Richard Wagners "Tristan und Isolde"
Richard Wagners (22. Mai 1813 - 13. Februar 1883) romantische Oper "Tristan und Isolde" WWV 90 geht auf beruht auf::Gottfried von Straßburgs historische Vorlage zurück. Die Oper entstand zwischen den Jahren 1856 und 1859 und wurde am 10. Juni 1865 am Königlichen Hof- und Nationaltheater München uraufgeführt.
In diesem Artikel möchte ich einen möglichst großen literaturwissenschaftlich geprägten Überblick über Wagners Werk geben. Dabei soll der Vergleich Wagners Adaption mit dem Romanstoff des Mittelalters im Zentrum stehen. Aber auch die literaturwissenschatliche Analyse und die Herausarbeitung von narrativen Motiven und Besonderheiten möchte ich nicht aussparen. Zu guter Letzt muss der musikästhetische Ansatz Wagners integriert werden, bzw. das philosophische Konzept des Liebestods.
Inhalt
Inhaltsangabe[1]
Erster Akt
Tristan und Isolde fahren auf einem Schiff aus Irland (Isoldes Heimat) nach Kornwall, wo sie Marke, Tristans Onkel, zum Mann nehmen soll. An Bord befinden sich neben Seemännern Kurwenal, Tristans Diener, und Brangäne, Isoldes Zofe. Zunächst trägt Isolde Brangäne auf, Tristan zu ihr zu schicken. Was Isolde genau mit Tristan bereden mag, erfährt man zu diesem Zeitpunkt nicht. Kurwenal weist Brangänes Anliegen aber an Tristans Stelle grob zurück, indem er ihr unterstellt, dass Isolde Tristan deswegen sprechen wolle, weil sie ihn und nicht Marke ehelichen wolle.
- Wer Kornwalls Kron‘
- und Englands Erb‘
- an Irlands Maid (Isolde) vermacht,
- der kann der Magd nicht eigen sein,
- die selbst dem Ohm er schenkt. (V. 194-199)
Man muss hier davon ausgehen, dass sich „vermacht“ auf Tristan bezieht, nicht auf Marke, weil ersterer um Isolde geworben hat. Genau genommen vermacht nämlich Marke Isolde durch die Eheschließung Kornwall und England. Zu Isolde zurückgekehrt, berichtet Brangäne von den Schmähungen Kurwenals, worauf sich Isolde bei Brangäne entschuldigt, dass sie an ihrer Stelle die Schmach erfahren musste. Zudem erklärt Isolde, worin diese Schmach begründet ist.
- Erfuhrst du meine Schmach,
- nun höre, was sie mir schuf. (V. 244-245)
Isolde errettete einst einen verwundeten Jüngling namens Tantris vor dem Tod, indem sie ihn gesund pflegte. Tantris erkannte sie aber nicht sofort als denjenigen, der Morold ermordete und für dessen Mord sie Rache schwor - Morold wurde von Tristan ermordet. Schließlich erkennt Isolde Tristan doch noch an seinem Schwert, dem ein Splitter fehlt, den sie aus dem Kopf des Erschlagenen bergen konnte. Es ergab sich darauffolgend wohl eine Gelegenheit, in der Isolde die Möglichkeit gehabt hätte Tristan zu erschlagen, das Schwert aber fallen ließ. („das Schwert - daß ließ ich fallen:“ V. 286) Anscheinend entließ Isolde Tantris eine gewisse Zeit vom Hof, nachdem „er schwur mit tausend Eiden [ihr] ew‘gen Dank und Treu“ (V. 297 f.), bevor sie ihn, als er zurückkam, um um sie in Markes Namen zu werben, als Tristan erkannte. Die Chronologie in Wagners Text ist nicht eindeutig. Fest steht nur, dass Isoldes Wut dreierlei Schuld auf Tristan projiziert. Erstens wirft sie ihm den Mord an Morold vor. Zweitens nimmt sie ihm die Täuschung übel, als er sich für Tantris ausgab, um Isolde hinters Licht zu führen und sie so dazu bewegen konnte, ihn zu heilen. Der dritte Punkt, welcher gleichwohl am schwersten wiegt, ist, dass Tristan eidbrüchig wurde, als er zurückkam, um in Markes Namen um ihre Hand anzuhalten. Er schwor ihr „ew‘gen Dank und Treue“, handelt aber hier nicht in ihrem, sondern in Markes Sinne. Was sicherlich im dritten Punkt mitschwingt ist, dass Isolde „Irlands Erbin“ (V. 307) sich „für Kornwalls müden König“ (V. 309) zudem zu schade ist. Mit den emphatischen Ausrufen
- Fluch dir, Verruchter!
- Fluch deinem Haupt!
- Rache, Tod!
- Tod uns beiden! (V. 259-263)
schließt Isolde ihren Monolog. Ihre Schmach und ihre verlorene Ehre beschließt sie, durch einen Doppelmord an Tristan und sich selbst, zu sühnen. Brangäne teilt Isoldes Meinung über Marke nicht. Sie verteidigt Tristans Vorgehen, indem sie Marke erhöht.
- Von edler Art
- und mildem Mut,
- wer gliche dem Mann
- an Macht und Glanz? (V. 389-392)
Isolde entgegnet ihr, dass sie es nicht ertragen wird, ohne vorangehenden Minnedienst Gattin Markes zu sein. Sie befürchtet sogar nicht von ihm geliebt zu werden.
- Ungeminnt
- den hehrsten Mann
- stets mir nah zu sehen, -
- wie könnt‘ ich die Qual bestehen. (V. 397-400)
Andererseits könnte man im "hehrsten Mann auch Tristan sehen, was darauf schließen würde, dass sie ihn insgeheim liebt, diese Liebe aber aufgrund der bevorstehenden Ehe mit Marke nie leben können wird - diese Qual könnte sie nicht ertragen.
Nun bringt Brangäne den Liebestrank ins Spiel, mit dem sie Isoldes Befürchtungen zerstreuen will. Der Trank soll im schlimmsten Falle Marke an Isolde binden. Zu diesem Zwecke gab Isoldes Mutter Brangäne den Trank auf die Reise mit. Isolde lässt Brangäne nun den Schrein holen, in dem der Trank aufbewahrt ist. Brangäne holt den Trank heraus und zeigt Isolde die Flasche. „Den hehrsten Trank, ich halt‘ ihn hier.“ (V. 435 f.) Isolde meint es aber besser zu wissen: Was Brangäne in den Händen hält, ist der Trank mit dem Isolde den Doppelmord vollziehen will - der „Todestrank“ (V. 441). Isolde hat das Fläschchen entsprechend markiert. „Du irrst, ich kenn ihn besser; ein starkes Zeichen schnitt ich ein: -“ (V. 437-439). Es werden erste Rufe von außerhalb laut, dass Land in Sicht ist. Kurwenal betritt die Kajüte der Frauen und will Isolde abholen, um sie für die Ankunft in Kornwall und das Treffen mit Marke auf Deck zu holen. Isolde weigert sich:
- Sollt‘ ich zur Seit‘ ihm gehen,
- vor König Marke zu stehen,
- nicht möcht‘ es nach Zucht
- und Fug geschehn,
- empfing‘ ich Sühne
- nicht zuvor
- für ungesühnte Schuld:
- drum such‘ er meine Huld. (V. 467-474)
Isolde möchte nicht eher mit Tristan vor Marke treten, bevor Tristan sich nicht bei ihr für seine Vergehen entschuldigt hat. Kurwenal soll ihn zu ihr bringen, damit er dies tue. Kurwenal gibt nach anfänglichem Widerwillen nach und verlässt den Raum, um Tristan zu holen. Indessen verabschiedet sich Isolde von Brangäne - ein Abschied auf Dauer. Isolde ist gewillt mit Tristan zusammen den Todestrank zu trinken. Das gemeinsame Trinken, so wird sie Tristan sagen, wird ihn entsühnen. Entsetzt will Brangäne Isolde noch von ihrem Vorhaben abbringen, als Isolde ihr entgegnet, dass ihre Mutter von vornherein den Todestrank mit auf die Reise gab, dass er dafür verwendet werde, als „Gegen-Gift: für tiefstes Weh, für höchstes Leid“ (V. 527-530) zu fungieren. Tristan tritt ein. Isolde hält ihm offen vor, dass es Mord an Morold war, welchen er verübte und dass diese „Blut-Schuld“ (V. 573) noch gesühnt werden müsse.
