Maria

Aus Kunstwissenschaft Ikonographie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

ARTIKEL IST NOCH NICHT KORRIGIERT UND FREIGEGEBEN

Abb.1, Giovanni Battista Salvi da Sassoferrato, Betende Maria, unbekannt, Öl auf Leinwand, 46,8 x 37,2 cm, Staatliche Kunsthalle Karlsruhe. Bildquelle: Public domain via Wikimedia Commons


Maria von Nazareth als Mutter Christi gilt als wichtigste Heilige der (katholischen) Christenheit und ist ebenfalls unter dem Namen Himmelskönigin, Jungfrau Maria und Gottesmutter bekannt. In der christlichen Kunst ist sie die am häufigsten abgebildete Person und dementsprechend vielfältig in ihre Darstellung.

Quellen

Über die Jungfrau Maria wird wenig in der Bibel berichtet. Das Neue Testament spricht von ihr als „Mutter Jesu“ oder nennt sie beim Namen „Maria“. In den Apokryphen, der Legenda aurea und anderen legendarischen Schriften findet sie mehr Erwähnung. Hier führte vor allem die mangelnde biografische Ausarbeitung in der Bibel und die wachsende Marienverehrung zur Entstehung ausführlicher Schriften über das Marienleben.

In den synoptischen Evangelien der drei Evangelisten Markus, Matthäus und Lukas und der Apostelgeschichte tritt sie mit ihrem Namen „Maria“ auf. Im Johannesevangelium und den Paulusbriefen fungiert sie als „Mutter Jesu“. Das Markusevangelium gilt als älteste Quelle der Erwähnung ihres Namens „Maria" (Mk 6,3).

Besonders in den Kindheitsgeschichten des Lukas- und Matthäusevangeliums spielt Maria eine größere Rolle. Im Matthäusevangelium ist jedoch Josef der Handelnde, von Maria wird nur in passiver Form gesprochen. Im Lukasevangelium hingegen stimmt Maria ihrer Schwangerschaft aktiv zu (Lk 1,31f.). Auf diese Verkündigungsszene folgt Marias längster Monolog im Neuen Testament (Lk 1,46-55). Trotz ihrer Rolle als Mutter Jesu, welche dem Retter das Leben geschenkt hat, tritt sie in der Bibel nach der Verkündigungs- und Geburtsszene nur noch als Randfigur auf.

In den apokryphen Schriften finden sich vermehrt Erzählungen über das Leben Mariens. So wird sie im Philippusevangelium, welches vermutlich im späten 2. Jahrhundert oder frühen 3. Jahrhundert entstanden ist, als Jesu beständige Begleiterin und damit Jüngerin beschrieben. Das Protevangelium des Jakobus, auch Offenbarung des Jakobus genannt, ist die Schrift, welche sich am allumfassendsten mit der Biografie Mariens beschäftigt. In dieser Erzählung werden zum ersten Mal die Namen der Eltern Mariens – Anna und Joachim – genannt. Auch weicht hier die Geburtsgeschichte von neutestamentarischen Erzählungen ab. Jesus wird nicht in einem Stall, sondern in einer Höhle geboren. Seit seiner Entstehung um 150 n. Chr. wird das Protevangelium rezipiert und hat große Auswirkung auf das abendländische Verständnis des Marienlebens und dessen Rezeptionsgeschichte. Es ist Grundlage weiterer legendarischer Erzählungen, wie zum Beispiel die des Pseudo-Matthäus Evangeliums, welches wiederum Inspirationsquelle für Giotto di Bondones Ausgestaltung der Arenakapelle in Padua darstellt.

Über den Tod Mariens und Himmelfahrt berichtet die Bibel nichts. Diese Thematik ist Inhalt späterer Schriften, welche im Zusammenhang mit der wachsenden Popularität und Anbetung Mariens entstanden. Vor allem das Konzil von Ephesos im Jahre 431 führte zu einer legendarischen Ausarbeitung ihrer biografischen Eckdaten. So auch die Transitus-Mariae-Legenden, welche im 5. Jahrhundert entstanden. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe apokrypher Schriften, die sich mit Marias Tod und ihrer Aufnahme in den Himmel beschäftigen. Ein weiteres Beispiel ist Der Heimgang der seligen Maria, datierbar um das Jahr 500.

