Tristan (Gottfried von Straßburg, Tristan): Unterschied zwischen den Versionen

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=Einleitung=  
Tristan ist der herausragende Held in dem nach ihm benannten Roman.  Diese Auswahl ergibt sich nicht, wie in modernen Romanen, aus der vom  Autor gewählten Fokussierung sondern aus dem außergewöhnlichen Charakter  des Helden, der ihn deutlich vor allen anderen herausstechen lässt.  Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Elementen, die Tristans  Charakter bilden und ausmachen.  Er ist geprägt von seiner Herkunft, das heißt seinen Eltern und den Umständen seiner Zeugung und Geburt, dann von der Ausbildung, die ihm sein Ziehvater Rual li Foitenant zukommen lässt. Die dritte Komponente ist, salopp gesagt, das, was Tristan daraus macht, also wie er seine Fähigkeiten einsetzt um die Situationen, in die er gerät, zu meistern. Dieser Heldencharakter Tristans zeigt sich hauptsächlich im ersten Teil des Romans vor dem Trinken des Minnetranks. Dieser verändert Tristans Charakter und er tritt neben der zweiten Hauptfigur Isolde in den Hintergrund und wird zu einer eher passiven Figur.[Hollandt 1966:110-117]
Dualität und Zwiespalt – Tristan als gespaltene Persönlichkeit
 
 
=Das Erbe der Eltern=
Carola Gotzmann sagt, dass das Schicksal Tristans durch seine  [[Eltern (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Eltern]] antizipiert sei. [Gottzmann 1989: 130].  und seine Rolle in  der Gesellschaft vorherbestimmt. Tristans Vater ist [[Riwalin (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Riwalin]], König von [[Parmenien (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Parmenien]], ein  ausgezeichneter Mann, der am Hofe Markes eine Ausbildung genoss und als  vorbildlicher und erfolgreicher Ritter sein Land regiert. Er ist zu seiner Zeit der schönste, höfischste und tapferste Ritter, wie man beim Maienfest am  Hofe König Markes sieht: "sô was der höfsche Riwalîn/ [...]/ der ez des tages und an der stete/ ze wunsche vor in allen tete."(V.695-698) und "wie saeleclîche stêt im an/ allez daz, daz er begât!/ wie gâr sîn lîp ze wunsche stât!"(V.706-708).<ref>Sämtliche in diesem Artikel  zitierte Textangaben aus dem Tristan entstammen dieser Ausgabe:
Gottfried  von Straßburg: Tristan.  Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach  dem  Text von Friedrich Ranke  neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit  einem  Stellenkommentar und  einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3.  Stuttgart  1980.</ref>. Aber in Riwalins Eifer mischt sich jugendlicher Übermut und er greift seinen Lehnsherrn Morgan grundlos und mit viel Gewalt an. Tristan wird seinen herausragenden Vater in allen Eigenschaften sogar noch übertreffen, sowohl in  Tapferkeit, Höfischheit und Aussehen als auch im Kampf mit Morgan den er nicht nur besiegt sondern sogar tötet(V.5363- 5458).
 
Tristans Mutter [[Blanscheflur (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Blanscheflur]] ist die Schwester König Markes von Cornwall und England. Auch sie ist wunderschön und höfisch, vor allem aber verwendet sie bereits das Mittel der [[List (Gottfried von Straßburg, Tristan)|List]], wie Tristan es später unzählige Male tun wird. Sie schleicht sich als Ärztin verkleidet an das Krankenbett Riwalins, wo dann Tristan gezeugt wird [1266-1279]. Die List ist also schon in Tristans Zeugung angelegt. Auch die Liebe der Eltern ist nur durch Heimlichkeit und Täuschung möglich, wie später die Liebe Tristans und Isoldes. Die uneheliche und heimliche Zeugung Tristans ist die erste Spannung zu gesellschaftlichen Normen in Tristans Leben. Blanscheflur geht mit Riwalin nach Parmenie, wo sie heimlich heiraten, sodass Tristan nicht durch eine uneheliche Geburt seinen Herrschaftsanspruch verliert. Allerdings stirbt Riwalin noch vor Tristans Geburt im Kampf und Blanscheflur aus Trauer kurz nach der Geburt. Tod und Leben, Freude und Trauer sind bei Tristan von Anfang an miteinander verknüpft [Gottzmann 1989: 129][Wolf 1989: 125]. Tristan bleibt als unvollkommenes Kind zurück, da er keinen Namen hat. Rual li Foitenant, Marschall und Vertrauter Riwalins, übernimmt die Rolle des Ziehvaters und gibt Tristan einen Namen, der seinen bisherigen Lebensumständen entspricht und auch weiter sein ganzes Leben prägen wird: [[Tristans Name (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Tristan]]. ''Triste'' bedeutet ''triure'' und Tristan ist in Trauer gezeugt und in Trauer geboren worden. An dieser Stelle wird bereits angekündigt, dass auch sein weiteres Leben in Trauer verlaufen wird und er auch in Trauer sterben wird (V.1991-2022).
 
Auch von seinen Zieheltern [[Rual li Foitenant (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Rual]] und seiner Frau [[Floraete (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Floraete]] übernimmt Tristan, neben der Ausbildung, ein Merkmal. Da sie ihn als ihren Sohn ausgeben, wächst er als Vasalle statt als König auf. Es besteht ein Zwiespalt zwischen seiner wahren Bestimmung, der eines Königs, und der, die er erlernt und erfährt, die eines Vasallen [Gottzmann 1989: 132]. Wie sich später am Hofe Markes und auch am Hofe König Jovelins zeigen wird, zieht Tristan die Rolle des Vasallen, des ''lantlôsen'', immer einer eigenen Herrschaft vor.
 
=Äußere Erscheinung=
 
Tristan ist, wie es sich für einen wahren [[Die Identität des Helden (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Helden]] gehört, von königlicher  Abstammung. Seine Eltern sind [[Riwalin (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Riwalin]], König von [[Parmenien (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Parmenien]] und  [[Blanscheflur (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Blanscheflur]], Schwester König [[Marke (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Markes]], Herrscher über  Cornwall und England. In Tristans Adern fließt also königliches Blut, was sich mittelalterlichen Vorstellungen entsprechend in seinem makellosen Äußeren zeigt. Tristans Körper wird dabei oft noch durch edle Kleidung hervorgehoben, die sein wunderschönes Aussehen ergänzt. Das Äußere spiegelt dabei seine inneren Werte und die innere Vollkommenheit an [[Ritterliche Tugenden (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Tugend]] wieder. Zum Bild Tristans gehört außerdem sein Auftreten, seine gewählte Weise sich auszudrücken und seine angemessenen Gesten.
Dieses Phänomen begegnet uns in jeder Szene, in der Tristan auf Fremde trifft. Die [[Die Norweger (Gottfried von Straßburg, Tristan)|norwegischen Kaufleute]] sind so beeindruckt von Tristan, dass sie ihn [[Die Entführung (Gottfried von Straßburg, Tristan)|entführen]] ("nun gedûchte sî nie jungelinc/ sô saeleclîche sîn getân/ noch alsô schoene site hân." (V.2240-2242)). Die [[Tristan und die Pilger (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Pilger]] fragen sich, wer dieses wunderbare Kind sei ("und aber ie baz besâhen/ sîne gebaerde und sîne site/ und sînen schoenen lîp dâ mite" (V. 2744-2746)). Und auch die Jäger beeindruckt sein Aussehen und Auftreten so sehr, dass sie ihn mit an den Hof nehmen und dem König vorführen ("sîn dinc waere allez edelîche,/ sîniu cleider vremede unde rîch,/ sîn lîp ze wunsche getân." (V.2857-2859)). Am deutlichsten wird Tristans Aussehen bei seiner ersten Begegnung mit Marke beschrieben:
 
