kommt in die Verlegenheit ein solches Tier reiten zu müssen und muss sogar eine Tjost auf einem solchen Pferd bestehen. Er muss nämlich das Pferd Malcreatiures reiten, welcher ein Diener Orgeluses ist und der dieses Pferd zudem gestohlen hatte. Zudem ist Orgeluse, die Frau seines Herzens, die ihn zudiesem Zeitpunkt aber noch verschmäht, während dieser Episode bei ihm, was für ihn die Situation nur noch unangenehmer macht.


Gralspferde

Im Parzival werden mehrere Pferde aufgeführt, deren Besonderheit darin besteht, dass sie von der Gralsburg kommen. So besitzen sowohl Orilus, als auch Gawan und Parzival ein solches Pferd.

Von Gringuljete, dem Pferd Gawans, heißt es, dass es rôte[n] ôren (229, 29) hat und von Muntsalvâsche (340, 1) kommt. Dieses Pferd erhält Gawan von Orilus als Geschenk. Dieser wiederum hat es von seinem Bruder, König Lähelin, bekommen, der das Pfer in einer Tjost erkämpft und dabei einen Gralsritter getötet hat. Wie wichtig Gawan dieses Pferd ist, kann man an seiner Reaktion erkennen, als der Fährmann Plippalinot es nach einem Kampf Gawans, als ihm zustehende Abgabe verlangt. Gawan möchte sein Pferd auf keinen Fall weggeben und bietet deshalb Plippalinot den besiegten Ritter an, den dieser dankend annimmt. Der Wert des Ritters ist sehr groß, wie aus dem folgenden Textausschnitt zu entnehmen ist:

fünf hundert ors starc unde snel __________ fünfhundert starke, schnelle Rösser __________
ungern ich für un næme, __________ nähme ich ungern für ihn; __________
wand ez mir niht gezæme. __________ damit wäre er mir nicht recht bezahlt. __________ (546, 18 - 20)

Dieser Handel zeigt, wie unersetzbar Gringuljete für Gawan ist. Die Unersetzlichkeit wird etwas später noch unterstrichen: Gawan gerät beim Kampf um Orgeluse in Lebensgefahr, als er über eine Schlucht und wieder zurück springen muss. Der erste Sprung reicht leider nicht aus, sodass Reiter und Pferd im Fluss der Schlucht landen und Gawan beide erst im letzten Moment retten kann. Bei der Rückkehr gelingt der Sprung ausdrücklich nur deshalb, weil Gringuljete sînen sprunc so wîte [nam] daz Gâwân vallen gar vermeit (611, 14-15). Die letztliche Rettung aus dieser gefährlichen Situation ist also nicht allein das Verdienst Gawans, sondern muss auch seinem Pferd zugesprochen werden. An dieser Stelle kann man sich jedoch fragen, ob die Hilfe tatsächlich von seinem Pferd und dessen Tapferkeit ausgeht, oder der Tatsache geschuldet ist, dass es ein Gralspferd ist und deshalb göttliche Intervention und Hilfe darstellen könnte. Gawan selbst unterstützt diese Überlegung in folgender Textstelle und beantwortet die Frage nach der Herkunft der Hilfe.

wer hât dich sus gewâpent sider? __________ Wer hat dir diese neue Rüstung angezogen? __________
ob duz bist, got hât dich wider __________ Wenn du es bist, dann hat dich Gott, __________
mir schône gesendet, __________ der oft das Üble zum Guten wendet, __________
der dicke kumber wendet. __________ wirklich schön zurück zu mir gesandt. __________ (540, 21-24)

Auch Parzival weiß um die Verbindung der Gralspferde zu Gott, steht jedoch seinen Pferden grundsätzlich ganz anders gegenüber als Gawan. Während für Gawan sowohl sein Pferd Ingliart, als auch sein Gralspferd Gringuljete fast schon den Status eines Freundes besitzen, [Lewis 1974: 123] sind für Parzival die Pferde nur Mittel zum Zweck. [Lewis 1974: 127 f.] Parzival setzt sein Gralspferd, welches er nach der Flucht eines Gralsritters besitzt, bewusst ein, um der Gralsburg, die er schon so lange sucht, näher zu kommen. Dazu lässt er seinem Pferd nicht nur die Zügel locker, wie schon bei seinen vorherigen Pferden mehrmals geschehen, sondern treibt es zusätzlich noch "mit den sporn [...] vaste" (452, 12) an.