Leben und Wirken

Maria als Tochter von Anna und Joachim

Im Protevangelium des Jakobus erfahren wir, dass Marias Eltern Anna und Joachim heißen. Durch Annas Unfruchtbarkeit bleibt ihnen die Geburt eines Kindes vorerst verwehrt. Von einem Engel wird Anna jedoch die Geburt eines Kindes verkündet, welchem sie den Namen Maria gibt. Anna ist Gott für dieses Geschenk zutiefst dankbar und schickt Maria im Alter von drei Jahren in den Tempel.

Verlobung mit Josef

Mit zwölf Jahren soll der Hohepriester Zacharias alle Witwer Israels im Tempel versammelt haben, in welchem durch ein Zeichen Gottes der Ehemann Mariens auserwählt würde. In diesem Verfahren fällt die Wahl auf Josef und er gelobt, sich um Maria zu kümmern. (ProtevJak 9)

Die Verkündigung der Geburt durch Erzengel Gabriel

Dem Narrativ der jungfräulichen Geburt folgend, erfährt Maria über einen Engel von der, durch den heiligen Geist bewirkten, Schwangerschaft und Geburt Jesu. Im Lukasevangelium wird der Engel mit Namen Gabriel von Gott in die Stadt Nazareth gesandt, wo er verkündet: „Du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollt ihm den Namen Jesus geben.“ (Zürcher Bibel 2007, Lk 1,31). Sie erwidert fragend, wie das geschehen solle, da sie von keinem Mann und somit keiner Möglichkeit der Schwangerschaft wisse. Der Engel antwortet ihr: „Heiliger Geist wird über dich kommen, und Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Darum wird auch das Heilige, das gezeugt wird, Sohn Gottes genannt werden.“ (Zürcher Bibel 2007, Lk 1,34-35). Im Matthäusevangelium besucht der Engel nicht Maria, sondern Josef und verkündet ihm die Botschaft. In Erzählungen, in welchen Josef nicht über einen Engel von der Schwangerschaft erfährt, ist Josef häufig über die Schwangerschaft erschüttert. In diesen Fällen erscheint ihm im Traum ein Engel, welcher ihm die Schwangerschaft Mariens durch den heiligen Geist versichert.

Geburt Jesu in Bethlehem (Heilige drei Könige)

Kurz nach der Bekanntmachung der Volkszählung begeben sich Josef und die hochschwangere Maria auf den Weg von Nazareth nach Betlehem. Bei Maria setzen die Wehen ein und da es keine freie Herberge gibt, gebiert sie das Kind in einem Stall und legt es in eine Futterkrippe. Nach dem Protevangelium des Jakobus vollzieht sich die Geburt in einer Höhle, begleitet von wunderlichen Lichterscheinungen. Eine Frau mit Namen Salome bezweifelt die jungfräuliche Geburt und möchte sie prüfen. Ihr wird daraufhin die Hand verdorrt und nur durch die Berührung des Kindes kann sie geheilt werden. Diese Erzählung soll die Jungfräulichkeit Mariens beweisen.In der späteren lateinischen Adaption des Protevangeliums nach Jakobus, dem Pseudo-Matthäus-Evangelium, finden Maria und Josef nach der Geburt in der Höhle einen Stall, wo Christus in eine Krippe gelegt und von Ochs und Esel angebetet wird. Hiermit erfüllt sich eine Weissagung des Propheten Jesajas aus dem Alten Testament, welche besagt, dass Ochs und Esel ihren Herrn erkennen.

Die Überlieferung nach dem Matthäusevangelium erwähnt Sterndeuter, die auf der Suche nach dem „neugeborenen König der Juden“ (Zürcher Bibel 2007, Mt 2,2) sind. Sie werden von einem Stern geleitet, der sie zum Christuskind führt, welchem sie die Gaben Gold, Weihrauch und Myrrhe mitbringen. Auf ihrer Reise treffen sie auf König Herodes, welcher sie dazu auffordert, ihm den Standort des Kindes mitzuteilen. Sie sehen aber davon ab. Im Traum erscheint Joseph daraufhin ein Engel, der ihn auffordert, vor Herodes nach Ägypten zu fliehen.