 
''ouch kunde er selbe schône gân.''<br />
''dar zuo was ime der lîp getân,''<br />
''als ez diu Minne gebôt.''<br />
''sîn munt was rehte rôsenrôt,''<br />
''sîn varwe lieht, sîn ougen clâr.''<br />
''brûnreideloht was ime daz hâr,''<br />
''gecrûspet bî dem ende.''<br />
''sîn arme und sîne hende''<br />
''wol gestellet unde blanc.''<br />
''sîn lîp ze guoter mâze lanc.''<br />
''sîne vüeze und sîniu bein,''<br />
''dar an sîn schoene almeistic schein'' (V.3331-3342)<br />
 
 
An mehreren Stellen, aber vor allem in der Szene, als Tristan an Markes  Hof musiziert, wird außerdem auf seine wunderschönen Hände hingewiesen,  die perfekt zur Harfe passen: „Die wâren, alse ich hân gelesen,/ daz sî  niht schoener kunden wesen:/ weich unde linde, cleine, lanc/ und rehte  alsam ein harm blanc.“ (V.3349-3352). Sein wunderschönes Äußeres wird  durch teure Kleider noch hervorgehoben. Am deutlichsten wird dies beim  Gerichtstermin mit dem Truchseß: "sîn geschepfede und sîn wât/ die gehullen wunneclîche in ein./ si bildeten under in zwein/ einen ritterlîchen man." (V.11098-11101). In den Szenen, in denen Tristan gezielt eine Rüstung anlegt um einen  [[Kampf (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Kampf]] zu bestreiten, wird auch immer wieder darauf hingewiesen, wie  gut diese zu seinem vortrefflichen Körper passt. Das geschieht einmal  vor dem Kampf mit [[Morold (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Morold]] und außerdem bei dem Gerichtstermin mit dem  [[Truchseß (der angebliche Drachentöter)(Gottfried von Straßburg, Tristan) |Truchseß]], auch wenn es dort  nicht zum Kampf kommt.
 
In Cornwall ist es vor allem Isolde, die den Fremden genau besieht und seine körperlichen Vorzüge erkennt: "sî blicte im dicke tougen/ an die hende und under d'ougen/ si besach sîn arme und sîniu bein,/ en den ez offenlîche schein, daz er sô tougenlîche hal." (V.9995-9999). Obwohl Tristan sich seiner königlichen Abstammung lange Zeit nicht bewusst ist und er sie später oft verleugnet indem er sich als [[Kaufmannsmotivik (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Kaufmann]] oder Spielmann ausgibt, ist es doch nicht möglich, sie vollkommen zu verstecken.
 
 
 
=Tristans Bildung Künstler oder Kämpfer?=
Tristans Ziehvater [[Rual li Foitenant (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Rual li Foitenant]] ist sich der ererbten Bestimmung seines Stiefsohns bewusst und lässt ihm dementsprechend die beste Ausbildung, die man zu jener Zeit erhalten kann, zukommen. Tristan wird bereits mit sieben Jahren ins Ausland gesandt um Fremdsprachen zu lernen (V.2056-2063), mit denen er immer wieder beeindruckt, zum Beispiel mit der Rarität Norwegisch zu sprechen [Wolf 1989: 136]. Er studiert Bücher und zwar so intensiv, „daz er der bouche mêre/ gelernete in sô kurzer zît/ danne ie kein kint ê oder sît.“ (V.2090-2092). Er lernt viele Arten des [[Musik und Gesang (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Saitenspiels]], des Dichtens und des Singens „biz er es wunder kunde“ (V.2099). Dabei lernt er nicht nur das Spielen sondern auch die dahinter stehende Theorie von Klangformen, Rythmen, Liedtypen und Klangkombinationen, was ihn nach der Deffinition Boethius' zu einem vollkommenen [[Der musikalische Held Gottfrieds. | Meister seines Faches]] macht.[Jackson 1973:296/297]Tristan lernt auch höfische Spiele, zum Beispiel Schach.
Neben diesem musischen Teil, der eindeutig stärker hervorgehoben und detaillierter beschrieben wird, genießt Tristan auch die "normale" Ausbildung eines Ritters. Er lernt kämpferische Fähigkeiten wie Reiten, mit Schild und Speer umgehen, laufen, Springen, Speer werfen und Jagen (V.2104-2120).
An dieser Stelle wird bereits die Bedeutung von Tristans Künsten angedeutet, die ihm Fluch und Segen zugleich sein werden. "der bouche lêre und ir getwanc/ was sîner sorgen anevanc." (V.2085/2086)[Jackson 1973:287]. Im Stellenzusammenhang ist der Satz dahin zu deuten, dass der Unterricht der Jugend freies Spiel einschränkt. Bezieht man diese Aussage jedoch auf den gesamten Roman kann man sie dahingehend deuten, dass seine Bildung eine der Ursachen für das ihm wiederfahrende Übel ist, auch wenn sie ihm in vielen Situationen von Nutzen ist. Sie befähigt ihn dazu etwas Höheres, Besseres zu sein anstatt das normale Leben mit den normalen Freuden eines Ritters zu führen, der nur Kämpfen und Jagen gelernt hat[Jackson 1973:288]. Hollandt geht sogar so weit die These aufzustellen, dass diese Vollkommenheit Tristans das Schicksal herausfordert und dadurch Mitursache für sein Leiden ist. Seine Fähigkeiten sind auf jeden Fall die Ursache für die Entführung durch die Norweger und der Anstoß für die Kette von Ereignissen in Tristans Leben [Hollandt 1966:81/82].
Es sind ausschließlich die musischen Fähigkeiten, die Tristan weiter bringen und mit denen er Anerkennung erlangt [Jackson 1973: 292]. Zugang zum Hofe Markes bekommt er aufgrund seiner [[Das Entbästen (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Zerlegekunst]] und seines wunderbaren Hornspiels, Anerkennung am Hofe durch sein Saitenspiel, mit dem er das Hofvolk regelrecht in Ekstase versetzt [Wolf 1989: 140]. (V.3710-3720). In Cornwall ist es sein Harfenspiel, das zuerst die Aufmerksamkeit des anderen Schiffes weckt und das sich dann so schnell herum spricht, dass es ihm Zugang zum Königshof verschafft. Dort wird er als Lehrer für Isolde angestellt, da er dei Fähigkeiten Isoldes' bisherigen Lehrers weit Übertrifft.[Jackson 1973:290]
W.T.H. Jackson stellt außerdem die These auf, dass es diese künstlerische Ausbildung ist, die erst zur vollkommenen Liebe befähigt [Jackson 1973: 303]. Tristan hat sie bereits erworben und gibt sie zuerst an Isolde weiter, bevor der [[Minnetrank (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Minnetrank]] die beiden verbindet. In der [[Minnegrotte (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Minnegrotte]] verbringen sie die Zeit dann auch damit, sich gegenseitig vorzuspielen, zu singen und zu erzählen, und zwar antike Liebesgeschichten wie zum Beispiel von Phyllis, von Kanake, von Byblis und Dido (V.17182-17199). Liebe wird also nicht einfach irgendwie ausgelebt sondern sie folgt [[Antikes Geistesgut im Roman (Gottfried von Straßburg, Tristan)|antiken Vorbildern]], die nur ein gebildeter Mensch kennen kann.
Auch wenn Tristan kämpferisch alle seinen Zeitgenossen überlegen ist, tragen diese dagegen kaum zu seiner Anerkennung am Hofe bei. Immerhin bestreitet Tristan vier entscheidende Kämpfe, die kein anderer vor ihm hat gewinnen können: gegen [[Morgan (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Morgan]], gegen [[Morold (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Morold]], gegen den [[Drachenkampf (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Drachen]] und gegen den Riesen [[Urgan (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Urgan]]. Doch keiner dieser Kämpfe trägt dazu bei, sein Ansehen zu steigern. Sein erster Kampf gegen Morgan bringt ihm zwar ein größeres Reich, ist allerdings kein ehrwürdiger Kampf. Tristan und seine Gefährten schleichen sich als Kaufleute verkleidet ein und Tristan erschlägt Morgan ohne vorhergehenden ehrenvollen Kampf.  Außerdem muss er am Ende noch durch die von Rual geschickten Truppen unterstützt werden, da er und seine Leute nicht alleine in der Lage sind Morgans Truppen zu besiegen. Es handelt sich um einen hinterrücksen Überfall und somit unritterliches Verhalten, das keinerlei Ehre einbringt sondern unter Beweis stellt, dass Tristan auch zu diesen brutalen Taten fähig ist.[Wolf 1989:142/143]<ref>Über diese Stelle ist sich die Forschung  uneins, Hollandt deutet die gleiche Szene als geschickte List[Hollandt  1966:88-90]</ref> Die Kämpfe gegen Morold, den Drachen und den Riesen Urgan würden Tristan von ihrer Art her schon Ehre bringen, so wie etwa Riwalin vor Blanscheflur im Kampf besteht. Allerdings finden sie alle ohne Zuschauer statt, der Kampf mit Morold auf einer Insel, die anderen beiden Kämpfe in der Wildnis und Tristan nimmt jeweils ein Körperteil der Bestien an sich, um seine Tat beweisen zu können. Der einzige potenziell ruhmbringende Kampf wäre der Gerichtskampf gegen den Truchseß, doch dieser findet dann garnicht statt. 
   