Maultiere

Die Gralsbotin Cundrîe reitet auf einem Maultier zur Artusgesellschaft, um Gawan und Parzival Vorwürfe zu machen. Das Maultier wird bei dieser Gelegenheit auch näher beschrieben:

ein mûl hôch als ein kastelân, __________ Ein Maultier, hochbeinig wie ein Kastilianer, __________
val, und dennoch sus getân, __________ mit aufgeschlitzten Nüstern, __________
nassnitec unt verbrant, __________ fahl und dennoch verbrannt wie die Grenze von Mähren __________
als unerschiu marc erkant. __________ eine Mähre eben. __________ (312, 7-10)

Wie man sehr schön sehen kann, werden im Maultier Gegensätze vereint: Zum einen werden seine Beine mit denen eines edlen Kastilianers verglichen, andererseits sind seine Nüstern aber aufgeschlitzt, seine Farbe hat totenähnliche Züge (fahl) und auch die Mähne ist durch das Wort verbrant negativ besetzt. Die Doppelnatur [Lewis 1974: 132], die das Maultier aufgrund seiner Abkunft von einer Pferdestute und einem Eselshengst sowieso schon verkörpert, wird durch diese Gegensätze auf einer weiteren Ebene noch verstärkt. Die Beschreibung und Betonung dieser Doppelnatur verweist auf die Natur Cundrîes, die im Laufe der Erzählung zu Tage tritt: Sowohl ihr Äußeres und ihr Inneres, als auch die Tatsache, dass sie, genau wie die Gralstaube auch eine transzendente Botin ist, machen sie zu einem Wesen, das Gegenätzliches miteinander in ihrer Person vereint.

Wilde Tiere

Unter "wilde Tiere" sind Tiere gemeint, die nicht von Menschen gezüchtet oder als Nutztiere gehalten werden, sondern wild in ihrem jeweiligen Lebensraum leben. Innerhalb des Parzival fallen der Hirsch und der Löwe darunter.

Hirsche

Der Hirsch ist eng an den Topos der Jagd und des Hofes gebunden. Die Kunst zu jagen ist eine dem Adel vorbehaltene und deshalb dem Hof zugehörige Betätigung gewesen. Zu Beginn ist Parzival ein in höfischen Dingen unwissender Junge, von dem aber gesagt wird, dass er Hirsche erjagen kann (124, 12-14). Im darauffolgenden Satz wird aber betont, dass er "vil tumpheit" (124, 16) offenbare. Hier ist also die Funktion des Hirsches diejenige, auf die guten Anlagen des Jungen zu verweisen, die er trotz unhöfischer Erziehung erworben hat. Gleichzeitig wird an diesem Beispiel aber deutlich, dass er die Tiere mit seinem "gabylôt" (124,13), einer Art Bauernspieß, zwar töten kann, dies jedoch nichts mit der höfischen Kunst des Jagens zu tun hat.

Löwe

Gawan kämpft auf Schastel marveile mit einem starken (571, 12) Löwen, der so groß ist, "als ein ors sô hôch" (571, 13) und mit nur einem einzigen Schlag alle Krallen durch den Schild schlägt (vgl. 571 24 f.). Nicht nur seine Größe und Stärke sind jedoch auffallend und werden noch durch hunger (571, 18) verstärkt, sondern auch sein Mut ist außergewöhnlich, denn er lässt sich durch das Abschlagen eines Beines durch Gawan nicht beirren und springt stattdessen einfach ûf drîen füezen (571, 30) weiter. Die Kräfte des Löwen und Gawans scheinen ähnlich groß zu sein, denn Gawan sinkt, sobald er den Löwen getötet und somit besiegt hat, vor Erschöpfung auf dem Löwen zusammen, sodass er auf ihm zu liegen kommt und beide gleich zu sein scheinen: "si bêde dem tôde wârn gelîch, der lewe unde Gâwân" (573, 28 - 30).

