Ritter als Rastlose in Wolframs Parzival: Unterschied zwischen den Versionen
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Über Parzivals Halbbruder [[Feirefiz (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|Feirefiz]] erfährt der Rezipient zunächst wenig. Erst nach der Zusammenkunft der [[Parzival und Feirefiz (Wolfram von Eschenbach, Parzival)|beiden Brüder]] wird über sein Leben erzählt, vielmehr erzählt er Parzival davon: | |||
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Man erfährt also, dass er aufgrund der Suche nach seinem Vater ein rastloses Leben führt. Ähnlich wie Gahmurets Reisen sind auch seine von Minne geprägt. Bei der Zusammenkunft mit der Artusgesellschaft erzählt er stolz davon: | |||
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Hier wird deutlich, dass die Suche nach seinem Vater zwar der Auslöser für Feirefiz' Rastlosigkeit war, die Minne diese allerdings förderte. Denn die Liebe einer Frau verheißt noch keine Heimat und kein Familienleben, sondern vielmehr sich weiter beweisen zu müssen. Bei Feirefiz ist jedoch auffällig, dass er nach seiner Taufe und der Heirat mit der Gralsprinzessin Repanse de Schoye wieder zurück in seine Heimat, den [[Die literarische Funktion der Orient-Episoden im Parzival|Orient]] reist und sich dort niederlässt. Feirefiz ist damit der einer der wenigen, die wieder in ihre Heimat zurückkehren und in keiner neuen Heimat sesshaft werden, wie etwa Parzival. Er verbessert die Rastlosigkeit seines Vaters also dahingegen, dass er den Begriff der Heimat klar sieht und auch als nicht austauschbar. | |||
Sein Sohn Jôhan wird innerhalb des Orients erneut rastlos, um zu missionieren (siehe unten). | |||
Version vom 12. Juli 2015, 09:41 Uhr
Hier soll ein Artikel entstehen, der sich mit dem Vagabundendasein der Ritter beschäftigt. Warum bleibt Parzival nach seiner Heirat nicht bei seiner Frau, sondern sucht die Abenteuer?
Analyse
Ritter werden in Wolframs Parzival [1] fast immer in Bewegung beschrieben. Im Folgenden soll genau analysiert werden, warum Ritter scheinbar das Leben als rastloser Abenteurer bevorzugen. Inwiefern das ständige Streben nach Kämpfen und Erfahrungen die Suche nach einer Heimat, die dauerhaft bewohnt wird, erschwert, was zu dem Verlust des einfachen Glücks, das heißt des familiären, führt, soll in einem Fazit geklärt werden. Verbindung von Räumen?
Gahmuret
Gahmuret benutzt, sobald er beim Baruc im Orient in den Dienst getreten ist, einen Anker als Wappen. Kellner sieht den "Anker als Zeichen der Hoffnung auf ein Ziel" [Kellner 2009: 29]. In diesem Kontext kann davon ausgegangen werden, dass Gahmuret hier noch nach einem Ankommen oder einem Zuhause strebt, nachdem er als Zweitgeborener Anschouwe freiwillig verlässt. Der Anker als Wappen erlaubt also zunächst nicht ihn als rastlosen Ritter zu bezeichnen.
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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der hêrre plac mit gernden siten | , Der Herr führte, von seiner Hoffnung getrieben |
ûf sîne kovertiure gesniten | , auf seiner Couvertüre zugeschnitten |
anker lieht hermîn: | , einen Anker aus weißem Hermelin: |
(14, 15f.)
Jedoch wird direkt im Anschluss ausführlich darauf eingegangen, dass Gahmuret seinem Wappen nicht gerecht wird:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
---|---|
sîn anker heten niht bekort | , Sein Anker hatte aber nichts gefunden |
ganzes lands noch landes ort, | , weder ein ganzes Land noch einen Ort, |
dane wârn si ninder în geslagen: | , denn sie hatten nirgendwo festgemacht: |
der hêrre mouse fürbaz tragen | , Der Herr musste immer weiter tragen |
disen wâpenlîchen last | , des Wappens Last. |
in manegiu lant, der werde gast, | , In vielen Ländern bleib er Gast |
Nâch dem anker disiu mâl, | , trotz des Ankers als Wappen. |
wand er deheiner slate twâl | , Er hielt sich nirgends |
hete ninder noch gebite. | , und machte nirgends Rast. |
(14, 29ff.)