   
Tristans Leben ist bestimmt durch unzählige Konflikte und Gegensätze, die sich in seinem eigenen Charakter oder in seine Beziehungen zur Umwelt ergeben und  verhindern, dass er in Ruhe und Frieden Leben kann. Bereits in den Umständen seiner Zeugung und Geburt und seiner Jugend sind diese Spannungen angelegt (1.). Er beeindruckt seine Umwelt immer wieder durch sein wundervolles Äußeres, das seine wahre Herkunft verrät und seine eigentliche Bestimmung, als König zu herrschen, zeigt. Der Eindruck, den er bei anderen hinterlässt, wird ergänzt durch seine Fähigkeiten. Einerseits hat er eine ritterliche Ausbildung erhalten und stellt seine kämpferische Überlegenheit in diversen Kämpfen unter Beweis. Andererseits ist er ein herausragender Künstler, kann musizieren, dichten, Fremdsprachen sprechen oder einen Hirsch kunstvoll zerlegen. Die Gegensätze in Tristans Charakter und seinem Leben bewirken, dass er nicht das einfache unkomplizierte Leben eines Ritters und Lehnsherren führen kann, sondern als lantlôser umher zieht.
Auffällig ist auch, dass alle diese Kämpfe erst nach Tristans [[Tristans Schwertleite (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Schwertleite]] stattfinden. Sie dienen also nicht dazu, seine Ritterlichkeit unter Beweis zu stellen, dies ist durch sein musikalisches und jägerisches Können anscheinend schon hinreichend geschehen. Vielmehr ist es das Rittertum, das ihm diese Aufgaben erst auferlegt. Seine Taten vollbringt er außerdem nie für sich selber sondern immer im Dienste anderer. Morgan ist zwar der alte Feind seines Vaters, doch als Tristan ihn besiegt hat, nimmt er nicht etwa den Königssitz seines Reiches ein sondern übergibt ihn Rual. Morold tötet er im Dienste Markes um das Land von den Tributzahlungen zu befreien, den Drachen tötet er um Marke Isolde zur Braut geben zu können. Den Riesen Urgan tötet er für den Herzog [[Gilan (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Gilan]], der ihm zum Dank den Hund [[Petitcrü (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Petitcrü]] für Isolde gibt. Am Ende tut er sich noch im Krieg in Arundel hervor, diesmal im Dienste [[Kaedin (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Kaedins]]. In Isoldes Diensten vollbringt er keine einzige Heldentat [Jackson 1973: 303].
Auch wenn Tristan sowohl als Kämpfer als auch als Musiker der Beste seiner Zeit ist, wird seiner musischen Seite mehr Bedeutung zugemessen.
 
 
=Tristans âventiure=
 
 
Tristans Leben lässt sich nach Hollandt in drei Abschnitte  einteilen: von der Kindheit bis zum Liebestrank, das Leben mit Isolde  und das Leben ohne Isolde.[Hollandt 1966:114] Das Trinken des  Minnetrankes bedeutet einen tiefen Einschnitt in Tristans  Leben. Ist er vorher ein selbstbestimmter Ritter, der in diversen  Gefahren und Kämpfen durch List und Tapferkeit besteht, wird er durch  den Minnetrank eine passive Figur die nurnoch im Dienst der Liebe handelt.[Hollandt 1966:115]. Isolde übernimmt nun die führende Rolle, es  sind sie und Brangaene die die [[List (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Minnelisten]] schmieden und Tristan eine  Rolle zuweisen.[Hollandt 1966:112/113] Um Tristans Charakter zu  analysieren ist es also aufschlussreicher, sich auf den ersten Abschnitt seines Lebens zu konzentrieren, bevor er unter den lebenslangen Einfluss des Minnetrankes gerät.
 
   
   
=1. Das Erbe der Eltern=
Ab seiner Entführung im Alter von zwölf Jahren bis zum Trinken des Minnetrankes ist Tristan ständig  auf Reisen zwischen Cornwall, Irland, England und Parmenien und besteht in diversen Bewährungsproben. Diese  durch Zufälle bestimmte Abenteuerfahrt entspricht den [[Aventiure (Gottfried von Straßburg, Tristan)|''âventiure'']] Fahrten  anderer mittelalterlicher Romanhelden und auch im Text wird diese  Episode in Tristans Leben als ein Ereignis "durch âventiure"(V.2150) eingeleitet. Das Anlegen des Kaufmannsschiffes (V.2149-2181),  das Entdecken des Schachbrettes (V.2216-2224), die Bereitschaft mit  Morold zu kämpfen (V.6156-6159), sein Landgang ins feindliche Irland  während der Brautfahrt (8712-8714)werden als "von âventiure"  und Tristan selbst wird vom Truchseß als "âventiuraere" (V.9234)  bezeichnet, weshalb dieser Lebensabschnitt Tristans hier als seine ''âventiure'' bezeichnet wird.
Die von Tristan bestandenen Abenteure lassen sich nach ihrer Art in zwei  Gruppen teilen. Es gibt die ''list''- Episoden, in denen Tristan durch  geschicktes Täuschen sein Ziel erreicht, und die Kampfepisoden, in denen  er durch Kraft und Mannhaftigkeit besteht.[Hollandt 1966:95]  Kriegstaten sind der Kampf mit Morold (V.5867-7230) und der Kampf mit  Morgan (V.5309-5608).Zu den Listtaten gehören das Erringen seiner Stellung am Hofe Markes  (V.2482-3378)und seine erste Heilung durch Isolde (V.7361-8225). Die Brautwerbung (V.8226-11366) ist eine Mischung  aus beidem, da sich Tristan mit einer List in Irland einschleicht, gegen den Drachen aber im Kampf bestehen muss.
 
In den Kampfesepisoden zeigt sich Tristan als mutig und unerschrocken, er ist der erste der es wagt sich gegen Morold aufzulehnen (V.6135-6192). Sein Mut wird stets mit Erfolg gekrönt, er ist stark und kämpferisch genug alle Feinde, gegen die er antritt, zu besiegen. Direkt nach dem Sieg über Morold zeigt er die Vorsicht seine Wunde vor den Iren zu verstecken. Nur dadurch ist es ihm später möglich eine Heilung durch Isolde zu erschleichen.
 