Kreuzigung Jesu

Das Johannesevangelium berichtet, dass die Mutter Jesu zusammen mit anderen Frauen bei der Kreuzigung Jesu anwesend war. Hier trägt es sich zu, dass Jesus seine Mutter und den „Jünger, den er liebte“ (Zürcher Bibel 2007, Joh 19,26) – es handelt sich um Johannes – nebeneinanderstehen sieht und zu seiner Mutter sagt: „Frau, da ist dein Sohn“ (Zürcher Bibel 2007, Joh 19,26) und zu Johannes „Da ist deine Mutter.“ (Zürcher Bibel 2007, Joh 19,27). In späteren Schriften und Gedichten, wie zum Beispiel das Stabat mater, wird über die Beweinung Christi durch Maria gesprochen.

Auferstehung Jesu

In der Apostelgeschichte (Apg 1,14) wird erwähnt, wie Maria, die Mutter Jesu, zusammen mit seinen Jüngern und anderen Frauen nach seiner Auferstehung und Himmelfahrt gemeinsam beten. Ungeklärt ist, ob Maria selbst seiner Aufnahme in den Himmel beiwohnte.

Tod und Mariä Himmelfahrt

Die Schriften sind sich untereinander nicht einig, ob Maria wie eine Irdische starb oder zu ihrem Sohn in den Himmel aufgenommen wurde. Manche Erzählungen erwähnen nur ihren Tod und andere berichten von ihrem Transitus. Auch ist unklar, an welchem Ort sie gestorben beziehungsweise in den Himmel aufgenommen wurde. Die Überlieferungen berichten sowohl von Ephesus und Jerusalem, wo ihr Grab auch heute noch verehrt wird. Vor ihrem Transitus soll Maria am Berg Zion oder in Ephesus ein Engel mit einem Palmzweig erschienen sein, welcher ihr den Tod verkündete. Maria bat daraufhin um die Anwesenheit der Apostel, welche von Wolken herbeigeflogen wurden, um am Lager der Sterbenden zu wachen. Jesus soll dann die Seele Mariens in den Arm genommen und zu sich in den Himmel geholt haben.

Bildtraditionen

Abb 2., Thronende Gottesmutter aus Byzanz. Diptychon mit thronendem Christus und thronender Maria mit Kind (rechte Hälfte), 6. Jh., Elfenbein, Staatliche Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst. Bildquelle: Klaus T. Weber [CC-BY-SA 4.0] via Prometheus Bildarchiv

Attribute

Jesuskind
Krone

In Darstellungen der Maria als Himmelkönigin beziehungsweise als Regina Caeli ist die Krone aussagekräftig. Sie ist Ausdruck der Königswürde Mariens, welche ihr bereits im byzantinischen Zeitalter zugesprochen wurde. Man verehrte sie als Pendant zum himmlischen König, ihrem Sohn. Die Krone wird auch in biblischen Zusammenhängen als Krone des Lebens oder der Unsterblichkeit erwähnt, welche den Zustand von immerwährendem Heil signalisiert.[1]

Zepter

Das Zepter ist Symbol für die höchste Macht und Würde, welche Maria zugeschrieben wird. Es gilt auch als Träger göttlicher Kräfte.[2]

(blauer) Mantel

Der Blaue Mantel ist sowohl ein Symbol für den Himmel als auch für Marias Reinheit.[3]

(weißes) Kleid

Die weiße Farbe von Mariens Kleid steht für Reinheit, Licht und Vollkommenheit sowie für Unschuld und Jungfräulichkeit.[4]

Kreuz

Das Kreuz ist Sinnbild des Leidens und Triumphes Christi. Maria ist durch ihre Rolle als Gottesmutter ein Teil davon.