Der Rezipient erfährt durch diesen Erzählerkommentar, dass Gahmuret trotzdem er den Anker als Wappen trägt, rastlos auftritt. Es lässt sich also ein Diskrepanz zwischen dem implizit kommunizierten Vorhaben Gahmurets, dem Bleiben, das durch die Wahl des Wappens ausgedrückt wird und dem explizit beschrieben Handeln feststellen. Durch die mehrfache Beschreibung des Ankers (vgl. 23, 4-6 und 36, 16-20) wird aber die mit dem Anker verbundene Hoffnung im Übertragenen Sinne aufrecht erhalten. Die Diskrepanz wird im Folgenden aufgelöst, zunächst wendet sich alles zum Guten: Gahmuret heiratet Belacâne und findet damit scheinbar ein Zuhause. Er legt das Wappen den Ankers erst nach der Heirat ab und übernimmt das schwarz-weiße Wappen von Zazamanc, welches auch für seinen noch ungeborenen Sohn Feirefiz steht, dessen Haut schwarz-weiß gefleckt ist. Jedoch löst sich diese Erfüllung der Heimatsuche bereits kurz nach der Heirat auf: Gahmuret tritt auch als Ritter in den Dienst Belacânes und hinterlässt ihr nach seiner heimlichen Abreise lediglich einen Brief, in dem er erklärt, dass er sie verlassen muss und sie ihn nur im Falle ihrem Übertritts zum Christentum wiedergewinnen kann.
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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frouwe, wiltu toufen dich, | Frau, willst du dich taufen lassen, |
du maht ouch erwerben mich. | kannst du auch mich erwerben. |
(56, 25f.)
Obwohl sie sich dazu bereiterklärt (vgl. 58), bekommt sie keine Möglichkeit mehr dazu, da der Ritter bereits heimlich mithilfe des Fährmanns abgereist ist. Erst ihr Sohn Feirefiz erfüllt diesen Wunsch quasi eine Generation später. Gahmuret zieht mit einem Zelt aus Zazamanc, welches für die mitgeführte Quasi-Heimat stehen kann, weiter kämpfend und Abenteuer suchend nach Spanien, als er schließlich im Turnier von Kanvoleis auch Herzeloydes Herz gewinnt. Hier erhebt er zwar zunächst Einspruch gegen das Verlangen der Königin nach der sofortiger Heirat, die für den Gewinner des Turniers aussteht:
mittlehochdeutsch | Übersetzung |
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do sprach er 'frouwe, ich hân ein wîp: | Da sprach er: 'Frau, ich habe eine Ehefrau: |
diu ist mir lieber danne der lîp. | Die ist mir lieber als mein Leib. |
(94, 5f.)
Jedoch heiratet er Herzeloyde schließlich, aber auch sie verlässt er vor der Geburt seines Sohnes Parzival zugunsten vieler Reisen. Die Erlaubnis für diese ausgedehnten Reisen, auch in den Orient, war seine Bedingung vor der Hochzeit, die erst durch einen Richterspruch durchgesetzt wird. Seine letzte Reise wird ihm den Tod fernab von Heimat oder Familie bringen. Gahmuret stirbt in einer Schlacht für den Baruc und wird dort beerdigt:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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Er wart geleit zu Baldac. | Er wurde in Baldac zu Grabe gelegt. |
diu kost den bâruc ringe wac. [...] | Die Kosten achtete der Bâruc wenig. |
gebalset wart sîn junger rê [...] | Einbalsamiert hatte man seine jungen toten Leib. |
uns wart gevolget hie mite: | Unserer Bitte hatte man nachgegeben: |
ein kriuze nâch der marter sîte, | Ein Kreuz nach der Sitte der Marter, |
als uns Kristes tôt lôste, | als und Christus Tot erlöste, |
liez man stôzen im ze trôste, | ließ man stoßen, ein Zeichen der Zuversicht, |
ze scherm de sêle, überz grap. [...] | zum Schirm der Seele, übers Grab. |
ez betent heiden sunder spot | Die Heiden beteten Gahmuret ganz ohne Spott |
an in als an ir werden got, | an als ihren Gott. |
(106, 29 - 107, 20)
Bei der Grablegung ist nun eine Vermischung von Eigenem und Fremden zu erkennen: Gahmurets Leichnam wird nach der Tradition der Heiden einbalsamiert und aufgrund seiner großen Taten als Gott angebetet, zur Erinnerung an seinen christlichen Ursprung steht ein Kreuz auf seinem Grab. Seine Lanze und den tödlichen Speer veranlasste er zu Herzeloyde zu bringen (vgl. 106, 23f.), wo die Dinge im Münster beerdigt werden (vgl. 111, 30 - 112, 4). Gahmuret wird also, wie Kellner schreibt "gewissermaßen zweimal bestattet, [...] in der Ferne und in der Heimat." [Kellner 2009: 33] Ob man Kanvoleiz als Heimat Gahmurets bezeichnen kann ist für mich durch aus nicht unproblematisch, denn seine Heimat wäre ja eigentlich Anschouwe. Kanvoleiz kann eher als ein temporärer Wohnsitz bezeichnet werden, den er ja quasi gleich nach der Hochzeit wieder verlässt. Wichtig ist in diesem Kontext aber vor allem, dass Gahmuret selbst im Tod kein Zuhause findet: Er wird weit weg Anschouwe, Zazamanc und Kanvoleiz beerdingt und das Hemd der Herzeloyde, das er immer mit sich führte, wird ihm im Tod entrissen und zurückgeschickt. So ist selbst der Tod Gahmurets von einer gewissen Rastlosigkeit geprägt.