In den Listepisoden beweist Tristan Einfallsreichtum, Scharfsinn und Vorsicht. Jedem, dem er begegnet, erzählt er eine Geschichte die seine Situation erklärt und ihn unmittelbar weiter bringt und die Menschen dazu animiert ihm zu helfen. Mit Vorliebe gibt sich Tristan als [[Kaufmannsmotivik (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Kaufmann]] oder [[Tantris, der kranke Spielmann (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Spielmann)) aus. Auch in Situationen, in denen offensichtlich keine Gefahr droht wie bei der Begegnung mit den Pilgern, zieht Tristan eine [[Tristans Nutzen falscher Identitäten (Gottfried von Straßburg, Tristan)|falsche Identität]] der wahren vor. Bei seinen Fahrten nach Irland muss Tristan sich Listen bedienen, da es für ihn aufgrund des Bannes sonst unmöglich wäre, die Insel zu betreten. In jeder Situation verdient er sich Anerkennung durch seine Künste. Seine Listen dienen nicht dazu, sich unrechtmäßig etwas zu erschleichen und Leistungen zu umgehen, wie es der Truchseß tut, vielmehr gebraucht er die Listen um in Situationen zu kommen, in denen er sich Beweisen kann. [Hollandt 1966:98/99] Er gibt sich stets nur als etwas niedrigeres aus als er ist.
   
   
Carola Gotzmann sagt, dass das Schicksal Tristans durch seine Eltern antizipiert sei. (130). Das erste, was Tristan durch seine Eltern mitgegeben wird, ist die königliche Abstammung. Riwalin ist König von Parmenie und herrscht über dieses Reich, Blanscheflur ist die Schwester König Markes, Herrscher über Cornwall und England. In Tristans Adern fließt also königliches Blut, was sich in seinem Äußeren zeigt und seine Rolle in der Gesellschaft vorherbestimmt. Außerdem erbt Tristan von seinen Eltern Charakerzüge. Sein Vater Riwalin ist ausgezeichneter Mann, der am Hofe Markes  eine Ausbildung genoss und als vorbildlicher und erfolgreicher Ritter sein Land regiert. Aber in seinen Eifer mischt sich jugendlicher Übermut und er greift Morgan grundlos und mit viel Gewalt an. Tristan wird seinen Vater in all den guten Eigenschaften sogar noch übertreffen, aber auch er ist übermütig und greift Morgan brutal und hinterhältig an und tötet ihn[5363- 5458].
In der Brautwerbungsepisode beweist Tristan außerdem diplomatisches Geschick. Tristan fährt nicht auf gut Glück nach Irland sondern hat einen festen Plan in der Tasche, er will das an die Drachentötung gebundene Versprechen ausnutzen. Zuerst lässt er sich im Hafen gegen Bezahlung Schutz zusichern, später verlangt er von der Königin Schutz als anscheinend viel zu geringe Gegenleistung für die Drachentötung. Als die junge Isolde Tristan als den Mörder ihres Onkels erkennt, ist die Königin Isolde trotz alledem an ihre Zusicherung gebunden. Außerdem lässt Tristan, dem es zu Gute kommt, dass die Frauen ihn gegen den Truchseß brauchen, im richtigen Augenblick das diplomatische Heiratsangebot durchscheinen, mit dem er nach Irland gekommen ist und weckt dadurch zusätzliches Interesse.
Tristan beweist sich durch List und Kampfeskraft in der Lage jede Situation mit Besonnenheit und Umsicht zielstrebig zum Erfolg zu führen ohne dabei unehrliche Mittel zu verwenden.


Tristans Mutter Blanscheflur verwendet bereits das Mittel der List, wie Tristan es später unzählige Male tun wird um Isolde zu begegnen. Sie schleicht sich als Ärztin verkleidet an das Krankenbett Riwalins, wo dann Tristan gezeugt wird [1266-1279]. Auch die Liebe der Eltern ist nur durch Heimlichkeit und Täuschung möglich, wie später die Liebe Tristans und Isoldes. Tristan wird also unehelich und heimlich gezeugt, die erste Spannung zu gesellschaftlichen Normen in seinem Leben.


Blanscheflur geht mit Riwalin nach Parmenie, wo sie heimlich heiraten sodass Tristan nicht durch eine uneheliche Geburt seinen Herrschaftsanspruch verliert. Allerdings stirbt Riwalin noch vor Tristans Geburt im Kampf und Blanscheflur aus Trauer kurz nach der Geburt. Tod und Leben sind also für Tristan von Anfang an miteinander verknüpft (Gottzmann 129). Tristan bleibt als unvollkommenes Kind zurück, da er keinen Namen hat. Rual übernimmt die Rolle des Ziehvaters und gibt Tristan einen Namen, der seinen bisherigen Lebensumständen entspricht und auch weiter sein ganzes Leben prägen wird: Tristan. ''Triste'' bedeutet ''triure'' und tristan ist ja in Trauer gezeugt und in Trauer geboren worden. An dieser Stelle wird bereits angekündigt, dass auch sein weiteres Leben in Trauer verlaufen wird und er auch in Trauer sterben wird [1991-2022].


Da Rual und Floraete Tristan als ihren Sohn ausgeben, wächst er in Unwissenheit über seine eigene Identität auf. Es besteht also ein Zwiespalt zwischen seiner wahren Bestimmung, der eines Königs, und der, die er erlernt und erfährt, die eines Vasallen (Gotzmann 132). Wie sich später am Hofe Markes und auch am Hofe König Jovelins zeigen wird, zieht Tristan die Rolle des Vasallen immer einer eigenen Herrschaft vor.
=Tristan der ''Lantlôse''=
 
Um den Hang Tristans zum Vasallentum zu beschreiben greift C. Gottzmann  die Bezeichnung Tristans als ''lantlôser'' zu Beginn des Moroldkapitels  auf [Gottzmann 1989: 138]. 
Zu Beginn ist Tristan  ''lantlôs'', da  er sich seines königlichen Herrschaftsanspruches nicht  bewusst ist und  außer Rual und Floraete auch niemand von seiner  Existenz weiß. Parmenien  wird nach dem Tode Riwalins ganz von Morgan  erobert und dieser  übernimmt die Herrschaft. Auch wenn Tristan in dem  Land aufwächst, über  das er rechtmäßig König ist, lebt er als Vasalle.  Als er mit 14 Jahren  entführt wird und so nach Irland gelangt, gibt er  sich am Hofe Markes  für den Sohn eines Kaufmannes aus Parmenien aus, ohne dass dazu ein  ersichtlicher Grund besteht. Es hat aber die  Wirkung, dass es für ihn  keinen Grund gibt nach Hause zurück zu kehren  und er zeigt auch  keinerlei Bestrebungen das zu tun.
Es ist Rual, sein Ziehvater, der ihn sucht, ihn über seine Identität  aufklärt und ihn wieder mit nach  Parmenien nimmt. Dort erringt der frisch zum Ritter geschlagene Tristan  wieder den Anspruch König von  Parmenien zu sein, indem er Morgan tötet  und seine Kämpfer besiegt. Er  etebliert sich also als Herrscher, bleibt  aber nicht in Parmenien um  seinem Amt nach zu kommen, sondern zieht es  vor wieder am Hofe Markes zu dienen. Er übergibt die Verwaltung wieder  an Rual und ist nun wieder  ''lantlôs''.
Den größten Teil der  Handlung verbringt  Tristan nun am Hofe Markes und in dessen Diensten und  all sein Tun und  Handeln dient Irland, nicht ihm persönlich, zum  Beispiel die Befreiung  von den Tributszahlungen an Gurmun oder der  Brautwerb für König Marke.  Als er schließlich vom Hof Markes fort gehen  muss, kehrt er zwar kurz  zurück nach Parmenien, nachdem er die  Verwaltung seines Landes geregelt  hat, zieht er es aber wieder vor im  Königreich Arundel zu Diensten zu  sein. Wieder entscheidet er sich also  gegen eine Oberherrschaft und für  eine Abhängigkeit. 
Tristan ist  also, wie gerade  gezeigt, fast den ganzen Roman über ''lantlôs'', aber  nicht, weil er  nicht in der Lage wäre seinen Herrschaftsanspruch gelten  zu machen,  sondern weil er sich freiwillig dafür entscheidet. Jackson  begründet  dies damit, dass Tristans Bildung ihn verpflichtet und er  ihretwegen  nie das Leben der einfachen, unkomplizierten Ritter führen  kann  [Jackson 1973: S.288]. Tristan will sich also nicht mit einem  Aufgabenfeld in einem begrenzten Reich abgeben, sondern strebt immer  hinaus und nach mehr Bildung, Abenteuern und Anerkennung. Landbesitz ist  das einzige, was er nie zu gewinnen versucht. Sein Leben ähnelt dem  eines Kaufmannes oder eines Spielmannes, die beide umherziehen und als  die Tristan sich immer gerne ausgiebt. Beide haben keinen Landbesitz  sondern streben nach anderem „Besitz“, der Kaufmann nach materiellem und der Spielmann nach geistigem Genuß [Gottzmann 1989: 132].
 