Mondsichel
Abb. 3, Goldene Madonna, ca. 980, Holzkern mit dünnen Gold- und Silberplatten, 74 x 27 cm, Essen, Domschatzkammer. Bildquelle: Arnoldius [CC BY-SA 2.5] via Wikimedia Commons
Abb. 4, Abbildung einer Wandmalerei der stillenden Maria aus dem koptischen Jeremiaskloster zu Saqqara, 6. Jh., Koptisches Museum Kairo. Bildquelle: Public domain via Wikimedia Commons

Das apokalyptische Weib, das in der Offenbarung des Johannes 12,1 genannt wird und das man in späterer Zeit sowohl mit Maria als auch mit der Kirche identifiziert, erscheint "mit der Sonne bekleidet und den Mond zu seinen Füßen" (Zürcher Bibel 2007, Offb 12,1). Die Mondsichel ist also ein direkter Bezug zum apokalyptischen Weib und somit Maria.[5]

Kranz von 12 Sternen

Auch dieses Attribut ist auch auf die Offenbarung zurückzuführen. Die apokalyptische Frau hat "auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen". (Zürcher Bibel 2007, Offb 12,1)

Weltkugel
Lilien

Die weiße Lilie ist das Symbol für Reinheit, Jungfräulichkeit und Unschuld. Attribute, welche Maria zugeschrieben werden. Die Lilie kann auch auf Zeptern oder Krone abgebildet sein.[6]

Apfel

Der Apfel ist ein Attribut Mariens, welcher sie als neue Eva manifestiert und auf die Erlösung der Menschheit von der Erbsünde hinweist.[7]

Darstellungsmotive

Die Vielzahl und facettenreiche Darstellung der Maria spricht für ihre umfangreiche Verehrung. Mit dem Konzil von Ephesos 431, in welchem sie heiliggesprochen und als Theotokos, also als Gottesmutter, anerkannt wird, beginnt offiziell die Marienverehrung und es entwickeln sich frühchristliche Marienbildtypen. Der sprunghafte Anstieg der Beliebtheit spiegelt sich im Baubeginn der Santa Maria Maggiore in Rom, welcher ein Jahr nach dem Konzil 432 begann. Die Mosaiken, welche die Wände dieser Kirche schmücken, stellen Maria zusammen mit ihrem Sohn Christus in den Vordergrund. Auch durch den im Jahre 843 beendeten Bilderstreit wird ihre Verehrung verstärkt. Die Zahl der Marienkirchen nimmt über die Jahre stetig zu. In Begleitung von Engeln ist Maria ein beliebtes Element in Apsiskonchen, in welchen vor allen ihre Mittlerrolle zu Gott demonstriert wird.

Aus den frühchristlichen Marienbildtypen entstehen byzantinische Marienbildtypen, welche sich besonders durch ihren ikonenhaften Bildtyp und goldenen Bildgrund auszeichnen. Maria ist häufig idolhaft unweiblich und das Kind im unkindlichen Logos-Typ dargestellt (Vgl. Abb. 4). Diese rigiden und statischen Bildtypen werden später in der westlichen Kunst übernommen und weiterentwickelt. Der Westen hält im Gegensatz zum Osten nicht lange an einem Bildtypus fest, sondern befindet sich in einem ständigen Wandel. Konzepte aus Byzanz vermischen sich mit westlichen Stilisierungsmerkmalen. Der Goldgrund wird durch heimischen Landschaftsgrund ersetzt (Vgl. Abb. 5). Auf die ikonenhafte Darstellung wird verzichtet und das sonst sehr statische Christuskind erscheint in bewegter und kindlicher Form. Zweidimensionale Marienbildtypen aus dem byzantinischen Reich finden in Form von Skulpturen aus Holz, Stein und Metallen Ausdruck (Vgl. Abb. 3). Weitere Konzile, wie das Konzil von Trient, welches zwischen 1545-63, tagte und die Festlegung von Dogmen führten zur Bildung weiterer Marienbildnisse und Typen. Diese formale Vielfalt und weite Verbreitung erschwert das kategorische Abgrenzen von Marienbildnissen.

Thronende Gottesmutter
Abb. 5, Gerard David, The Rest on the Flight into Egypt, ca. 1512-15, Öl auf Holz, 53,3 x 39,8 cm, Metropolitan Museum of Art. Bildquelle: Public domain via Wikimedia Commons

Der Marienbildtypus der thronenden Gottesmutter, auch thronende Hodegetria genannt, ist ein Typus, welcher im autonomen Bildnis Mariens eine zentrale Rolle spielt. Der frühchristliche Typus, zeichnet sich besonders durch seine formale Strenge aus. Er entwickelte sich während des 5. Jahrhunderts zum eigenständigen Motiv. Das Thema wurde aus einer szenischen Darstellung mit anbetenden Magiern oder Heiligen isoliert, um ein autonomes Marienbildnis zu schaffen. Vorbild dieses Typus war die verbreitete Darstellung des thronenden Christus.