Parzival
Der Suche nach Abenteuern und damit der Rastlosigkeit möchte Herzeloyde, die Mutter Parzivals, durch die Erziehung in der Einöde von Sôltane aktiv entgegenwirken, allerdings kann diese Voraussicht nicht verhindern, dass auch ihr Sohn in die Welt auszieht. Nach dem ersten Kontakt mit Rittern, die er wegen ihrer glänzenden Rüstungen mit Gott gleichsetzt, will auch er ausziehen, um an den Arthushof zu gelangen, von dem ihm ebendiese Ritter erzählt haben (vgl. 121, 13 - 124, 24). Er reist über viele Stationen an den Hof, vor dem er den roten Ritter Ither, einen Verwandten, tötet, um an seine Rüstung zu gelangen; nur um am Artushof weiter an Gurnemanz verwiesen zu werden. Karg sieht darin einen Zwang der Erforschung der Fremde, die aus der Kindheit in Sôltane resultieren. [Karg 1993: 23f.] Bei Parzival ist tatsächlich eine Veränderung zu bemerken: Er zieht nicht zu Minnezwecken aus, sondern weil er versucht zu lernen und Ritter zu werden. Schließlich kann er durch einen Turniergewinn in Belrapeire als Ritter in den Dienst Condwîr âmurs treten, die er daraufhin auch ehelicht. Aber schon bald erbittet er eine Art Urlaub um seine Mutter besuchen zu können. Hierauf folgen viele Tjoste, viele Auseinandersetzungen, die Ankunft in Munsalvaesche, der Gralsburg, auf der er die entscheidende Frage und ein damit verbundener Lernprozess. Bei Parzival ist im Unterschied zu Gahmuret jedoch eine Art Heimweh auszumachen, was in der Blutstropfenszene am Plimozoel seinen Höhepunkt erreicht. Parzival wird hier an seine Frau erinnert und kann sich deshalb nicht auf einen Kampf konzentrieren. Hier wird die Wichtigkeit der Heimat deutlich: Parzival ist, bedingt durch viele Zufälle, schon so lange von Herzeloyde getrennt, dass er regelrechtes Heimweh verspürt. Heimat wird somit nicht als etwas verzichtbares beschrieben, wie es noch bei Gahmuret schein, der Anschouwe so leichtgläubig verlässt. Die Blutstropfenszene könnte als Verbesserung des Rastlosigkeitsverhalten Parzival gegenüber dem Gahmurets darstellen, allerdings zieht Parzival aus den Visionen keine Konsequenzen. Die Zusammenführung der Familie erfolgt erst später durch die gottgewollte Berufung Parzivals zum Gralskönig. Cundrîe überbringt die Botschaft:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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daz epitafjum ist gelesen: | Das Epitafium ist gelesen: |
du solt des grâles hêrre wesen. | Du sollst er Herr des Grâls sein. |
Condwîr âmûrs daz wîp sîn | Côndwîr âmûrs, deine Frau |
und dîn sun Loherangrîn | und dein Sohn Lohenangrîn |
sint beidiu mit dir dar benant. | sind beide mit dir berufen. |
dô du rûmdes Brôbanz daz lant, | Als du das Land Brôbanz verließest, |
zwên süne si lenbendec dô truoc. | da trug sie im Leib zwei lebendige Söhne. |
Kardeiz hât och dort genuoc. | Kardeiz wird dort ein großer Herr sein. |
(781, 15-22)
Hier wird deutlich, dass die Zusammenführung der Familie rein auf Organisation anderer beruht. Gleichzeitig aber auch, dass es sich nicht um eine vollkommene Zusammenführung handelt, denn die Familie wird gleichzeitig auch getrennt: Kardeiz wird nicht mehr bei seiner Mutter und seinem Bruder aufwachsen. Die Konstellation der Familie unterliegt hier der Herrschaftsorganisation: Kardeiz bleibt in Brôbanz, damit das Reich nicht in fremde Hände fällt. Das gottberufene Ende der Rastlosigkeit Parzivals ist also kein familiäres Happy-End, was zeigt, dass Rastlosigkeit und Familie zwar zusammenhängen, Familie in der Hierarchie aber dennoch unter der Herrschaftsexpansion steht. Die Bedeutung der Herrschaft wird auch in der Figur des Loherangrîn deutlich (siehe unten).
