Passion Jesu

Aus Kunstwissenschaft Ikonographie
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Als Passion wird der Leidensweg Christi bis zu seinem Tod am Kreuz bezeichnet. Der Kreuzestod steht nach der christlichen Theologie für den Triumph Christi über die Sünde und den Tod selbst. Die Passion beginnt mit dem Einzug Christi in Jerusalem und endet mit der Grablegung. Die Passionsgeschichte beinhaltet mehrere Stationen im Leben Jesu, welche seit jeher in der Kunst verarbeitet werden und insbesondere zur Osterzeit dem Leiden Christi gedenken.

Quellen

Die Passion und der Tod Christi sind Bestandteil aller vier Evangelien. Das ist nicht verwunderlich, da die Geschehnisse der Passionsgeschichte zentrale Ereignisse sind, die die Grundlage für die Auferstehung und somit für das christliche Glaubensverständnis bilden. Bei allen vier Evangelien sind Bezüge zum Alten Testament erkennbar. Das zeigt sich beispielsweise in Zitaten aus Psalmen, die in den Text eingearbeitet wurden (Psalm 22 und 69). Begründet sind diese alttestamentlichen Bezüge darin, dass der Weg Christi in den Evangelien deutlich als schriftgemäß und damit vorherbestimmt zu lesen sein soll. Die Evangelisten unterscheiden sich in ihren Darstellungen der Geschehnisse durch die Ausführlichkeit, aber auch durch die Art und Weise, wie die Ereignisse bewertet werden. Während das Leiden und der Tod Christi bei Markus und Matthäus das Ergebnis des Gehorsams Jesu ist, der durch die Qualen hindurch den göttlichen Willen erfüllt, hat bei Johannes der Tod Christi keine Erniedrigung zur Folge, sondern dieser wird im Gegenteil hierdurch erhöht. Das Leiden Christi steht hier also nicht im Vordergrund und tritt hinter dem Triumph Jesu zurück. Diese Unterschiede sind teilweise auch in der Kunst erkennbar.

Die Passionsgeschichte ist in der Bibel an folgenden Textstellen des Neuen Testaments zu finden:

Matthäus: Kapitel 26-27

Markus: Kapitel 14-15

Lukas: Kapitel 22-23

Johannes: Kapitel 18-19


Einige bekannte Motive und Szenen sind durch außerbiblische Überlieferungen belegt. Dazu gehören einige Ereignisse, die auf dem sogenannten Kreuzweg geschehen sein sollen, − zum Beispiel die Begegnung Jesu mit der hl. Veronika.

Chronologie

Der Anfang der Passionsgeschichte wird häufig im Einzug Jesu in Jerusalem am heutigen Palmsonntag gesehen, der den Beginn der Karwoche markiert. Dieses Ereignis wird in allen vier Evangelien beschrieben und gilt als Erfüllung der Prophezeiung, dass der Messias auf einem Esel nach Jerusalem kommen wird. In den synoptischen Evangelien folgt auf den Einzug in Jerusalem die Tempelreinigung, weswegen dieses Ereignis auch als Teil des Passionszyklus dargestellt sein kann. Vor dem letzten Abendmahl findet die Fußwaschung als Ausdruck der Liebe Christi und der Reinigung von der Sünde statt. Beim darauffolgenden letzten Abendmahl bricht Jesus zum letzten Mahl vor seiner Kreuzigung mit seinen Jüngern das Brot. Außerdem verkündet er den anwesenden Jüngern bereits, dass einer unter ihnen ihn in dieser Nacht verraten wird. Danach geht Jesus mit seinen Jüngern zum Garten Gethsemane am Fuße des Ölbergs. Er nimmt drei Jünger mit sich, um mit ihm zu beten, Petrus, Johannes und Jakobus. In seinem Gebet drückt er seine Todesangst aus und bittet darum, dass der Kelch an ihm vorübergehen möchte. Er spricht hier auch die bekannten Worte „nicht mein, sondern dein Wille geschehe[1]“. Noch im Garten Gethsemane findet der Verrat des Judas statt, welcher durch den Judaskuss Jesus als denjenigen identifiziert, den die Tempelwache zu finden beauftragt ist. Als Folge der Festnahme schlägt Petrus im Versuch, Jesus zu verteidigen, einem Knecht ein Ohr ab.  