Ein Beispiel für die frühe Darstellung einer thronenden Gottesmutter aus Byzanz ist auf Abbild 2 zu erkennen. Das Kind sitzt frontal in der Körperachse auf dem Schoß der Mutter. Es segnet mit der rechten Hand und hält in der linken eine geschlossene Schriftrolle. Der Thron, auf welchem die Gottesmutter sitzt, ist mit schmuckvollen Bordüren verziert. Maria scheint untrennbar mit dem Thron verbunden. Dies ist die Darstellung Mariens als sedes sapientiae, als „Sitz der Weisheit“. Sie selbst ist der Thron für Christus, der „fleischgewordenen göttlichen Weisheit“[8], auf ihrem Schoß.

Im Westen durchlebt der Typus vor allem die Übertragung auf eine vollplastische, dreidimensionale Darstellung in Form von Skulpturen. Das prominenteste und älteste Beispiel ist die Essener Goldene Madonna (Abb.3) datierbar um das Jahr 980. Hierbei wird sofort ersichtlich, dass der ursprünglich formal strenge Typus in abendländischer Kunst an Bewegung gewinnt. Das Kind sitzt nicht mehr achsial-frontal auf dem Schoß der Mutter, sondern ist ihr in einer liegenden Position zugewandt und schaut sie direkt an. Es trägt ein priesterliches Gewand und hält ein Buch an seine Brust gedrückt. Die Mutter hält mit drei Fingern eine Kugel in der Hand. Diese Kugel könnte als Apfel gedeutet werden, welche Maria direkt mit Eva in Verbindung bringt. Durch die Geburt Christi wird die Menschheit von der mutmaßlich durch Eva evozierte Erbsünde erlöst. Auch hier fungiert Maria wieder als Sitz der Weisheit. Der Stuhl verschwindet fast vollständig unter ihrem Gewand.

Im Verlauf des 12. Jahrhunderts überträgt sich der Typus zunehmend auf die Ausarbeitung zu Holzschnitzwerken, welche durch ihre schnellere Produktion einer steigenden Nachfrage an Marienskulpturen gerecht werden konnten.

Stillende Gottesmutter (Maria lactans)

Die stillende Gottesmutter, auch Maria lactans genannt, ist ein frühchristliches Marienbildnis, welches sich seit dem 6. und 7. Jahrhundert etabliert. In byzantinischer Zeit wird dieser Typus Galaktotrophusa genannt. Er bedient sich spätzeitlicher Darstellungstraditionen der Göttin Isis mit dem Horuskind auf dem Schoß. Der Akt des Stillens ist eine visuelle Manifestation der menschlichen Natur Christi, welcher durch die Brust seiner menschlichen Mutter von menschlicher Milch genährt wird. Der Typus ist häufig auch in szenischen Darstellungsformen wie der Flucht nach Ägypten zu finden.

Auf dem Abbild 4, welches eine Wandmalerei aus dem koptischen Jeremiaskloster zu Saqqara zeigt, erkennt man die Gottesmutter, welche mit einem geschlitzten Kleid im Begriff ist, das Christuskind zu stillen. Sowohl Maria als auch das Kind haben einen Heiligenschein um das Haupt und sind dem Betrachter zugewandt. Maria führt mit der linken Hand ihre Brust an den Mund des Kindes. Christus hält mit beiden Händen die Hand, die ihn nährt. Maria wird sowohl als thronende als auch stillende Gottesmutter manifestiert. Typisch für frühchristliche Darstellungsweisen erscheint die Komposition trotz des intimen Bildthemas im Gesamten eher streng.