Feirefiz
Über Parzivals Halbbruder Feirefiz erfährt der Rezipient zunächst wenig. Erst nach der Zusammenkunft der beiden Brüder wird über sein Leben erzählt, vielmehr erzählt er Parzival davon:
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ich saeh doch gern den selben man: | Trotzdem möchte ich diesen Mann gern kennen lernen. |
mir ist ze wizzen getân | Man hat mir versichert, |
daz nie bezzer rîter wart: | dass es nie einen besseren Ritter gab. |
nâh im ist kostenlîch mîn vart.' | Um ihn zu finden, habe ich diese Reise mit großem Aufwand unternommen.' |
(750, 27-30)
Man erfährt also, dass er aufgrund der Suche nach seinem Vater ein rastloses Leben führt. Ähnlich wie Gahmurets Reisen sind auch seine von Minne geprägt. Bei der Zusammenkunft mit der Artusgesellschaft erzählt er stolz davon:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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gein rîterschefte het ich mout: | Mein Herz hatte Lust auf Rittertaten: |
swelch lant was werlîch unde gout, | Alle Länder, die mir mächtig und reich genug waren |
daz twang ich mîner hende, | zwang ich unter meine Hand, |
unz verre inz ellende. | so trieb ich es bis ganz weit in die Fremde. |
dâ werten mich ir minne | Da schenkten mir ihre Liebe |
zwuo rîche küneginne, | zwei gewaltige Königinnen: |
Olimpîe und Clauditte. | Olimpîe und Clauditte. |
Secundille ist nu diu dritte. | Secundille ist nun die dritte. |
ich hân durch wîp vil getân: | Den Frauen zuliebe habe ich große Taten vollbracht. |
(771, 11-19)
Hier wird deutlich, dass die Suche nach seinem Vater zwar der Auslöser für Feirefiz' Rastlosigkeit war, die Minne diese allerdings förderte. Denn die Liebe einer Frau verheißt noch keine Heimat und kein Familienleben, sondern vielmehr sich weiter beweisen zu müssen. Bei Feirefiz ist jedoch auffällig, dass er nach seiner Taufe und der Heirat mit der Gralsprinzessin Repanse de Schoye wieder zurück in seine Heimat, den Orient reist und sich dort niederlässt. Feirefiz ist damit der einer der wenigen, die wieder in ihre Heimat zurückkehren und in keiner neuen Heimat sesshaft werden, wie etwa Parzival. Er verbessert die Rastlosigkeit seines Vaters also dahingegen, dass er den Begriff der Heimat klar sieht und auch als nicht austauschbar. Sein Sohn Jôhan wird innerhalb des Orients erneut rastlos, um zu missionieren (siehe unten).
Der Artushof
Auch der Hof um König Artûs scheint häufiger auf strategischen Reisen zu sein, als in beschaulicher Idylle zu leben. Jedoch schwärmen teilweise auch nur bestimmte Ritter auf um Aufgaben zu erfüllen.