Der Löwe verkörpert alle Eigenschaften, die ein guter Ritter besitzen sollte, denn er ist ein königliches Tier, das "gefährlich [ist], aber auch als großmütig, gewaltig und elegant" [Meier 2008: 42] gilt. Wenn man dies weiß, verwundert es nicht, dass Gawan über dem Löwen wie tot zusammenbricht, denn indem er gegen den Löwen kämpft, kämpft er gleichsam gegen sich selbst. Um das "Ideal" des Ritters, den Löwen, zu besiegen, muss er dem Ideal nicht nur entsprechen, sondern es übertreffen und eine einzigartige Leistung erbringen. Man wohnt also einem paradox anmutenden Kampf bei: Gawan kämpft gegen einen Feind, um Erlösung zu stiften, kämpft gleichzeitig jedoch auch gegen sein Ideal und somit gegen sich selbst an. So erscheint es nur logisch, dass Gawan nach diesem Kampf, der ihn so sehr als Ritter und Retter auszeichnet und in welchem er selbst gleichsam zum Löwen und dem Ideal eines Ritters geworden ist, den Löwe bzw. dessen Kralle in seinem Wappen trägt, da diese ihn selbst verkörpert.

Die Funktion des Retters der das Schastel marveile endlich vom Zauber Clinschors erlöst, ist aber auch durch folgende Stelle aus dem alten Testament in diesem Kampf verankert. So heiß es nämlich in 1. Mose 49,9 über den zukünftigen Erlöser [Meier 2008: 24] : "Juda ist ein junger Löwe. Du bist hoch gekommen, mein Sohn, durch große Siege. Er ist niedergekniet und hat sich gelagert wie ein Löwe und wie eine Löwin; wer will sich wider ihn auflehnen?" Diese Bibelstelle gibt gewissermaßen die Situation schon vor, indem sie sowohl die Siege anspricht, als auch die Verkörperung des Erlösers als Löwe schon nutzt. Hierdurch wird also die Thematik eines Erlösers, der sehnlichst erwartet wird, angesprochen, wie man sie auch von Parzival und der Gralsburg kennt. Durch dieses Motiv wird zusätzlich auch noch die teilweise Parallelität der Entwicklung Gawans mit der Parzivals in den Kampf verflochten.

Mystische Tiere

Mystische Tiere sind in diesem Zusammenhang Tiere, die entweder nicht real sind oder die aufgrund von Behauptungen im Parzival aufgeführt werden und somit die nicht der Realität entsprechen, sondern der Legenden- und Sagenbildung zuzuordnen sind.

ecidemôn

Das Ecidemôn ist ein Fabelwesen, das keinem real existierenden Tier zugeordnet werden kann.[Lewis 1974: 116] Im Parzival wird es im Zusammenhang mit dem Gralskönig Anfortas angeführt, für dessen Krankheit man verzweifelt nach einem Heilmittel sucht.

monîcirus

Das Tier "monîcirus" wird folgendermaßen beschrieben:

ein tier heizt monîcirus: __________ Ein Tier heißt monîcirus __________
daz erkennt der meide rein sô grôz __________ und schätzt so sehr die reinen Mädchen, __________
daz ez slæfet ûf der meide schôz. __________ dass es sich zum Schlafen auf den Schoß von Mädchen bettet. __________ (482,23 - 26)

Das Tier, das sich hinter dieser Beschreibung verbirgt ist das Einhorn und wurde im Mittelalter als ein reales Tier betrachtet. Es gibt sogar eine Empfehlung, wie es zu erjagen sei, die die angeführten Jungfrauen zur Hilfe nimmt. [Lewis 1974: 94] Trevrizent erzählt von ihm im Zusammenhang mit den vergeblichen Versuchen Anfortas zu heilen oder seine Schmerzen zu lindern. Er beschreibt, dass das Einhorn nicht nur sein Horn hat, sondern darunter auch ein Karfunkelstein liegt, der, genau wie sein Herz, zur Linderung der Schmerzen genutzt werden sollte. Doch leider ohne Erfolg. Eine weitere besondere Eigenschaft, die man mit dem Einhorn verband, war seine besondere Treue und Reinheit, die Orgeluse anführt.

der triuwe ein monîzirus, [...] __________ Er war ein monozeros der Treue __________
daz tier die meide solten klagn: __________ Jenes Tier, das Einhorn, müssen besondres die Mädchen betrauern; __________
ez wirt durch reinekeît erslagn. __________ denn es kommt um, weil es die Reinheit liebt. __________ (613, 22, 25-26)