- Isolde:
- Blut-Schuld
- schwebt zwischen uns.
- Tristan:
- Die ward gesühnt.
- Isolde:
- Nicht zwischen uns.
- Tristan:
- Im offenen Feld
- vor allem Volk
- ward Ur-Fehde geschworen. (V. 573-579)
Tristan sieht die Schuld folglich bereits als abgeleistet an, da Morold im Duell auf Leben und Tod starb, folglich kein Mord stattfand. Isolde offenbart ihm darauf, dass sie Rache für Morolds Tod schwor, weil sich kein Mann fand, der es an ihrer Stelle geschworen hätte.
- Da er gefallen,
- fiel meine Ehr‘;
- in des Herzens Schwere
- schwur ich den Eid,
- würd‘ ein Mann den Mord nicht sühnen,
- wollt ich Magd mich dess‘ erkühnen.- (V. 606-611)
Tristan ist Isoldes Verhalten und ihr Bestehen auf Rache für Morolds Tod unverständlich, bis sie ihm erzählt, dass Morold ihr Verlobter war.
- Angelobt war er mir,
- der hehre Irenheld; (V. 602 f.)
Auch für den Rezipienten wird nun Isoldes Grimm verständlicher. Isolde bietet Tristan nun an, anstatt ihn zu töten, was sie Marke verhasst machen würde, einfach auf Freundschaft, auf Sühne zu trinken und den Zwist so beizulegen.
- was würde König
- Marke sagen,
- erschlüg‘ ich ihm
- den besten Knecht, (V. 630-633)
und
- das Schwert - da ließ ich‘s sinken.
- Nun laß uns Sühne trinken. (V. 652 f.)
Währenddessen legt das Schiff am Hafen an. Tristan äußert düster:
- fass‘ ich was sie verschwieg,
- verschwieg‘ ich was sie nicht faßt. (V. 664 f.)
Daraus lässt sich schließen, dass Tristan vermutet, dass es sich nicht um gewöhnlichen Wein handelt. Auch sein folgender Monolog lässt den Verdacht zu. Er verhöhnt Isolde, zählt auf welche Schmach er ihr zugefügt hat und bezweifelt, dass ein einfaches Miteinander-Trinken das alles aus der Welt schaffen könnte. Auch ein Nachäffen lässt sich vermuten, denn Tristan zitiert hier eine imaginäre Äußerung Isoldes. Folgendes Zitat muss zudem mit leisem Hohn (Regieanweisung S. 36) gelesen werden:
- So guter Gaben
- holden Dank
- schuf mir ein süßer
- Sühne-Trank:
- den bot mir ihre Huld,
- zu büßen alle Schuld.“ (V. 695-700)
Indessen hat Brangäne Isolde den bereiteten Trank gereicht. Tristan sagt anschließend ganz offen, dass er in der Flüssigkeit Zauberkräfte vermutet, entreißt Isolde den Becher und trinkt trotzig daraus, sich ganz bewusst, dass der Trank ihn töten kann.
- Wohl kenn‘ ich Irlands
- Königin,
- und ihre Künste Wunderkraft:
- den Balsam nützt‘ ich,
- den sie bot;
- den Becher nehm‘ ich nun,
- daß ganz ich heut genese!
- Und achte auch
- des Sühne-Eids,
- den ich zum Dank dir sage. -
- Tristans Ehre -
- höchste Treu‘:
- Tristans Elend -
- kühnster Trotz. (V. 706-720)
Isolde sieht sich um ihren Tod betrogen, entreißt Tristan wiederum den Becher und trinkt auch. Kaum ausgetrunken erblicken sich die beiden und erbrennen in Liebe zueinander. Sie vergessen alles um sich herum und sind sich der Konsequenz nicht bewusst. Nur Brangäne erkennt die Lage. Mittlerweile sind schon Dockarbeiter an Bord gekommen, um die Fracht zu löschen. Das von-Bord-Gehen kommt immer näher, die Zeit wird knapp und die Gefahr gesehen zu werden umso akuter. Als Tristan und Isolde verstehen, dass sie den Liebestrank und nicht den Todestrank zu sich genommen haben, also noch am Leben sind, ist bereits die Brücke ausgelegt und die Zeit sich Marke zu stellen gekommen. Unklar bleibt, ob Brangäne den vermeintlichen Todestrank reichte und sich Isolde geirrt hat, oder ob Brangäne den Liebestrank doch noch fand (o. ä.) und es sich somit um zwei Tränke handelt.
Zweiter Akt
Brangäne und Isolde befinden sich im Burggarten vor Isoldes Gemach. Isolde ist voll gespannter Vorfreude bis Marke endlich mit seiner Jagdgesellschaft aufgebrochen ist und die Hörner verklungen sind, was sie zum Anlass nehmen will, ihr Licht zu löschen. Dies wiederum ist das Zeichen für Tristan, dass Isolde ungestört ist und er ohne Gefahr zu ihr kommen kann. Doch Brangäne warnt Isolde davor, nicht aus Liebe blind für alle Gefahren zu werden.
- Der deiner harrt -
- o hör mein Warnen! -
- dess‘ harren Späher zur Nacht.
- Weil du erblindet,
- wähnst du den Blick
- der Welt erblödet für euch? - (V. 830-835)
Zudem traut Brangäne Melot, ein Freund Tristans und Höfling, nicht, der sowohl die List der Jagd, also die Abwesenheit Markes, erdacht und initiiert hat, sondern auch die, mit dem Löschen des Lichtes.
- Tückisch lauschend
- treff‘ ich ihn oft:
- der heimlich euch umgarnt,
- vor Melot seid gewarnt. (V. 854-857)
und
- Von Tristan zu Marke
- ist Melots Weg;
- dort sät er üble Saat. (V. 866-868)
Schließlich löscht Isolde das Licht und gibt Tristan so das verabredete Zeichen. Bald kommt Tristan und die beiden schwören sich ihre Liebe.
- Mein und dein!
- Immer ein!
- Ewig, ewig ein! (V. 1003-1005)
Doch anscheinend stehen immer noch offene Fragen zwischen Tristan und Isolde. So fragt Isolde Tristan, warum er sie, wo er doch immer ihre Gunst gehabt hätte, Marke gegeben habe und sie somit betrog.
- War sie nicht dein,
- die dich erkor,
- was log der böse
- Tag dir vor,
- daß, die für dich beschieden,
- die Traute du verrietest? (V. 1079-1084)
Tristan gibt an, dass er nur seine Ehre und Ruhm im Kopf gehabt habe, dass ihn der Glanz dessen blind gemacht habe für Isolde. So fuhr er also zurück nach Irland, Isolde für Marke zu gewinnen und seine eigene Ehre zu vermehren, bzw. seinen Ruhm gegenüber den Neidern und Missgünstigen in Kornwall zu rechtfertigen.