Gâwân
Gâwân heiratet zunächst nicht und als gegen Ende der Erzählung Orgeluse umwirbt und schließlich ehelicht bricht die Erzählung der Handlung ab. Er ist zwar auch rastlos, aber dafür dabei alleine und hat nicht eine (oder mehrer Familien), die auf ihn warten, wir Gahmuret oder Parzival. Seine Befreiung des Schastel Marveiles kann auch als Schaffung eines neuen Zuhauses gesehen werden. Denn er befreit die Burg von den mystischen Fluch, der über ihr liegt und macht sie damit bewohnbar. Später wird sie damit auch für ihn zu neuen Heimat, nach dem er die Herzogin von Lôgroys, nämlich Orgeluse heiratet. Für diese, also wiederum im Kontext der Minne, macht er sich jedoch noch einmal extra auf, um einen Zweig aus Gramoflanz' Garten zu brechen und den ehemaligen Liebhaber Orgeluse damit herauszufordern (vgl. 604, 7 - 611, 15). Zu den vereinbarten Tjost in Jôflanze lässt er den Artushof anreisen und gewährt sich damit Unterstützung durch seinen Heimathof. Hier wird deutlich, dass die Bedeutung einer Heimat nicht durch das Herumreisen verringert wird, sie wird sogar dadurch, dass sie nicht immer zugänglich ist noch mehr geschätzt. Auszumachen ist dies an der Freude, die Gâwân empfindet als er dem Botschaft mit der Zusage erhält:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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Gâwâns sorge gar geswant: | Gâwâns Sorgen zergingen ganz, |
niht wan freud er im herzen vant. | er fand nichts anderes mehr in seinem Herzen als Glück. |
Gâwân ûz sorge in fröude trat. | Gâwâns ganze Sorge wurde zu Freude. |
den knappen erz verswîgen bat. | Er bat seinen Knappen um Verschwiegenheit. |
al sîner sorge er gar vergaz, | All seine Sorgen waren ihm genommen. |
(654, 23-27)
Hier wird deutlich, wie wichtig die Anwesenheit der Artusgesellschaft in Jôflanze für Gâwân ist. Es scheint, als möchte er hier die Zusammenführung seiner alten und neuen Heimat bewirken.
Artûs
Artûs selbst ist auch rastlos, er nimmt seine Familie und die Hofgesellschaft aber immer mit: Dadurch wird, ähnlich wie bei Gâwân, weniger der Anschein einer Problematik aufgrund der Rastlosigkeit erweckt. Gerade bei der Vorbereitung auf das Turnier in Jôflanze wird deutlich, dass Artûs sich für eine Reise des gesamten Hofstaates einsetzt: "Artûs warp herzenlîche / zer messenîe diese vart" (651, 2f.). Gleichzeitig kann hier aber auch festgehalten werden, dass es eine Überzeugungsleistung benötigt und wirklich alle zum Reisen anzuregen. Wahrscheinlich wird auch deshalb das Gefühlt vermittelt, die Rastlosigkeit der Artusgesellschaft berge Harmonie, was dazu führt diese nicht negativ zu konnotieren. Vielmehr erfolgt eine positive Konnotation dadurch, dass die Unterstützung der Heimat verlagert werden kann. Wie am Beispiel Gâwâns ersichtlich wird, ist damit verbunden Unterstützung sehr wichtig und verhilft zum Über-sich-Herauswachsen. Ob die Rastlosigkeit der gesamten Hofgesellschaft jedoch gänzlich positiv ist, lässt sich bezweifeln, da das Finden der Zielperson auch problematisch werden kann. So kann es auch zum unwissentlichen Kampf zwischen zwei Artusrittern kommen, die nichts voneinander wissen (vlg. Gawan und Parzival im Vergleich (Wolfram von Eschenbach, Parzival).
Munsalvaesche
Der Grâl versieht die Rastlosigkeit der Ritter von Munsalvaesche nach der Taufzeremonie für Feirefitz mit einem strengen Reglement, das bestimmt Probleme unterbinden soll. Es heißt:
mittelhochdeutsch | Übersetzung |
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nâch der toufe geschihte | Nachdem die Taufzeremonie beendet war, |
ame grâle man geschriben vant, | sah man am Grâl eine Schrift: |
swelhen templeis diu gotes hant | Wenn die Hand Gottes einen Tempelritter |
gaeb ze hêrren vremder diete, | fremden Leuten zum Herren gebe, |
daz er vrâgen widerriete | so solle der sie davor warnen zu fragen |
sînes namen od sîns geslehtes, | nach seinem Namen oder seinem Abkunft, |
unt daz erin hulfe rehtes. | und er solle jedem sein Recht zukommen lassen. |
Sô diu vrâge wirt gein im getân, | Sobald jemand ihn frage, |
sô mugen sis niht langer hân. | dürfen sie ihn nicht länger bei sich behalten. |
(818, 25 - 819, 2)
Diese Regel, die besagt, dass die Herkunft von Gralsrittern, die ausreiten und heiraten verschwiegen werden muss. Damit wird die Heimat dieser Ritter geschützt. Die Möglichkeit der Rückkehr bei Nicht-Achtung dieser Regel zeigt, dass Ritter wann immer nach Munsalvaesche zurückkehren dürfen.