Abb. 6, Albrecht Dürer, Marienleben: Titelblatt, 1510, Holzschnitt, 29.2 x 21.9 cm, Staatliche Graphische Sammlung München. Bildquelle: Public domain via Wikimedia Commons

The Rest on the Flight into Egypt (Abb. 5) von Gerard David zeigt, trotz der ähnlichen Darstellungsform, deutliche Unterschiede zu obigem Beispiel. Es ist eine simultane Darstellung. Im Hintergrund erkennt man Maria und das Kind auf dem Esel und Josef. In der linken hinteren Bildhälfte ist ein niederländisches Dorf dargestellt. Hier wird ersichtlich, dass die abendländische Kunst die christlichen Bildthemen in heimische Szenerien versetzte. Im Vordergrund steht die stillende Maria, welche auf der Flucht nach Ägypten eine Pause einlegt, um das Kind zu stillen. In dreieckiger, pyramidenartiger Form sitzt sie auf einem Felsvorsprung. Durch ihren geschlitzten Unterrock hält sie mit der linken Hand Christus die Brust hin. Anders als in der Wandmalerei von Saqqara ist ihr Blick dem Kind zugewandt. Dieser wiederrum richtet den Blick zum Betrachtenden. Die typischen Farbattribute - blau und rot – für Mariens Gewand sind auch vertreten.

Trotz zeitweiser Diskussionen über die augenscheinliche «Freizügigkeit» des Typus und dem Willen des Konzils von Trient (1545-1563) diese Darstellungen zu unterbinden, ist der Typus weiterhin vertreten geblieben.

Maria als Apokalyptisches Weib

Die Darstellung der Maria als Apokalyptisches Weib auch – Strahlen- beziehungsweise Mondsichelmadonna genannt – ist eine isolierte Darstellung der Gottesmutter, welche sich im Verlaufe des Mittelalters und vor allem gegen Ende des Mittelalters in der christlichen Kunst ausprägte. Diese Darstellung entstammt der Erzählung Die Frau und der Drache in der Offenbarung des Johannes: „Und es erschien ein gewaltiges Zeichen am Himmel: eine Frau bekleidet mit der Sonne, und der Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupt ein Kranz von zwölf Sternen.“ (Zürcher Bibel 2007, Offb 12,1) Eine Interpretationsauslegung ist, dass es sich bei dem apokalyptischen Weib um die Gottesmutter handelt und dies manifestiert sich seit dem 12. Jahrhundert in der Kunst. Die Darstellungen der Maria als apokalyptisches Weib bewegt sich dementsprechend nah an der Schilderung. Das Titelblatt von Albrecht Dürers Marienleben (Abb. 6) zeigt die Gottesmutter „bekleidet“ mit einem Strahlenkranz, welcher sie und das Christuskind, umleuchtet. Sie erstrahlt wortwörtlich in ihrer Göttlichkeit. Über ihrem Haupt schwebt ein Sternenkranz mit zwölf Sternen und sie sitzt, gebettet auf Kissen, auf einer Mondsichel, die nach oben geöffnet ist. Die Manifestation als Gottesmutter und Beschützerin der Gläubigen wird hier auch durch die Darstellung als Maria lactans verstärkt. Ihr Blick ist nach unten in Richtung des Christuskinds und der Erde gerichtet, über welche sie in ihrer erhöhten Stellung im Himmel wacht.

Abb. 7, Giovanni Battista Tiepolo, The Immaculate Conception, 1767-68, Öl auf Leinwand, 281 x 155 cm, Museo del Prado, Madrid. Bildquelle: Public domain via Wikimedia Commons

Häufig wird das Motiv auch mit einer stehenden Maria verbunden oder der Darstellung als Himmelskönigin mit einer Krone auf ihrem Kopf. Die Attribute der Mondsichel beziehungsweise des Strahlen- und Sternenkranzes sind dabei ausschlaggebend.