- der Mißgunst, die mir Ehren
- und Ruhm begann zu schweren,
- denen bot ich Trotz,
- und treu beschloß,
- um Ehr‘ und Ruhm zu wahren,
- nach Irland ich zu fahren. (V. 1123-1128)
Isolde gesteht nun die Mordabsicht auf dem Schiff:
- mit mir - dich im Verein
wollt‘ ich dem Tode weihn. (V. 1162 f.)
Was er aber schon wusste:
- In deiner Hand
- den süßen Tod,
- als ich ihn erkannt
- den sie mir bot; (V. 1164-1167)
So räumen die Liebenden nach und nach alle Unklarheiten aus dem Weg und gehen ganz in ihrer Liebe auf - bis die Falle Melots zuschnappt und Marke früher, im Morgengrauen, von der Jagd heimkehrt und die beiden in flagranti erwischt, während sie ihr Liebesduett singen. Marke ist bestürzt über die Entdeckung, es scheint, dass er Melot nicht bedingungslos geglaubt hat.
- Mir - dies?
- Dies -, Tristan, -mir? - (V. 1493 f.)
Des Weiteren versteht er nicht, wie Tristan ihn nach all dem Guten, was zwischen ihnen war, derartig betrügen und entehren konnte. Zumal er nur auf Anraten Tristans erneut heiratete, weil er seine erste Frau so liebte und kinderlos, wie er ist, Tristan als Erben einsetzen wollte.
- Dünkte zu wenig
- dich sein Dank,
- daß was du erworben,
- Ruhm und Reich,
- er zu Erb‘ und Eigen dir gab?
- Dem kinderlos einst
- schwand sein Weib,
- so liebt‘ er dich,
- daß nie aufs Neu‘
- sich Marke wollt‘ vermählen. (V. 1517-1526)
Marke ist also keinesfalls Unmensch, oder bösartig - im Gegensatz zu Melot, der aus Machtgier, seinen Freund ans Messer liefert. Tristan kann nur kurz antworten auf die Verzweiflung Markes: „O König, das - kann ich dir nicht sagen;“ (V. 1599 f.). Schließlich entsteht ein Kampf, worin Tristan von Melot schwer verwundet wird, aber nicht getötet - Marke rettet Tristan.
Dritter Akt
Tristan liegt schwer verwundet in der Ruine der Burg Karneol, die einst Tristans Vätern gehörte; wir befinden uns also in Tristans Heimat. Kurwenal hat ihn wohl aus dem Garten gerettet und ihn per Schiff an den Schauplatz gebracht, wo er jetzt Wache hält und auf ein weiteres Schiff wartet, auf dem sich Isolde befinden soll, nach der er durch einen Diener schicken lies. Ein Hirte im Hintergrund gibt Kurwenal ständig Informationen darüber, ob das Schiff naht. Tristan ist schwach und desorientiert, sodass Kurwenal ihm (oder dem Rezipienten) die gesamte Lage erklären muss. Kurwenal versucht Tristan aufzumuntern.
- im echten Land,
- im Heimat-Land,
- auf eigner Weid‘ und Wonne,
- im Schein der alten Sonne,
- darin von Tod und Wunden
- du selig sollst gesunden. (V. 1737-1742)
Doch Tristan kann dies „gesunden“ nicht beruhigen:
- Dünkt dich das, -
- ich weiß es anders,
- doch kann ich‘s dir nicht sagen. (V. 1743-1745)
Der weitere Szenenverlauf ist recht simpel. Kurwenal wird immer ungeduldiger, während Tristans Kräfte zusehends schwinden. Dabei fällt Tristan immer mehr ins Delirium; er singt im Wahn von Erlebtem und von seiner Liebe zu Isolde. Schließlich wird ein Schiff sichtbar, dessen Flagge gute Nachricht verheißt.
- Tristan:
- Die Flagge? Die Flagge?
- Kurwenal:
- Der Freude Flagge
- am Wimpel lustig und hell. (V. 2085-20879)
Dass Tristan nach der Flagge fragt, lässt darauf schließen, dass Wagner den Thomas-Stoff kannte, der Gottfried von Straßburg als Vorlage gedient haben muss. Gottfried beendet seinen "Tristan" nicht; das tödliche Ende, das von Thomas von Britannien erzählt wird, fehlt und ebenso vom Motiv der Flagge, mit dem Isoldes positive oder negative Entscheidung, bzgl. dessen, ob sie Tristan zur Hilfe eilt oder nicht, wird nicht berichtet. Wagner greift also hier zum Teil auf eine frühere Tristan-Fassung zurück, als die von Gottfried von Straßburg. Hier naht aber „der Freude Flagge“. Isolde ist an Bord, gekommen um Tristan zu heilen. Tristan schickt Kurwenal zum Hafen, damit er Isolde den Hügel zur Burg hinaufträgt, um sie vor dem beschwerlichen Weg zu bewahren. Tristan bleibt allein zurück, kämpft sich auf die Beine und schwankt dorthin, wo Isolde auftauchen wird. Als Isolde naht, werden ihre Rufe nach Tristan laut; kaum angekommen fällt Tristan ihr tot in die Arme. Alle Versuche ihn zu retten sind vergebens. Und Isolde klagt darüber, dass Tristan nicht auf sie gewartet hat, damit sie zusammen sterben können.
- Nicht an der Wunde,
- an der Wunde stirb mir nicht!
- Uns beide vereint
- erlösche das Lebenslicht! - (V. 2195-2198)
Plötzlich naht ein zweites Schiff. Marke ist mit Melot und Brangäne Isolde nachgereist. Kurwenal und seine Gefolgschaft versuchen den Eingang zur Burg zu barrikadieren, doch die Feinde durchbrechen den Widerstand, wobei Melot von Kurwenal tödlich verwundet wird und Tristan um Verzeihung bittend stirbt.
- Wehe mir! - Tristan! (V. 2250)
Im Zweikampf gegen Marke unterliegt Kurwenal - auch er stirbt. Die Kämpfe sind beendet. Marke wird dem toten Tristan gewahr und trauert um ihn; er hat ihm schon für seine Vergehen verziehen.
- Tot denn alles!
- Alles tot?
- Mein Held! Mein Tristan!
- Trautester Freund!
- Auch heute noch
- mußt du den Freund verraten?
- Heut, wo er kommt
- dir höchste Treu‘ zu bewähren?(V. 2276-2283)
Brangäne erklärt im Folgenden Isolde Markes Sinneswandel. Brangäne hatte in Abwesenheit Tristans und Isoldes Marke alles über den Zaubertrank erzählt und somit dem Liebespaar die Schuld genommen.
- Ihre blinde Schuld
- hat sie gesühnt;
- als du verschwunden,
- schnell fand sie den König:
- des Trankes Geheimnis
- erfuhr er kaum
- als mit sorgender Eil‘
- in See er stach,
- dich zu erreichen,
- dir zu entsagen,
- dir zu entsagen,
- dich zuzuführen dem Freund. (V. 2293-2303)
Nachdem Isolde von Marke verziehen wurde, besingt sie ihren toten Geliebten - und stirbt den Liebestod.
- Mild und leise
- wie er lächelt,
- wie das Auge
- hold er öffnet:
- sehr ihr, Freunde,
- säht ihr‘s nicht?
- Immer lichter
- wie er leuchtet,
- wie er minnig
- immer mächt‘ger,
- Stern-umstrahlet
- hoch sich hebt:
- seht ihr, Freunde,
- säh‘t ihr‘s nicht?
- Wie das Herz ihm
- mutig schwillt,
- voll und hehr
- im Busen quillt;
- wie den Lippen
- wonnig mild
- süßer Atem
- sanft entweht: -
- Freunde, seht -
- fühlt und seht ihr‘s nicht? -
- Höre ich nur
- diese Weise,
- die so wunder-
- voll und leise,
- Wonne klagend
- alles sagend,
- mild versöhnend
- aus ihm tönend,
- auf sich schwingt,
- in mich dringt,
- hold erhallend
- um mich klingt?