Noch in derselben Nacht wird Jesus vor dem Hohen Rat verhört und verhöhnt. Gleichzeitig findet die Verleugnung durch Petrus statt, welcher an einem Feuer mit den Soldaten sitzt und Christus dreimal verleugnet, wie dieser es ihm bereits vorhergesagt hatte. Nach dem Verhör durch den Hohen Rat trifft Jesus auf Pilatus, welcher Christus zum Tod am Kreuz verurteilen sollte. Da Pilatus sich der Schuld aus der religiösen Antriebskraft der Juden heraus nicht sicher sein konnte, sah er sich einer schwierigen Urteilsfindung gegenübergestellt. Daraus folgt die Gegenüberstellung von Christus und Barabbas, einem Mörder. Aufgrund des nahenden Passahfestes sollte einer der beiden freigesprochen werden, wobei das Volk die Entscheidung hierüber treffen durfte. Die Wahl fiel auf die Freilassung des Barabbas, wodurch das Todesurteil über Jesus gesprochen wurde. Zum Zeichen seiner Unschuld am Tod Christi wäscht Pilatus sich daraufhin die Hände. Jesus wurde danach durch Soldaten gegeißelt und durch die Dornenkrönung verspottet, womit die körperlichen Leiden Christi beginnen. Nach dem Johannesevangelium wird Christus noch einmal in seinem Spottgewand (Dornenkrone, Purpurmantel, Rohrzepter) vor das Volk geführt und zur Schau gestellt.

Judas bereut seinen Verrat kurze Zeit später. Er bringt den Verräterlohn zu den Priestern zurück und erhängt sich anschließend an einem Baum.

Jesus wird gezwungen, sein Kreuz selbst nach Golgatha zu tragen und wird nach Lukas, Matthäus und Markus auf seinem Weg von Simon von Kyrene unterstützt. Außerdem trifft er auf eine Gruppe von Frauen, die ihn beweinen und häufig als die drei Marien verstanden werden. Anschließend wird Jesus neben zwei Verbrechern, den Schächern, gekreuzigt. Seine Kleider werden unter drei Knechten verspielt. Nach seinem Tod wird Jesu Leichnam von Joseph von Arimathia vom Kreuz genommen, in Leinen gewickelt und in ein in Fels gehauenes Grab gelegt. Nach Lukas und Markus waren bei der Grablegung zwei Frauen anwesend. Da nach Matthäus die Angst herrschte, ein Gerücht um Jesu Auferstehung könnte verbreitet werden, wurde das Grab mit einem schweren Stein verschlossen und bewacht.

Bildtraditionen

Attribute

Duccio di Buoninsegna, Einzug in Jerusalem, 1311, Tempera auf Holz, 100 x 57 cm, Museo dell'Opera del Duomo, Siena. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Einzug in Jerusalem

  • Triumphmotiv seit der frühchristlichen Kunst
  • Vorwiegend Teil mittelalterlicher Zyklen als Einleitung der Passion
  • Schauplatz: Stadt Jerusalem
  • Attribute
    • Esel als Reittier israelischer Herrscher
    • Fohlen
    • Palmzweige als antike Siegessymbole
  • Figuren
    • Jesus als Reiter hoheitsvoll und mit Segensgestus
    • Mann der vor Christus den Mantel ausbreitet
    • Mann im Baum, Palmzweige brechen
    • Menschen, die Christus Ehre erbringen