Interessant hierbei ist, dass auch an dieser Stelle wieder die Jagdmethode angeführt wird: Nur mithilfe reiner Jungfrauen kann man in die Nähe eines Einhornes kommen und es erjagen. Seine Liebe zur Reinheit ist deshalb sowohl eine besonders positive Eigenschaft, stellt gleichzeitig aber auch sein Verderben dar.[Lewis 1974: 94 f.]

pellicânus

Hinter diesem Tier verbirgt sich der Pelikan, der zwar kein mystisches Tier ist, dessen Verhalten aber von Trevrizent nicht der biologischen Realität entsprechend beschrieben wird.

ein vogel heizt pellicânus: __________ Es gibt einen Vogel, der heißt pellicânus __________
swenne der fruht gewinnet, __________ Wenn der Junge hat, __________
alze sêre er die minnet: __________ die liebt er über alles; __________
in twinget sîner triwe gelust __________ er ist so treu, daß ihn die Liebe zu den Seinen treibt, __________
daz er bîzet urch sîn selbes brust, __________ sich selber in die Brust zu beißen __________
unt lætz bluot den jungen in den munt: __________ und er verströmt sein Blut den Jungen in den Mund: __________
er stirbet an der selben stunt. __________ und daran stirbt er dann. __________ (482,12 - 18)

Der Pelikan füttert seine Jungen tatsächlich, indem er eine Hautfalte am Schnabel mit Fisch füllt und das Futter auf diese Weise zu seinen Jungen transportiert. Er beißt sich jedoch nicht in die Brust und verfüttert seinen Kindern auch nicht sein eigenes Blut, wie im eben zitierten Textabschnitt behauptet wird. Diese Eigenschaften haben den Zweck, den Wert des Vogels zu verdeutlichen und zu erklären, warum man meinte, dass er den Gralskönig Anfortas heilen könne: Die unglaubliche Größe seiner Treue und Liebe sind hier ausschlaggebend und bezeichnend. [Lewis 1974: 118 f.]

Bedeutung und Funktion der Tiere aus dem Parzival

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass keines der Tiere im Parzival während des gesamten Epos eine herausragende Bedeutung einnimmt - ganz im Gegensatz zu anderen höfischen Epen. [Lewis 1974: 87] Der Taube als transzendentes Element, das Himmel und Erde verbindet, kommt zwar eine essentielle Bedeutung im Gralskontext zu, sie hat aber für die konkrete Entwicklung der Helden des Epos keinerlei Bedeutung. Wie man sehen kann, werden die Tiere aber gezielt eingesetzt und auch ihre Beschreibung verfolgt meist einen Zweck. So kommentieren die Tiere häufig die Person, die sie begleiten oder auch die Situation in der sie steckt. Dafür ist der Sperber des Fährmanns ein gutes Beispiel sowie auch die klapprige Mähre Parzivals, die durch ihr Klagen den Tod Iwans richtig einschätzt - als schicksalshaftes Unglück. Gerade am letzten Beispiel sieht man deutlich, dass die Funktion der Tiere keinen aufklärenden Charakter für die Figuren selbst besitzt, sondern nur dem Leser als Kommentar dienen können - vorausgesetzt er kann ihre Symbolik und Bedeutung erkennen. Dafür sorgt Wolfram von Eschenbach jedoch dadurch, dass er Tiere verwendet, die den Lesern bekannt sind. Eine Ausnahme bilden dabei die mystischen Tiere, die aber nur im Zusammenhang mit dem Gral zu beobachten sind [Lewis 1974: 140 f.] und so die Natur des Transzendenten, die der Gralswelt innewohnt, reflektieren und verkörpern.

Literatur

Primärliteratur

[* Luther 1998] Luther, Martin: Die Bibel. Nach der Übersetzung Martin Luthers; [Bibeltext in der revidierten Fassung von 1912]. Buttikon/London 1999.

[* Wolfram von Eschenbach 2003] Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe 2. Auflage. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit Einführungen zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, Berlin 2003.

Sekundärliteratur

<HarvardReferences /> [*Lewis 1974] Lewis, Gertrud J.: Das Tier und seine dichterische Funktion in Erec, Iwein, Parzival und Tristan. Bern und Frankfurt/M. 1974.

[*Meier 2008] Meier, Frank: Mensch und Tier im Mittelalter. Ostfildern 2008.

[Spektrum 1999] Lexikon der Biologie: http://www.spektrum.de/lexikon/biologie/pelikane/49965. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg (zuletzt abgerufen am 13.07.2015)