- Heller schallend,
- mich umwallend,
- sind es Wellen
- sanfter Lüfte?
- Sind es Wogen
- wonniger Düfte?
- Wie sie schwellen,
- mich umrauschen,
- soll ich atmen,
- soll ich lauschen?
- Soll ich schlürfen,
- untertauchen,
- süß in Düften
- mich verhauchen?
- In des Wonnemeeres
- wogendem Schwall,
- in der Duft-Wellen
- tönendem Schall,
- in des Welt-Atems
- wehendem All -
- ertrinken -
- versinken -
- unbewußt -
- höchste Lust! (V. 2322-2381)
Isolde sinkt kraftlos in Brangänes Arme. Der Vorhang fällt während der letzten Fermate.
Abweichungen von der Vorlage[2]
Vorgeschichte
Die erste Besonderheit des Wagner‘schen Tristan-Stoffes ist, dass die Handlung erst dort einsetzt, wo Tristan Isolde bereits für Marke gewonnen hat und sich mit ihr auf der Seereise nach Kornwall befindet. Tristans Jugend wird überhaupt nicht erzählt, seine Eltern nur wenig beschrieben. Man erfährt mehr oder weniger konkret nur von den jüngsten Ereignissen. Isolde schildert in ihrem Rachemonolog des ersten Aktes der Oper (V. 242-362) die Pflege des verwundeten Tantris, von dessen Abwesenheit vom irischen Hof nach seiner Genesung, der Rückkehr Tantris‘ an den irischen Hof und davon, wie Isolde ihn als den Tristan erkennt, der Morold getötet hat. Auch dass sie ihn nicht umbringt, obwohl sie es geschworen hat, Rache zu nehmen für Morolds Tod, bedauert sie. Des Weiteren erfährt man von der bevorstehenden Hochzeit mit Marke und dass Tristan nur nach Irland zurückkam, um für Marke um Isolde zu werben. Im letzten Akt erfahren wir von Kurwenal, der den verwundeten Tristan auf eine Burg gebracht hat, dass ebendiese Burg Tristans Heimat ist - Kareol. Im Original „Kanoel“ (V. 1643, 1647). Dass Tristan aus Parmenien stammt, erfahren wir nicht.
Tristans Eltern und Geburt
Bei Wagner werden Tristans Eltern nicht namentlich erwähnt; lediglich Tristans Geburt wird im zweiten Akt beschrieben. Tristan spricht hier darüber, dass ihm durch die Entdeckung der Affäre mit Isolde der Tod bevorsteht.
- Dem Land, das Tristan meint,
- der Sonne Licht nicht scheint:
- es ist das dunkel
- mächt‘ge Land,
- daraus die Mutter
- einst mich sandt‘
- als, den im Tode
- sie empfangen,
- im Tode sie ließ
- zum Licht gelangen. (V. 1604-1614)
Aus der Empfängnis im Tode lässt sich schließen, dass Riwalin, Tristans Vater (bei Gottfried) nach der Zeugung Tristans, oder währenddessen, verschieden sein muss. Bei Gottfried findet die Zeugung Tristans auf dem Krankenlager Riwalins statt, wo er anschließend durch Gottes Hilfe wieder genest.
- dar nâch sô was vil harte unlanc,
- unz daz ir beider wille ergienc
- und daz vil süeze wîp enpfienc
- ein kint von sînem lîbe.
- ouch was er von dem wîbe
- und von der minne vil nâch tôt;
- wan daz im got half ûz der nôt,
- sône kunde er niemer sîn genesen:
- sus genas er, wan ez solte wesen. (V. 1322-1330)
Was wiederum Gottfrieds Vorlage entspricht, ist, dass Blanscheflur (Tristans Mutter) bei der Geburt stirbt und Tristan so „im Tode [...] zum Licht gelangen“ ließ.
- si want sich unde brach îr lîp
- sus unde sô, her unde dar
- und treip daz an, sî gebar
- ein sünelîn mit maneger nôt.
- seht, daz genas und lac si tôt. (V. 1746-1750)
Morold
Wagner erhebt in seinem Libretto Morold zum Verlobten Isoldes:
- Angelobt war er mir,
- der hehre Irenheld; (V. 602 f.)
Bei Gottfried ist Morold nichts mehr als Isoldes Onkel.
- diu künegîn sîn swester,
- der leit was aber noch vester,
- ir jâmer unde ir clagenôt.
- sî unde ir tohter Îsôt
- die quelten manege wîs ir lîp. (V. 7165-7169)
Bei Gottfried reicht diese Verwandschaftsbeziehung als dramaturgisches Mittel; Wagner braucht aber ein stärkeres Zeichen, um Isoldes Gram rechtfertigen zu können.
Der Trank
In beiden Fassungen wird Brangäne von Isoldes Mutter ein Liebestrank auf die Reise mitgegeben, der die Liebe Markes zu Isolde sichern soll, um so Isolde mögliche Schmach zu ersparen. Bei Wagner ist Isolde aber über die Existenz des Trankes informiert und sie ist überzeugt davon, dass im Fläschchen, das Brangäne ihr zeigt und in dem sie den Liebestrank vermutet, ein Todestrank enthalten ist.
- Isolde:
- Du irrst, ich kenn‘ ihn besser;
- ein starkes Zeichen
- schnitt ich ein: -
- der Trank ist‘s, der mir frommt.
- Brangäne:
- Der Todestrank! (V. 436-441)
Isolde selbst hat das Fläschchen markiert, nachdem ihr die Mutter den Trank gegeben hat.
Isolde muss also schon vor der Abreise von ihrer Mutter auch über den Nutzen des Tranks informiert worden sein - nicht jedoch darüber, was es für ein Trank ist und wie er wirkt. Brangäne und - wie man später feststellen wird - auch Isoldes Mutter sehen in der Liebe die Lösung für bevorstehende Schmach. Isolde jedoch sieht die Entsühnung im Tod. Zwei Weltanschauungen klaffen hier auseinander.
Isolde sagt:
- Für Weh und Wunden
- gab sie Balsam;
- für böse Gifte
- Gegen-Gift:
- für tiefstes Weh,
- für höchstes Leid -
- gab sie den Todes-Trank.
- Der Tod nun sag‘ ihr Dank! (V. 523-530)
Klar ist, dass Isolde den Plan ihrer Mutter falsch interpretiert. Anstatt dem Tod wartet die Liebe auf sie. Isoldes Mutter muss wiederum Brangäne aufgeklärt haben darüber, dass es sich um einen Liebestrank handelt, denn Brangäne erklärt Isolde, die befürchtet, dass Marke sie nicht lieben wird und ihr Ehrverlust bevorsteht:
- Doch, der dir erkoren,
- wär‘ er so kalt,
- zög‘ ihn von dir
- ein Zauber ab,
- den bösen wüßt‘ ich
- bald zu binden;
- ihn bannte der Minne Macht. (V. 408-414)
Brangäne spricht also vom Einsatz des Liebestranks. Es gibt nun zwei Ansätze, warum Isolde den Todestrank überhaupt für notwendig und vorhanden hält: Entweder sie hat den Doppelmord an sich und Tristan schon lange geplant (sie will sich an Tristan rächen und sich gleichzeitig für den Mord an Tristan durch ihren eigenen Tod entsühnen; näheres im Kapitel Inhalt), oder sie nahm den Trank mit, um für alle Eventualitäten gewappnet zu sein und ihn schlimmsten Falls, also in dem Fall des Ehrverlusts, anzuwenden. Isolde sieht in der Rettung ihrer Ehre das Sterben; ihre Mutter den Zwang der Liebe. Brangäne bleibt nichts anderes übrig, als Isolde zu glauben, dass es sich um einen Todestrank handelt, schließlich ist Isolde die Alchemistin. Dass Isolde nun den Doppelmord vollziehen will, ist bei Wagner natürlich neu und somit auch, dass der Trank nicht zufällig getrunken wird - bei Gottfried handelt es sich beim Einsatz des Tranks um ein Versehen. Eigentlich sollte in der Vorlage nämlich Wein gereicht werde, den eine Bedienstete aber mit dem Trank verwechselt. Dieser ist nur Teil des Notfallplans Brangänes und Isoldes Mutter, falls Marke Isolde nicht lieben sollte. Auch ist bei Gottfried nie von einem Todestrank die Rede. Nicht neu ist allerdings das Motiv des Sühnetrinkens.