Tempelreinigung

  • Selten gezeigt bis ins Mittelalter
  • Renaissance: Darstellung Jesu als Gottessohn mit menschlicher Natur, der auch Wut verspüren kann
  • Schauplatz: Tempel
  • Attribute:
    • Figurenreichtum mit viel Ausdruck der Personen
    • Umgeworfene Tsiche
    • Fliehende Opfertiere
  • Figuren
    • Christus: Im Zentrum; Hand zum Schlag erhoben, eventuell mit Geißel
    • Jünger oder drängende Menge

Fußwaschung

  • Eingebunden in Zyklen, kann aber als Begründung der Gemeinden auch alleinstehen
  • Figuren:
    • Christus: nach rechts gewandt, kniend, mit Schurz bekleidet
    • Petrus: sitzt vor Christus und unterzieht sich mit protestierendem Gestus der Fußwaschung
    • Jünger
    • Judas Iskariot: durch Merkmale wie eine hässliche Physiognomie oder einen schwächeren / gar keinen Nimbus erkennbar
Giotto di Bondone, Letztes Abendmahl, 1304- 1306, Fresko, 200 x 185 cm, Capella degli Scrovegni, Padova. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Letztes Abendmahl

  • Besonders beliebtes Motiv für Altarschmuck > Anfang der Eucharistie
  • Figuren:
    • Jünger: in einem Saal an gedeckter Tafel versammelt (Seit der Neuzeit ist die Anzahl der Jünger immer zwölf, davor konnte aus Platzgründen variiert werden)
    • Christus: In der Mitte oder an einem Ende des Tisches platziert
    • Jünger und Jesus werden in frühchristlichen Darstellungen auch liegend am Tisch dargestellt

Zwei Phasen des Abendmahls:

Ankündigung des Verrats

  • Christus reicht Judas das Brot
  • Aufregung unter den Jüngern
  • Judas als Verräter charakterisiert (Gelbes Gewand (Narren), Teufel / Teufelsschlange, Nimbus abweichend von den anderen Jüngern, Position isoliert, Katze oder Hund als Symbol der Falschheit)

Eucharistie im Vordergrund

  • Kelch auf dem Tisch im Fokus, wird von Christus gesegnet
  • Jünger in Gebetshaltung
  • Judas als Verräter charakterisiert
El Greco, Das Leiden Jesu im Garten Getsemani, ca. 1590, Öl auf Leinwand, 104 x 117 cm, Toledo Museum of Art. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Jesus im Garten Gethsemane

  • Darstellung des Leidens Christi wird in der frühchristlichen Kunst vermieden, daher ist die Todesangst dieser Szene in den Bildern nicht zu erkennen
  • Mit dem Mittelalter kommt der Fokus auf die Todesangst und das Leid Christi, wodurch die Größe des Opfers hervorgehoben wird
  • Attribute
    • Kelch und Engel
    • Nächtliche Szenerie
  • Figuren
    • Christus: demütig kniend in Gebetshaltung, Blut als Schweiß
    • Apostel schlafend (Petrus, Jakobus, Johannes) à Einsamkeit Christi im Vordergrund
    • Soldaten angeführt von Judas sind häufig schon Teil dieser Szene

Verrat

  • In der frühen Kunst wurde der Verrat auf den Judaskuss reduziert
  • Figuren
    • Christus: passiv, frontal, in erhabener Haltung
    • Judas: aktiv in seiner Position als Verräter, äußerlich häufig als Christus untergeordnet charakterisierbar
    • Schar von Menschen, die mit Fackeln und Stäben sind
    • Petrus: schlägt dem Knecht Malchus ein Ohr ab
Duccio di Buoninsegna, Christus vor Kaiaphas, 1308 - 1311, Tempera auf Holz, 45,5 x 53, 5 cm, Museo dell'Opera Metropolitan del Duomo. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Jesus vor dem Hohepriester Kaiaphas

  • Figuren
    • Kaiaphas erhoben mit edler Kleidung
    • Christus gefesselt vor ihm