 
 
=Tristan und der Begriff ''arbeitsaelic''=
 
 
Tristans Charakter lässt sich mit dem Begriff ''arbeitsaelic'' zusammenfassen. Dabei handelt es sich um ein Paradoxon welches die Tatsache beschreibt, dass Tristan nur um den Preis des Leidens zum Besten befähigt ist. <br />
<br />
sin dinc was allez uz erkorn <br />
beide an dem moute und an den siten. <br />
nu was aber diu saelde undersniten <br />
mit werndem schaden, als ich ez las, <br />
wan er leider arbeitsaelic was. (V.2126-2130) <br />
Von seinen Eltern hat Tristan außer dem Königstitel auch alle guten Eigenschaften geerbt: Stärke, Ritterhaftigkeit, List und die Fähigkeit zur vollkommenen Liebe. Aber die Stärke ist auch mit Übermutverknüpft, die Liebe mit Tod und Leid. Von seinen Zieheltern hat er eine hervorragende Bildung mit auf den Weg bekommen die ihm überall zu Anerkennung verhilft, ihn aber auch nie irgendwo zu Ruhe kommen lässt um das normale Leben eines einfachen Ritters zu führen.  


=äußere Erscheinung=
=Bildung/ Fähigkeiten=
==ritterliche Bildung==
==künstlerische Bildung==
=Tristan der Lantlôse=




=Literatur=
=Literatur=


*Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg und die Mythe von Tristan und Isolde. Darmstadt 1989.
<references/>
*Jackson, W.T.H.: Der Künstler Tristan in Gottfrieds Dichtung. In: Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg. Darmstadt 1973, S.280-304.
 
*Gottzmann, Carola L.: Identitätsproblematik in Gottfrieds "Tristan", in : Germanisch-romanische Monatsschrift 39 (1989), S. 129-146.
<HarvardReferences />
 
*[*Gottzmann 1989] Gottzmann, Carola L.: Identitätsproblematik in Gottfrieds  "Tristan", in : Germanisch-romanische Monatsschrift 39 (1989), S. 129-146.
*[*Jackson 1973] Jackson, W.T.H.: Der Künstler Tristan in Gottfrieds Dichtung. In: Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg. Darmstadt 1973, S.280-304.
*[*Wolf 1989]  Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg und die Mythe von Tristan und Isolde. Darmstadt 1989.
*[*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007
*[*Hollandt 1966] Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan:  Wesenszüge, Handlungsfunktion, Motiv der List. Berlin 1966.  (Philologische Studien und Quellen; 30).
 
[[Kategorie:Literarische Figuren]]
[[Kategorie: Tristan]]
[[Kategorie: Artikel]]

Aktuelle Version vom 25. Februar 2016, 14:19 Uhr

Tristan ist der herausragende Held in dem nach ihm benannten Roman. Diese Auswahl ergibt sich nicht, wie in modernen Romanen, aus der vom Autor gewählten Fokussierung sondern aus dem außergewöhnlichen Charakter des Helden, der ihn deutlich vor allen anderen herausstechen lässt. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den Elementen, die Tristans Charakter bilden und ausmachen. Er ist geprägt von seiner Herkunft, das heißt seinen Eltern und den Umständen seiner Zeugung und Geburt, dann von der Ausbildung, die ihm sein Ziehvater Rual li Foitenant zukommen lässt. Die dritte Komponente ist, salopp gesagt, das, was Tristan daraus macht, also wie er seine Fähigkeiten einsetzt um die Situationen, in die er gerät, zu meistern. Dieser Heldencharakter Tristans zeigt sich hauptsächlich im ersten Teil des Romans vor dem Trinken des Minnetranks. Dieser verändert Tristans Charakter und er tritt neben der zweiten Hauptfigur Isolde in den Hintergrund und wird zu einer eher passiven Figur.[Hollandt 1966:110-117]


Das Erbe der Eltern

Carola Gotzmann sagt, dass das Schicksal Tristans durch seine Eltern antizipiert sei. [Gottzmann 1989: 130]. und seine Rolle in der Gesellschaft vorherbestimmt. Tristans Vater ist Riwalin, König von Parmenien, ein ausgezeichneter Mann, der am Hofe Markes eine Ausbildung genoss und als vorbildlicher und erfolgreicher Ritter sein Land regiert. Er ist zu seiner Zeit der schönste, höfischste und tapferste Ritter, wie man beim Maienfest am Hofe König Markes sieht: "sô was der höfsche Riwalîn/ [...]/ der ez des tages und an der stete/ ze wunsche vor in allen tete."(V.695-698) und "wie saeleclîche stêt im an/ allez daz, daz er begât!/ wie gâr sîn lîp ze wunsche stât!"(V.706-708).[1]. Aber in Riwalins Eifer mischt sich jugendlicher Übermut und er greift seinen Lehnsherrn Morgan grundlos und mit viel Gewalt an. Tristan wird seinen herausragenden Vater in allen Eigenschaften sogar noch übertreffen, sowohl in Tapferkeit, Höfischheit und Aussehen als auch im Kampf mit Morgan den er nicht nur besiegt sondern sogar tötet(V.5363- 5458).

Tristans Mutter Blanscheflur ist die Schwester König Markes von Cornwall und England. Auch sie ist wunderschön und höfisch, vor allem aber verwendet sie bereits das Mittel der List, wie Tristan es später unzählige Male tun wird. Sie schleicht sich als Ärztin verkleidet an das Krankenbett Riwalins, wo dann Tristan gezeugt wird [1266-1279]. Die List ist also schon in Tristans Zeugung angelegt. Auch die Liebe der Eltern ist nur durch Heimlichkeit und Täuschung möglich, wie später die Liebe Tristans und Isoldes. Die uneheliche und heimliche Zeugung Tristans ist die erste Spannung zu gesellschaftlichen Normen in Tristans Leben. Blanscheflur geht mit Riwalin nach Parmenie, wo sie heimlich heiraten, sodass Tristan nicht durch eine uneheliche Geburt seinen Herrschaftsanspruch verliert. Allerdings stirbt Riwalin noch vor Tristans Geburt im Kampf und Blanscheflur aus Trauer kurz nach der Geburt. Tod und Leben, Freude und Trauer sind bei Tristan von Anfang an miteinander verknüpft [Gottzmann 1989: 129][Wolf 1989: 125]. Tristan bleibt als unvollkommenes Kind zurück, da er keinen Namen hat. Rual li Foitenant, Marschall und Vertrauter Riwalins, übernimmt die Rolle des Ziehvaters und gibt Tristan einen Namen, der seinen bisherigen Lebensumständen entspricht und auch weiter sein ganzes Leben prägen wird: Tristan. Triste bedeutet triure und Tristan ist in Trauer gezeugt und in Trauer geboren worden. An dieser Stelle wird bereits angekündigt, dass auch sein weiteres Leben in Trauer verlaufen wird und er auch in Trauer sterben wird (V.1991-2022).