Kurwenal und Brangäne
Bei Gottfried ist Kurwenal Tristans Lehrer und Erzieher, welcher ihm im kompletten Roman zur Seite steht. Wagner lässt zwar auf eine freundschaftliche Nähe schließen, konkretisiert in seinem Libretto aber nicht, in welchem Verhältnis Tristan und Kurwenal wirklich stehen. Ebenso ist Brangäne uneindeutig angesiedelt. Ja, sie ist Vertraute Isoldes, eine Zofe vielleicht oder sogar ihre Amme. Genau lässt sich das nicht sagen. Jedenfalls wird das verwandschaftliche Verhältnis das Gottfried einführt nicht immanent. Dort ist Brangäne die Nichte der Königin, also der Mutter Isoldes. Folglich ist Brangäne die Cousine Isoldes.
- „sich, warte“ sprach diu künegîn
- „waz ist diz oder waz mag diz sîn?
- Brangaene, höfschiu niftel, sprich!“ (V. 9419-9421)
Melot und Marjodo
Bei Wagner entfällt die Figur des Marjodo, jedoch nicht seine Funktion. Marjodo und Melot scheinen ein und dieselbe Person zu sein. Wo Marjodo bei Gottfried die Funktion des Freundes Tristans anheim fällt, desjenigen, der das Verhältnis zwischen Tristan und Isolde zuerst entdeckt und der dann Markes Verdacht weckt, kommen alle diese Funktionen bei Wagner Melot zu. Bei Gottfried stellt Melot „nur“ die zweite Instanz dar und wird als bösartiger Zwerg erst dann relevant, als Marjodos und Markes Listen erfolglos bleiben und Melots finstere Schläue notwendig wird. Melot ist bei Wagner also Tristans vermeintlich bester Freund an Markes Hofe, der ihn aber an Marke verrät und somit entscheidende dramaturgische Funktion im zweiten Akt innehat. Brangäne, die Melot durchschaut, bleibt nichts anders übrig, als die vor Liebe blinde Isolde zu warnen und machtlos Melots Intrigen zuzuschauen.
- Tückisch lauschend
- treff‘ ich ihn oft:
- der heimlich euch umgarnt,
- vor Melot seid gewarnt. (V. 854-857)
und
- Von Tristan zu Marke
- ist Melots Weg;
- dort sät er üble Saat. (V. 866-868)
Isolde glaubt Brangäne nicht: „Ist er nicht Tristans treuster Freund?“ (V. 860 f.)
List und Entdeckung
Melot stellt zudem ein Bindeglied zwischen Liebenden und Feinden dar. Das Besondere daran ist, dass er Tristan und Isolde falsch rät und somit eine aktivere Rolle spielt als bei Gottfried: Melot erdenkt sich mehrere Listen, die in ihrem Zusammenhang das Schicksal des Paares entscheiden. Isolde empfiehlt er als Zeichen dafür, dass Tristan sie gefahrlos besuchen könne, einfach nachts das Licht zu löschen. Nun fädelt er eine Jagdgesellschaft ein. Tristan und Isolde sagt er, dass er Marke und den Hofstaat auf eine längere Jagd geschickt hat, damit sie ungestört seien. Doch der Schein trügt. Melot handelt im Sinne Markes und kaum ist das Licht gelöscht, stehen Marke und Melot in Isoldes Garten und erwischen das Paar in ihrer Zweisamkeit. Bei Gottfried sind alle Listen Markes und dessen Berater sehr einseitig. Es werden Fallen gelegt, aufgelauert, versucht mit Worten und Fangfragen die Liebenden zu überführen. Einen destruktiven Berater Tristans oder Isoldes gibt es nicht. Bei Gottfried lässt sich das Liebespaar ausschließlich von Kurwenal und Brangäne beraten, welche treu ergeben sind und in alle Geheimnisse der Liebschaft eingeweiht - auch in den Zusammenhang mit dem Trank. Diese Art von ambivalenter Haltung ist neu bei Wagner. Sobald nämlich Marjodo (bei Gottfried) seinen Freund Tristan entdeckt hat, ist die Freundschaft dahin, es findet überhaupt kein Austausch mehr statt; weder freundschaftlicher noch verräterischer Art. Eine weitere Besonderheit bei Wagner: Es gibt eine einzige List, die das Verhältnis des Liebespaares entlarvt - auf Anhieb, in flagranti. Es bleibt kein Zweifel offen. Gottfried spinnt List um List, jede raffinierter als die vorhergehende. Und alle bleiben sie erfolglos oder lassen Zweifel zu, weil Isolde und Brangäne (Tristan spielt hierbei eine untergeordnete Rolle) klug genug sind, um Marke und die Seinen zu täuschen und es immer wieder schaffen - mit mehr oder weniger großem Aufwand - sich aus der Affäre zu ziehen.
Das Ende
Zuallererst muss gesagt werden, dass Wagner sich beim Ende seiner Oper nicht mehr auf Gottfried von Straßburg bezogen haben kann. Dieser hat seinen Tristan-Roman nämlich niemals vollendet. Es ist anzunehmen, dass Wagner den Stoff herangezogen hat, auf den sich Gottfried selbst auch bezogen hat. Thomas von Britannien schrieb einen der ersten Tristan-Romane - und beendete diesen auch. Gottfrieds Roman wurde schließlich noch vollendet: Ulrich von Türheim und Heinrich von Freiberg schrieben jeweils eine Fortsetzung, doch ist nicht geklärt, ob diese im Sinne Gottfrieds zu lesen sind. Allerdings integriert Wagner derartig viele Details, die nirgends erwähnt werden, dass das Ende kaum noch mit dem Original zu vergleichen ist.
Tristans Verwundung und Flucht
Tristan wird bei Wagner am Ende des zweiten Aktes von seinen Widersachern tötlich verwundet, nachdem seine Affäre mit Isolde aufgedeckt wird in der Baumgarten Szene. Daraufhin flieht Kurwenal mit dem verwundeten Tristan auf dessen Heimatburg, die bereits in Trümmern liegt - eine Analogie zum verwundeten Tristan ist unmissverständlich. Wagner hat eine ganz entscheidende Änderung vollzogen: Im Original trennt sich Tristan nämlich von Isolde (nur räumlich versteht sich) und aus Einsamkeit heiratet er Isolde Weißhand, welche er jedoch nicht lieben kann. Sexualität findet zum Beispiel nicht statt zwischen ihnen. Die Ähnlichkeit des Namens und der äußeren Erscheinung der "neuen" Isolde wecken in Tristan solche Sehnsüchte nach der "alten" Isolde, dass er sie aus Liebeskummer doch ehelicht. In Isolde Weißhands Reich wird Tristan dann verwundet und nach der geliebten Isolde geschickt, damit sie ihn heile. Der Schauplatz, Tristans Heimatburg, liegt in Trümmern und mitten darin der verwundete Tristan. Hier finden sich also zwei Abweichungen: Erstens besucht Tristan diese Burg niemals am Ende des Originalstoffes, sondern stirbt bei seiner Ehefrau Isolde Weißhand, nachdem er schwer verwundet wurde, noch hat er in verwundetem Zustand eine Reise unternommen.