Verspottung Christi

  • Verspottung durch Hohepriester
  • Christus gefesselt mit Augenbinde, manchmal mit Stock in der Hand, wird von Schergen geschlagen und verhöhnt
  • Hohepriester ist in billigender Haltung anwesend

Verleugnung Petri

  • Hahn zwischen Petrus und Christus oder im Hintergrund der Szene
  • Darstellung der Ankündigung der Verleugnung / Darstellung des Gesprächs in der die Verleugnung stattfindet
  • Nächtliche Szene

Jesus und Pilatus

  • In frühchristlicher Kunst wurde das Urteil häufig ohne Christus abgebildet
  • Seltene Darstellung des Pilatus Urteils in der Neuzeit
  • Pontius Pilatus in römischem Panzer, mit melancholischer Geste, oder während der Handwaschung

Geißelung Christi

  • Früh- und hochbarocke Bilder zeigen die körperliche Schönheit Jesu, während im 17. Und 18. Jhd. der geschundene und blutüberströmte Körper gezeigt wird
  • Figuren
    • Christus nackt oder mit Lendenschurz bekleidet, an Säule gefesselt, ohne Gegenwehr
    • Schergen fesseln Jesus oder schlagen auf ihn ein + weitere Gesten der Demütigung
Tizian, Die Dornenkrönung, 1542 - 1543, Öl auf Leinwand, 303 x 180 cm, Musée du Louvre. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Die Dornenkrönung

  • Attribute
    • Dornenkrone als Siegessymbol wie ein Lorbeerkranz in der frühchristlichen Kunst
    • Christus wird mit den Insignien eines Stockes als Zepter und einer Dornenkrone auf dem Haupt dargestellt
  • Christus in duldender Haltung oder mit schmerzverzerrtem Ausdruck

Ecce Homo

  • Christus wird von Pontius Pilatus noch einmal mit Dornenkrone und Purpurmantel der Menge präsentiert
  • Figuren
    • Pilatus in pompösen Gewändern neben Christus spricht und gestikuliert
    • Christus wird entblößt unter dem Mantel gezeigt, mit Verletzungen der Geißelung
    • Gruppe erhöht vor dem Volk mit Kaiaphas
  • Schmerzensmanndarstellungen: Christus alleinstehend in seinem Leid mit Fokus auf körperlichen Schmerz

Kreuztragung / Kreuzweg

  • Figuren
    • Simon von Kyrene: trägt in der frühchristlichen Kunst das Kreuz, erst später wird Jesus das Kreuz tragend dargestellt
    • Christus: geleitet von Henkern, trägt einen roten Mantel und die Dornenkrone, unter der er häufig blutet à Christus in physischem Schmerz
    • Angehörige und Jünger Christi unter der Menschenmenge (Maria, Maria Magdalena, Johannes)
  • Schauplatz: Stadttor von Jerusalem und / oder Golgatha im Hintergrund

Kreuzigung Christi

  • Frühchristliche Kunst zeigt die Kreuzigung nicht, da diese als Schmach gesehen wurde und Christus‘ Triumph im Vordergrund stehen sollte
  • Darstellung entweder eines Kreuzes oder der Drei-Kreuze-Gruppe
  • Figure
    Peter Paul Rubens, Kreuzabnahme, 1614, Öl auf Holz, 42,1 x 31,1 cm, Kathedrale Antwerpen. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
    • Christus am Kreuz als Zentrum der Bilder
    • Johannes und Maria trauernd unter dem Kreuz
    • Knechte / Soldaten, die Jesu Kleider unter sich aufteilen
    • Schächer zur Rechten und Linken Jesu am Kreuz