Anfortas
Anfortas war Minneritter, der sich ähnlich wie Gahmuret verhielt, was der Rezipient, wie auch Parzival selbst erst durch Trevrizent (vgl. XI. Buch) erfahren. Das Streben nach Minne wurde ihm zum Verhängnis. Der Gralskönig warb um die Herzogin von Lôschroys, Gawans späterer Frau. Im Kampf wurde er von einer vergifteten Lanze getroffen, eine schwelende Wunde ist das Ergebnis. Der Grâl verdammt Anfortas dazu, die Qual solange zu ertragen, bis ein Unwissender ihn von alleine nach seinem Wohlergehen fragt. In diesem Kontext kann von einer Art göttlichen Strafe gesprochen werden, jedoch ist zu bedenken, dass die vergiftete Lanze von einem Heide geworfen wurde. Allerdings weist das folgende Leiden des Gralskönigs explizit auf die durch Minne verursacht Problematik der Rastlosigkeit hin. Brunner sieht auch deshalb eine Entwicklung von Minneritern weg hin zu Artusrittern, die über die Generation Gahmuret/Parzival gebrochen wird. [Brunner 2009: 46] Parzival kann also auch als Verbesserer in Tradition der Gralskönige gesehen werden, weil er bereits eine Familie hat, als er Gralskönig wird; nicht nur in genealogischer. Die Minnehandlung wird bei Parzival somit quasi vorverlegt, womit er sich klar auf seine Aufgaben als Herrscher konzentrieren kann.
Trevrizent
Übt Reue für Antfortas: Er ist als ehemalig rastloser Ritter in der Klause heimisch geworden und verlässt diese schlichtweg nicht.
Die folgende Generation
Loherangrîn
Jedoch Problematik in nächster Generation Loherangrin [Karg 1993: 25]
Jôhan
Vergleich mit anderen mittelhochdeutschen Texten
Kudrun
Iwein
Auch in Hartmann von Aues Iwein[2] begibt sich der Protagonist Iwein nach seiner Hochzeit mit Laudine auf aventîure.
Fazit
Rastlosigkeit immer zweckgebunden: Minne/Aventuire, aber gleichsam auch Missionierung. Deutlich wird aber auch, dass es nicht ein Ideal darstellt.
-> Ideal Artushof?
Anmerkungen
- ↑ Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
- ↑ Hartmann von Aue: Iwein. Mittelhochdeutscher Text mit Übersetzung von Rüdiger Krohn. Kommentiert von Mireille Schnyder, Stuttgart 2012.
Literaturverzeichnis
Textausgabe
[*Parzival]Wolfram von Eschenbach: Parzival. Studienausgabe. Mittelhochdeutscher Text nach der sechsten Ausgabe von Karl Lachmann. Übersetzung von Peter Knecht. Mit einer Einführung zum Text der Lachmannschen Ausgabe und in Probleme der 'Parzival'-Interpretation von Bernd Schirok, 2. Aufl., Berlin/New York 2003.
Sekundärliteratur
<HarvardReferences />
- [*Brunner 2009] Brunner, Horst 2008: Annäherungen. Studien zur deutschen Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Besonders S. 38-49.
- [*Karg 1993] Karg, Ina 1993: Bilder von Fremde in Wolframs von Eschenbach Parzival. Das Erzählen von Welt und Gegenwelt. In: Berger, Günther und Kohl, Stephan (Hrsg.): Fremderfahrung in Texten des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. S. 23-43.
- [*Kellner 2009] Kellner, Beate 2009: Wahrnehmung und Deutung des Heidnischen in Wolfram von Eschenbachs "Parzival". In: Grenzmann, Ludger, Haye, Thomas: Wechselseitige Wahrnehmung der Religionen im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit Bd. 1: Konzeptionelle Grundfragen und Fallstudien (Heiden, Barbaren, Juden)(Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen. PhilologischHistorische Klasse, NF 4, 1). S. 23-50.