Isoldes Ankunft und Tod
Im Tristanroman wird als Zeichen, ob Isolde kommt oder nicht, ausgemacht, dass im positiven Fall eine weiße, im negativen eine schwarze Flagge auf dem Schiff, welches Isolde bringen soll, gehisst wird. Aus Eifersucht, Zorn und Enttäuschung über Tristan, der sie - wie sie nun erkannt hat - niemals liebte, sagt Isolde Weißhand ihrem Ehemann, dass Isolde nicht kommt. Sie lügt, denn eine weiße Flagge wurde gehisst. Aus Kummer und sich Vorwürfe machend, darüber dass er seine geliebte Isolde hinterging, stirbt Tristan - und Isolde auch, aber an gebrochenem Herzen, nachdem sie den toten Tristan erblickt. Das Bild der Flagge findet sich auch bei Wagner und wird von Kurwenal auch richtig und wahrheitsgemäß gedeutet. Doch Tristan ist zu schwach und überlebt nicht lange genug, um Isolde noch einmal zu sehen. Dass Marke erscheint und im Angesicht des toten Tristan alles verzeiht, was ihm angetan wurde vom Liebespaar, ist ebenfalls neu. Im Roman findet die Vergebungsszene zwar auch statt, aber viel früher und unter völlig anderen Gesichtspunkten. Alleine schon Markes Präsenz ist eine Änderung; ebenso auch Kurwenals, der im Tristanroman am Ende auch nicht zugegen ist. Als nun Isolde bei Wagner Tristan entdeckt, stirbt sie an gebrochenem Herzen den Liebestod. Und wird im Tode eins mit Tristan.
Dramaturgische Besonderheiten
Figuren
Zu den Figuren bleibt nicht viel zu sagen. Wagner reduziert die Vielzahl der Figuren bei Gottfried auf ein Minimum. Natürlich ist dies nicht zuletzt aus aufführungspraktischen Gründen von Nöten. Doch sind viele Charaktere in der Reflexion noch vorhanden. Außer Tristan und Isolde, die zusammen als Protagonisten angesehen werden müssen, und nicht wie bei Gottfried in erster Linie Tristan als Protagonist, was Gottfried von Straßburgs Romantitel "Tristan" schon andeutet - Wagner nennt seine Oper immerhin "Tristan und Isolde" - kommen nur noch Nebenfiguren vor, in stark reduzierter Weise. So sind Kurwenal und Brangäne direkte Vertraute der Protagonisten, wogegen Marke und Melot deren Antagonisten darstellen - sie sind ausschließlich für die äußere Handlung relevant. Der Steuermann und der Hirte nehmen überhaupt keinen, für die äußere Handlung relevanten Raum ein. Tristan und Isolde sind die Einzigen, die an der inneren Handlung des Stückes teilhaben.
Orte
Wagner wählt seine Schauplätze in den Akten seiner Oper nicht wahllos. Hier soll kurz beschrieben werden, wie Ort und emotionale Grundhaltung korrelieren und sich gegenseitig beeinflussen. Der Raum bei Wagner ist psychologisiert und spiegelt gleichzeitig Emotionen wieder. In allen Akten ist aber, um dies weiter unten aussparen zu können, der Tod, Todeswunsch und die Todesmetaphorik vorhanden.
Das Schiff im ersten Akt
Der komplette erste Akt des Stückes findet auf dem Schiff statt, das Isolde und Brangäne aus Irland zu Marke bringen soll. Die darin enthaltene Symbolik: das Ausweglose der stetigen Überfahrt, das Umgebensein von Wasser und somit das Gefangensein auf dem Schiff und das stetige Näherkommen der verhassten Küste und Markes, unterstreichen die Festgelegtheit an Emotionen des ersten Aktes. Isolde ist bedrängt, einerseits wie wir gesehen haben, durch die räumliche Situation auf dem Schiff und andererseits davon, dass sie Marke heiraten soll, den sie nicht liebt. Zudem hat ihr Aufpasser Tristan ihren Verlobten im Kampf getötet. Isolde ist durch diese Rahmenbedingungen, geschaffen von "Schiff" und "Menschen", gehetzt und ergibt sich ganz ihrer emotionalen Grundhaltung, nämlich dem Zorn. Sie ist getrieben vom Gedanken sich an Tristan zu rächen, sei es, dass sie sich mit ihm umbringen muss. Die emotionale Bewegung Isoldes steht hier sicherlich im Mittelpunkt. Sie ist innerlich ebenso bewegt, wie das Meer und das Schiff auf den Wellen. Nicht umsonst beschließt Isolde auf dem Schiff - als Mittel der Überfahrt und somit des "Übergangs [Wapnewski: S. 110]" - Tristan und sich selbst zu töten. Im Übrigen finden auch in der Tristan-Sage alle wesentlichen handlungskonstituierenden Momente auf Schiffen statt. Tristan wird auf einem Schiff entführt, fährt zur Heilung auf einem Schiff nach Irland, Isolde naht als Retterin und weißer Flagge auf einem Schiff zurück, um nur einige zu nennen. Das Schiff ist symbolisch zu deuten als Schicksal und Übergang, als Isolation und Neuanfang [Wapnewski: S. 111].
Der Baumgarten im zweiten Akt
Diese Szene steht ganz im Zeichen der Liebe des Paares. Der Garten, in dem die Liebeselegien des Paares stattfinden, liegt in "heller, anmutiger Sommernacht" (S. 44). Diese laue Sommernacht impliziert natürlich einen versöhnlichen, schützenden Raum. Der Raum ist ebenso idyllisch, wie das Paar miteinander harmoniert. Hohe Bäume bieten einen umschließenden, beschützenden, privaten Raum, in dem sich Tristan und Isolde vereint und anfangs alleine befinden. Doch das paradiesische Idyll verleitet das Paar auch dazu, sich zu sicher zu fühlen und so folgt die "Vertreibung aus dem Paradies", als sie von Marke entdeckt werden. Mit der schwindenden Nacht, die das Paar nicht wahrnimmt, schwindet der Schutz und die Heimlichkeit. Mit dem Anbruch des Tages, werden sie entdeckt.
- Hebet acht!
- Habet acht!
- Schon weicht dem Tag die Nacht. (V: 1306 - 1308)
warnt noch Brangäne. Durch die Hingabe der Liebenden im Zentrum von Markes Macht (es ist sein Burggarten), ersetzt der Garten bei Wagner natürlich auch die Minnegrotte im Roman.
Tristans Heimat im dritten Akt
Der verwundete Tristan wurde von Kurwenal auf Tristans heimatliche Burg gebracht, welche teilweise in Trümmern liegt, herrenlos scheint und übel gepflegt ist (S. 78). Die Burg ist schadhaft, ebenso wie Tristan. Doch lässt ein Blick "auf einen weiten Meereshorizont" (S. 78) zu, dass man aufgrund der implizierten Weite und Unendlichkeit des Meeres, Hoffnung auf ein rettendes, erlösendes Ende haben kann. Und tatsächlich findet am Ende des Stückes Erlösung statt, allerdings Erlösung im Tod und Vervollkommnung der Liebe des Paares im Sterben. Das Sterben, die Sehnsucht und die Erfüllung der Liebe und das Einswerden im Unendlichen, alles Metaphysische und Transzendente, das der wagner'sche Stoff zu bieten hat, findet im dritten Akt, im Liebestod, seinen Abschluss.