Kreuzabnahme

  • Darstellung der Kreuzabnahme seit dem Mittelalter
  • Attribute
    • Grabtuch
    • Kelch
    • Dornenkrone
    • Titulus
  • Hauptfiguren
  • Nebenfiguren
    • Joseph von Arimathia: hält den herabsinkenden Körper Christi
    • Rogier van der Weyden, Grablegung Christi, ca. 1450, Galleria degli Uffizi, Florenz. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
      Nikodemus: löst die Nägel
    • Ecclesia: fängt Blut aus der Seitenwunde mit einem Kelch auf
    • Synagoge: steht für die Macht derer, die Christus Tod wollte; ihr Haupt wird durch einen Engel heruntergedrückt, wodurch ihre Macht gebrochen ist
    • Weitere Figuren sind bei ausführlicheren Szenerien zu sehen

Grablegung

  • Vor allem in der Kunst der Neuzeit dargestellt
  • Attribute
    • Steinerner Sarkophag / Felsengrab
    • Leintuch
    • Dunkle Atmosphäre
    • Golgatha im Hintergrund
  • Figuren
    • Joseph von Arimathia und Nikodemus: wickeln den Leichnam in das Leintuch
    • Maria, Johannes, Maria Magdalena: beweinen den Toten am Grab
    • Christus: wird vor dem Grab aufgerichtet oder über den Sarkophag gehalten

Darstellungsmotive

Abb 1.: Hans Memling, Passion Christi / Turiner Passion, 1470, Ölfarben auf Eichenholzpanel, 56,7 x 92,2 cm, Turin, Galleria Sabauda. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Das Kreuz wird in der frühchristlichen Kunst seit dem 4. Jhd. als Zeichen des Sieges Gottes über den Tod verwendet. Die frühen Darstellungen der Passion Christi lenken den Fokus von der Demütigung und dem Tod Christi auf die Auferstehung und den Triumph Gottes. Als Folge der Kreuzzüge tritt die Verehrung des Kreuzes immer mehr auf und seit dem 12. Jhd. werden Passionsszenen in Zyklen thematisiert und in typologische Beziehungen zu Ereignissen aus dem Alten Testament gesetzt. In Deutschland wurde die Passion Christi in der Kunst der Spätgotik besonders häufig thematisiert. Die folgende Reformation hatte einen erneuten Fokus auf Passionsdarstellungen zur Folge, da dies die einzige religiöse Thematik war, die nach Martin Luther bildnerisch dargestellt werden durfte, wobei Kreuzesdarstellungen hier im Zentrum standen, um dem Tod Christi zu gedenken. Die Kunst der Renaissance legt ihren Fokus auf Einzeldarstellungen der Hauptereignisse der Passion.

Darstellung als Passionszyklus

Ein bekanntes Beispiel für einen Passionszyklus ist die Turiner Passion von Hans Memling. Hier ist nicht jeder Szene ein eigener Bildträger zugeordnet, welche dann zusammen den Zyklus ergeben, sondern das ganze Passionsgeschehen findet hier in einem Rahmen statt. Der Künstler vereint hier 23 Szenen der Passion Christi auf einer Malfläche von 56,7 x 92,2 cm.  Die bildimmanenten Strukturen des Gemäldes sind hier besonders interessant, da der Betrachter durch die gemalte Architektur und Landschaften hindurch von Szene zu Szene geführt wird, ohne dass auf den ersten Blick eine ganz klare Ordnung erkennbar zu sein scheint. Doch auch hier kommt man nicht von der Aufteilung in Stationen los, welche in der christlichen Kunst tradiert sind, denn auch hier sind diese bei näherer Betrachtung noch auszumachen und voneinander abgrenzbar. Ein späteres, reformiertes Beispiel eines Passionszyklus stammt von Lucas Cranach dem Älteren. Seine Darstellungen sind Teil einer Serie von wahrscheinlich 14 Mitteltafeln eines Altars des ehemaligen Dominikanerklosters zu Cölln, wovon nicht mehr alle erhalten sind.