Immaculata Conceptio

Der Typus entsteht gegen Ende des 16. Jahrhunderts unter anderem aus der ikonografischen Vorlage der Maria als Apokalyptisches Weib. Es entwickelt sich zu einer zentralen Mariendarstellung des Barocks. Die Popularität dieses Motivs entstand infolge der immer lauter werdenden Meinungen bezüglich der Unbefleckten Empfängnis Mariens im 14. und 15. Jahrhundert. Die These wurde während des Konzils von Trient 1546 umfassend besprochen und schlussendlich im 17. Jahrhundert zum Teil der katholischen Überzeugung und später auch zum Dogma erklärt. Die Thematik der Immaculata Conceptio behandelt, inkohärent zur verbreiteten Auffassung des Lebensablaufs im christlichen Glauben, eine vorgeburtliche Entwicklung. Der Moment, in welchem Maria dargestellt ist, zeigt den Zeitpunkt vor ihrer irdischen Geburt und verdeutlicht, dass sie als einziger Mensch von der Erbsünde unbefleckt auf die Welt kommt. In Giovanni Battista Tiepolos Darstellung der Immaculata Conceptio (Abb. 7), welche repräsentativ für den Typus ist, steht Maria im weißen Gewand ohne Kind in sehr jugendlicher Gestalt auf einer Mondsichel und einer Weltkugel. Ihre Hände sind in Gebetshaltung gefaltet und ihr Blick nach unten geneigt. Über ihrem Kopf schwebt der Sternenkranz und der Heilige Geist in Form einer weißen Taube. Sie ist umgeben von Engeln, die ihr Gewand halten oder eine Lilie tragen, welche das Symbol für Mariens Reinheit und Unbeflecktheit darstellen. Mit den Füßen steht sie auf einer Schlange, welche einen Apfel im Mund hält. Die Schlange und der Apfel sind das Sinnbild für den Sündenfall, welchen sie durch ihre unbefleckte Empfängnis auf die Erde symbolisch mit Füßen tritt. In anderen Darstellungen tritt Maria auch auf den Kopf der Schlange, was auf eine Bibelstelle in Genesis zurückzuführen ist. Hier spricht Gott mit der Schlange und prophezeit ihr, dass ein Nachfolger (eine Nachfolgerin) von Eva ihm den Kopf zertreten wird (Gen 3,15).

Vesperbild (Pietà)

Aus dem bereits in Fülle dargestellten Motiv der leidenden Maria entwickelt sich zur Zeit der Pestepidemien im 14. Jahrhundert die Pietà. Der italienische Name Pietà ist eine Abkürzung für „Maria Sanctissima della Pietà“ und bedeutet übersetzt „Die heiligste Maria vom Mitleiden“. In deutschen Kreisen wird diese Darstellungsform Vesperbild genannt. Das Motiv war besonders als Andachtsbild beliebt. Im Mitgefühl und Anteilnahme gegenüber Jesus waren die Gläubigen mit Maria -und somit auch mit Jesus verbunden.

Abb. 8, Pietà Roettgen, 14. Jh, bemaltes Holz, Höhe 89 cm, Rheinisches Landesmuseum Bonn. Bildquelle: StphMueller: [CC BY-SA 4.0] via Wikimedia Commons

Der Typus ist aus einem szenischen Kontext isoliert und zeigt Maria, die ihren gekreuzigten Sohn auf dem Schoß in den Armen hält und um ihn trauert. Der mittelalterliche Typus, wie er an der Pietà Roettgen (Abb. 8) zu erkennen ist, betont in der Gestaltung vor allem den abgemagerten, dürren Körper Christi und das gequälte, trauernde Gesicht der gealterten Maria. Aus den Wunden Jesu rinnen große Mengen an Blut. Im Bodenseeraum, am Mittelrhein und in Mitteldeutschland tritt der Typus um 1300 vor allem als ein aus Holz geschnitztes plastisches Bildwerk auf. Dies verdeutlicht auch die Pietà Roettgen, welche aus mittelrheinischem Gebiet stammt. In späteren Darstellungen, wie an der Pietà von Michelangelo Buonarroti zu erkennen ist, wird konträr zur vorherigen Darstellungsweise besonders auf die Perfektion der Mutter und des Sohnes geachtet. Maria erscheint in jugendlicher Gestalt und Christus ist ein junger muskulöser Mann. Das Gesicht der Maria ist nicht verzerrt, sondern in stiller Trauer nach unten gewandt. Nur mit der linken Hand stützt sie den Körper ihres Sohnes, welcher in sich zusammengesunken auf ihrem Schoß liegt. Sein Körper erscheint trotz der Folter fast makellos. Die Schönheit der Jungfrau Maria und Jesus soll göttliche Schönheit widerspiegeln.