Nachtmetaphorik und Einswerdung
Wagners großes Thema in "Tristan und Isolde" ist die Darstellung und Beschreibung von absoluter Liebe und dem Einswerden in derselben. Alles Leiden an der Welt kann vergehen in der Aufgabe der Individualität und dem Einswerden mit einer anderen Seele zu einem ganzen Unendlichen in der Liebe. Hier wird im Weiteren erläutert, wie Richard Wagner es schafft, dieses transzendente Auflösen zur Einheit hin darzustellen.
Tag und Nacht
Die Sprache Wagners steht ganz im Zeichen des 19. Jahrhunderts, dem Jahrhundert der Psychoanalyse. Von dem Moment an, an dem Tristan und Isolde den Liebestrank trinken, ist es auffällig wie oft die Wörter "Nacht" und "Dunkel", sowie die Gegenbegriffe "Licht", "Schein", "Leuchte", "Sonne" und "Gleißen" [Rieger: S. 154] von dem Paar besungen werden. Dieses Trinken bezeichnet den Ausbruch der Liebe, die von Isolde induziert wird, indem sie von Tristan verlangt, mit ihr den Trank zu trinken. Alles Sexuelle wird im 19. Jh. dem Weiblichen zugeordnet und in Nachtsymbolik umkodiert. So fallen eben alle Begriffe des Dunkels und der Nacht Isolde zu, die somit zur fleischgewordenen Erotik umfunktioniert wird. Es verwundert also auch nicht, dass Isolde mit dem Todestrank nicht den Tod bringt, sondern die Liebe und somit auch Erotik. Dem gegenüber steht das Männliche, was dem Tag, dem Licht, allem Hellen zugordnet werden muss. Tristan, der strahlende Held, ist somit reines Gegenstück zu Isolde - er ist Ausdruck des höfischen Gesellschaftsideals. Ab der Liebestrankszene im ersten Akt, lösen sich diese Grenzen aber zusehends auf, denn wie oben angedeutet, häufen sich die Begriffe der Tag- und Nachtwelt ab diesem Moment und werden sowohl von Tristan, als auch von Isolde besungen. Beinahe die komplette Konversation des Liebespaares im zweiten Akt besteht aus Bildern, die sich dieser Symbolik bedienen. Selbst szenisch überlagert das Nächtliche das Liebesidyll. Während der Nacht im Garten können die Liebenden ganz in ihrer Liebe existieren, emotional fern ab von der Gesellschaft. Die äußere Handlung steht an dieser Stelle still. Das Paar dreht sich um sich selbst und stellt sich selbst in den Mittelpunkt des Geschehens. Die Nacht in der Szene macht erst mit dem Einfall des Tages und somit mit dem Einbruch der gesellschaftlichen Ordnung, repräsentiert von Marke und Melot, dem Liebestreiben ein Ende. Deutlich wird das Eintreten Tristans ins Reich der Lust, indem er im zweiten Akt singt:
- Dem Tag! Dem Tag!
- Dem tückischen Tage,
- dem härtesten Feinde
- Haß und Klage!
- Wie du das Licht,
- o könnt' ich die Leuchte,
- der Liebe Leiden zu rächen,
- dem frechen Tage verlöschen! (V. 1037 - 1044)
(Dies ist nur eines von vielen möglichen Beispielen, die alle zu zitieren einem Abschreiben des Minnedialogs gleichkäme.)
Dass Tristan hier den Tag verdammt, sich also von seiner Rolle als nicht-lustgetriebener Mann distanziert und die Nacht herbeisehnt, macht deutlich, woraus die Liebe bei Wagner besteht. Darin nämlich, dass Tristan in die Welt Isoldes eintauchen will, seine Sphäre dabei verlassen muss, dies aber gerne in Kauf nimmt und schlussendlich seine Individualität aufgibt, um mit dem ihm Fremden der Nacht und Isolde in absoluter Liebe zu verschmelzen. Isolde ist natürlich Auslöser für dieses Begehren Tristans. Ein Problem bleibt bestehen: Wie soll man etwas so großes, transzendentes wie Unendlichkeit und das abstrakte, nicht denkbare Auflösen, also das Nichts-Werden im Liebespartner und gleichzeitiges Erreichen des Einswerdens und Ganzwerdens mit so weltlichen Dingen wie Wörtern ausdrücken. Diese große Emotionalität versucht Wagner wiederum mit völlig abstrakten dunklen Metaphern zu umschreiben. So dienen Verse wie in des Welt-Atems / wehendem All (V. 2376 f.) einzig und allein dazu, eine Ahnung von dem zu vermitteln, was hinter dem Einswerden kommt. Die Sprachlosigkeit dieser Metaphern, oder Bilder zeigt für sich schon, wie wenig nachvollziehbar Wagners romantische Liebesvorstellung sein muss, selbst für ihn. Die Erfüllung des Seins, findet sich in der völligen Auflösung des Selbst wieder, was gleichzeitig zum Sein in Allem wird. Diesen Zustand der Transzendenz zu erreichen, indem man sich metaphysisch mit dem Partner vereinigt, ist sicherlich Wagners Pathos und Verklärung und erklärt seine emphatische Überhöhung des gesamten Tristan-Stoffes.
Musikalische Motive
Betrachtet man die musikalischen Motive Wagners Kompositionen, fällt am "Tristan" eines ganz besonders auf: Wo nämlich beispielsweise im "Ring-Zyklus" einzelne Motive konkreten Personen zugeordnet werden können, kann man bei "Tristan und Isolde" diese Motive nur Emotionen, also "nur" Abstraktae zuordnen. Das Rache-Motiv der Isolde im ersten Akt wird im zweiten Akt von Marke übernommen. Selbst das so bekannte "Tristan-Motiv" muss auch Isolde zugeordnet werden. Das wellenartige Emporwachsen der Orchesterbegleitung im Finale des dritten Aktes, in "Isoldes Liebestod", findet sich schon früher im Minnedialog des zweiten Aktes. Auch hier wird die Verschmelzung zweier Menschen in der Liebe, durch Aufgabe des Individualitätsanspuches in der musikalischen Verarbeitung von Emotionen deutlich.
Liebestod
Wie sollte es anders sein, als dass die Helden der Oper am Ende des Stückes Erlösung von allem Weltschmerz und Erfüllung ihrer Liebe finden. Diese Erlösung und Erfüllung finden sie im Tod. Mit der Auflösung der materiellen Hülle und der Gewissheit mit dem Partner im Tod vereinigt zu sein, sterben Tristan und Isolde sehnsuchtsvoll, das Einswerden erwartend und freudvoll ihren doch individuellen Liebestod. Tristan sinkt der herbeieilenden Isolde sterbend in die Arme. Kurz zuvor singt er:
- Ha, diese Sonne!
- Ha, dieser Tag!
- Ha, diese Wonne
- sonnigster Tag!
- Jagendes Blut,
- jauchzender Mut!