Passionszyklus von Lucas Cranach dem Älteren, ca. 1537/38
Abb 1.: Lucas Cranach der Ältere, Fußwaschung Christi, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Fußwaschung Christi Christus kniet auf diesem Gemälde in einer Gruppe von Aposteln und wäscht Petrus die Füße. Der Fokus der Darstellung liegt auf der Beziehung zwischen Jesus und Petrus. Jesus wird mit Sprechgestus dargestellt, während Petrus sich an den eigenen Kopf fasst.
Abb 2.: Lucas Cranach der Ältere, Christus am Ölberg, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Christus am Ölberg Jesus betet im Garten Gethsemane, während Petrus, Jakobus und Johannes schlafen. Er bringt hier seine Todesangst zum Ausdruck bringt. Der Engel wird gesandt um ihm Kraft zu senden und Schweiß läuft Christus hier wie Blutstropfen von der Stirn. Der Kelch, den Cranach hier darstellt, fällt auf eine Bitte Christi zurück, der Herr möge den Kelch an ihm vorübergehen lassen, welchen sein Opfer darstellt, das er in naher Zukunft bringen wird. Im Hintergrund nahen bereits die Soldaten, angeführt von Judas, welcher Christus verraten wird.
Abb 3.: Lucas Cranach der Ältere, Geißelung Christi, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Geißelung Dieses Gemälde zeigt, wie Jesus als Teil seiner Bestrafung von römischen Soldaten ausgepeitscht wird. Er ist an einen Pfahl gebunden, während ein Soldat mit einer Peitsche hinter ihm steht. Ein anderer Soldat hält eine Dornenkrone, die Jesus später auf den Kopf gesetzt werden sollte.
Abb 4.: Lucas Cranach der Ältere, Die Dornenkrönung, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Dornenkrönung Christi Jesus wird gezeigt, wie er in sitzend mit einer Dornenkrone und einem roten Mantel um die Schultern von Soldaten mit Stöcken geschlagen wird. Vor ihm Kniet eine Figur, die ihn zu verspotten scheint. Die Dornenkrone wird ihm aufgesetzt, um ihn zu verspotten und seine königlichen Ansprüche lächerlich zu machen. Das Bild von Cranach soll das Leiden und die Demütigung von Jesus betonen, während er von seinen Peinigern verspottet wird.
Abb 5.: Lucas Cranach der Ältere, Ecce Homo, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Ecce Homo (lat. "Seh, der Mensch) Cranach zeigt Jesus mit einem Dornenkranz auf dem Kopf und in einem roten Gewand. Jesus steht vor Pilatus, der seine Hand in Richtung von Jesus ausstreckt, während die Menschenmenge, die ihn verurteilen möchte, im Hintergrund steht.

Das Bild von Cranach veranschaulicht den Moment, als Pilatus Jesus dem Volk vorstellt und sagt: "Seht, der Mensch!" ("Ecce Homo" in lateinischer Sprache). Die Szene soll die Unschuld von Jesus betonen und gleichzeitig die Grausamkeit und den Hass der Menschen gegenüber ihm zeigen. Das Bild zeigt die menschliche Seite von Jesus, während er von der Menge als Gotteslästerer verurteilt wird.