Auch von seinen Zieheltern Rual und seiner Frau Floraete übernimmt Tristan, neben der Ausbildung, ein Merkmal. Da sie ihn als ihren Sohn ausgeben, wächst er als Vasalle statt als König auf. Es besteht ein Zwiespalt zwischen seiner wahren Bestimmung, der eines Königs, und der, die er erlernt und erfährt, die eines Vasallen [Gottzmann 1989: 132]. Wie sich später am Hofe Markes und auch am Hofe König Jovelins zeigen wird, zieht Tristan die Rolle des Vasallen, des lantlôsen, immer einer eigenen Herrschaft vor.

Äußere Erscheinung

Tristan ist, wie es sich für einen wahren Helden gehört, von königlicher Abstammung. Seine Eltern sind Riwalin, König von Parmenien und Blanscheflur, Schwester König Markes, Herrscher über Cornwall und England. In Tristans Adern fließt also königliches Blut, was sich mittelalterlichen Vorstellungen entsprechend in seinem makellosen Äußeren zeigt. Tristans Körper wird dabei oft noch durch edle Kleidung hervorgehoben, die sein wunderschönes Aussehen ergänzt. Das Äußere spiegelt dabei seine inneren Werte und die innere Vollkommenheit an Tugend wieder. Zum Bild Tristans gehört außerdem sein Auftreten, seine gewählte Weise sich auszudrücken und seine angemessenen Gesten. Dieses Phänomen begegnet uns in jeder Szene, in der Tristan auf Fremde trifft. Die norwegischen Kaufleute sind so beeindruckt von Tristan, dass sie ihn entführen ("nun gedûchte sî nie jungelinc/ sô saeleclîche sîn getân/ noch alsô schoene site hân." (V.2240-2242)). Die Pilger fragen sich, wer dieses wunderbare Kind sei ("und aber ie baz besâhen/ sîne gebaerde und sîne site/ und sînen schoenen lîp dâ mite" (V. 2744-2746)). Und auch die Jäger beeindruckt sein Aussehen und Auftreten so sehr, dass sie ihn mit an den Hof nehmen und dem König vorführen ("sîn dinc waere allez edelîche,/ sîniu cleider vremede unde rîch,/ sîn lîp ze wunsche getân." (V.2857-2859)). Am deutlichsten wird Tristans Aussehen bei seiner ersten Begegnung mit Marke beschrieben:


ouch kunde er selbe schône gân.
dar zuo was ime der lîp getân,
als ez diu Minne gebôt.
sîn munt was rehte rôsenrôt,
sîn varwe lieht, sîn ougen clâr.
brûnreideloht was ime daz hâr,
gecrûspet bî dem ende.
sîn arme und sîne hende
wol gestellet unde blanc.
sîn lîp ze guoter mâze lanc.
sîne vüeze und sîniu bein,
dar an sîn schoene almeistic schein (V.3331-3342)


An mehreren Stellen, aber vor allem in der Szene, als Tristan an Markes Hof musiziert, wird außerdem auf seine wunderschönen Hände hingewiesen, die perfekt zur Harfe passen: „Die wâren, alse ich hân gelesen,/ daz sî niht schoener kunden wesen:/ weich unde linde, cleine, lanc/ und rehte alsam ein harm blanc.“ (V.3349-3352). Sein wunderschönes Äußeres wird durch teure Kleider noch hervorgehoben. Am deutlichsten wird dies beim Gerichtstermin mit dem Truchseß: "sîn geschepfede und sîn wât/ die gehullen wunneclîche in ein./ si bildeten under in zwein/ einen ritterlîchen man." (V.11098-11101). In den Szenen, in denen Tristan gezielt eine Rüstung anlegt um einen Kampf zu bestreiten, wird auch immer wieder darauf hingewiesen, wie gut diese zu seinem vortrefflichen Körper passt. Das geschieht einmal vor dem Kampf mit Morold und außerdem bei dem Gerichtstermin mit dem Truchseß, auch wenn es dort nicht zum Kampf kommt.

In Cornwall ist es vor allem Isolde, die den Fremden genau besieht und seine körperlichen Vorzüge erkennt: "sî blicte im dicke tougen/ an die hende und under d'ougen/ si besach sîn arme und sîniu bein,/ en den ez offenlîche schein, daz er sô tougenlîche hal." (V.9995-9999). Obwohl Tristan sich seiner königlichen Abstammung lange Zeit nicht bewusst ist und er sie später oft verleugnet indem er sich als Kaufmann oder Spielmann ausgibt, ist es doch nicht möglich, sie vollkommen zu verstecken.


Tristans Bildung – Künstler oder Kämpfer?

Tristans Ziehvater Rual li Foitenant ist sich der ererbten Bestimmung seines Stiefsohns bewusst und lässt ihm dementsprechend die beste Ausbildung, die man zu jener Zeit erhalten kann, zukommen. Tristan wird bereits mit sieben Jahren ins Ausland gesandt um Fremdsprachen zu lernen (V.2056-2063), mit denen er immer wieder beeindruckt, zum Beispiel mit der Rarität Norwegisch zu sprechen [Wolf 1989: 136]. Er studiert Bücher und zwar so intensiv, „daz er der bouche mêre/ gelernete in sô kurzer zît/ danne ie kein kint ê oder sît.“ (V.2090-2092). Er lernt viele Arten des Saitenspiels, des Dichtens und des Singens „biz er es wunder kunde“ (V.2099). Dabei lernt er nicht nur das Spielen sondern auch die dahinter stehende Theorie von Klangformen, Rythmen, Liedtypen und Klangkombinationen, was ihn nach der Deffinition Boethius' zu einem vollkommenen Meister seines Faches macht.[Jackson 1973:296/297]Tristan lernt auch höfische Spiele, zum Beispiel Schach.

Neben diesem musischen Teil, der eindeutig stärker hervorgehoben und detaillierter beschrieben wird, genießt Tristan auch die "normale" Ausbildung eines Ritters. Er lernt kämpferische Fähigkeiten wie Reiten, mit Schild und Speer umgehen, laufen, Springen, Speer werfen und Jagen (V.2104-2120). An dieser Stelle wird bereits die Bedeutung von Tristans Künsten angedeutet, die ihm Fluch und Segen zugleich sein werden. "der bouche lêre und ir getwanc/ was sîner sorgen anevanc." (V.2085/2086)[Jackson 1973:287]. Im Stellenzusammenhang ist der Satz dahin zu deuten, dass der Unterricht der Jugend freies Spiel einschränkt. Bezieht man diese Aussage jedoch auf den gesamten Roman kann man sie dahingehend deuten, dass seine Bildung eine der Ursachen für das ihm wiederfahrende Übel ist, auch wenn sie ihm in vielen Situationen von Nutzen ist. Sie befähigt ihn dazu etwas Höheres, Besseres zu sein anstatt das normale Leben mit den normalen Freuden eines Ritters zu führen, der nur Kämpfen und Jagen gelernt hat[Jackson 1973:288]. Hollandt geht sogar so weit die These aufzustellen, dass diese Vollkommenheit Tristans das Schicksal herausfordert und dadurch Mitursache für sein Leiden ist. Seine Fähigkeiten sind auf jeden Fall die Ursache für die Entführung durch die Norweger und der Anstoß für die Kette von Ereignissen in Tristans Leben [Hollandt 1966:81/82].