- Lust ohne Maßen,
- freudiges Rasen: (V. 2135 - 2142)
Die Tagessymbolik darf hier nicht mehr nach freudscher Art gelesen werden. Tristan erkennt, dass er sterben muss und sieht im Tod die Erlösung seines Leidens an der Liebe und an der Zwiespältigkeit seiner un-moralischen Handlungen an der Gesellschaft und an Marke. An der Gesellschaft machte er sich nämlich schuldig, weil er sich der Nachtwelt hingab, die so nicht geduldet werden kann - immerhin ist er ein Geschöpf des Tages. An Marke versündigte er sich, indem er eine Affäre mit dessen Frau hatte und ihn so entehrte. Das Licht in obigem Zitat muss als eucharistisches Licht gelesen werden, als ein Leuchten des Himmels, als transzendente Erlösungsfantasie. Das Auftreten der erotisch konnotierten Elemente deuten auf das bevorstehende Einswerden mit Isolde hin. Er wird mit ihr verschmelzen im Tod und in der Nacht und im Tag. Anschließend an den Liebestod Tristans, denn als solcher kann er ohne Weiteres gedeutet werde, immerhin stirbt er in Vorfreude und Gewissheit des Einswerdens, erliegt Isolde ihrem gebrochenen Herzen. Sie verkraftet Tristans Tod nicht und ihr bleibt somit nur noch ihr eigener Tod, um mit ihrem Geliebten eins werden zu können - eins zu werden über allem anderen Existenten. In ihrer Erlösungsarie singt sie:
- seht ihr's Freunde,
- säht ihr's nicht?
- Immer lichter
- wie er leuchtet
- wie er minnig
- immer mächt'ger,
- Stern-umstrahlet
- hoch sich hebt: (V. 2326 - 2333)
Auch hier sind wieder Tag und Nacht integriert. Sehr spannend ist hier zu beobachten, dass alleine sie den erlösten, stern-umstrahlten Tristan sieht. Die Freunde scheinen nicht in der Lage zu sein, das transzendente Erlösungsmotiv zu realisieren, da dies nur in der vollkommenen eins-stiftenden Liebe möglich sein kann. Auch dem mittelhochdeutschen Begriff der minne begegnen wir hier. Er unterstützt noch einmal das Nicht-sehen-können des Lichts der Umstehenden und referiert auf die Romanvorlage, wo auch nur diejenigen die Liebe erleben können, also das Licht sehen können, welche edelen herzen[s] sind. Bei Wagner können nur Tristan und Isolde dieses Herz haben, sonst würde seine gesamte Minneideologie nicht aufgelöst werden. Während sich nun das Orchester in Isoldes Liebestodarie aufwellend steigert und Spannung um Spannung erzeugt, die sehnsuchtsvoll nach Auflösung trachtet, zerfließt Isolde selbst sterbend
- In des Wonnemeeres
- wogendem Schwall
- in der Duft-Wellen
- tönendem Schall,
- in des Welt-Atems
- wehendem All - (V. 2372 - 2377)
und wird im Tode erlöst und eins mit der Unendlichkeit.
- ertrinken -
- versinken -
- unbewußt -
- höchste Lust! (V. 2378 - 2381)
Isolde löst sich gleichsam mit dem Orchester in völliger Harmonie auf und stirbt, während die letzte Harmonie der Oper, als Fermate stehend, langsam verhallt. Es scheint, als wolle Wagner seine Musik nicht verstummen lassen. Gerade die abschließende Fermate und die so anhaltende Harmonie, implizieren eine fortklingende absolute Musik - gelesen als Ewigkeitsallegorie; denn das Einswerden in Wagners ästhetischer und philosophischer Ideologie kann selbst niemals enden.
Fazit
In der näheren Betrachtung Wagners Werk kann also beobachtet werden, wie komplex und geschickt der Tristan-Stoff umgeformt und gekürzt wurde, um die wesentlichen bühnendramaturgischen und dramatischen Elemente des "Tristan" herauszuschälen und isoliert zur Schau zu stellen. Anhand der Inhaltsangabe, die ebenso umfangreich zu sein scheint wie die des Romans, sieht man schon, wie komplex trotz aller Kürzungen die Handlung fortgesponnen wird. Die Orientierung am Original Gottfrieds von Straßburg ist immanent, denn sogar auf textlicher, nicht nur thematischer, Ebene lassen sich genügend Entsprechungen und Anlehnungen finden. Natürlich muss Wagner den Romanstoff künstlerisch und ästhetisch neu überformen; allein schon deshalb, weil er den "Tristan" auf ein anderes Medium überträgt. Im Mittelpunkt hierfür steht ein äußerst komplexer kunstästhetischer und philosophischer Ansatz, der nachzuspüren versucht, wie der absolute Weltschmerz abgestreift und absolute Erfüllung und Erlösung im Unendlichen gefunden werden kann: durch Liebe. Insbesondere in der musikalischen und thematischen Verarbeitung des Sterbens der Isolde und der darin enthaltenen überhöhten Ideologie, kommt alles Wagnerische im Musikdrama "Tristan und Isolde" zum Ausdruck.
Einzelnachweise
- ↑ Zitationen in diesem Kapitel aus: Wagner, Richard; Voss, Egon (Hrsg.); Tristan und Isolde; Textbuch mit Varianten der Partitur; Reclam; Stuttgart; 2003.
- ↑ mhd. Zitationen dieses Kapitels beziehen sich auf: Gottfried von Straßburg; Ranke, Friedrich (Übers.); Tristan, Band 1 und 2; Reclam; Stuttgart; 2007. Alle übrigen siehe unter Fußnote 1
Literatur
- Bartnæs, Morten; Richard Wagners "TRistan und Isolde", Literarische Alleinswerdung als literaturwissenschaftliches Problem; Wehrhahn Verlag; Hannover; 2001.
- Bloch, Ernst; Tristans Nacht, in: Csampai, Attila und Holland, Dietmar (Hrg.); Richard Wagner, Tristan und Isolde, Texte, Materialien, Kommentare; Rowohlt Verlag; Hamburg; 1983; S. 196 - 201.
- Dahlhaus, Claus; Tristan und Isolde, in: Csampai, Attila und Holland, Dietmar (Hrg.); Richard Wagner, Tristan und Isolde, Texte, Materialien, Kommentare; Rowohlt Verlag; Hamburg; 1983; S. 231 - 243.
- Dorschel, Andreas; Die Idee der "Einswerdung" in Wagners Tristan, in: Metzger, Heinz-Klaus und Riehn, Rainer (Hrg.); Richard Wagner, Tristan und Isolde; Musik Konzepte; Heft 57/58; edition text und kritik; München; 1987; S. 3 - 45.
- Holland, Dietmar; "Hier wütet der Tod", Zu Wagners "Tristan und Isolde", in: Csampai, Attila und Holland, Dietmar (Hrg.); Richard Wagner, Tristan und Isolde, Texte, Materialien, Kommentare; Rowohlt Verlag; Hamburg; 1983; S.9 - 25.
- [*Rieger] Rieger, Eva; "Lust ohne Maßen, freudiges Rasen": Erotisches in "Tristan und Isolde", in: Rieger, Eva und Schroeder, Hiltrud (Hrg.); "Diese Frau ist der Rede wert" - Festschrift für Luise Pusch; Centaurus Verlag; Herbolzheim; 2004; S. 150 - 157.
- Voss, Egon; Wagners "Tristan": "Die Liebe als furchtbare Qual", in: Csampai, Attila und Holland, Dietmar (Hrg.); Richard Wagner, Tristan und Isolde, Texte, Materialien, Kommentare; Rowohlt Verlag; Hamburg; 1983; S. 101 - 111.
- Wolf, Alois; Gottfried von Straßburg und die Mythe von Tristan und Isolde; Wissenschaftliche Buchgesellschaft; Darmstadt; 1989.
- Wagner, Richard; Prosafassung "Tristan und Isolde" (1857), in: Borchmeyer, Dieter (Hrg.); Richard Wagner - Dichtungen und Schriften, Jubiläumsausgabe in zehn Bänden, Band 4; Insel Verlag; Frankfurt am Main; 1983.
- [*Wapnewski] Wapnewski, Peter; Tristan der Held Richard Wagners; Severin und Siedler; 1981.