Abb 6.: Lucas Cranach der Ältere, Kreuztragung, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Kreuztragung Jesus ist zu sehen, wie er das Kreuz auf seinem Weg zum Ort seiner Kreuzigung trägt. Er trägt das Kreuz auf seinen Schultern, während eine Gruppe von Soldaten und Schaulustigen zuschaut. Simon von Kyrene, der Jesus beim Tragen des Kreuzes helfen wird, ist im Hintergrund zu sehen.
Abb 7.: Lucas Cranach der Ältere, Grablegung, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Grablegung / Beweinung Der Leichnam Jesu wurde vom Kreuz abgenommen und in das Grab gelegt. Er wird auf einer Platte liegend dargestellt, während Maria und andere Frauen seinen Tod beklagen. Zwei Figuren, die als Nikodemus und Josef von Arimathäa identifiziert werden können, sind zu sehen, wie sie den Leichnam in Leinen einwickeln.
Abb 8.: Lucas Cranach der Ältere, Christus in der Vorhölle, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Christus in der Vorhölle Die katholische Kirche lehrt, dass Jesus nach seinem Tod am Kreuz, aber vor seiner Auferstehung, in die Vorhölle hinabgestiegen ist, um die Gerechten der Alten Testamentszeit zu befreien und zu erlösen. Dieses Gemälde zeigt diese Szene. Direkt vor Jesus sieht man hier Adam und Eva und einen der Urväter. Über den Köpfen der Menschenmasse sieht man Dämonen und Rauchschwaden herumfliegen.
Abb 9.: Lucas Cranach der Ältere, Auferstehung, 1537/1538, Öl auf Holz, ca. 150 x 113 cm, Jagdschloss Grunewald. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.
Auferstehung Christi Dieses Gemälde zeigt den Moment, in dem Jesus von den Toten aufersteht. Man sieht ihn aus dem Grab steigen, während mehrere Soldaten, die das Grab bewachten, schockiert zusehen oder den Blick geschlagen abwenden.
Leonardo Da Vinci, Das letzte Abendmahl, 1495 - 1498, Secco, 422 x 904 cm, Santa Maria delle Grazie. Bildquelle: Gemeinfrei via Wikimedia Commons.

Darstellung in Einzelszenen

Obwohl Passionsszenen häufig als Teil eines Zyklus geschaffen werden, sind sie besonders seit der Renaissance auch beliebte Motive für Einzeldarstellungen, die auch für sich stehen können. Seit der Neuzeit werden häufiger einzelne Hauptsszenen des Passionsgeschehen dargestellt und beispielsweise als Altarbilder etc. verwendet, um auf bestimmte Teile der Passion und deren Auswirkung auf christliche Traditionen besonderes Augenmerk zu legen. Einige Beispiele hierfür sind die Fußwaschung, die den Ausruf der ersten Gemeinde markiert, das letzte Abendmahl, als Beginn der Eucharistie, und die Kreuzigung, als Verweis auf den Opfertod Christi und somit auf den Sieg über Tod und Sünde.

Ein sehr bekanntes Beispiel einer Einzeldarstellung einer Passionsszene ist Das letzte Abendmahl von Leonardo Da Vinci. Hier wird der Moment nach der Ankündigung des Verrats und die Reaktionen der Jünger darauf gezeigt. Im Gegensatz zu früheren Darstellungen verzichtet Da Vinci bei seinem Abendmahl auf Heiligenscheine und auf die räumliche Isolierung des Judas. Durch die Position des Gemäldes im Speisesaal des Dominikanerklosters Santa Maria delle Grazie wird der Ortsbezug zum Inhalt des Gemäldes hergestellt.

Quellen- / Literaturverzeichnis

  • Kirschbaum, Engelbert; Braunfels, Wolfgang: Lexikon der christlichen Ikonographie, Band 3. Sonderausg. Freiburg, Rom, Wien, Basel: Herder.
  • Schiller, Gertrud: Ikonographie der christlichen Kunst. Die Passion Jesu Christi, Gütersloh 1968.
  • Tacke, Andreas: Der katholische Cranach: zu zwei Großaufträgen von Lucas Cranach d.Ä., Simon Franck und der Cranach-Werkstatt (1520 – 1540), Mainz 1992.
  • Poeschel, Sabine: Handbuch der Ikonographie: sakrale und profane Themen der bildenden Kunst, Darmstadt 2014.
  • Gerth, Julia: Wirklichkeit und Wahrnehmung : Hans Memlings Turiner Passion und die Bildgruppe der Passionspanoramen, in: Neue Frankfurter Forschungen zur Kunst, Berlin 2010.


  1. Lk 22, 42-43