Es sind ausschließlich die musischen Fähigkeiten, die Tristan weiter bringen und mit denen er Anerkennung erlangt [Jackson 1973: 292]. Zugang zum Hofe Markes bekommt er aufgrund seiner Zerlegekunst und seines wunderbaren Hornspiels, Anerkennung am Hofe durch sein Saitenspiel, mit dem er das Hofvolk regelrecht in Ekstase versetzt [Wolf 1989: 140]. (V.3710-3720). In Cornwall ist es sein Harfenspiel, das zuerst die Aufmerksamkeit des anderen Schiffes weckt und das sich dann so schnell herum spricht, dass es ihm Zugang zum Königshof verschafft. Dort wird er als Lehrer für Isolde angestellt, da er dei Fähigkeiten Isoldes' bisherigen Lehrers weit Übertrifft.[Jackson 1973:290] W.T.H. Jackson stellt außerdem die These auf, dass es diese künstlerische Ausbildung ist, die erst zur vollkommenen Liebe befähigt [Jackson 1973: 303]. Tristan hat sie bereits erworben und gibt sie zuerst an Isolde weiter, bevor der Minnetrank die beiden verbindet. In der Minnegrotte verbringen sie die Zeit dann auch damit, sich gegenseitig vorzuspielen, zu singen und zu erzählen, und zwar antike Liebesgeschichten wie zum Beispiel von Phyllis, von Kanake, von Byblis und Dido (V.17182-17199). Liebe wird also nicht einfach irgendwie ausgelebt sondern sie folgt antiken Vorbildern, die nur ein gebildeter Mensch kennen kann.

Auch wenn Tristan kämpferisch alle seinen Zeitgenossen überlegen ist, tragen diese dagegen kaum zu seiner Anerkennung am Hofe bei. Immerhin bestreitet Tristan vier entscheidende Kämpfe, die kein anderer vor ihm hat gewinnen können: gegen Morgan, gegen Morold, gegen den Drachen und gegen den Riesen Urgan. Doch keiner dieser Kämpfe trägt dazu bei, sein Ansehen zu steigern. Sein erster Kampf gegen Morgan bringt ihm zwar ein größeres Reich, ist allerdings kein ehrwürdiger Kampf. Tristan und seine Gefährten schleichen sich als Kaufleute verkleidet ein und Tristan erschlägt Morgan ohne vorhergehenden ehrenvollen Kampf. Außerdem muss er am Ende noch durch die von Rual geschickten Truppen unterstützt werden, da er und seine Leute nicht alleine in der Lage sind Morgans Truppen zu besiegen. Es handelt sich um einen hinterrücksen Überfall und somit unritterliches Verhalten, das keinerlei Ehre einbringt sondern unter Beweis stellt, dass Tristan auch zu diesen brutalen Taten fähig ist.[Wolf 1989:142/143][2] Die Kämpfe gegen Morold, den Drachen und den Riesen Urgan würden Tristan von ihrer Art her schon Ehre bringen, so wie etwa Riwalin vor Blanscheflur im Kampf besteht. Allerdings finden sie alle ohne Zuschauer statt, der Kampf mit Morold auf einer Insel, die anderen beiden Kämpfe in der Wildnis und Tristan nimmt jeweils ein Körperteil der Bestien an sich, um seine Tat beweisen zu können. Der einzige potenziell ruhmbringende Kampf wäre der Gerichtskampf gegen den Truchseß, doch dieser findet dann garnicht statt.

Auffällig ist auch, dass alle diese Kämpfe erst nach Tristans Schwertleite stattfinden. Sie dienen also nicht dazu, seine Ritterlichkeit unter Beweis zu stellen, dies ist durch sein musikalisches und jägerisches Können anscheinend schon hinreichend geschehen. Vielmehr ist es das Rittertum, das ihm diese Aufgaben erst auferlegt. Seine Taten vollbringt er außerdem nie für sich selber sondern immer im Dienste anderer. Morgan ist zwar der alte Feind seines Vaters, doch als Tristan ihn besiegt hat, nimmt er nicht etwa den Königssitz seines Reiches ein sondern übergibt ihn Rual. Morold tötet er im Dienste Markes um das Land von den Tributzahlungen zu befreien, den Drachen tötet er um Marke Isolde zur Braut geben zu können. Den Riesen Urgan tötet er für den Herzog Gilan, der ihm zum Dank den Hund Petitcrü für Isolde gibt. Am Ende tut er sich noch im Krieg in Arundel hervor, diesmal im Dienste Kaedins. In Isoldes Diensten vollbringt er keine einzige Heldentat [Jackson 1973: 303].

Auch wenn Tristan sowohl als Kämpfer als auch als Musiker der Beste seiner Zeit ist, wird seiner musischen Seite mehr Bedeutung zugemessen.


Tristans âventiure

Tristans Leben lässt sich nach Hollandt in drei Abschnitte einteilen: von der Kindheit bis zum Liebestrank, das Leben mit Isolde und das Leben ohne Isolde.[Hollandt 1966:114] Das Trinken des Minnetrankes bedeutet einen tiefen Einschnitt in Tristans Leben. Ist er vorher ein selbstbestimmter Ritter, der in diversen Gefahren und Kämpfen durch List und Tapferkeit besteht, wird er durch den Minnetrank eine passive Figur die nurnoch im Dienst der Liebe handelt.[Hollandt 1966:115]. Isolde übernimmt nun die führende Rolle, es sind sie und Brangaene die die Minnelisten schmieden und Tristan eine Rolle zuweisen.[Hollandt 1966:112/113] Um Tristans Charakter zu analysieren ist es also aufschlussreicher, sich auf den ersten Abschnitt seines Lebens zu konzentrieren, bevor er unter den lebenslangen Einfluss des Minnetrankes gerät.


Ab seiner Entführung im Alter von zwölf Jahren bis zum Trinken des Minnetrankes ist Tristan ständig auf Reisen zwischen Cornwall, Irland, England und Parmenien und besteht in diversen Bewährungsproben. Diese durch Zufälle bestimmte Abenteuerfahrt entspricht den âventiure Fahrten anderer mittelalterlicher Romanhelden und auch im Text wird diese Episode in Tristans Leben als ein Ereignis "durch âventiure"(V.2150) eingeleitet. Das Anlegen des Kaufmannsschiffes (V.2149-2181), das Entdecken des Schachbrettes (V.2216-2224), die Bereitschaft mit Morold zu kämpfen (V.6156-6159), sein Landgang ins feindliche Irland während der Brautfahrt (8712-8714)werden als "von âventiure" und Tristan selbst wird vom Truchseß als "âventiuraere" (V.9234) bezeichnet, weshalb dieser Lebensabschnitt Tristans hier als seine âventiure bezeichnet wird. Die von Tristan bestandenen Abenteure lassen sich nach ihrer Art in zwei Gruppen teilen. Es gibt die list- Episoden, in denen Tristan durch geschicktes Täuschen sein Ziel erreicht, und die Kampfepisoden, in denen er durch Kraft und Mannhaftigkeit besteht.[Hollandt 1966:95] Kriegstaten sind der Kampf mit Morold (V.5867-7230) und der Kampf mit Morgan (V.5309-5608).Zu den Listtaten gehören das Erringen seiner Stellung am Hofe Markes (V.2482-3378)und seine erste Heilung durch Isolde (V.7361-8225). Die Brautwerbung (V.8226-11366) ist eine Mischung aus beidem, da sich Tristan mit einer List in Irland einschleicht, gegen den Drachen aber im Kampf bestehen muss.

In den Kampfesepisoden zeigt sich Tristan als mutig und unerschrocken, er ist der erste der es wagt sich gegen Morold aufzulehnen (V.6135-6192). Sein Mut wird stets mit Erfolg gekrönt, er ist stark und kämpferisch genug alle Feinde, gegen die er antritt, zu besiegen. Direkt nach dem Sieg über Morold zeigt er die Vorsicht seine Wunde vor den Iren zu verstecken. Nur dadurch ist es ihm später möglich eine Heilung durch Isolde zu erschleichen.