Abb. 9, Michelangelo Buonarrotti, (Römische) Pietà, 1498-99, Marmor, 174 x 195 cm, Petersdom, Rom. Bildquelle: Juan M Romero [CC BY-SA 4.0] via Wikimedia Commons

Quellen- / Literaturverzeichnis

  • Bibelzitate und Referenzen entstammen der Zürcher Bibel, 2007, 4. Auflage 2012.
  • Alfred Schindler, Apokryphen zum Alten und Neuen Testament. Zürich, 1988.
  • Antje-Fee Köllermann, Thronende Madonnen des Mittelalters. Ein Streifzug durch vier Jahrhunderte, in: Katja Lembke (Hg.), Madonna. Frau-Mutter-Kultfigur, Hannover 2015, S. 152-169.
  • Gerard A. Wellen, Dr., Art. Das Marienbild der frühchr. Kunst, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd.3, Freiburg 1971, S.156-161.
  • Gregor M. Lechner OSB, Das Marienbild der europäischen Kunst – ein Überblick, in: Sebastian Anneser u. a. (Hg.): MADONNA. Das Bild der Muttergottes, Freising 2003, S. 72-83.
  • Hedwig Röckelein, Marienverehrung. Eine kleine Sozial und Frömmigkeitsgeschichte, in: Katja Lembke (Hg.), Madonna. Frau-Mutter-Kultfigur, Hannover 2015, S. 142-151.
  • Horst Hallensleben, Dr., Art. Das Mb. Der byz.-ostkirchl. Kunst nach dem Bilderstreit, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd.3, Freiburg 1971, S.161-178.
  • Joachim Schäfer, Ökumenisches Heiligenlexikon (Maria), https://www.heiligenlexikon.de/BiographienM/Maria.htm (20.03.2023).
  • Jutta Ströter-Bender, Die Muttergottes. Das Marienbild in der christlichen Kunst. Symbolik und Spiritualität, Köln 1992.
  • Katja Lembke, Dr., Ich bin Isis. Aus der Vorgeschichte der Gottesmutter Maria, in: Katja Lembke (Hg.), Madonna. Frau-Mutter-Kultfigur, Hannover 2015, S. 72-81.
  • Marina Warner, Maria. Geburt, Triumph, Niedergang – Rückkehr eines Mythos?, München 1982, S. 47-58.
  • Martin Lechner Dr., Art. Das Marienbild des Barock, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd.3, Freiburg 1971, S.199-206.
  • Martin Lechner Dr., Art. Das Marienbild des 19. u. 20. Jh., in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd.3, Freiburg 1971, S.206-210.
  • Sabine Poeschel, Handbuch der Ikonographie. Sakrale und profane Themen der bildenden Kunst, Darmstadt 2007, S. 116-120.
  • Silke Petersen, WiBiLex (Maria, Mutter Jesu), https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/maria-mutter-jesu/ch/d265f98130b3dfb986b42712aa4bce47/ (20.03.2023).
  • Thomas Noll, Zwischen Schmerzensmutter und Himmelskönigin. Maria in der Kunst des späten Mittelalters, in: Katja Lembke (Hg.), Madonna. Frau-Mutter-Kultfigur, Hannover 2015, S. 182-202.
  • Wolfgang Braunfels Dr., Art. Das Marienbild in der Kunst des Westens bis zum Konzil von Trient, in: Lexikon der christlichen Ikonographie, Bd.3, Freiburg 1971, S.181-198.
  1. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S. 94.
  2. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S. 188.
  3. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S. 28.
  4. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S.182.
  5. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S. 68.
  6. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S. 102.
  7. Vgl. Marianne Österreicher-Mollwo, Herder-Lexikon Symbole: mit über 1000 Stichwörtern, sowie 450 Abbildungen. Herder, 1990, S. 16.
  8. Antje-Fee Köllermann, Thronende Madonnen des Mittelalters. Ein Streifzug durch vier Jahrhunderte, in: Katja Lembke (Hg.), Madonna. Frau-Mutter-Kultfigur, Hannover 2015, S. 157.