In den Listepisoden beweist Tristan Einfallsreichtum, Scharfsinn und Vorsicht. Jedem, dem er begegnet, erzählt er eine Geschichte die seine Situation erklärt und ihn unmittelbar weiter bringt und die Menschen dazu animiert ihm zu helfen. Mit Vorliebe gibt sich Tristan als Kaufmann oder [[Tantris, der kranke Spielmann (Gottfried von Straßburg, Tristan)|Spielmann)) aus. Auch in Situationen, in denen offensichtlich keine Gefahr droht wie bei der Begegnung mit den Pilgern, zieht Tristan eine falsche Identität der wahren vor. Bei seinen Fahrten nach Irland muss Tristan sich Listen bedienen, da es für ihn aufgrund des Bannes sonst unmöglich wäre, die Insel zu betreten. In jeder Situation verdient er sich Anerkennung durch seine Künste. Seine Listen dienen nicht dazu, sich unrechtmäßig etwas zu erschleichen und Leistungen zu umgehen, wie es der Truchseß tut, vielmehr gebraucht er die Listen um in Situationen zu kommen, in denen er sich Beweisen kann. [Hollandt 1966:98/99] Er gibt sich stets nur als etwas niedrigeres aus als er ist.

In der Brautwerbungsepisode beweist Tristan außerdem diplomatisches Geschick. Tristan fährt nicht auf gut Glück nach Irland sondern hat einen festen Plan in der Tasche, er will das an die Drachentötung gebundene Versprechen ausnutzen. Zuerst lässt er sich im Hafen gegen Bezahlung Schutz zusichern, später verlangt er von der Königin Schutz als anscheinend viel zu geringe Gegenleistung für die Drachentötung. Als die junge Isolde Tristan als den Mörder ihres Onkels erkennt, ist die Königin Isolde trotz alledem an ihre Zusicherung gebunden. Außerdem lässt Tristan, dem es zu Gute kommt, dass die Frauen ihn gegen den Truchseß brauchen, im richtigen Augenblick das diplomatische Heiratsangebot durchscheinen, mit dem er nach Irland gekommen ist und weckt dadurch zusätzliches Interesse. Tristan beweist sich durch List und Kampfeskraft in der Lage jede Situation mit Besonnenheit und Umsicht zielstrebig zum Erfolg zu führen ohne dabei unehrliche Mittel zu verwenden.


Tristan der Lantlôse

Um den Hang Tristans zum Vasallentum zu beschreiben greift C. Gottzmann die Bezeichnung Tristans als lantlôser zu Beginn des Moroldkapitels auf [Gottzmann 1989: 138]. Zu Beginn ist Tristan lantlôs, da er sich seines königlichen Herrschaftsanspruches nicht bewusst ist und außer Rual und Floraete auch niemand von seiner Existenz weiß. Parmenien wird nach dem Tode Riwalins ganz von Morgan erobert und dieser übernimmt die Herrschaft. Auch wenn Tristan in dem Land aufwächst, über das er rechtmäßig König ist, lebt er als Vasalle. Als er mit 14 Jahren entführt wird und so nach Irland gelangt, gibt er sich am Hofe Markes für den Sohn eines Kaufmannes aus Parmenien aus, ohne dass dazu ein ersichtlicher Grund besteht. Es hat aber die Wirkung, dass es für ihn keinen Grund gibt nach Hause zurück zu kehren und er zeigt auch keinerlei Bestrebungen das zu tun. Es ist Rual, sein Ziehvater, der ihn sucht, ihn über seine Identität aufklärt und ihn wieder mit nach Parmenien nimmt. Dort erringt der frisch zum Ritter geschlagene Tristan wieder den Anspruch König von Parmenien zu sein, indem er Morgan tötet und seine Kämpfer besiegt. Er etebliert sich also als Herrscher, bleibt aber nicht in Parmenien um seinem Amt nach zu kommen, sondern zieht es vor wieder am Hofe Markes zu dienen. Er übergibt die Verwaltung wieder an Rual und ist nun wieder lantlôs. Den größten Teil der Handlung verbringt Tristan nun am Hofe Markes und in dessen Diensten und all sein Tun und Handeln dient Irland, nicht ihm persönlich, zum Beispiel die Befreiung von den Tributszahlungen an Gurmun oder der Brautwerb für König Marke. Als er schließlich vom Hof Markes fort gehen muss, kehrt er zwar kurz zurück nach Parmenien, nachdem er die Verwaltung seines Landes geregelt hat, zieht er es aber wieder vor im Königreich Arundel zu Diensten zu sein. Wieder entscheidet er sich also gegen eine Oberherrschaft und für eine Abhängigkeit. Tristan ist also, wie gerade gezeigt, fast den ganzen Roman über lantlôs, aber nicht, weil er nicht in der Lage wäre seinen Herrschaftsanspruch gelten zu machen, sondern weil er sich freiwillig dafür entscheidet. Jackson begründet dies damit, dass Tristans Bildung ihn verpflichtet und er ihretwegen nie das Leben der einfachen, unkomplizierten Ritter führen kann [Jackson 1973: S.288]. Tristan will sich also nicht mit einem Aufgabenfeld in einem begrenzten Reich abgeben, sondern strebt immer hinaus und nach mehr Bildung, Abenteuern und Anerkennung. Landbesitz ist das einzige, was er nie zu gewinnen versucht. Sein Leben ähnelt dem eines Kaufmannes oder eines Spielmannes, die beide umherziehen und als die Tristan sich immer gerne ausgiebt. Beide haben keinen Landbesitz sondern streben nach anderem „Besitz“, der Kaufmann nach materiellem und der Spielmann nach geistigem Genuß [Gottzmann 1989: 132].


Tristan und der Begriff arbeitsaelic

Tristans Charakter lässt sich mit dem Begriff arbeitsaelic zusammenfassen. Dabei handelt es sich um ein Paradoxon welches die Tatsache beschreibt, dass Tristan nur um den Preis des Leidens zum Besten befähigt ist.

sin dinc was allez uz erkorn
beide an dem moute und an den siten.
nu was aber diu saelde undersniten
mit werndem schaden, als ich ez las,
wan er leider arbeitsaelic was. (V.2126-2130)
Von seinen Eltern hat Tristan außer dem Königstitel auch alle guten Eigenschaften geerbt: Stärke, Ritterhaftigkeit, List und die Fähigkeit zur vollkommenen Liebe. Aber die Stärke ist auch mit Übermutverknüpft, die Liebe mit Tod und Leid. Von seinen Zieheltern hat er eine hervorragende Bildung mit auf den Weg bekommen die ihm überall zu Anerkennung verhilft, ihn aber auch nie irgendwo zu Ruhe kommen lässt um das normale Leben eines einfachen Ritters zu führen.


Literatur

  1. Sämtliche in diesem Artikel zitierte Textangaben aus dem Tristan entstammen dieser Ausgabe: Gottfried von Straßburg: Tristan. Mittelhochdeutsch/Neuhochdeutsch. Nach dem Text von Friedrich Ranke neu hg., ins Neuhochdeutsche übers., mit einem Stellenkommentar und einem Nachwort von Rüdiger Krohn. Band 1-3. Stuttgart 1980.
  2. Über diese Stelle ist sich die Forschung uneins, Hollandt deutet die gleiche Szene als geschickte List[Hollandt 1966:88-90]

<HarvardReferences />

  • [*Gottzmann 1989] Gottzmann, Carola L.: Identitätsproblematik in Gottfrieds "Tristan", in : Germanisch-romanische Monatsschrift 39 (1989), S. 129-146.
  • [*Jackson 1973] Jackson, W.T.H.: Der Künstler Tristan in Gottfrieds Dichtung. In: Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg. Darmstadt 1973, S.280-304.
  • [*Wolf 1989] Wolf, Alois: Gottfried von Strassburg und die Mythe von Tristan und Isolde. Darmstadt 1989.
  • [*Tomasek 2007] Tomasek, Tomas: Gottfried von Straßburg, Stuttgart 2007
  • [*Hollandt 1966] Hollandt, Gisela: Die Hauptgestalten in Gottfrieds Tristan: Wesenszüge, Handlungsfunktion, Motiv der List. Berlin 1966. (Philologische Studien und Quellen; 30).